VwGH 2001/01/0058

VwGH2001/01/005812.11.2002

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kremla und die Hofräte Dr. Nowakowski, Dr. Pelant, Dr. Köller und Dr. Thoma als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Nichtowitz, über die Beschwerde des M in Wien, vertreten durch Dr. Stephan Trautmann, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Elisabethstraße 26, gegen den Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom 9. Jänner 2001, Zl. 20.808/EKF/00, betreffend Verpflichtung zur erkennungsdienstlichen Behandlung, zu Recht erkannt:

Normen

EMRK Art13;
SPG 1991 §65 Abs1 idF 2000/I/085;
SPG 1991 §67 Abs1 idF 1999/I/146;
SPG 1991 §67 idF 1999/I/146;
SPG 1991 §77 Abs1;
EMRK Art13;
SPG 1991 §65 Abs1 idF 2000/I/085;
SPG 1991 §67 Abs1 idF 1999/I/146;
SPG 1991 §67 idF 1999/I/146;
SPG 1991 §77 Abs1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 908,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides in Untersuchungshaft, verweigerte seine Mitwirkung an seiner erkennungsdienstlichen Behandlung in Form einer DNA-Untersuchung anhand eines Mundhöhlenabstriches.

Mit dem angefochtenen Bescheid sprach die Bundespolizeidirektion Wien (die belangte Behörde) wie folgt ab:

"Betreff: Erkennungsdienstliche Behandlung (DNA-Mundhöhlenabstrich)

Herrn

M.

...

derz. Justizanstalt J.

in Haft

Bescheid

Die belangte Behörde verpflichtet Sie gem. § 77 Abs. 2 in Verbindung mit § 65 Abs. 4 Sicherheitspolizeigesetz (SPG) sich erkennungsdienstlich behandeln zu lassen und an den dafür erforderlichen Handlungen mitzuwirken."

Begründend führte die belangte Behörde nach Wiedergabe des § 77 Abs. 1 und 2 sowie des § 65 Abs. 4 SPG aus, Kriminalbeamte hätten am 21. Dezember 2000 in der Justizanstalt Josefstadt versucht, beim Beschwerdeführer eine erkennungsdienstliche Behandlung (DNA-Mundhöhlenabstrich) durchzuführen, weil er mit gerichtlichen Verurteilungen zu Verbrechenstatbeständen aufscheine. Er habe jedoch die Abnahme des Mundhöhlenabstriches verweigert. "Gemäß §§ 65 Abs. 1, bzw. 96/3 SPG" seien die Sicherheitsbehörden ermächtigt, Menschen, die im Verdacht stünden, einen gefährlichen Angriff begangen zu haben, erkennungsdienstlich zu behandeln. Hievon könne so lange abgesehen werden, als nicht zu befürchten sei, der Betroffene werde weitere gefährliche Angriffe begehen. Diese Maßnahme betreffe vor allem die erkennungsdienstliche Behandlung von kriminalpolizeilich Auffälligen mit Rückfallgefährlichkeit. Laut einer eingeholten Strafregisterauskunft sei der Beschwerdeführer

"am 17.03.1978 wegen §§ 133/1 u. 2, 127/1, 128 Abs. ¼, 129/1 StGB, zu 1 Jahr Freiheitsstrafe, bedingt Probezeit 3 Jahre, am 23.02.1979 wegen §§ 127/1 u. 2/1, 128 Abs. 2, 129 1 u. 2, 130 (15), § 153/1 u. 2, 125, 126 Abs. 1/7 StGB, § 36/1a 40/5a Waffg. zu 5 Jahren Freiheitsstrafe, am 04.04.1984 wegen §§ 127 Abs. 1 u. 2./1, Abs. 2, 129/1 StGB, § 36/1a Waffg. 4 Jahre Freiheitsstrafe, am 26.09.1984 wegen § 136/1 StGB zu 1 Monat Freiheitsstrafe, am 25.04.1989 wegen §§ 127, 129/1 (15) zu 1 Jahr Freiheitsstrafe, am 25.05.1989 wegen § 16/1 SGG zu 1 Monat Freiheitsstrafe, am 09.08.1990 wegen §§ 127, 128 Abs. ¼, 129/1 (15) StGB zu 2 Jahren Freiheitsstrafe, am 27.11.1992 wegen §§ 134/1 (15), 127, 129/1 StGB zu 15 Monaten Freiheitsstrafe, am 16.09.1994 wegen §§ 14a, 16/1 SGG zu 8 Monaten Freiheitsstrafe und am 12.01.1995 wegen §§ 127, 128 Abs. ½ u. Abs. 2, 129/1 u. 2, 130 (15), 223/1, 224, 229/1 StGB zu 4 ½ Jahren Freiheitsstrafe"

