VwGH 2000/17/0216

VwGH2000/17/021619.3.2001

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Höfinger, Dr. Holeschofsky, Dr. Köhler und Dr. Zens als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hackl, über die Beschwerde des GD in P, vertreten durch Dr. Günter Schandor, Rechtsanwalt in 1120 Wien, Wilhelmstraße 54/2, gegen den Bescheid der Abgabenberufungskommission der Stadt Wien vom 6. September 2000, Zl. MD-VfR - D 20/2000, betreffend Haftung für Anzeigenabgabe, zu Recht erkannt:

Normen

BAO §80 Abs1;
BAO §9 Abs1;
LAO Wr 1962 §54 Abs1;
LAO Wr 1962 §7 Abs1;
BAO §80 Abs1;
BAO §9 Abs1;
LAO Wr 1962 §54 Abs1;
LAO Wr 1962 §7 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat der Bundeshauptstadt Wien Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid der Magistratsabteilung 4 vom 28. August 1996 wurde der Beschwerdeführer gemäß §§ 7 und 54 Wiener Abgabenordnung - WAO, LGBl. für Wien Nr. 21/1962 in der geltenden Fassung, für den Rückstand an Anzeigenabgabe der B-AG in der Höhe von S 378.614,83 für die Monate April und Mai 1993 haftbar gemacht und aufgefordert, diesen Betrag gemäß § 71 WAO binnen einem Monat ab Zustellung zu entrichten. Der Beschwerdeführer erhob Berufung. In dieser Berufung wiederholte er die bereits im Verfahren vor der Behörde erster Instanz vorgebrachten Argumente, dass nämlich durch die Erfüllung eines Zwangsausgleiches mit einer Quote in der Höhe von 22 % entsprechend der Befreiung des Gemeinschuldners gemäß § 156 Abs. 1 KO durch den rechtskräftig bestätigten Ausgleich auch die Haftung entfallen sei. Darüber hinaus seien der Gesellschaft im Zeitraum April und Mai 1993 nicht die erforderlichen Mittel zur Begleichung der Anzeigenabgabe zur Verfügung gestanden. Die Mitglieder des Vorstandes der B-AG hätten auf Grund von internen Verhandlungen davon ausgehen können, dass die erforderlichen Mittel durch eine Kapitalerhöhung der Gesellschaft bereitgestellt würden. Wie auch in einem Sachverständigengutachten festgehalten worden sei, sei der 23. Juni 1993 "als subjektiv erkennbarer Zeitpunkt der Zahlungsunfähigkeit" festzustellen. Mit Berufungsvorentscheidung vom 29. Mai 2000 wurde die Berufung als unbegründet abgewiesen.

