Normen
AVG §45 Abs2;
AVG §52;
BauG Stmk 1995 §43 Abs2 Z7;
BauRallg;
VwGG §41 Abs1;
VwRallg;
AVG §45 Abs2;
AVG §52;
BauG Stmk 1995 §43 Abs2 Z7;
BauRallg;
VwGG §41 Abs1;
VwRallg;
Spruch:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Land Steiermark Aufwendungen in der Höhe von EUR 332,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Vorgeschichte des Beschwerdefalles ist dem hg. Erkenntnis vom 28. Oktober 1999, Zl. 98/06/0179, zu entnehmen. Daraus ist Folgendes festzuhalten:
Mit Ansuchen vom 27. Juni 1997 kam die mitbeteiligte Partei (in der Folge kurz: Bauwerberin) um baubehördliche Bewilligung zwecks Errichtung eines Einfamilienhauses auf einem Grundstück im Gebiet der beschwerdeführenden Gemeinde ein. Strittig ist, ob das Bauwerk in seiner gestalterischen Bedeutung dem Orts- und Landschaftsbild im Sinne des § 43 Abs. 2 Z 7 des Stmk. BauG 1995, LGBl. Nr. 59, entspricht oder nicht. (Das Vorhaben wird in einer Erledigung der belangten Behörde vom 11. Februar 1998 in einem naturschutzrechtlichen Verfahren wie folgt beschrieben: "Das vorliegende Projekt zeigt einen streng geometrischen Baukörper. Es ist ein Prisma, das ohne wesentliche Geländeveränderung auf einer steil abfallenden Wiesenfläche errichtet werden soll. Dabei trete ein Viergeschoss ostseitig mit turmartigen Proportionen in Erscheinung (Talansicht), hangseitig sind es zwei Geschosse über dem Niveau der DO. Erschließungsstraße. Mit einer Stahlkonstruktion (Terrassenausbildung mit Gitterrosten) erfolgt von dieser Straße zum Gebäude eine Art Brückenschlag; darüber erscheint das Gebäude in eher lagerhaften Proportionen. Weiters ist das Äußere von einer Holzverkleidung der Wandflächen mit entsprechenden Ausnehmungen für Fenster, Türen und Terrassen, gekennzeichnet. Das Flachdach soll gleichzeitig als Terrasse ausgebildet werden ..." - siehe die ausführliche Wiedergabe im eingangs genannten Vorerkenntnis vom 28. Oktober 1999.)
Mit dem erstinstanzlichen Bescheid vom 9. Februar 1998 wurde das Baugesuch mit der wesentlichen Begründung abgewiesen, es stehe im Widerspruch zum Orts- und Landschaftsbild. Dagegen erhob die Bauwerberin Berufung, die mit Berufungsbescheid vom 14. April 1998 als unbegründet abgewiesen wurde; die Berufungsbehörde schloss sich der Beurteilung der erstinstanzlichen Behörde an. Dagegen erhob die Bauwerberin Vorstellung. Die belangte Behörde holte ein Gutachten des Amtssachverständigen DI B (vom 24. Juni 1998) ein und hob in weiterer Folge mit Bescheid vom 31. Juli 1998 den Berufungsbescheid auf. Diese Vorstellungsentscheidung wurde über Beschwerde der Gemeinde mit dem eingangs genannten hg. Erkenntnis vom 28. Oktober 1999, Zl. 98/06/0179, wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufgehoben (weil die Baubehörden entgegen der Auffassung der belangten Behörde dazu befugt und verpflichtet gewesen seien, Aspekte des Orts- und Landschaftsbildes aus baurechtlicher Sicht zu prüfen; richtig hingegen sei die Auffassung der belangten Behörde, dass die Baubehörden der Bauwerberin nicht mit Recht Festlegungen in einer früheren Widmungsbewilligung entgegenhalten könnten), wobei ergänzend darauf verwiesen wurde, dass sowohl das auf Gemeindeebene eingeholte Gutachten, als auch das von der belangten Behörde eingeholte Gutachten mangelhaft seien.
