VwGH 2000/18/0115

VwGH2000/18/01159.5.2003

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Stummer, über die Beschwerde des F, (geb. 1983), vertreten durch Mag. Christian Atzwanger, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Lüfteneggerstraße 12, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 28. Dezember 1999, Zl. St 237/99, betreffend Erlassung eines unbefristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Normen

FrG 1997 §36 Abs1 Z1;
FrG 1997 §36 Abs1 Z2;
FrG 1997 §36 Abs1;
FrG 1997 §36 Abs2 Z1;
FrG 1997 §37 Abs1;
FrG 1997 §37 Abs2;
EMRK Art8 Abs2;
StGB §201 Abs2;
StGB §31;
StGB §40;
StGB §70;
FrG 1997 §36 Abs1 Z1;
FrG 1997 §36 Abs1 Z2;
FrG 1997 §36 Abs1;
FrG 1997 §36 Abs2 Z1;
FrG 1997 §37 Abs1;
FrG 1997 §37 Abs2;
EMRK Art8 Abs2;
StGB §201 Abs2;
StGB §31;
StGB §40;
StGB §70;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 332,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich (der belangten Behörde) vom 28. Dezember 1999 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen jugoslawischen Staatsangehörigen, gemäß § 36 Abs. 1 und Abs. 2 Z 1 iVm §§ 37 und 39 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ein unbefristetes Aufenthaltsverbot erlassen.

Der Beschwerdeführer habe bei einer am 26. März 1999 durchgeführten Einvernahme "(Parteiengehör)" ua angegeben, am 11. Oktober 1997 illegal von Ungarn kommend nach Österreich eingereist zu sein. Seither würde er sich ununterbrochen in Österreich aufhalten, sein Lebensunterhalt würde zur Gänze von dritter Seite bestritten werden. Zurzeit halte sich der Beschwerdeführer nicht rechtmäßig in Österreich auf, weil er weder im Besitz eines Aufenthaltstitels noch eines Einreisetitels sei. Während seines Aufenthalts sei der Beschwerdeführer von österreichischen Gerichten wie folgt rechtskräftig verurteilt worden:

"1. LG Linz ..... vom 1.2.1999, rk 1.2.1999, §§ 127, 128 Abs. 1/4, 129/1, 130 StGB, 3 Monate Freiheitsstrafe, 9 Monate Freiheitsstrafe bedingt, Probezeit 3 Jahre.

Zu LG Linz ..... vom 1.2.1999 aus der Freiheitsstrafe am

16.9.1999 bedingt entlassen, Probezeit 3 Jahre, Bestellung eines

Bewährungshelfers.

LG Linz ..... vom 16.9.1999.

2. LG Linz ..... vom 7.6.1999, rk. 1.9.1999, §§ 201 Abs. 2, 127 StGB, 8 Monate Freiheitsstrafe unbedingt (Zusatzstrafe)."

In Anbetracht der zweimaligen gerichtlichen Verurteilung des Beschwerdeführers sei zweifelsohne der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z 1 FrG als erfüllt zu betrachten. Gegenteiliges werde vom Beschwerdeführer nicht behauptet. In Anbetracht der Tatsache, dass der Beschwerdeführer erst vor zwei Jahren (überdies illegal) in das Bundesgebiet eingereist sei und hier "bis auf einen erst kürzlich eruierten Onkel in Wien" keine näheren verwandtschaftlichen oder sonstigen Beziehungen habe, werde durch die Erlassung des Aufenthaltsverbotes "in keinster Weise" in das Privat- oder Familienleben des Beschwerdeführers eingegriffen, auch könne nicht einmal ansatzweise von einer Integration des Beschwerdeführers ausgegangen werden, zumal der Zeitraum von zwei Jahren nicht ausreiche, um - in welchen Bereichen auch immer - in Österreich Fuß fassen zu können. Der Beschwerdeführer habe auch gar nicht behauptet, im Bundesgebiet bereits beruflich Fuß gefasst zu haben. Ein (engerer) Kontakt zu seinem in Wien lebenden Onkel bestehe laut Akteninhalt derzeit noch nicht, da dieser Onkel vor kurzem vom Beschwerdeführer selbst eruiert worden sei. Innerhalb seines kurzen Aufenthalts im Bundesgebiet habe sich der Beschwerdeführer bereits zweimal - und dies noch dazu in sehr krasser Weise - nach dem Strafgesetzbuch strafbar gemacht. Er habe sich qualifizierter Delikte schuldig gemacht, nämlich der Delikte des Einbruchsdiebstahls und des gewerbsmäßigen Diebstahls. Darüber hinaus werte die belangte Behörde die dem Beschwerdeführer zur Last liegende strafbare Handlung nach § 201 StGB sehr hoch. Gerade diese strafbare Handlung habe zu einer unbedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von 18 (nach den vorgelegten Verwaltungsakten richtig: 8) Monaten geführt.

