VwGH 2001/01/0542

VwGH2001/01/054214.5.2002

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kremla und die Hofräte Dr. Nowakowski und Dr. Köller als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schimetits, 1. über den Antrag der S M in W, geboren am 20. Mai 1983, vertreten durch Dr. Christine Fädler, Rechtsanwältin in 1080 Wien, Josefstädterstraße 76, auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 18. Juli 2001, Zl. 211.116/0- XII/36/99, betreffend §§ 7 und 8 Asylgesetz, und 2. in dieser Beschwerdesache (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), den Beschluss gefasst:

Normen

ABGB §21 Abs2 idF 2000/I/135;
AsylG 1997 §25 Abs1 idF 2001/I/082 impl;
AsylG 1997 §25 Abs1;
AsylG 1997 §25 Abs2;
ABGB §21 Abs2 idF 2000/I/135;
AsylG 1997 §25 Abs1 idF 2001/I/082 impl;
AsylG 1997 §25 Abs1;
AsylG 1997 §25 Abs2;

 

Spruch:

  1. 1. Gemäß § 46 VwGG wird dem Antrag nicht stattgegeben.
  2. 2. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Begründung

Die damals minderjährige Beschwerdeführerin, eine Staatsangehörige Äthiopiens, stellte am 27. April 1999 einen Asylantrag.

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom 18. Juli 2001 wies die belangte Behörde den Asylantrag gemäß § 7 AsylG ab und sprach gemäß § 8 AsylG aus, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung der Beschwerdeführerin nach Äthiopien zulässig sei.

zu 1.:

Mit einem am 7. Dezember 2001 zur Post gegebenen Schriftsatz beantragte die Beschwerdeführerin die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof und führte begründend aus, sie sei im Verfahren vor dem Bundesasylamt und vor der belangten Behörde durch den Magistrat der Stadt Wien, Amt für Jugend und Familie, vertreten worden. Am 23. November 2001 habe die Beschwerdeführerin bei ihrer Betreuungsstelle, Erzdiözese Wien - Caritas, wegen des anhängigen Asylverfahrens vorgesprochen. Ein Mitarbeiter der Betreuungsstelle habe bei der belangten Behörde telefonisch in Erfahrung gebracht, dass der abweisende Bescheid vom 18. Juli 2001 am 20. Juli 2001 an den Magistrat der Stadt Wien, Amt für Jugend und Familie, zugestellt worden sei. Erst dadurch habe die Beschwerdeführerin Kenntnis von diesem Bescheid erlangt. Sie sei durch ein unvorhergesehenes und unabwendbares Ereignis, nämlich dadurch, dass sie durch das Amt für Jugend und Familie nicht von der Zustellung des Bescheides informiert worden sei, an der Einbringung der Verwaltungsgerichtshofbeschwerde gehindert gewesen.

Eine wirksame Zustellung des angefochtenen Bescheides an diese Behörde habe schon deshalb nicht erfolgen können, weil die am 20. Mai 1983 geborene Beschwerdeführerin auf Grund der Herabsetzung der Altersgrenze für die Volljährigkeit auf 18 Jahre durch das Kindschaftsrecht-Änderungsgesetz 2001 im Juli 2001 (Zustellzeitpunkt) keines gesetzlichen Vertreters mehr bedurft hätte, somit die Bescheidzustellung an sie hätte erfolgen müssen. Zwar sei § 25 AsylG erst mit 1. August 2001 dahin geändert worden, dass für die Frage der Volljährigkeit ungeachtet der Staatsangehörigkeit des Fremden österreichisches Recht maßgeblich sei, während die Vorgängerbestimmung für die Volljährigkeit die Vollendung des 19. Lebensjahres vorausgesetzt habe; trotzdem sei im vorliegenden Fall die Frage der Volljährigkeit bereits nach dem Kindschaftsrecht-Änderungsgesetz 2001 zu beurteilen, weshalb die nach dem 1. Juli 2001 erfolgte Zustellung an den gesetzlichen Vertreter der - damals schon volljährigen - Beschwerdeführerin unwirksam gewesen sei.

Gleichzeitig mit dem Antrag auf Wiedereinsetzung wurde die Beschwerde nachgeholt.

Zur Beantwortung der von der Beschwerdeführerin aufgeworfenen Frage, ob sie im Zeitpunkt der Zustellung des Bescheides der belangten Behörde am 20. Juli 2001 an den Jugendwohlfahrtsträger noch von diesem vertreten war, ob die Zustellung an diesen somit wirksam erfolgte, sind folgende Bestimmungen heranzuziehen:

§ 21 Abs. 2 ABGB in der am 1. Juli 2001 in Kraft getretenen Fassung BGBl. I Nr. 135/2000 (Kindschaftsrecht-Änderungsgesetz 2001):

"Minderjährige sind Personen, die das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben; haben sie das 14. Lebensjahr noch nicht vollendet, so sind sie unmündig."

§ 25 Asylgesetz 1997 lautete bis zu der am 1. August 2001 in Kraft getretenen, durch BGBl. I Nr. 82/2001 geänderten Fassung auszugsweise:

"(1) Fremde, die das 19. Lebensjahr vollendet haben, sind in Verfahren nach diesem Bundesgesetz handlungsfähig.

(2) Mündige Minderjährige, deren Interessen von ihren gesetzlichen Vertretern nicht wahrgenommen werden können, sind berechtigt, Anträge zu stellen. Gesetzlicher Vertreter wird mit Einleitung eines Verfahrens der örtlich zuständige Jugendwohlfahrtsträger..."

