VwGH 2000/21/0092

VwGH2000/21/009224.5.2002

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sauberer und die Hofräte Dr. Robl, Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher und Dr. Grünstäudl als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Bauernfeind, über die Beschwerde des A in M, geboren am 26. Mai 1952, vertreten durch Dr. Michael Schwarz, Rechtsanwalt in 3100 St. Pölten, Brunngasse 12/2, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 27. März 2000, Zl. Fr 1290/00, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Normen

FrG 1997 §36 Abs1;
FrG 1997 §36 Abs2 Z6;
FrG 1997 §36 Abs2;
FrG 1997 §37;
FrG 1997 §36 Abs1;
FrG 1997 §36 Abs2 Z6;
FrG 1997 §36 Abs2;
FrG 1997 §37;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 41,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 27. März 2000 wurde gegen den Beschwerdeführer gemäß § 36 Abs. 1 und 2 Z 6 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ein auf fünf Jahre befristetes Aufenthaltsverbot erlassen.

Begründend stellte die belangte Behörde fest, der Beschwerdeführer sei gemeinsam mit seiner Familie (mit seiner Ehefrau Seda, geboren am 1. November 1960, sowie mit seinen Söhnen Armen, geboren 21. Oktober 1981, und Chatschik, geboren am 19. Oktober 1983) aus seinem Heimatland Armenien per Flugzeug unter Verwendung der Reisepässe nach Budapest gereist. In Budapest habe er Kontakt zu einem "Mittelsmann", über den keine näheren Angaben gemacht werden könnten, aufgenommen und diesem die armenischen Reisepässe sowie vier Lichtbilder übergeben. Für einen Gesamtpreis von US $ 1.000,-- habe dieser Mann dem Beschwerdeführer vier andere armenische Reisepässe (mit Fotos des Beschwerdeführers und seiner Angehörigen), in welchen Schengen-Visa der Kategorie C, ausgestellt von der französischen Botschaft in Erewan, mit einer fünfzehntägigen Gültigkeitsdauer angebracht gewesen seien, übergeben. Ausstellungsdatum und Gültigkeitsdauer dieser Visa würden variieren. "Ebenso" seien die Reisepässe auf andere Personen mit abweichenden Personalien ausgestellt. Der (echte) Reisepass des Beschwerdeführers und jene seiner Familienangehörigen seien von diesem Mann einbehalten worden. Im angeführten Kaufpreis seien auch noch vier Bahnkarten für die Reise von Budapest nach Wien enthalten gewesen. Diese Fahrkarten seien dem Beschwerdeführer gemeinsam mit den Reisepässen von diesem Mann bei der Abreise in Budapest am 24. August 1999 übergeben worden. Am gleichen Tag sei die ganze Familie des Beschwerdeführers gegen 5 Uhr über den Grenzübergang Nickelsdorf nach Österreich eingereist. Dabei habe der Beschwerdeführer die verfälschten Reisepässe den Grenzkontrollorganen übergeben, denen jedoch die Fälschung nicht aufgefallen sei. Am selben Tag gegen 10 Uhr hätten Gendarmeriebeamte auf der Bahnlinie Wien-West nach Passau eine Fahndungskontrolle durchgeführt, bei der sich der Beschwerdeführer und seine Familienangehörigen wieder mit den verfälschten armenischen Reisepässen ausgewiesen hätten. Nunmehr sei die Fälschung entdeckt worden.

Die Verantwortung des Beschwerdeführers (und seiner Familienangehörigen), sie hätten erst anlässlich dieser Kontrolle gemerkt, dass ihnen gefälschte Pässe ausgehändigt worden seien, erachtete die belangte Behörde für nicht nachvollziehbar. Es erscheine "jedenfalls logisch", dass die Pässe vom Übernehmer auf deren Richtigkeit kontrolliert werden. Im vorliegenden Fall komme dazu, dass die Reisepässe einem Mittelsmann zwecks Besorgung von Schengen-Visa übergeben worden seien und nicht wie es "an und für sich üblich" sei, einer mit der Ausstellung von Reisepässen betrauten Behörde. Es könne auch nicht nachvollzogen werden, warum dem Mittelsmann für die Visa neben den Pässen auch noch Fotos ausgehändigt hätten werden müssen. Es sei daher offensichtlich klar gewesen, dass auch neue Pässe ausgestellt würden. Die gegenteiligen Angaben seien eindeutig als Schutzbehauptung zu qualifizieren, "da jeder logisch denkenden Person sofort auffallen muss, wenn diese einen Reisepass ausgehändigt bekommt, bei welchem weder Familien- noch Vorname mit den tatsächlichen Personaldaten übereinstimmen, aber auch die Geburtsdaten falsch sind".

