VwGH 2001/01/0435

VwGH2001/01/04358.4.2003

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kremla und die Hofräte Dr. Nowakowski, Dr. Pelant, Dr. Köller und Dr. Thoma als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Nichtowitz, über die Beschwerde des N in Wien, geboren 1970, vertreten durch Dr. Wolfgang Rainer, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Schwedenplatz 2/74, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 31. Juli 2001, Zl. 219.213/0-V/14/00, betreffend §§ 7 und 8 AsylG (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:

Normen

AsylG 1997 §7;
AsylG 1997 §8;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;
AsylG 1997 §7;
AsylG 1997 §8;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 908,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger der Republik Kongo, reiste nach seinen Angaben am 17. Dezember 1999 in das Bundesgebiet ein und stellte am selben Tag einen Antrag auf Gewährung von Asyl.

Am 3. März 2000 gab der Beschwerdeführer beim Bundesasylamt zu seinem Fluchtgrund vernommen an, der "RDD (Versammlung für Demokratie und Entw.(icklung))" anzugehören und am 21. November 1999 von einer Militärpatrouille verhaftet worden zu sein. Er sei mit anderen Verhafteten in ein Lager gebracht worden, wo sie die Nacht verbracht hätten. Am nächsten Morgen seien die Verhafteten namentlich aufgerufen und nach Volksgruppen aufgeteilt worden. Der Beschwerdeführer sei Angehöriger derselben Volksgruppe wie der Vorsitzende seiner Partei (RDD), welcher Umstand vom Militär auch angesprochen worden sei. Es sei der Vorwurf erhoben worden, "Diese Partei hat Rebellen geschickt um die Machthaber zu behindern." Diejenigen Gefangenen, die derselben Volksgruppe wie der Präsident der Republik Kongo angehörten, seien freigelassen worden. Dem Beschwerdeführer sei gesagt worden, er müsse hier bleiben und im Busch gegen jene kämpfen, die gegen die Militärs Krieg führten. In der Folge sei der Beschwerdeführer neun Tage in einem "Container" inhaftiert gewesen, dann habe man ihm eine Uniform gegeben. Er hätte gegen jene Volksgruppe, der er angehöre, kämpfen sollen. Schließlich sei der Beschwerdeführer vom Onkel seiner Frau befreit worden.

Infolge eines vom Beschwerdeführer gestellten Devolutionsantrages ging die Zuständigkeit zur Entscheidung über seinen Asylantrag auf die belangte Behörde über, die am 18. Juli 2001 eine mündliche Verhandlung durchführte, bei der der Beschwerdeführer in Ergänzung zu seinen Fluchtgründen angab, er sei zwangsrekrutiert worden, weil er aus Owando komme, woher jene Leute kämen, die den damaligen Präsidenten haben stürzen wollen; er hätte somit gegen die "eigenen Leute" kämpfen müssen. Bei einer Rückkehr würde man den Beschwerdeführer verfolgen, weil er Mitglied der Partei RDD sei und weil er der Volksgruppe Kujou angehöre, die den Präsidenten bekämpfe. Er bekäme Probleme, weil er geflüchtet sei; er befürchte, allenfalls bis zum Tode gefoltert zu werden.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde den Asylantrag des Beschwerdeführers gemäß § 7 AsylG ab und stellte gemäß § 8 AsylG fest, dass seine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in die Republik Kongo zulässig sei. Begründend fasste die belangte Behörde das Verwaltungsgeschehen zusammen, gab die wesentlichen Angaben des Beschwerdeführers wieder und stellte zu seinen Fluchtgründen folgenden Sachverhalt fest:

"Der Asylwerber, ein Staatsangehöriger der Rep. Kongo, reiste am 17.12.1999 über den Flughaften Wien-Schwechat ein und stellte am 20.12.1999 einen Antrag auf Asylgewährung. Er wurde am 6.4.1970 in Brazzaville geboren, gehört der Ethnie der Kujou an, seine Muttersprache ist Lingala. In der Nacht vom 21.11.1999 war er des Nachts zu Fuß unterwegs und wurde von Soldaten kontrolliert und mitgenommen. Im Wagen der Soldaten, einem Toyota Kleinlastwagen, befanden sich schon mehrere Personen. Alle wurden in ein Militärcamp verfrachtet. Am Morgen wurden sie im Camp zu ihrer Identität befragt. Obwohl er seinen Parteiausweis (RDD) in der Tasche hatte, zeigte er diesen nicht vor. In der nächsten Nacht kam ein Mann in Zivil, der ihn aus dem 'Container' holte und ihm befahl, in ein Auto zu steigen. Der Mann gab ihm auch eine Uniform. Im Auto befanden sich - neben Waffen und Munition - auch andere Leute. Etwa 300 Meter vom Lager entfernt stoppte das Auto plötzlich. Der Onkel seiner Frau, der in der Fahrerkabine gesessen war, kam nach rückwärts und deutete ihm zu verschwinden. Er war die einzige Person, die nach der Zwangsrekrutierung aus dem Auto flüchten konnte. Nicht festgestellt werden konnte hingegen, dass der Asylwerber, wegen seiner Mitgliedschaft bei der RDD (Rassemlement pour la Democratie et le Developpement) zwangsrekrutiert wurde."