Die durch die genannte Novelle geänderte Fassung von § 25 Abs. 1 Asylgesetz lautet bei unverändertem Wortlaut des Abs. 2:

"(1) Volljährige Fremde sind in Verfahren nach diesem Bundesgesetz handlungsfähig. Für den Eintritt der Volljährigkeit nach diesem Bundesgesetz ist ungeachtet der Staatsangehörigkeit des Fremden österreichisches Recht maßgeblich (§ 21 ABGB)."

Zutreffend verweist die Beschwerdeführerin in ihrer Beschwerde zunächst darauf, dass aus den Erläuterungen zur Regierungsvorlage zur Stammfassung des § 25 AsylG (686 Blg NR XX. GP 26) deutlich wird, dass sich die Handlungsfähigkeit von Asylwerbern im Asylverfahren (Prozessfähigkeit) nach österreichischem Recht zu richten habe (vgl. dazu das Erkenntnis vom 16. September 1999, Zl. 99/01/0175). Wenn die Beschwerdeführerin daran anschließend den Zweck der Bestimmung des § 25 AsylG darin sieht, die Handlungsfähigkeit an die Bestimmungen des ABGB anzupassen, ist ihr - zumindest für die Zeit vor dem 1. Juli und ab dem 1. August 2001 - Recht zu geben; ein Anwendungsvorrang des § 21 ABGB in Bezug auf § 25 Asylgesetz kann entgegen der in der Beschwerde vertretenen Ansicht daraus jedoch nicht abgeleitet werden. Die im Zeitpunkt der Zustellung des Bescheides der belangten Behörde an den Jugendwohlfahrtsträger (20. Juli 2001) bereits in Kraft befindliche Anordnung des § 21 Abs. 2 ABGB, wonach die Volljährigkeit mit Vollendung des 18. Lebensjahres eintritt, geht der speziell für das Asylverfahren geschaffenen Norm über den Beginn der Handlungsfähigkeit ausschließlich in diesem Verfahren nicht vor. Die Frage der Prozessfähigkeit im Asylverfahren ist somit auch zu dem in Rede stehenden Zeitpunkt nach der asylrechtlichen Spezialnorm des § 25 Abs. 1 Asylgesetz in der damals geltenden Fassung zu beurteilen. Die im Zeitpunkt der Zustellung des angefochtenen Bescheides an den Jugendwohlfahrtsträger 18-jährige Beschwerdeführerin war somit bis zum Inkrafttreten der genannten Novelle des § 25 Asylgesetz am 1. August 2001 vom zuständigen Jugendwohlfahrtsträger gesetzlich vertreten. Die Zustellung an diesen am 20. Juli 2001 war demnach wirksam.

Ausgehend von der wirksamen Zustellung des angefochtenen Bescheides ist zu prüfen, ob der Wiedereinsetzungsantrag begründet ist:

Gemäß § 46 Abs. 1 VwGG ist einer Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis - so dadurch, dass sie von einer Zustellung ohne ihr Verschulden keine Kenntnis erlangt hat - eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zu Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

Die Partei hat aber nicht nur eigenes Verschulden zu vertreten, sondern ihr ist auch das Verhalten ihres Vertreters zuzurechnen. Demnach bildet nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die Untätigkeit eines Vertreters im Allgemeinen auch keinen Wiedereinsetzungsgrund, es sei denn, der Vertreter wäre seinerseits durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert gewesen, die Frist einzuhalten, und es träfe ihn kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens (vgl. den Beschluss vom 26. Juli 2001, Zl. 2001/20/0377, mit weiteren Judikaturhinweisen).

Diesbezüglich trifft aber den Wiedereinsetzungswerber trotz des im Verwaltungsverfahrens herrschenden Grundsatzes der amtswegigen Ermittlung der materiellen Wahrheit die Pflicht, alle Wiedereinsetzungsgründe innerhalb der gesetzlichen Frist vorzubringen und glaubhaft zu machen. Das Vorliegen von Wiedereinsetzungsgründen ist daher nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nur in jenem Rahmen zu untersuchen, der durch die Behauptungen des Wiedereinsetzungswerbers gesteckt ist (vgl. zu § 46 VwGG etwa den Beschluss vom 25. März 1999, Zl. 99/20/0099, u.v.a.).

Die Beschwerdeführerin beschränkt ihr Vorbringen in Bezug auf das Verhalten des Jugendwohlfahrtsträgers auf die Behauptung, dieser habe die Beschwerdeführerin von der Zustellung des Berufungsbescheides nicht verständigt. Umstände, die erkennen ließen, dass der Jugendwohlfahrtsträger dabei nur leicht fahrlässig gehandelt habe, werden nicht behauptet. Der Beschwerdeführerin ist es somit im Hinblick auf das ihr zurechenbare Verhalten ihres gesetzlichen Vertreters nicht gelungen, einen Sachverhalt vorzubringen, der die Voraussetzungen des § 46 Abs. 1 VwGG erfüllen könnte, weshalb dem Antrag auf Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht stattgegeben werden konnte.

Zu 2.:

Die Abweisung des Wiedereinsetzungsantrages hat zur Folge, dass die Beschwerde verspätet erhoben wurde und daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG wegen Versäumung der Einbringungsfrist ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen war.

Wien, am 14. Mai 2002

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