Normen
AsylG 1991 §6;
AsylG 1991 §7;
AsylG 1997 §44;
FrG 1993 §6 Abs1 Z2;
FrG 1997 §36 Abs1;
FrG 1997 §36 Abs2 Z6;
AsylG 1991 §6;
AsylG 1991 §7;
AsylG 1997 §44;
FrG 1993 §6 Abs1 Z2;
FrG 1997 §36 Abs1;
FrG 1997 §36 Abs2 Z6;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I.
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 27. April 1998 wurde gegen die Beschwerdeführerin, eine türkische Staatsangehörige, gemäß § 36 Abs. 1 iVm § 36 Abs. 2 Z. 6 Fremdengesetz 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von fünf Jahren erlassen.
Die Beschwerdeführerin sei am 18. September 1995 über den Flughafen Wien-Schwechat gemeinsam mit ihrem Kind mit einem am 14. September 1995 von der österreichischen Botschaft in Ankara ausgestellten Touristensichtvermerk in das Bundesgebiet eingereist. Zwei Tage später habe sie einen Asylantrag gestellt, der mit Berufungsbescheid des Bundesministers für Inneres vom 28. September 1995 (nach der Aktenlage richtig: vom 19. Oktober 1995) abgewiesen worden sei. Über eine dagegen erhobene Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof sei bisher noch nicht entschieden worden. Auch ein am 23. Jänner 1997 neuerlich gestellter Asylantrag sei in zweiter Instanz abgewiesen worden.
Anlässlich der Beantragung des Sichtvermerkes habe die Beschwerdeführerin als Reisezweck "Besuch" bei C. angegeben. Dazu habe sie auch eine Verpflichtungserklärung von C. vorgelegt, wonach sie zu einem Besuch in der Dauer von zwei Monaten eingeladen werde. Sie habe eine Gültigkeitsdauer des Sichtvermerkes von zwei Monaten beantragt. Auf dem Antragsformular befinde sich der auch in türkischer Sprache abgefasste Passus:
"Ich erkläre, dass ich nur für den angegebenen Zweck und die angegebene Dauer nach Österreich einreisen werde. Ich versichere, die vorstehenden Angaben wahrheitsgetreu gemacht zu haben". Dennoch habe die Beschwerdeführerin unmittelbar nach ihrer Einreise einen Asylantrag gestellt. Der offenbare Zweck ihrer Einreise war nicht der Besuch bei C., sondern die Stellung eines Asylantrages. Die Beschwerdeführerin habe daher unrichtige Angaben über den Zweck ihres Aufenthaltes gemacht und erfülle somit den Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 6 FrG.
Das Verhalten der Beschwerdeführerin lasse jedenfalls erkennen, dass ihr Aufenthalt die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit, vor allem in Hinblick auf ein geordnetes Fremdenwesen, gefährde. Die in § 36 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme sei daher gerechtfertigt.
Da sich zwei Schwager und eine Nichte der Beschwerdeführerin im Bundesgebiet aufhielten, sei das Aufenthaltsverbot mit einem Eingriff in das Privatleben verbunden. Diese Maßnahme sei jedoch zur Erreichung der in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele (Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens) dringend geboten und daher im Grund des § 37 Abs. 1 FrG zulässig.
Bei der Interessenabwägung gemäß § 37 Abs. 2 FrG sei zu berücksichtigen, dass der aus der Aufenthaltsdauer ableitbaren Integration kein entscheidendes Gewicht zukomme, weil die Beschwerdeführerin ihre Einreise und somit auch ihren Aufenthalt durch unrichtige Angaben vor einer österreichischen Behörde erwirkt habe. Die persönlichen Interessen der Beschwerdeführerin am Verbleib im Bundesgebiet wögen nicht schwerer als die gegenläufigen öffentlichen Interessen.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, vom Verfassungsgerichtshof nach Ablehnung ihrer Behandlung abgetretene (Beschluss vom 28. Februar 2000, B 1484/98) Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Die Beschwerdeführerin ist am 18. September 1995 mit einem Flugzeug nach Österreich gekommen. Nach ihren bei den Verwaltungsakten erliegenden niederschriftlichen Angaben im Asylverfahren handelte es sich um ein Flugzeug der "Austrian Airlines", das am selben Tag in Izmir gestartet ist. Dass die Beschwerdeführerin nicht direkt von Izmir nach Österreich gelangt sei, hat die belangte Behörde nicht festgestellt; dafür gibt es auch aus der Aktenlage keine Anhaltspunkte.