In Umsetzung dieses Erkenntnisses hob sodann die belangte Behörde mit weiterer Vorstellungsentscheidung vom 13. Dezember 1999 den Berufungsbescheid vom 14. April 1998 (neuerlich) mit der (vom Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis als rechtmäßig erkannten) Begründung auf, die Festlegungen in der früheren Widmungsbewilligung könnten der Bauwerberin nicht entgegengehalten werden.
Hierauf beschloss die Berufungsbehörde (Gemeinderat) in ihrer Sitzung vom 17. April 2000 die Einholung eines ergänzenden Gutachtens.
Am Beginn dieses Gutachtens des Sachverständigen Architekt DI Dr. H. Ho. vom 4. Juni 2000 finden sich nach Wiedergabe des Auftrages und Wiedergabe des § 43 Abs. 2 Z 7 BauG drei - so bezeichnete - Exkurse.
Der "Exkurs 1" befasst sich mit der Interpretation dieser gesetzlichen Bestimmung.
Im "Exkurs 2" heißt es, das Steiermärkische Baugesetz übertrage die Handhabung der Baugesetze in 1. und 2. Instanz an den Bürgermeister bzw. den Gemeinderat und das nicht erst seit kurzem. Daraus könne oder müsse geschlossen werden, auch wenn dies expressis verbis im Gesetz nicht zum Ausdruck komme, dass
- ein Bauwerk auch sozial verträglich, das heiße auf den jeweiligen politischen Willen einer Bevölkerung bzw. ihrer Vertreter abzustimmen sei,
- ein Straßen-, Orts- und Landschaftsbild als etwas Entstandenes bezeichnet werden könne, das (neben hoheitlichen (Aspekten)) insbesondere auch auf die in und aus der Gemeinde wirkende historische und aktuelle Gestaltungskraft und den bewussten Gestaltungswillen zurückzuführen sei.
Folge man dieser Auffassung, dann sei eine bauliche Umgebung nicht nur am Zustand und Zusammenhang ihrer aktuellen und zu erwartenden naturräumlichen und anthropogenen Elemente zu beurteilen, sondern auch nach dem sichtbar gewordenen, bedeutenden, artikulierten oder auch nur diffus wahrnehmbaren, aktuellen und künftig zu erwartenden Gestaltungswillen und Gestaltungsvermögen der lokalen/regionalen Bevölkerung.
Im "Exkurs 3" heißt es, das Steiermärkische Baugesetz gebe keine Hinweise anhand welcher Kriterien (Mengengerüst) die gestalterische Bedeutung festgestellt werden solle, noch wie das Straßen-, Orts- und Landschaftsbild und dessen Qualität definiert sei. Darüber hinaus fehlten auch jegliche Hinweise auf eine Gewichtung (Wertgerüst) sowie eine Abwägung (Kollissionsnorm). Es sei daher nicht verwunderlich, dass allein aus diesem Umstand gutachterliche Aussagen zu ein- und derselben Situation unterschiedlich ausfallen könnten, ja müssten, weil sowohl die Wahl der Kriterien, als auch die Gewichtung der Subjektivität der Einzelgutachter anheim fielen.
Vertrete ein Gutachter beispielsweise das Leitbild "progressive internationale Architektur" werde er (im gegenständlichen Fall) zu anderen Ergebnissen kommen müssen, wie im Falle "Bewahrung und vorsichtige traditionelle Weiterentwicklung".
Es folgt sodann der Befund, und zwar die Analyse des Straßen- , Orts- und Landschaftsbildes, sodann die Beschreibung des eingereichten Projektes. Hiezu heißt es, auf einer Grundrissfläche von ca. 9,25 m x 9,25 m erhebe sich talseitig ein viergeschossiges (ca. 13 m), bergseitig dreigeschossiges (ca. 10,5 m) Gebäude mit Attika und Flachdachterrasse. Die Verbindung zur Erschließungsstraße sei durch eine schmale Brücke hergestellt. Das stark geneigte Gelände werde kaum umgeformt. Als Großform erscheine also ein turmartiger Quader. Das Gebäude sei auch auf der Stufe Grobgliederung und Grobstruktur geometrisch (horizontal und vertikal) unregelmäßig durchgestaltet, sodass die Fassaden keine Gleichförmigkeit aufwiesen. Im Bereich der Feinstruktur seien ebenfalls gezielt eingesetzte architektonische Gestaltungselemente verwendet (Farbgebung, Balken, Geländer, Treppen etc.). Die Gesamtbetonung könne als vertikal angesehen werden, wobei schräge (Außentreppen) und horizontale Elemente vorkämen.