Von daher sei nicht nur die im § 36 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme gerechtfertigt, sondern auch die Erlassung des Aufenthaltsverbots im Grund des § 37 Abs. 1 FrG zulässig. Zudem sei das Gesamtfehlverhalten des Beschwerdeführers "doch schwerwiegenderer Art", weshalb nicht mehr mit einer bloßen niederschriftlichen Ermahnung das Auslangen habe gefunden werden können, sondern von der Ermessensbestimmung des § 36 Abs. 1 FrG habe Gebrauch gemacht werden müssen. Insbesondere auf Grund der Tatsache, dass der Beschwerdeführer sich innerhalb seines relativ kurzen Aufenthaltszeitraums in Österreich (ca. zwei Jahre) bereits mehrmals gerichtlich strafbar gemacht habe, und dies auch in schwerster Form, sei vom Ermessenstatbestand des § 36 Abs. 1 FrG Gebrauch zu machen gewesen.

Da unter Abwägung aller angeführten Tatsachen im Hinblick auf die für den weiteren Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet zu stellende negative Zukunftsprognose die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes wesentlich schwerer wögen, als die Auswirkungen dieser Maßnahme auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers, sei das Aufenthaltsverbot auch zulässig im Sinn des § 37 Abs. 2 FrG. Daran vermöge der Hinweis des Beschwerdeführers auf die Situation in seinem Heimatstaat nichts zu ändern, zumal im vorliegenden Verfahren nicht darüber abgesprochen werde, in welches Land er auszureisen habe bzw. allenfalls abgeschoben werden könnte. Auch der Hinweis des Beschwerdeführers auf ein angefordertes psychologisches Gutachten sei insofern zu relativieren, als es sich beim vorliegenden Verfahren um kein Verwaltungsstrafverfahren, sondern um ein administratives Verfahren handle und es infolge dessen irrelevant sei, aus welchen subjektiven Gründen er die Rechtsgüter anderer Personen verletzt habe. Überdies sei darauf hinzuweisen, dass die angeführten gerichtlichen Verurteilungen bereits rechtskräftig seien und es der belangten Behörde verwehrt sei, deren Rechtmäßigkeit anzuzweifeln.

In Anbetracht der Schwere und Verwerflichkeit seiner strafbaren Handlungen habe die belangte Behörde nicht absehen können, wann die Gründe, die zur Erlassung des Aufenthaltsverbotes geführt hätten, weggefallen sein würden, weshalb das Aufenthaltsverbot lediglich auf unbefristete Dauer habe erlassen werden können.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, in eventu Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde abzuweisen.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1.1. Bei der zweiten gerichtlichen Verurteilung des Beschwerdeführers vom 7. Juni 1999 wurde unstrittig eine Zusatzstrafe verhängt; diese Verurteilung ist mit der früheren Verurteilung des Beschwerdeführers vom 1. Februar 1999 aus rechtlicher Sicht als Einheit zu werten (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 7. August 2001, Zl. 2001/18/0032, mwH). Angesichts der bei diesen Verurteilungen gegen den Beschwerdeführer insgesamt verhängten Strafe besteht gegen das Ergebnis der behördlichen Beurteilung, dass vorliegend der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z 1 FrG erfüllt sei, kein Einwand.

1.2. Ferner kann entgegen der Beschwerde die Ansicht der belangten Behörde, dass im Beschwerdefall die Annahme gemäß § 36 Abs. 1 FrG gerechtfertigt sei, nicht als rechtswidrig erkannt werden. Schon die dem Beschwerdeführer unstrittig zur Last liegenden Delikte des Einbruchdiebstahls und des gewerbsmäßigen Diebstahls (letzteren hat der Beschwerdeführer somit in der Absicht gesetzt, sich durch derartige Straftaten eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, vgl. § 70 StGB) stellen im Lichte des großen öffentlichen Interesses an der Verhinderung der Eigentumskriminalität (vgl. das hg. Erkenntnis vom 31. März 2000, Zl. 99/18/0343) eine nachhaltige Gefährdung des öffentlichen Interesses an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit (vgl. § 36 Abs. 1 Z 1 FrG) und anderer im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannter öffentlicher Interessen (Verhinderung von strafbaren Handlungen, Schutz der Rechte Dritter; vgl. § 36 Abs. 1 Z 2 FrG) dar. Dazu kommt, dass dem Beschwerdeführer mit der Vergewaltigung gemäß § 201 Abs. 2 StGB eine schwere und besonders verwerfliche strafbare Handlung gegen die Sittlichkeit (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom 19. Oktober 1999, Zl. 98/18/0338) zur Last liegt, die die besagte Annahme im Grunde des § 36 Abs. 1 Z 1 und Z 2 FrG als gerechtfertigt erscheinen lässt. Dass der Beschwerdeführer hiefür mit einer achtmonatigen unbedingten Freiheitsstrafe - und nicht wie an einer Stelle im angefochtenen Bescheid offenkundig versehentlich ausgeführt mit einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 18 Monaten - bestraft wurde, vermag an dieser Beurteilung nichts zu ändern.