rechtskräftig verurteilt worden. Da es sich bei den Straftaten um nach dem Strafgesetzbuch strafbare Vorsatztaten handle, die nicht nur auf Begehren eines Beteiligten verfolgt würden, sei die belangte Behörde zu dem Ergebnis gekommen, dass der Beschwerdeführer einen gefährlichen Angriff im Sinne des SPG begangen habe. Außerdem erscheine auf Grund der wiederholten Delikte gegen das Strafgesetzbuch die Rückfallgefährlichkeit gegeben und es sei zu befürchten, dass der Beschwerdeführer weitere gefährliche Angriffe begehen werde. Die belangte Behörde komme somit zu dem Schluss, dass die "erkennungsdienstliche Behandlung" des Beschwerdeführers unbedingt erforderlich sei und es sei der Bescheid im Interesse des öffentlichen Wohles zu erlassen gewesen.

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Der Beschwerdeführer sieht eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides darin, entgegen der Ansicht der belangten Behörde lägen die Voraussetzungen für eine erkennungsdienstliche Behandlung durch Vornahme eines DNA-Mundhöhlenabstriches nicht vor. Selbst wenn man - wie die belangte Behörde - davon ausginge, dass die Voraussetzungen des § 65 Abs. 1 SPG vorlägen, sei der angefochtene Bescheid mit Rechtswidrigkeit behaftet. Die belangte Behörde habe keine Feststellungen hinsichtlich der Zulässigkeit einer DNA-Untersuchung vorgenommen, sondern sich nur auf die Bestimmung des § 65 SPG in Verbindung mit § 77 SPG gestützt.

Mit seinem Hinweis auf die jeweiligen Voraussetzungen für die verschiedenen Arten der erkennungsdienstlichen Behandlung zeigt der Beschwerdeführer im Ergebnis Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf:

Gemäß § 65 Abs. 1 des Sicherheitspolizeigesetzes - SPG, BGBl. Nr. 566/1991 in der Fassung der Novelle BGBl. I Nr. 85/2000, sind die Sicherheitsbehörden ermächtigt, einen Menschen, der in Verdacht steht, eine mit Strafe bedrohte Handlung begangen zu haben, erkennungsdienstlich zu behandeln, wenn der Betroffene im Rahmen krimineller Verbindungen tätig wurde oder dies sonst zur Vorbeugung gefährlicher Angriffe des Betroffenen erforderlich scheint.

Nach Abs. 4 dieser Bestimmung hat, wer erkennungsdienstlich zu behandeln ist, an den dafür erforderlichen Handlungen mitzuwirken.

Gemäß § 67 Abs. 1 SPG in der Fassung der Novelle BGBl. I Nr. 146/1999 darf die DNA eines Menschen im Rahmen seiner erkennungsdienstlichen Behandlung nur ermittelt werden, wenn der Betroffene in Verdacht steht, einen gefährlichen Angriff begangen zu haben, und wenn im Hinblick auf diese Tat oder die Persönlichkeit des Betroffenen erwartet werden kann, dieser werde bei Begehung weiterer gefährlicher Angriffe Spuren hinterlassen, die seine Wiedererkennung auf Grund der ermittelten genetischen Informationen ermöglichen würden.

Gemäß § 77 Abs. 1 SPG hat die Behörde einen Menschen, den sie einer erkennungsdienstlichen Behandlung zu unterziehen hat, unter Angabe des maßgeblichen Grundes formlos hiezu aufzufordern. Nach Abs. 2 dieser Bestimmung ist, wenn der Betroffene der Aufforderung gemäß Abs. 1 nicht nachkommt, ihm die Verpflichtung gemäß § 65 Abs. 4 bescheidmäßig aufzuerlegen.