Gesamthaft weise das Gebäude eine in sich geschlossene architektonische Sprache auf hohem Niveau auf. Es seien kaum bzw. keine Beziehungen zu traditionellen baulichen Elementen der Gemeinde feststellbar - das Gebäude sei in seiner Formsprache und Geste ein Original mit starker Kontrastwirkung (...). Die materialmäßigen und formellen Bezüge zur Umgebung seien aber (angeblich) deutlich erkennbar.
Im eigentlichen Gutachten führt der Sachverständige zunächst aus, es sei danach zu trachten, aus der Perspektive der beiden (zuvor genannten) Leitpositionen zu urteilen, wobei versucht werde, dies nicht von den möglichen Extremen dieser Positionen aus zu tun. Nach einer näheren Darstellung verschiedener dem Sachverständigen relevant erscheinenden Aspekte dieser beiden Leitpositionen ("progressive internationale Architektur" bzw. "Bewahrung und eher traditionelle Weiterentwicklung der Architektur") heißt es weiter, grundsätzlich vertrete er die Auffassung, dass möglichst in jeder Gemeinde, jedenfalls in größeren Orten, beide Leitpositionen Raum für ihre berechtigte Umsetzung finden könnten. In größeren Orten sei dies auch, selten auf höherem Niveau, häufig möglich, beispielsweise in sogenannten "Villengegenden". In anderen Ortsteilen (beispielsweiser Hinweis auf die Grazer Altstadt) sei auf Grund der traditionellen Substanz eine sehr eingeschränkte Gestaltung bzw. maßstäblicher Kontrast möglich. In der Gemeinde Semriach sei keine solche Zonierung (Villengegend) erkennbar bzw. politisch angestrebt. Die nähere und weitere Umgebung des Bauplatzes, nämlich das dort vorzufindende Straßen- und Ortsbild sowie Landschaftsbild sei eindeutig traditionell (sowohl in der Substanz als auch gemäß dem sozialen Willen) geprägt. Das zu beurteilende Gebäude sei nicht derart geplant, dass es in seiner gestalterischen Bedeutung der vorhandenen und künftig zu erwartenden Substanz gerecht werde (...). Das Projekt nehme in kaum einer Weise zu lokalen und regionalen gestalterischen und kompositorischen Elementen Bezug und sei daher (trotz hoher architektonischer Qualität und Originalität) in keiner Weise ein Vorbild für andere Bauwillige in dieser Region, um "das abstrakte Ziel der Aufgaben" des § 43 Abs. 2 Z 7 BauG zu erfüllen bzw. der örtlichen Interpretation und Tradition (des) landschaftgerechten Bauens. Im Falle einer Realisierung "wäre die örtliche und regionale Baubehörde mit dem lauten Vorwurf der Ungleichbehandlung konfrontiert - die Folge wäre eine Rechtfertigung für den weiteren qualitätslosen Wildwuchs im Baugeschehen" (...). Da in diesem Zusammenhang das Ganze - das Orts- und Landschaftsbild - als wichtiger angesehen werden müsse als individuelle Gestaltungsbedürfnisse und -vermögen müsse das Projekt in seiner gestalterischen Bedeutung als dem Orts- und Landschaftsbild nicht gerecht werdend angesehen werden.
Mit Erledigung vom 9. Juni 2000 brachte die Baubehörde der Bauwerberin das Gutachten zu einer allfälligen Stellungnahme bis spätestens 1. Juli 2000 zur Kenntnis (gemäß dem Rückschein durch Hinterlegung zugestellt, Beginn der Abholfrist am 13. Juni 2000).