2.1. Die Beschwerde wendet sich gegen die von der belangten Behörde im Grund des § 37 FrG getroffene Beurteilung. Entgegen deren Ansicht werde durch die vorliegende fremdenpolizeiliche Maßnahme in die persönlichen Interessen des Beschwerdeführers am weiteren Verbleib in Österreich im Sinn des § 37 FrG eingegriffen. In der Beschwerde wird vorgebracht, dass der Beschwerdeführer über Vermittlung des Magistrats Linz, Amt für Jugend und Familie, seit Jänner 1998 in Linz die Schule besuche und in einer Wohngemeinschaft mit anderen Jugendlichen untergebracht sei. Bei Abschluss seiner Schulausbildung werde sich der Beschwerdeführer bemühen, eine Lehrstelle zu bekommen, das genannte Amt werde ihm dabei behilflich sein. Im Jahr 1999 seien der Großvater, zwei Schwestern und ein Bruder des Beschwerdeführers im Zuge der ethnischen Verfolgung der albanischen Volksgruppe in seinem Heimatland ermordet worden. Seit Ende 1999 habe der Beschwerdeführer auf Grund der unterbrochenen Telefonleitungen und weil er insbesondere seine Mutter auf Grund der Nachkriegswirren aus den Augen verloren habe, keinerlei Kontakt mehr zu seinen noch in Jugoslawien lebenden Familienmitgliedern.

2.2. Wenn auch der Verwaltungsgerichtshof die im angefochtenen Bescheid von der belangten Behörde vertretene Auffassung, dass durch die vorliegende fremdenpolizeiliche Maßnahme nicht in die persönlichen Interessen des Beschwerdeführers eingegriffen werde, angesichts der aus dem im Bescheid angenommenen Aufenthalt in der Dauer von zwei Jahren jedenfalls ableitbaren privaten Interessen an seinem Verbleib in Österreich nicht teilt, so besteht doch gegen das Ergebnis der behördlichen Beurteilung, dass § 37 FrG dem vorliegenden Aufenthaltsverbot nicht entgegen steht, kein Einwand. Der Beschwerdeführer hat durch sein insgesamt als besonders schwer wiegend einzustufendes Fehlverhalten die besagten öffentlichen Interessen (vgl. oben II.1.2.) nachhaltig beeinträchtigt, weshalb sich das Aufenthaltsverbot im Grund des § 37 Abs. 1 FrG als dringend geboten erweist. Vor diesem Hintergrund ist auch das Ergebnis der behördlichen Beurteilung, dass die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung des Aufenthaltsverbots schwerer wögen als die Auswirkungen dieser Maßnahme auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers (§ 37 Abs. 2 FrG) nicht als rechtswidrig zu erkennen. Die aus seinem Aufenthalt in Österreich ableitbare Ingetration des Beschwerdeführers wurde in der für sie wesentlichen sozialen Komponente durch sein gravierendes Fehlverhalten entscheidend gemindert, weiters sind die familiären Interessen des Beschwerdeführers - der sich diesbezüglich nicht gegen die Darstellung im angefochtenen Bescheid wendet - nicht besonders ausgeprägt. Dem Beschwerdevorbringen, dass der Beschwerdeführer keinerlei Kontakt mehr zu seinen noch in Jugoslawien lebenden Familienmitgliedern habe, ist zu erwidern, dass mit dem Aufenthaltsverbot nicht ausgesprochen wurde, dass er in ein bestimmtes Land (etwa sein Heimatland) auszureisen habe oder dass er (allenfalls) abgeschoben werde.

2.3. Auf dem Boden des Gesagten erweist sich die Verfahrensrüge, die belangte Behörde habe hinsichtlich des Schulbesuchs des Beschwerdeführers und seiner Integration im Rahmen der Wohngemeinschaft, in der er lebe, nichts ausgeführt, obwohl er diese Umstände im Verwaltungsverfahren vorgebracht habe, als nicht zielführend.

3. Da sich nach dem Gesagten die Beschwerde als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

4. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001. Wien, am 9. Mai 2003

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