Die Regelung des § 67 SPG ist eine lex specialis gegenüber jener des § 65 Abs. 1 SPG und unterscheidet sich von Letzterer im Hinblick auf die "besondere Sensibilität" der nach § 67 Abs. 1 SPG "gewonnenen Informationen" (in diesem Sinne schon die ErläutRV 1479 BlgNR 20. GP 19) und auf Art und Umfang der Verpflichtung des Betroffenen zur Mitwirkung durch zusätzliche tatbestandliche Voraussetzungen.

DNA-Untersuchungen im Rahmen einer erkennungsdienstlichen Behandlung dürfen vor dem Hintergrund des § 67 SPG nur dann erfolgen (Art. 13 EMRK), wenn die formlose Aufforderung nach § 77 Abs. 1 SPG bzw. eine - im Fall ihrer Nichtbefolgung - daran anschließende bescheidmäßige Verpflichtung die Absicht, eine solche Untersuchung vornehmen zu wollen, unmissverständlich zum Ausdruck bringen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 11. Dezember 2001, Zl. 2001/01/0289).

Gemäß § 59 Abs. 1 erster Satz AVG hat der Spruch des Bescheides die in Verhandlung stehende Angelegenheit und alle die Hauptfrage betreffenden Parteienanträge, ferner die allfällige Kostenfrage in möglichst gedrängter, deutlicher Fassung und unter Anführung der angewendeten Gesetzesbestimmungen, und zwar in der Regel zur Gänze, zu erledigen.

Ein Bescheidspruch, durch den eine Verpflichtung auferlegt wird, muss so bestimmt gefasst werden, dass einerseits dem Bescheidadressaten die überprüfbare Möglichkeit gegeben wird, dem Leistungsauftrag zu entsprechen, und andererseits nötigenfalls seine Durchsetzung im Wege der Zwangsvollstreckung möglich ist (vgl. die in Walter/Thienel, aaO, unter E 62 ff zu § 59 AVG wiedergegebene Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes).

Nur dem Spruch, nicht auch der Begründung eines Bescheides kann Rechtskraft zukommen. Für die Beantwortung der Frage, inwieweit die Absicht bestand, über subjektive Rechte in einer der Rechtskraft fähigen Weise abzusprechen, ist nicht nur vom Spruch des Bescheides auszugehen, sondern zu dessen Deutung auch die Begründung heranzuziehen (vgl. die in Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2, unter E 45 ff zu § 59 AVG wiedergegebene Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes).

Der angefochtene Bescheid ist schon insofern mit Rechtswidrigkeit belastet, als seinem Spruch - auch unter Zuhilfenahme seiner Begründung - nicht mit Bestimmtheit entnommen werden kann, ob die belangte Behörde den Beschwerdeführer zur Mitwirkung an der erkennungsdienstlichen Behandlung (nur) nach § 65 Abs. 1 oder (auch) an einer solchen nach § 67 Abs. 1 SPG verpflichtete, die sich im besagten Sinn voneinander unterscheiden.

Entgegen der Bestimmung des § 59 Abs. 1 AVG beschränkte sich die belangte Behörde darauf, im Spruch des angefochtenen Bescheides nur die verfahrensrechtlichen Bestimmungen der §§ 65 Abs. 4, 77 Abs. 2 SPG zu nennen, nicht jedoch die weiteren Bestimmungen des § 65 Abs. 1 oder des § 67 Abs. 1 SPG, wodurch die Art der auferlegten erkennungsdienstlichen Behandlung nachvollziehbar festgelegt wäre. Auch erlangt der Spruch des angefochtenen Bescheides unter Heranziehung seiner Begründung keine hinreichende Deutlichkeit, spricht die belangte Behörde - abgesehen von den schon zitierten Bestimmungen der § 65 Abs. 4, § 77 Abs. 2 SPG - doch nur widersprüchlich von den "§§ 65 Abs. 1, bzw. 96/3 SPG". § 96 Abs. 3 SPG in der Fassung der Novelle BGBl. I Nr. 146/1999 trifft eine Übergangsregelung für die erkennungsdienstliche Behandlung nach § 67 Abs. 1 SPG und widerstreitet damit der Deutung, die belangte Behörde habe "nur" zu einer erkennungsdienstlichen Behandlung nach § 65 Abs. 1 SPG verpflichten wollen.

Ebenso wenig erlangt der Spruch des Bescheides hinreichende Deutlichkeit durch den vorangestellten "Betreff ".

Nach dem Gesagten war der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes nach § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2001.

Wien, am 12. November 2002

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