In einer namens der Bauwerberin abgegebenen Stellungnahme vom 30. Juni 2000 heißt es, diese Aufforderung sei am 29. Juni 2000 zugestellt worden. Da innerhalb eines Tages eine Analyse des Gutachtens nicht möglich sei, werde um Fristverlängerung von zumindest sechs Wochen ersucht, um eine fundierte Stellungnahme abgeben zu können.
Die Berufungsbehörde erwiderte hierauf mit Erledigung vom 11. Juli 2000 (zugestellt am 12.), nach der Aktenlage habe die Zustellung durch Hinterlegung am 13. Juni stattgefunden. "Dessen ungeachtet" wäre eine Frist von sieben bis zehn Tagen jedenfalls ausreichend, weil sich die Bauwerberin bereits jahrelang mit dem Sachverhalt beschäftige. Das Gutachten selbst sei bloß zwei Seiten lang. Da aber der Entscheidung des Gemeinderates nicht vorgegriffen werden könne, werde diese Angelegenheit bei der nächsten Gemeinderatssitzung (am 12. Juli) behandelt.
Mit Schreiben vom 12. Juli 2000 (bei der Gemeinde am 14. Juli eingelangt) wurde namens der Bauwerberin erwidert, mit Verwunderung werde zur Kenntnis genommen, dass die Gemeinde für die Erstellung und Übermittlung eines "fragwürdigen Gutachtens" (im Original unter Anführungszeichen) etwa 183 Tage benötige, jedoch der davon betroffenen Partei gerade eine Frist von sieben bis zehn Tagen einräumen wolle. Der Einwand, dass das Gutachten bloß zwei Seiten lang sei und die Bauwerberin jahrelang mit dem Sachverhalt beschäftigt gewesen sei, habe mit dem Inhalt des Gutachtens und dem daraus resultierenden Bedarf an Bearbeitungszeit nichts zu tun. Ein Ablehnen der Fristverlängerung würde eine Verkürzung der Rechte der Bauwerberin bedeuten. Nochmals werde ersucht, die im Schreiben vom 30. Juni 2000 angeführte Verlängerung zu gewähren.
Mit Berufungsbescheid vom 21. Juli 2000 wurde die Berufung der Bauwerberin gegen den erstinstanzlichen Bescheid vom 9. Februar 1998 (abermals) als unbegründet abgewiesen. Nach ausführlicher Wiedergabe des Verfahrensganges heißt es begründend insbesondere, die Berufungsbehörde sei in ihrer Sitzung vom 12. Juli 2000 zur Auffassung gelangt, dass die Bauwerberin zum Zeitpunkt der Hinterlegung (13. Juni 2000) der Erledigung vom 9. Juni 2000 an der Abgabestelle anwesend gewesen sei, demnach diese Erledigung zu diesem Zeitpunkt ordnungsgemäß zugestellt worden sei. Sie habe nämlich keinen Grund genannt, weshalb sie das Schreiben erst am 29. Juni 2000 beim Postamt abgeholt habe. Eine Fristverlängerung könne daher nicht genehmigt werden. In der Sache selbst sei auf Grund des schlüssigen Gutachtens des Sachverständigen H. H. spruchgemäß zu entscheiden gewesen.
Dieser Bescheid wurde der Beschwerdeführerin (laut Rückschein) am 7. August 2000 durch Hinterlegung zugestellt (Beginn der Abholfrist; Postaufgabe laut Poststempel am 4. August). Am 4. August langte bei der Gemeinde eine namens der Bauwerberin erstattete Stellungnahme vom 3. August 2000 mit einem im naturschutzbehördlichen Verfahren erstellten Gutachten vom 31. Juli 1997 und einem Gutachten des Architekten Univ. Prof. DI Dr. H. Hi. ein.
Die Bauwerberin erhob gegen den Berufungsbescheid vom 21. Juli 2000 Vorstellung an die belangte Behörde.
Die belangte Behörde holte ein Gutachten des Amtssachverständigen DI B. ein. Dieser Sachverständige befasst sich in seinem Gutachten vom 19. Juni 2001 mit den Gutachten H. Ho. und H. Hi. und kommt zusammenfassend zu einer positiven Beurteilung: ein Widerspruch zu den Kriterien des § 43 Abs. 2 Z 7 BauG sei nicht gegeben.
