VwGH 2001/07/0067

VwGH2001/07/006715.11.2001

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Bumberger, Dr. Beck, Dr. Hinterwirth und Dr. Enzenhofer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Flendrovsky, über die Beschwerde der H Gesellschaft m.b.H. in W, vertreten durch Dr. Horst Auer, Rechtsanwalt in Wien I, Börseplatz - Börsegasse 10, gegen den Bescheid des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft vom 24. November 2000, Zl. 31 3572/31- III/1 U/00 - Lo, betreffend Abfallfeststellung, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §66 Abs2;
AVG §68 Abs1;
AWG 1990 §2 Abs3;
AWG 1990 §2 Abs3a idF 1998/I/151;
AWG 1990 §2 Abs3a Z1 idF 1998/I/151;
AWG 1990 §2 Abs3a Z2 idF 1998/I/151;
AWG 1990 §2 Abs3a Z3 idF 1998/I/151;
AWG 1990 §2 Abs3a Z4;
AWG 1990 §4 Abs3 idF 1998/I/151;
AWG 1990 §4 Abs3;
BAO §299 Abs1 litb;
BAO §299 Abs1;
VwGG §63 Abs1;
VwRallg;
AVG §66 Abs2;
AVG §68 Abs1;
AWG 1990 §2 Abs3;
AWG 1990 §2 Abs3a idF 1998/I/151;
AWG 1990 §2 Abs3a Z1 idF 1998/I/151;
AWG 1990 §2 Abs3a Z2 idF 1998/I/151;
AWG 1990 §2 Abs3a Z3 idF 1998/I/151;
AWG 1990 §2 Abs3a Z4;
AWG 1990 §4 Abs3 idF 1998/I/151;
AWG 1990 §4 Abs3;
BAO §299 Abs1 litb;
BAO §299 Abs1;
VwGG §63 Abs1;
VwRallg;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufgehoben.

Der Bund hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Über Antrag der beschwerdeführenden Partei erließ die Bezirkshauptmannschaft Wiener Neustadt (BH) unter dem Datum des 11. Oktober 2000 einen Bescheid mit folgendem Spruch:

"Die BH Wiener Neustadt stellt fest, dass das von der (beschwerdeführenden Partei) im Standort S, B-Straße 200, zur Erzeugung vorgesehene Produkt "Einblasdämmstoff" gemäß der folgenden Beschreibung und den diesem Bescheid beigeschlossenen Unterlagen kein Abfall ist.

Beschreibung:

Die Dämmstoffe bestehen aus einem Gemisch von ca. 70 % Zellstoff und 30 % Kunststoff, das als einblasfähiges Material zum Einsatz gelangen soll. An Vorbehandlung erfolgt eine Trocknung, Zerkleinerung und biozide Ausstattung mit dem Fungizid BAC 50, welches mit einer Einsatzkonzentration von 0,5 bis 1 % zur Anwendung gelangt.

Folgende Unterlagen und Untersuchungen liegen für das Produkt "Einblasdämmstoff" vor, welche als Bestandteil dieses Bescheides angeschlossen sind: (Es folgt eine Aufzählung dieser Unterlagen)."

Als Rechtsgrundlage dieses Bescheides ist § 4 des Abfallwirtschaftsgesetzes, BGBl. Nr. 325/1990 (AWG), genannt.

In der Begründung werden die eingeholten Stellungnahmen, Gutachten und sonstigen Unterlagen angeführt. In diesem Zusammenhang ist auch erwähnt, dass ein von der BH beigezogener Amtssachverständiger für Abfallchemie in einem Gutachten vom 17. April die vorliegenden Unterlagen als für eine Beurteilung noch nicht ausreichend bezeichnet habe, weshalb von der beschwerdeführenden Partei weitere Unterlagen vorgelegt worden seien. Daraufhin habe der erwähnte Amtssachverständige in einem weiteren Gutachten vom 10. Juli 2000 erklärt, unter Berücksichtigung der ermittelten Eigenschaften des vorbehandelten Kunststoff-Zellstoffgemisches sowie der durchgeführten Behandlungsweisen, die nunmehr ergänzt worden seien, könne festgestellt werden, dass ein Produkt hergestellt werde, welches dämmende Eigenschaften besitze und somit nicht mehr als Abfall zu bezeichnen sei. Die nunmehr vorliegenden Produktangaben seien im Hinblick auf die beabsichtigte Verwendung (Herstellung eines Einblasdämmstoffes) vollständig.

Dieser Bescheid wurde der belangten Behörde vorgelegt. Diese holte eine Stellungnahme eines abfalltechnischen Amtssachverständigen ein. Dieser konstatierte logische Widersprüche in den Stellungnahmen des Amtssachverständigen für Abfallchemie vom 17. April 2000 und vom 10. Juli 2000 sowie prinzipielle Mängel in den vorgelegten Unterlagen und kam zu dem Ergebnis, dass der vom erstinstanzlichen Bescheid erfasste "Einblasdämmstoff" nicht als Produkt, welches die Abfalleigenschaft verloren habe, eingestuft werden könne.

Dieses Gutachten wurde der beschwerdeführenden Partei zur Kenntnis gebracht und ihr Gelegenheit gegeben, hiezu Stellung zu nehmen.

Die beschwerdeführende Partei erklärte mit Schreiben vom 16. November 2000 gegenüber der belangten Behörde, da von ihr kein Antrag gemäß § 4 AWG bei der belangten Behörde eingebracht worden und auch sonst kein Verfahren anhängig sei, sei für sie nicht ersichtlich, in welchem Verfahren eine Stellungnahme abgegeben werden solle. Es werde daher um Mitteilung ersucht, in welchem in die Zuständigkeit der belangten Behörde fallenden Verfahren das Parteiengehör gewährt werde und auf welcher Rechtsgrundlage dieses Verfahren bei der belangten Behörde geführt werde. Nach Erhalt dieser Mitteilung werde die beschwerdeführende Partei die Stellungnahme fristgerecht abgeben.

Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid vom 24. November 2000 hob die belangte Behörde den Bescheid der BH vom 11. Oktober 2000 "als sachlich in Betracht kommende Oberbehörde gemäß § 4 Abs. 3 Z. 1 (unrichtige Feststellung des den Bescheid zugrunde liegenden Sachverhaltes) und Z. 2 AWG (rechtswidriger Inhalt des Bescheides)" auf.

In der Begründung heißt es nach Wiedergabe der im Verfahren vor der BH wie auch im Verfahren vor der belangten Behörde eingeholten Gutachten, Stellungnahmen und sonstigen Unterlagen, die Gutachten des chemisch-technischen Amtssachverständigen und auch des medizinischen Amtssachverständigen, auf denen der Feststellungsbescheid der BH beruhe, seien aus folgenden Gründen unzureichend, nicht schlüssig und daher nicht nachvollziehbar:

"(3) Ist eine Sache Abfall und wird sie sodann einer Verwertung zugeführt (Altstoff), gilt sie so lange als Abfall, bis sie oder die aus ihr gewonnenen Stoffe einer zulässigen Verwendung oder Verwertung zugeführt werden. Auf Altstoffe sind die §§ 16 und 28 nicht anzuwenden. Der Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie (nunmehr: Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft) kann, soweit dies zur Erleichterung der Verwertung ähnlich ist und mit den öffentlichen Interessen (§ 1 Abs. 3) vereinbar ist, mit Verordnung jene Stoffe bestimmen, welche jedenfalls als Altstoffe in Betracht kommen."

§ 2 Abs. 3a AWG lautet:

"(3a) Unbeschadet des Abs. 3 und soweit dies mit den Zielen und Grundsätzen (§ 1) vereinbar ist, kann der Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie (nunmehr: Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft) mit Verordnung festlegen, unter welchen Voraussetzungen und für welchen Verwendungszweck bei bestimmten Abfällen die Abfalleigenschaft endet, einschließlich Art, Aufbau und Führung der dafür erforderlichen Aufzeichnungs- und Meldepflichten (Abs. 3c und 3d). Eine derartige Verordnung kann nach Anhörung des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten, der Länder, des österreichischen Städtebundes, des österreichischen Gemeindebundes, der Wirtschaftskammer Österreichs, der Vereinigung der Österreichischen Industrie, der Bundesarbeitskammer, des Österreichischen Gewerkschaftsbundes und der Präsidentenkonferenz der Landwirtschaftskammern nur erlassen werden, wenn

1. die Sache üblicherweise für diesen Verwendungszweck eingesetzt wird,

  1. 2. ein Markt dafür existiert,
  2. 3. Qualitätskriterien, welche die abfallspezifischen Schadstoffe berücksichtigen, insbesondere in Form von technischen oder rechtlichen Normen oder anerkannten Qualitätsrichtlinien vorliegen und

    4. kein höheres Umweltrisiko von dieser Sache ausgeht als bei einem vergleichbaren Rohstoff oder Primärprodukt."

    Diese Bestimmung wurde durch die Novelle BGBl. I Nr. 151/1998 in das AWG eingefügt. Wie sich aus der Einleitung des § 2 Abs. 3a ("unbeschadet des Abs. 3") ergibt, sollten mit dieser Bestimmung vom Abs. 3 abweichende, den Abs. 3 unberührt lassende Regelungen über das Ende der Abfalleigenschaft für bestimmte Fälle getroffen werden. In den Erläuterungen zur Regierungsvorlage zur AWG-Novelle 1998 (1201 Blg. NR XX. GP) heißt es, wenn Sachen entgegen einer Verordnung nach § 2 Abs. 3a nicht für den vorgesehenen Verwendungszweck eingesetzt würden, ende die Abfalleigenschaft nur unter der Voraussetzung des § 2 Abs. 3. Auch dies zeigt, dass die Kriterien für das Enden der Abfalleigenschaft im § 2 Abs. 3 AWG nicht gleich gesetzt werden können mit jenen des § 2 Abs. 3a. Es kann daher nicht davon ausgegangen werden, dass ein Ende der Abfalleigenschaft nach § 2 Abs. 3 AWG nur dann in Frage kommt, wenn die Kriterien des § 2 Abs. 3a Z. 1 bis 4 leg. cit. erfüllt sind. Wohl aber kann das Vorliegen aller oder einzelner dieser Kriterien ein Indiz für das Ende der Abfalleigenschaft sein. Weiters lässt sich aus § 2 Abs. 3a Z. 4 AWG entnehmen, dass der Umstand, dass von einer aus Abfall gewonnenen Sache ein Umweltrisiko ausgeht, für sich allein noch nicht das Vorliegen eines nicht mehr Abfalleigenschaft aufweisenden Produktes verhindert. Maßgeblich ist vielmehr ein Vergleich mit den Gefahren, die von einem vergleichbaren Rohstoff oder Primärprodukt ausgehen. Diese Wertung des Gesetzgebers ist auch auf das Enden der Abfalleigenschaft nach § 2 Abs. 3 AWG übertragbar (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 4. Juli 2001, 99/07/0177).

    Dadurch, dass die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides der BH die Auffassung überbunden hat, der in Rede stehende Einblasdämmstoff sei nur dann kein Abfall, sondern ein Produkt, wenn er die Kriterien des § 2 Abs. 3a AWG erfülle, hat sie ihren Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet, weshalb dieser gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.

    Von der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.

    Der Ausspruch über den Kostenersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

    Wien, am 15. November 2001

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