Nach Feststellungen zur politischen Lage in der Republik Kongo führte die belangte Behörde beweiswürdigend aus, dass dem Beschwerdeführer zwar die erfolgte Zwangsrekrutierung geglaubt werde, "nicht glaubhaft darlegen konnte (der Beschwerdeführer) in Zusammenschau mit den in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Unterlagen hingegen, dass er auf Grund seiner ethnischen Herkunft in den Bürgerkrieg geschickt werden sollte". Im Übrigen ziehe die einfache Mitgliedschaft in der Partei RDD nicht automatisch eine staatliche Verfolgung nach sich.

In rechtlicher Hinsicht begründete die belangte Behörde die Abweisung des Asylantrages mit dem Umstand, dass die "Verweigerung der Ableistung einer Rekrutierung für sich allein... grundsätzlich nicht geeignet (ist), die Anerkennung eines Asylwerbers als Flüchtling zu rechtfertigen." Nur wenn ein Asylwerber damit rechnen müsse, hinsichtlich seiner Behandlung oder seines Einsatzes während des Militärdienstes im Vergleich zu Angehörigen anderer Volksgruppen in erheblicher, die Intensität einer Verfolgung erreichenden Weise benachteiligt zu werden, oder wenn davon auszugehen sei, dass dem Asylwerber im Vergleich zu anderen Staatsangehörigen härtere Bestrafung wegen Wehrdienstverweigerung drohe, liege asylrelevante Verfolgung vor. Ein glaubhaftes Vorbringen in diese Richtung habe der Beschwerdeführer jedoch nicht erstattet. Somit drohten dem Beschwerdeführer auch keine Gefahren im Sinn des § 57 FrG.

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

In seiner Beschwerde rügt der Beschwerdeführer einerseits die Beweiswürdigung der belangten Behörde als unschlüssig, andererseits fehlten für eine abschließende rechtliche Beurteilung Feststellungen. Mit beiden Verfahrensrügen ist der Beschwerdeführer im Recht:

Die belangte Behörde geht in ihrer Beweiswürdigung grundsätzlich von der Glaubwürdigkeit der Angaben des Beschwerdeführers über seine Fluchtgründe aus, bezeichnet hingegen das von ihm behauptete Auswahlkriterium der ethnischen Herkunft für seine Zwangsrekrutierung als "nicht glaubhaft". Durch diese allgemeine Beschreibung ist aber nicht nachvollziehbar, aus welchen Gründen die belangte Behörde dem Beschwerdeführer in diesem speziellen Punkt die Glaubwürdigkeit abspricht, weshalb diese Beweiswürdigung der dem Verwaltungsgerichtshof zukommenden Schlüssigkeitsprüfung nicht Stand hält (vgl. das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Oktober 1985, Zl. 85/02/0053).

Eine genauere Betrachtung hätten die Angaben des Beschwerdeführers bei seiner Einvernahme bei der belangten Behörde, er sei ua. deshalb zwangsrekrutiert worden, weil er aus einem Gebiet stamme, dessen Bewohner gegen den Präsidenten kämpften, auch schon deshalb erfordert, weil er in diesem Zusammenhang auch behauptete, er hätte gegen "die eigenen Leute" kämpfen müssen. Mit diesen Angaben hätte sich die belangte Behörde aber auseinander setzen müssen, weil ihnen - ihre Richtigkeit voraus gesetzt - nicht ohne Weiteres die Asylrelevanz abgesprochen werden kann. Diese ergibt sich schon aus dem Umstand, dass der Beschwerdeführer im bevorstehenden Kampf gegen Mitglieder der eigenen Volksgruppe vorgehen müsste und dadurch in einen Gewissenskonflikt geriete (vgl. das Erkenntnis vom 12. März 2002, Zl. 99/01/0114). Zudem würde den Beschwerdeführer nach seinen dem angefochtenen Bescheid zu Grunde gelegten Angaben bei seiner Rückkehr Folterung, allenfalls sogar bis zum Tod, erwarten, somit - im Zusammenhang mit der ihm wegen seiner Herkunft aus einem bestimmten Gebiet allenfalls unterstellten oppositionellen Gesinnung - unverhältnismäßige Maßnahmen, was für die Beurteilung der Asylfrage ebenfalls von Bedeutung sein kann (vgl. das Erkenntnis vom 21. März 2002, Zl. 99/20/0401).

Die unschlüssige Beweiswürdigung und das Fehlen von Feststellungen zu den dargestellten Themen belasten den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und führten zu seiner Aufhebung gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2001.

Wien, am 8. April 2003

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