VwGH 2001/01/0397

VwGH2001/01/039718.4.2002

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kremla und die Hofräte Dr. Nowakowski, Dr. Pelant, Dr. Köller und Dr. Thoma als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schimetits, über die Beschwerde des M D in S, geboren am 18. Februar 1982, vertreten durch Dr. Hans Klein, Rechtsanwalt in 1030 Wien, Fasangasse 49, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 17. April 2001, Zl. 221.073/0- III/07/01, betreffend §§ 7 und 8 Asylgesetz 1997 (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:

Normen

AsylG 1997 §23;
AsylG 1997 §7;
AsylG 1997 §8;
AVG §45 Abs2;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;
AsylG 1997 §23;
AsylG 1997 §7;
AsylG 1997 §8;
AVG §45 Abs2;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 908,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von Gambia und seinen Angaben zufolge am 6. Juli 1999 in das Bundesgebiet eingereist, beantragte am 7. Juli 1999 die Gewährung von Asyl. Diesen Asylantrag begründete er im Zuge seiner Einvernahme durch das Bundesasylamt im Wesentlichen damit, dass er Neffe des gambischen Oppositionspolitikers Lamin Waa Juwara sei. Er habe seinen Onkel immer wieder zu "politischen Zusammenkünften" begleitet und sei dort in Handgreiflichkeiten mit "Regierungsleuten" verwickelt worden. Im Hinblick darauf habe die Polizei mehrfach versucht, ihn (den Beschwerdeführer) festzunehmen, doch habe er sich immer mit Hilfe seines Onkels verstecken können und sei er schließlich im Juni 1999 geflüchtet. Im Fall einer Rückkehr nach Gambia würde er inhaftiert werden und ins Gefängnis kommen.

Im Verlauf des erstinstanzlichen Verfahrens legte der Beschwerdeführer mehrere ihm per Telefax zugegangene Schreiben vor. Diese sind jeweils mit "Lamin Waa Juwara" gezeichnet und unterschrieben und halten fest, dass der Beschwerdeführer sein Neffe sei und in Gambia gefährdet wäre. Am 4. Mai 2000 langte beim Bundesasylamt ein laut dem im Verwaltungsakt erliegenden Kuvert am 25. April 2000 in Gambia zur Post gegebenes Schreiben vom 24. April 2000 mit folgendem Inhalt ein:

"Sir,

I do certify that M. D. is a Gambian and my nephew. He was born on the 18th. February, 1982 and belongs to the extended family of the deposed president of The Gambia. The family members are subject to arbitrary arrest detention and torture.

On the 10th. and 11th. April 2000 over 20 young people were killed and scores of others still detained. These unarmed students were demonstrating against the excesses of the security forces. I shall be grateful if M. Could be given a safe - stay and possible asylum.

Thank you."

Dieses, eine Originalunterschrift aufweisende Schreiben gibt als Unterzeichner "LAMIN WAA JUWARA UNITED DEMOCRATIC PARTY BRIKAMA, THE GAMBIA" an.