Die belangte Behörde gewährte hiezu Parteiengehör; hinsichtlich der Bauwerberin wurde eine zustimmende Stellungnahme abgegeben; die beschwerdeführende Gemeinde äußerte sich in einer Stellungnahme ablehnend und legte ergänzend eine ablehnende Stellungnahme des Sachverständigen H. Ho. vom 12. Februar 2001 vor.
Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde der Vorstellung der Bauwerberin Folge gegeben, den Berufungsbescheid vom 21. Juli 2000 aufgehoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die Berufungsbehörde verwiesen. Nach zusammengefasster Wiedergabe des Verfahrensganges heißt es begründend insbesondere, die Berufungsbehörde habe sich mit dem ihrer Entscheidung zugrundegelegten Gutachten H. Ho. nicht näher auseinander gesetzt, sondern dieses lediglich wörtlich wiedergegeben. Ebenso wenig sei sie auf die in der Berufung vorgebrachten Gründe oder auch auf das im vorangegangenen Vorstellungsverfahren eingeholte Gutachten des Amtssachverständigen eingegangen. Weshalb die Berufungsbehörde dem Gutachten H. Ho. letztlich gefolgt sei, sei dem Berufungsbescheid nicht zu entnehmen. Schon allein dadurch seien Rechte der Bauwerberin verletzt worden.
Dessen ungeachtet habe sich die belangte Behörde mit den von der Bauwerberin vorgebrachten Stellungnahmen auseinander gesetzt und ein ergänzendes Gutachten des Amtssachverständigen B. eingeholt. Wie dieser in seinem Gutachten vom 19. Jänner 2001 (auch im Einklang mit dem Gutachten H. Hi. vom 31. Juli 2000) ausführe, erscheine die Forderung nach einer Umplanung in regionalistisch-traditioneller Bauweise hier keinesfalls gerechtfertigt, weil es nicht zutreffe, dass das Vorhaben dem Straßen-, Orts- und Landschaftsbild nicht gerecht werde. Den Einwänden der Gemeinde im Vorstellungsverfahren (die auch eine weitere Stellungnahme des Sachverständigen H. Ho. vorgelegt habe) sei Folgendes entgegenzuhalten:
Grundsätzlich unterscheide sich die Auffassung der Gemeinde und jener des Amtssachverständigen (B). wie folgt: Beide schätzten grundsätzlich das an sich qualitätsvolle Projekt. Die Gemeinde sehe jedoch keine besondere Bezugnahme auf den Bauplatz im Siedlungsgefüge, die beim Amtssachverständigen aber zu einer positiven Beurteilung führe. Ihr Lösungsansatz sei ein traditionalistischer, welcher - höchstens in eingeschränkter Bandbreite variabel - für das gesamte Gemeindegebiet gelten solle. Es sei dies die Leitposition 2 (Anmerkung: im Gutachten H. Ho.), die davon abgeleiteten entscheidenden Forderungen hätten aber in keine Rechtsform (Bebauungsplan, Bebauungsrichtlinie oder örtliches Entwicklungskonzept) vollziehbar bzw. nachvollziehbar als neuer "Gestaltungswille der Gemeinde" (im Original unter Anführungszeichen) Eingang gefunden. Da das Vorhaben dem nicht entspreche, fürchte die Gemeinde im Falle einer Genehmigung eine Art Dammbruch betreffend Dachform, Geschosszahl und dergleichen. Dies zu vermeiden sei das offensichtliche Ziel der Gemeinde. Das Projekt habe demnach vorrangig dem bisher verfolgten Gestaltungswillen der Gemeinde im Traditionalismus gerecht zu werden und dürfe nicht individuell über die konkrete Umgebungssituation argumentiert sein, was natürlich im Ablehnungsfall einen erhöhten Begründungsaufwand erfordere.
