VwGH 2001/06/0073

VwGH2001/06/007320.3.2003

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident DDr. Jakusch und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Bernegger, Dr. Waldstätten und Dr. Rosenmayr als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hofer, über die Beschwerde der Marktgemeinde S, vertreten durch Dr. Erwin Bajc, Dr. Peter Zach und Mag. Reinhard Teubl, Rechtsanwälte in Bruck an der Mur, Mittergasse 28, gegen den Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom 9. Mai 2001, Zl. 03-12.10 S 126-01/19, betreffend die Versagung einer Baubewilligung (mitbeteiligte Partei: Univ. Prof. DI D in G), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §45 Abs2;
AVG §52;
BauG Stmk 1995 §43 Abs2 Z7;
BauRallg;
VwGG §41 Abs1;
VwRallg;
AVG §45 Abs2;
AVG §52;
BauG Stmk 1995 §43 Abs2 Z7;
BauRallg;
VwGG §41 Abs1;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Land Steiermark Aufwendungen in der Höhe von EUR 332,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Vorgeschichte des Beschwerdefalles ist dem hg. Erkenntnis vom 28. Oktober 1999, Zl. 98/06/0179, zu entnehmen. Daraus ist Folgendes festzuhalten:

Mit Ansuchen vom 27. Juni 1997 kam die mitbeteiligte Partei (in der Folge kurz: Bauwerberin) um baubehördliche Bewilligung zwecks Errichtung eines Einfamilienhauses auf einem Grundstück im Gebiet der beschwerdeführenden Gemeinde ein. Strittig ist, ob das Bauwerk in seiner gestalterischen Bedeutung dem Orts- und Landschaftsbild im Sinne des § 43 Abs. 2 Z 7 des Stmk. BauG 1995, LGBl. Nr. 59, entspricht oder nicht. (Das Vorhaben wird in einer Erledigung der belangten Behörde vom 11. Februar 1998 in einem naturschutzrechtlichen Verfahren wie folgt beschrieben: "Das vorliegende Projekt zeigt einen streng geometrischen Baukörper. Es ist ein Prisma, das ohne wesentliche Geländeveränderung auf einer steil abfallenden Wiesenfläche errichtet werden soll. Dabei trete ein Viergeschoss ostseitig mit turmartigen Proportionen in Erscheinung (Talansicht), hangseitig sind es zwei Geschosse über dem Niveau der DO. Erschließungsstraße. Mit einer Stahlkonstruktion (Terrassenausbildung mit Gitterrosten) erfolgt von dieser Straße zum Gebäude eine Art Brückenschlag; darüber erscheint das Gebäude in eher lagerhaften Proportionen. Weiters ist das Äußere von einer Holzverkleidung der Wandflächen mit entsprechenden Ausnehmungen für Fenster, Türen und Terrassen, gekennzeichnet. Das Flachdach soll gleichzeitig als Terrasse ausgebildet werden ..." - siehe die ausführliche Wiedergabe im eingangs genannten Vorerkenntnis vom 28. Oktober 1999.)

Mit dem erstinstanzlichen Bescheid vom 9. Februar 1998 wurde das Baugesuch mit der wesentlichen Begründung abgewiesen, es stehe im Widerspruch zum Orts- und Landschaftsbild. Dagegen erhob die Bauwerberin Berufung, die mit Berufungsbescheid vom 14. April 1998 als unbegründet abgewiesen wurde; die Berufungsbehörde schloss sich der Beurteilung der erstinstanzlichen Behörde an. Dagegen erhob die Bauwerberin Vorstellung. Die belangte Behörde holte ein Gutachten des Amtssachverständigen DI B (vom 24. Juni 1998) ein und hob in weiterer Folge mit Bescheid vom 31. Juli 1998 den Berufungsbescheid auf. Diese Vorstellungsentscheidung wurde über Beschwerde der Gemeinde mit dem eingangs genannten hg. Erkenntnis vom 28. Oktober 1999, Zl. 98/06/0179, wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufgehoben (weil die Baubehörden entgegen der Auffassung der belangten Behörde dazu befugt und verpflichtet gewesen seien, Aspekte des Orts- und Landschaftsbildes aus baurechtlicher Sicht zu prüfen; richtig hingegen sei die Auffassung der belangten Behörde, dass die Baubehörden der Bauwerberin nicht mit Recht Festlegungen in einer früheren Widmungsbewilligung entgegenhalten könnten), wobei ergänzend darauf verwiesen wurde, dass sowohl das auf Gemeindeebene eingeholte Gutachten, als auch das von der belangten Behörde eingeholte Gutachten mangelhaft seien.

In Umsetzung dieses Erkenntnisses hob sodann die belangte Behörde mit weiterer Vorstellungsentscheidung vom 13. Dezember 1999 den Berufungsbescheid vom 14. April 1998 (neuerlich) mit der (vom Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis als rechtmäßig erkannten) Begründung auf, die Festlegungen in der früheren Widmungsbewilligung könnten der Bauwerberin nicht entgegengehalten werden.

Hierauf beschloss die Berufungsbehörde (Gemeinderat) in ihrer Sitzung vom 17. April 2000 die Einholung eines ergänzenden Gutachtens.

Am Beginn dieses Gutachtens des Sachverständigen Architekt DI Dr. H. Ho. vom 4. Juni 2000 finden sich nach Wiedergabe des Auftrages und Wiedergabe des § 43 Abs. 2 Z 7 BauG drei - so bezeichnete - Exkurse.

Der "Exkurs 1" befasst sich mit der Interpretation dieser gesetzlichen Bestimmung.