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom 17. April 2001 wies der unabhängige Bundesasylsenat (die belangte Behörde) den Asylantrag des Beschwerdeführers gemäß § 7 AsylG ab (Spruchpunkt 1.). Weiters stellte die belangte Behörde gemäß § 8 AsylG iVm § 57 FrG fest, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Gambia zulässig sei (Spruchpunkt 2.). Diese Entscheidung begründete sie damit, dass der Beschwerdeführer sowohl vor dem Bundesasylamt als auch in der mündlichen Berufungsverhandlung eine nur sehr oberflächliche Darstellung der seine Flucht auslösenden Umstände vorgetragen habe, obwohl er mehrfach zu einer Konkretisierung seines Vorbringens aufgefordert worden sei. Weiters wiesen die Angaben des Beschwerdeführers - im Einzelnen näher dargestellte - Widersprüche auf, schließlich habe er zwei mit der Wirklichkeit nicht übereinstimmende Behauptungen hinsichtlich seines angeblichen Onkels Lamin Waa Juwara gemacht. Insgesamt habe sich somit der Gesamteindruck ergeben, dass der Beschwerdeführer tatsächlich nicht der Neffe dieses gambischen Oppositionspolitikers sei und dass die von ihm ins Treffen geführte Geschichte nicht mit der Wirklichkeit übereinstimme. Daran könnten auch die im Akt des Bundesasylamtes befindlichen, angeblich von Lamin Waa Juwara unterfertigten Bestätigungsschreiben nichts ändern, da diesen Papieren nahezu keine Beweiskraft innewohne. Wie sich aus einem Bericht des (deutschen) Auswärtigen Amtes vom 20. Mai 1999 ergebe, sei es (nämlich) ohne größere Probleme möglich, selbst von staatlichen Behörden Dokumente mit falschen Angaben zu erhalten. Das Unrechtsbewusstsein für Urkundenfälschung sei in Gambia eher schwach ausgeprägt. Vor diesem Hintergrund seien die in Rede stehenden Bestätigungsschreiben nicht geeignet, angesichts der dargestellten Argumente gegen die Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers sein Vorbringen doch als glaubwürdig erscheinen zu lassen. Eine abwägende Gesamtbetrachtung ergebe, dass es ihm nicht gelungen sei, sein Vorbringen glaubhaft zu machen. Sohin hätten die vom Beschwerdeführer ins Treffen geführten Fluchtgründe nicht als entscheidungsrelevanter Sachverhalt festgestellt werden können, weshalb seinem Asylantrag nicht Folge zu geben gewesen sei.

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Der belangten Behörde kann nicht entgegen getreten werden, wenn sie die Darstellung des Beschwerdeführers über die zu seiner Flucht führenden Umstände als vage und oberflächlich bezeichnet. Auch die von ihr aufgezeigten Widersprüchlichkeiten in den Angaben des Beschwerdeführers vor dem Bundesasylamt einerseits und in der mündlichen Berufungsverhandlung andererseits - auf die hier nicht näher eingegangen zu werden braucht - liegen tatsächlich vor. Wie die Beschwerde zutreffend geltend macht, hat sich die belangte Behörde jedoch nicht ausreichend mit den vorgelegten "Bestätigungsschreiben" - insbesondere mit dem eingangs inhaltlich wiedergegebenen Schreiben vom 24. April 2000 - auseinander gesetzt. Sie ging davon aus, dass diesen Schreiben "nahezu keinerlei Beweiskraft" zukomme und zwar - wie ihr Hinweis auf das schwach ausgeprägte Unrechtsbewusstsein für Urkundenfälschung in Gambia zeigt - im Ergebnis offenkundig deshalb, weil sie diese Schreiben als Fälschungen qualifizierte (vgl. auch die Bezeichnung dieser Schreiben als solche, die "angeblich" von Lamin Waa Juwara stammten). Zwar ist es nicht zu beanstanden, dass die belangte Behörde in die Prüfung der Echtheit der vorgelegten Schreiben eintrat. Bei dieser Prüfung hätte sich die belangte Behörde allerdings mit den Urkunden selbst auseinander setzen müssen und nicht allein aus dem Umstand, dass Urkundenfälschungen nach dem Bericht des (deutschen) Auswärtigen Amtes vom 20. Mai 1999 in Gambia offensichtlich als "Kavaliersdelikte" angesehen werden, auf das Vorliegen einer Fälschung auch im konkreten Fall schließen dürfen. Diese Vorgangsweise läuft auf eine bloß abstrakte Beurteilung der gegenständlichen Urkunden hinaus, ohne sie selbst einer Prüfung zu unterziehen. Im Ergebnis hat sich die belangte Behörde damit einer antizipierenden Beweiswürdigung angenähert, was in den Verfahrensvorschriften jedoch keine Deckung findet. Da nicht ausgeschlossen werden kann, dass die belangte Behörde im Fall einer ordnungsgemäßen Beschäftigung mit den vorliegenden "Bestätigungsschreiben" - neben ihrem Inhalt könnten etwa die jeweils abgegebene Unterschrift und die verschiedentlich angeführte Telefaxnummer Anhaltspunkte für eine Analyse bieten - zu einem für den Beschwerdeführer günstigen Ergebnis gelangen könnte, haftet dem bekämpften Bescheid ein wesentlicher Verfahrensmangel an. Er war daher infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. c VwGG aufzuheben.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2001.

Wien, am 18. April 2002

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