Auf Grund des vorliegenden Sachverhaltes gehe die belangte Behörde "unter Berücksichtigung des Grundsatzes der freien Beweiswürdigung" eindeutig davon aus, dass der Beschwerdeführer im Sinne des § 36 Abs. 2 Z 6 FrG gegenüber einer österreichischen Behörde oder ihren Organen bei der Grenzkontrolle in Nickelsdorf durch die Ausweisung mit den gefälschten Reisepässen unrichtige Angaben über seine Person gemacht habe, um sich die Einreise in das Bundesgebiet zu verschaffen. Auf Grund des bisherigen Verhaltens (Vorzeigen des nicht für den Beschwerdeführer ausgestellten Reisepasses bei der Einreisekontrolle sowie bei einer weiteren Kontrolle durch Gendarmeriebeamte) sei die Annahme (iSd § 36 Abs. 1 FrG) gerechtfertigt, dass der Aufenthalt des Beschwerdeführers die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährde. Die belangte Behörde könne es nicht ausschließen, dass der Beschwerdeführer abermals illegal, noch dazu unter Verwendung von gefälschten Dokumenten, nach Österreich kommen werde. Den für die Einreise und den Aufenthalt von Fremden getroffenen Regelungen und deren Befolgung durch den Normadressaten komme aber aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 EMRK) ein sehr hoher Stellenwert zu. Die Erlassung des Aufenthaltsverbotes erscheine daher erforderlich und die belangte Behörde sehe sich somit außer Stande, die "Kannbestimmung" des § 36 Abs. 1 FrG zugunsten des Beschwerdeführers anzuwenden.

Eine Prüfung unter dem Gesichtspunkt des § 37 FrG hielt die belangte Behörde für nicht notwendig, weil die Familienmitglieder des Beschwerdeführers ebenfalls unter Verwendung von gefälschten Reisedokumenten nach Österreich eingereist und daher auch gegen sie Aufenthaltsverbote erlassen worden seien. Unter Bezugnahme auf § 39 FrG erachtete die belangte Behörde "auf Grund der Missachtung strafrechtlicher und fremdenrechtlicher Bestimmungen" ein Fernhalten des Beschwerdeführers von Österreich für die Dauer von fünf Jahren für notwendig.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde erwogen:

Gemäß § 36 Abs. 1 FrG kann gegen einen Fremden ein Aufenthaltsverbot erlassen werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass sein Aufenthalt die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit gefährdet (Z 1) oder anderen im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft (Z 2). Als bestimmte Tatsache im Sinne dieser Bestimmung hat unter anderem zu gelten, wenn ein Fremder gegenüber einer österreichischen Behörde oder ihren Organen unrichtige Angaben über seine Person, seine persönlichen Verhältnisse, den Zweck oder die beabsichtigte Dauer seines Aufenthaltes gemacht hat, um sich die Einreise- oder die Aufenthaltsberechtigung gemäß § 31 Abs. 1 und 3 FrG zu verschaffen (§ 36 Abs. 2 Z 6 FrG).