Im "Exkurs 2" heißt es, das Steiermärkische Baugesetz übertrage die Handhabung der Baugesetze in 1. und 2. Instanz an den Bürgermeister bzw. den Gemeinderat und das nicht erst seit kurzem. Daraus könne oder müsse geschlossen werden, auch wenn dies expressis verbis im Gesetz nicht zum Ausdruck komme, dass

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Beschwerdeführerin macht zusammengefasst geltend, die Berufungsbehörde habe sich zu Recht auf das schlüssige und richtige Gutachten des Sachverständigen H. Ho. gestützt. Die Beurteilung der belangten Behörde, diesem Gutachten nicht zu folgen, sei unzutreffend.

Dem ist Folgendes zu erwidern:

Gemäß § 43 Abs. 2 Z 7 Stmk. BauG muss ein Bauwerk derart geplant und ausgeführt werden, dass es in seiner gestalterischen Bedeutung dem Straßen-, Orts- und Landschaftsbild gerecht wird. Hiebei ist auf Denkmäler und hervorragende Naturgebilde Rücksicht zu nehmen.

Der von der Berufungsbehörde beigezogene Sachverständige H. Ho. ist in seinem Gutachten vom 4. Juni 2000 davon ausgegangen, dass darüber hinaus - auch wenn dies im Gesetz nicht ausdrücklich angeordnet werde - ein Bauwerk auch sozialverträglich, demnach "auf den jeweiligen politischen Willen einer Bevölkerung bzw. ihrer Vertreter abzustimmen" sei, weiters, ein Straßen-, Orts- und Landschaftsbild als etwas Entstandenes bezeichnet werden könne, welches "(neben hoheitlichen) insbesondere auch auf die in und aus der Gemeinde wirkende historische und aktuelle Gestaltungskraft und den bewussten Gestaltungswillen zurückzuführen" sei. Folge man dieser Auffassung, dann sei eine bauliche Umgebung nicht nur am Zustand und Zusammenhang ihrer aktuellen und zu erwartenden naturräumlichen und anthropogenen Elemente zu beurteilen, sondern auch nach dem sichtbar gewordenen, bedeutenden artikulierten oder auch nur diffus wahrnehmbaren, aktuell und künftig zu erwartenden Gestaltungswillen und Gestaltungsvermögen der lokalen/regionalen Bevölkerung.

Diese Auffassung ist aber in dieser Form aus dem Gesetz nicht abzuleiten und daher unzutreffend. Richtig hat sich vielmehr die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid der Auffassung angeschlossen, dass allgemeine traditionalistische Tendenzen der Gemeinde keine rechtsverbindliche Vorgabe darstellten, weil eine solche Rechtsverbindlichkeit nur verordneten Festlegungen (wie in Bebauungsplänen) zukomme. Solche bestehen aber hier nicht.

Die Beurteilung hatte daher aus dem Blickwinkel der juristischen Maßstabfigur eines "Durchschnittsbetrachters" (vgl. das hg. Erkenntnis vom 14. September 1995, Zl. 94/06/0008, zum Vorarlberger Baugesetz) zu erfolgen, also weder eines besonderen Vertreters einer traditionellen Architektur noch eines Liebhabers für futuristische Bauwerke (das betrifft die Frage, von welchem Maßstab auszugehen ist; die Frage, ob ein Bauwerk gemessen am Ort- oder Landschaftsbild als belastend empfunden wird, ist hingegen eine Fachfrage, die vom Sachverständigen zu beantworten ist). Der Sachverständige H. Ho. hat zwar in seinem Gutachten im Berufungsverfahren diesen Aspekt grundsätzlich richtig erkannt, hat aber auf Grund einer unrichtigen rechtlichen Auffassung, wie sie im "Exkurs 2" seines Gutachtens (sowie im eigentlichen Gutachten durch den Hinweis auf den "sozialen Willen") zum Ausdruck kommt, im Beschwerdefall dem "traditionalistischen Aspekt" eine entscheidende Priorität eingeräumt und hat diese unzutreffende Rechtsauffassung auch seiner ergänzenden Stellungnahme im Vorstellungsverfahren ausdrücklich zugrundegelegt (wie sich aus seinen Ausführungen in dieser Stellungnahme ergibt). Die Auffassung der belangten Behörde, dass dieses Gutachten (auf Grund rechtlich unzutreffender Beurteilungsparameter) mangelhaft ist, ist daher zutreffend, die entgegengesetzte Auffassung der Beschwerdeführerin unzutreffend. Im Übrigen ist die am Schluss des Gutachtens zum Ausdruck gebrachte Befürchtung, die Umsetzung dieses Projektes von hoher architektonischer Qualität und Originalität wäre eine Rechtfertigung "für einen weiteren qualitätslosen Wildwuchs im Baugeschehen", unschlüssig. Es ist nämlich nicht ersichtlich, weshalb die Umsetzung eines - wenngleich, gemessen an anderen Bauten in der Umgebung, atypischen - Projektes von hoher architektonischer Qualität und Originalität gleichsam ein Freibrief für einen "qualitätslosen Wildwuchs im Baugeschehen" wäre.

Als Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften rügt die Beschwerdeführerin, dass sie im Vorstellungsverfahren bereits rechtsfreundlich vertreten gewesen sei. Dessen ungeachtet habe die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid aber nicht ihren Rechtsvertretern, sondern ihr unmittelbar zugestellt.

Das ist zwar richtig, die Beschwerdeführerin zeigt damit aber keinen relevanten Verfahrensmangel auf, nämlich keinen solchen, der zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides zu führen hätte.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Diese Entscheidung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG ohne Durchführung der von der Beschwerdeführerin beantragten mündlichen Verhandlung ergehen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.

Wien, am 20. März 2003

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