Am 20. September 1995 hat die Beschwerdeführerin einen Asylantrag gestellt und dazu vorgebracht, als Kurdin von der türkischen Polizei verfolgt zu werden, weil sie auf Grund der Tötung ihres Mannes durch Polizisten Anzeige erstattet habe.
Die Beschwerdeführerin ist somit direkt aus dem Staat gekommen, in dem sie behauptet, Verfolgung befürchten zu müssen, und hat den Asylantrag innerhalb einer Woche nach ihrer Einreise gestellt. Gemäß § 7 iVm § 6 Asylgesetz 1991 kam ihr daher eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung während des Asylverfahrens zu. Diese Aufenthaltsberechtigung kam ihr auch während des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens über die Beschwerde gegen den ihren Asylantrag abweisenden Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 19. Oktober 1995 zu, hat doch der Verwaltungsgerichtshof dieser Beschwerde mit (bei den Verwaltungsakten erliegendem) Beschluss vom 18. Dezember 1995 aufschiebende Wirkung dergestalt zuerkannt, dass der Beschwerdeführerin die Rechtsstellung zukommt, die sie als Asylwerberin vor Erlassung des Berufungsbescheides im Asylverfahren hatte. Mit Inkrafttreten des Asylgesetzes 1997 (1. Jänner 1998) ist das Asylverfahren der Beschwerdeführerin gemäß § 44 Abs. 2 leg. cit. in das Stadium vor Erlassung des Berufungsbescheides zurückgetreten. Die gegen den Berufungsbescheid im Asylverfahren erhobene Beschwerde wurde daher mit hg. Beschluss vom 26. Februar 1998, Zl. 95/20/0748, gemäß § 44 Abs. 3 Asylgesetz 1997 zurückgewiesen.
Im vor dem unabhängigen Bundesasylsenat fortgesetzten Asylverfahren kommt der Beschwerdeführerin gemäß § 44 Abs. 4 Asylgesetz 1997 jedenfalls eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung zu. Dass der unabhängige Bundesasylsenat bereits über den Asylantrag entschieden hat, ergibt sich weder aus dem Vorbringen der Parteien noch aus dem Akteninhalt.
Die Beschwerdeführerin verfügt daher seit Stellung ihres Asylantrages durchgehend über eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz.
Die am 18. September 1995 in das Bundesgebiet eingereiste Beschwerdeführerin befindet sich somit seit 20. September 1995 berechtigt im Bundesgebiet, wobei die Rechtmäßigkeit dieses Aufenthaltes nicht auf dem ihr erteilten Touristensichtvermerk, sondern auf asylrechtlichen Vorschriften gründet.
2. Es kann dahinstehen, ob der Umstand, dass die Beschwerdeführerin anlässlich der Beantragung des Touristensichtvermerkes ihre Absicht, in Österreich Asyl zu beantragen, nicht bekannt gegeben hat, den Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 6 FrG erfüllt. Im Hinblick auf den auf Grundlage asylrechtlicher Vorschriften berechtigten Aufenthalt der Beschwerdeführerin, deren Asylantrag sich bisher nicht als unberechtigt erwiesen hat, stellte nämlich selbst ein durch unrichtige Angaben "erschlichener" Touristensichtvermerk keine die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes im Grund des § 36 Abs. 1 FrG rechtfertigende Störung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens dar.
3. Da die belangte Behörde somit die Rechtslage verkannt hat, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
4. Der Spruch über den Kostenersatz gründet auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 4. April 2001
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