Der Amtssachverständige hingegen komme zum Schluss, dass das Projekt nicht nur für sich gestalterisch qualitätsvoll, sondern auch in einem komplexen Zusammenhang bauplatzbezogen sei. Durch die Besonderheit der Lage am Ende der bandförmigen Streusiedlung mit einer auch gewissen geländemäßigen Sonderstellung des Bauplatzes könne die gewählte Gestaltung mitbegründet werden. Diese reagiere auf die Situation mit Markantheit und trage somit zur Strukturierung des Ortsbildes bei. Durch eine solche nachvollziehbar begründete Zuordnung (andere Möglichkeiten wären Einfügung, Unterordnung) werde der Bau im Sinne des § 43 Abs. 2 Z 7 dem Straßen-, Orts- und Landschaftsbild gerecht. Eine solche Begründung stehe gleichwertig neben sonstigen allgemeinen Ordnungsregeln (Regeln der Technik, der Baukunst), die üblicherweise in Bebauungsplänen zur Anwendung kämen, wie die erforderliche Übereinstimmung in Dachform, Geschossigkeit, Gebäudeproportionen, etc. Dies müsse im Sinn von zeitgemäßer Baukultur und des Rechtsgrundsatzes der Baufreiheit für innovative Projekte grundsätzlich möglich sein. Nur verordnete (im Original unterstrichen) anders lautende Festlegungen (wie Bebauungspläne) könnten die Zulässigkeit dieser für das gegenständliche Vorhaben sprechenden Argumentation ausschließen. Auch werde festgehalten, dass die vom Sachverständigen der Gemeinde getroffene Zuordnung des Projektes zur Leitposition 1 - "progressive internationale Architektur" -, also einer von außen kommenden Modeströmung, eigentlich willkürlich und so nicht unproblematisch sei. Bei der aufgezeigten Ähnlichkeit von Einzelerscheinungen der internationalen Architekturszene sollte nicht übersehen werden, dass turmartig - prismatische Bauformen sehr wohl auch typischerweise in unserer Kulturlandschaft vertreten seien (Hinweis auf alte Burgen und Wehranlagen). Auf die Zeichenhaftigkeit des Wehrhaften am Siedlungsrand könnte daher zusätzlich hingewiesen werden.
Nach einer näheren Auseinandersetzung mit den Einwendungen der Gemeinde im Vorstellungsverfahren kam die belangte Behörde zusammengefasst zum Ergebnis, dass die Rechte der Bauwerberin durch Begründungsmängel des Berufungsbescheides verletzt worden seien. Aber nicht nur diese Mängel des Berufungsbescheides, sondern auch die zuvor aufgezeigten Überlegungen hinsichtlich des eingereichten Projektes machten deutlich, dass die Berufungsbehörde nicht allein deshalb, weil sie der Auffassung sei, dass das Projekt der Tradition nicht entspreche, dieses versagt habe (Anmerkung: gemeint wohl: dieses versagen dürfe), ohne auf die tatsächliche gestalterische Bedeutung des eingereichten Projektes näher einzugehen.
Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Namens der Bauwerberin wurden die Gutachten vom 31. Juli 1997 und vom 31. Juli 2000 vorgelegt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die Beschwerdeführerin macht zusammengefasst geltend, die Berufungsbehörde habe sich zu Recht auf das schlüssige und richtige Gutachten des Sachverständigen H. Ho. gestützt. Die Beurteilung der belangten Behörde, diesem Gutachten nicht zu folgen, sei unzutreffend.
Dem ist Folgendes zu erwidern:
Gemäß § 43 Abs. 2 Z 7 Stmk. BauG muss ein Bauwerk derart geplant und ausgeführt werden, dass es in seiner gestalterischen Bedeutung dem Straßen-, Orts- und Landschaftsbild gerecht wird. Hiebei ist auf Denkmäler und hervorragende Naturgebilde Rücksicht zu nehmen.