Die Beschwerde wendet sich gegen die Annahme der belangten Behörde, der zitierte Tatbestand des § 36 Abs. 2 FrG sei verwirklicht, und bekämpft in diesem Zusammenhang die Feststellung, dem Beschwerdeführer sei bewusst gewesen, dass es sich um falsche Reisepässe gehandelt habe. Der Gerichtshof vermag jedoch im Rahmen der ihm zukommenden Überprüfungsbefugnis (vgl. das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Oktober 1985, Zl. 85/02/0053) die Beweiswürdigung der belangten Behörde nicht als unschlüssig zu erkennen. Der oben wiedergegebenen beweiswürdigenden Argumentation der belangten Behörde hält die Beschwerde entgegen, bei Kenntnis von der Fälschung des Passes hätte der Beschwerdeführer die darin enthaltenen Daten und die Unterschrift derart eingelernt, dass er sie bei einer Kontrolle hätte wiedergeben können. Es sei auch nicht ungewöhnlich, wenn man zur Erlangung eines Visums Lichtbilder vorlege, weil dies zum Beispiel Voraussetzung für die Erteilung eines Visums für die Vereinigten Staaten sei, oder wenn man sich eines Mittelsmannes bediene, weil zum Beispiel auch verschiedene Reisebüros in Österreich Visa besorgen würden.

Abgesehen davon, dass Letzteres nicht mit der Einschaltung eines unbekannten "Mittelsmannes" vergleichbar ist, sind diese Ausführungen auch sonst nicht geeignet, eine Unschlüssigkeit der Beweiswürdigung im angefochtenen Bescheid aufzuzeigen. Vielmehr entspricht es der Lebenserfahrung, wenn die belangte Behörde unter den gegebenen Umständen davon ausgegangen ist, dass die Pässe nach der Übergabe durch den "Mittelsmann" vom Beschwerdeführer dahin überprüft wurden, ob dem mit US $ 1.000,-- honorierten Auftrag entsprochen wurde. Dabei muss nicht nur - wie die belangte Behörde zutreffend ausgeführt hat - aufgefallen sein, dass die Pässe auf mit den tatsächlichen Personaldaten nicht übereinstimmende Namen und Geburtsdaten lauteten, sondern auch, dass sich darin von der französischen Botschaft in Erewan ausgestellte Schengen-Visa befanden. Der belangten Behörde kann daher nicht entgegengetreten werden, wenn sie die Verantwortung des Beschwerdeführers, er sei davon ausgegangen, in Budapest von dem erwähnten "Mittelsmann" die eigenen Originalpässe mit echten, auf legale Weise beschafften Visa erhalten zu haben, als "Schutzbehauptung" qualifiziert hat.

Ausgehend von den getroffenen Feststellungen bestehen gegen die Ansicht der belangten Behörde, dass vorliegend der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z 6 FrG verwirklicht sei (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom 11. September 2001, Zl. 99/21/0295, und vom 27. Februar 2001, Zl. 98/21/0321, ua), ebenso wenig Bedenken wie gegen die weitere Ansicht, dass die in § 36 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme gerechtfertigt sei.

Aus der Aktenlage ergeben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass durch das Aufenthaltsverbot in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers in Österreich eingegriffen wird, wurde er doch am Tag seiner Einreise betreten und in unmittelbarer Folge das Aufenthaltsverbot - so wie auch gegen seine Familienangehörigen - erlassen. Dem entsprechend wird auch in der Beschwerde keine Unzulässigkeit des Aufenthaltsverbotes im Grunde des § 37 FrG releviert.

Entgegen den - insoweit in keiner Weise konkretisierten - Beschwerdeausführungen sind auch keine Umstände ersichtlich, welche die belangte Behörde hätten veranlassen müssen, von dem ihr eingeräumten Ermessen zur Abstandnahme von der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes Gebrauch zu machen.

Soweit die Beschwerde im Zusammenhang mit einer behaupteten Bedrohungssituation im Herkunftsland des Beschwerdeführers geltend macht, Ungarn sei "kein sicheres Drittland", war darauf nicht Bedacht zu nehmen, weil mit dem Aufenthaltsverbot nicht ausgesprochen wird, dass der Fremde in ein bestimmtes Land auszureisen habe oder (dorthin) abgeschoben werde.

Wenn sich die Beschwerde schließlich mit ganz allgemein gehaltenen Ausführungen gegen die mit fünf Jahren festgesetzte Dauer des Aufenthaltsverbotes wendet, vermag sie nicht aufzuzeigen, auf Grund welcher Umstände anzunehmen wäre, dass die Gründe für die Verhängung des Aufenthaltsverbotes zu einem früheren Zeitpunkt wegfallen werden.

Die Beschwerde war somit gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2001, BGBl. II Nr. 501.

Wien, am 24. Mai 2002

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