Der von der Berufungsbehörde beigezogene Sachverständige H. Ho. ist in seinem Gutachten vom 4. Juni 2000 davon ausgegangen, dass darüber hinaus - auch wenn dies im Gesetz nicht ausdrücklich angeordnet werde - ein Bauwerk auch sozialverträglich, demnach "auf den jeweiligen politischen Willen einer Bevölkerung bzw. ihrer Vertreter abzustimmen" sei, weiters, ein Straßen-, Orts- und Landschaftsbild als etwas Entstandenes bezeichnet werden könne, welches "(neben hoheitlichen) insbesondere auch auf die in und aus der Gemeinde wirkende historische und aktuelle Gestaltungskraft und den bewussten Gestaltungswillen zurückzuführen" sei. Folge man dieser Auffassung, dann sei eine bauliche Umgebung nicht nur am Zustand und Zusammenhang ihrer aktuellen und zu erwartenden naturräumlichen und anthropogenen Elemente zu beurteilen, sondern auch nach dem sichtbar gewordenen, bedeutenden artikulierten oder auch nur diffus wahrnehmbaren, aktuell und künftig zu erwartenden Gestaltungswillen und Gestaltungsvermögen der lokalen/regionalen Bevölkerung.
Diese Auffassung ist aber in dieser Form aus dem Gesetz nicht abzuleiten und daher unzutreffend. Richtig hat sich vielmehr die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid der Auffassung angeschlossen, dass allgemeine traditionalistische Tendenzen der Gemeinde keine rechtsverbindliche Vorgabe darstellten, weil eine solche Rechtsverbindlichkeit nur verordneten Festlegungen (wie in Bebauungsplänen) zukomme. Solche bestehen aber hier nicht.
Die Beurteilung hatte daher aus dem Blickwinkel der juristischen Maßstabfigur eines "Durchschnittsbetrachters" (vgl. das hg. Erkenntnis vom 14. September 1995, Zl. 94/06/0008, zum Vorarlberger Baugesetz) zu erfolgen, also weder eines besonderen Vertreters einer traditionellen Architektur noch eines Liebhabers für futuristische Bauwerke (das betrifft die Frage, von welchem Maßstab auszugehen ist; die Frage, ob ein Bauwerk gemessen am Ort- oder Landschaftsbild als belastend empfunden wird, ist hingegen eine Fachfrage, die vom Sachverständigen zu beantworten ist). Der Sachverständige H. Ho. hat zwar in seinem Gutachten im Berufungsverfahren diesen Aspekt grundsätzlich richtig erkannt, hat aber auf Grund einer unrichtigen rechtlichen Auffassung, wie sie im "Exkurs 2" seines Gutachtens (sowie im eigentlichen Gutachten durch den Hinweis auf den "sozialen Willen") zum Ausdruck kommt, im Beschwerdefall dem "traditionalistischen Aspekt" eine entscheidende Priorität eingeräumt und hat diese unzutreffende Rechtsauffassung auch seiner ergänzenden Stellungnahme im Vorstellungsverfahren ausdrücklich zugrundegelegt (wie sich aus seinen Ausführungen in dieser Stellungnahme ergibt). Die Auffassung der belangten Behörde, dass dieses Gutachten (auf Grund rechtlich unzutreffender Beurteilungsparameter) mangelhaft ist, ist daher zutreffend, die entgegengesetzte Auffassung der Beschwerdeführerin unzutreffend. Im Übrigen ist die am Schluss des Gutachtens zum Ausdruck gebrachte Befürchtung, die Umsetzung dieses Projektes von hoher architektonischer Qualität und Originalität wäre eine Rechtfertigung "für einen weiteren qualitätslosen Wildwuchs im Baugeschehen", unschlüssig. Es ist nämlich nicht ersichtlich, weshalb die Umsetzung eines - wenngleich, gemessen an anderen Bauten in der Umgebung, atypischen - Projektes von hoher architektonischer Qualität und Originalität gleichsam ein Freibrief für einen "qualitätslosen Wildwuchs im Baugeschehen" wäre.
Als Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften rügt die Beschwerdeführerin, dass sie im Vorstellungsverfahren bereits rechtsfreundlich vertreten gewesen sei. Dessen ungeachtet habe die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid aber nicht ihren Rechtsvertretern, sondern ihr unmittelbar zugestellt.
Das ist zwar richtig, die Beschwerdeführerin zeigt damit aber keinen relevanten Verfahrensmangel auf, nämlich keinen solchen, der zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides zu führen hätte.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Diese Entscheidung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG ohne Durchführung der von der Beschwerdeführerin beantragten mündlichen Verhandlung ergehen.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.
Wien, am 20. März 2003
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