Auf Grund des Vorlageantrags des Beschwerdeführers erging der nunmehr angefochtene Bescheid, mit welchem die belangte Behörde die Berufung als unbegründet abwies. Begründend führte die belangte Behörde aus, dass die Voraussetzungen für die Haftung gemäß § 7 Abs. 1 iVm § 54 WAO (Abgabenforderung gegen den Vertretenen, Stellung als Vertreter, erschwerte Einbringung der Abgabenforderung, Pflichtverletzung des Vertreters, Verschulden des Vertreters an der Pflichtverletzung und Ursächlichkeit der Pflichtverletzung für die erschwerte Einbringung) vorlägen. Der im erstinstanzlichen Bescheid angeführte Abgabenrückstand werde nicht bestritten und ergebe sich auf Grund der Aktenlage. Weiters stehe fest, dass der Beschwerdeführer im maßgebenden Zeitraum als Mitglied des Vorstandes zur Vertretung der B-AG nach außen berufen gewesen sei und somit zu dem in § 54 Abs. 1 WAO angeführten Personenkreis gehöre. Auch die Eröffnung des Konkurses über das Vermögen der B-AG mit Beschluss des HG Wien vom 9. Juli 1993 und die Beendigung dieses Verfahrens auf Grund eines Zwangsausgleiches stehe fest. Damit stehe fest, dass der angeführte Rückstand, bei welchem die Ausgleichsquote berücksichtigt worden sei, bei der Primärschuldnerin uneinbringlich sei, da mit der Erfüllung des Zwangsausgleiches Ansprüche gegen die Primärschuldnerin nicht mehr geltend gemacht werden könnten. Die Pflichtverletzung des Beschwerdeführers ergebe sich aus der Missachtung des § 7 Wiener Anzeigenabgabegesetz 1983, wonach der Abgabenpflichtige für jeden Monat bis längstens 14. des darauffolgenden Monates dem Magistrat unaufgefordert eine Abrechnung über die für die Vornahme oder Verbreitung von Anzeigen aller Art vereinnahmten Entgelte vorzulegen und innerhalb der gleichen Frist den sich danach ergebenden Abgabebetrag an die Stadt Wien bar oder mittels Überweisung einzuzahlen habe. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sei es Aufgabe des Geschäftsführers nachzuweisen, dass ihm die Erfüllung der abgabenrechtlichen Pflichten für die Gesellschaft unmöglich gewesen sei. Der Beschwerdeführer habe hinsichtlich der Unterlassung der fristgerechten Entrichtung der Anzeigenabgabe kein stichhaltiges Vorbringen erstattet, wobei auf die Ausführungen der Abgabenbehörde erster Instanz in der Berufungsvorentscheidung zu verweisen sei. Insbesondere liege die Benachteiligung des Abgabengläubigers auf der Hand, da der Beschwerdeführer für die gegenständliche Anzeigenabgabe keine Zahlungen geleistet habe, jedoch Zahlungen an andere Personen erfolgt seien. Der Geschäftsführer hafte für nicht entrichtete Abgaben der Gesellschaft auch dann, wenn die zur Verfügung stehenden Mittel zur Entrichtung aller Verbindlichkeiten der Gesellschaft nicht ausreichten, es sei denn, er weise nach, dass diese Mittel anteilig für die Begleichung aller Verbindlichkeiten verwendet worden seien. Widrigenfalls hafte der Geschäftsführer für die nicht entrichtete Abgabe zur Gänze (Hinweis auf die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 17. September 1986, Zl. 84/13/0198, vom 30. Mai 1989, Zlen. 89/14/0043 und 89/14/0044, vom 29. April 1994, Zl. 93/17/0395, vom 3. November 1994, Zl. 93/15/0010, und vom 19. Februar 1997, Zl. 96/13/0079). Was die Frage anlange, ob nach der Erfüllung des Zwangsausgleiches durch den Primärschuldner eine Haftung für den Restbetrag zulässig sei, werde auf die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes vom 20. Dezember 1999, Zl. 99/17/0428, verwiesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, da die belangte Behörde den Sachverhalt aktenwidrig angenommen habe. In der Beschwerde wird insbesondere darauf hingewiesen, dass der Beschwerdeführer bereits im Berufungsverfahren (nach Ergehen der Berufungsvorentscheidung) einen Liquiditätsstatus für die B-AG vorgelegt habe. Aus diesen Berechnungen gehe hervor, dass "auf Basis von prozentmäßigem Haftungszeitraum entrichteten Gesamtverbindlichkeiten im Ausmaß von 20,77 % (Mai 1993) und 25,14 % (Juni 1993) sich somit für die im Mai und Juni fällig gewordenen Anzeigenabgaben ein höchstmöglicher Haftungsanspruch gegen den Beschwerdeführer in Höhe von ATS 86.102,91 ergeben" könne (aus dem Zusammenhang mit den übrigen Beschwerdeausführungen (Seite 5 und Seite 7 der Beschwerde) ergibt sich, dass es sich bei den Monatsangaben um ein Versehen handelt; die entsprechenden Zahlen sollen sich offenkundig auf die Monate April und Mai beziehen).

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

§ 7 Abs. 1 Wiener Abgabenordnung - WAO, LGBl. für Wien Nr. 21/1962 (im Beschwerdefall in der Fassung der Novelle LGBl. Nr. 40/1992), lautet:

"§ 7. (1) Die in den §§ 54 ff. bezeichneten Vertreter und sonstigen Verpflichteten haften neben den Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern und sonstigen Verpflichteten auferlegten Pflichten, sei es abgabenrechtlicher oder sonstiger Pflichten, bei den Abgabepflichtigen nicht ohne Schwierigkeiten eingebracht werden können, insbesondere im Falle der Konkurseröffnung."

§ 171 WAO lautet:

"§ 171. Die in Abgabenvorschriften geregelten persönlichen Haftungen werden durch Erlassung von Haftungsbescheiden geltend gemacht. In diesen ist der Haftungspflichtige unter Hinweis auf die gesetzliche Vorschrift, die seine Haftungspflicht begründet, aufzufordern, die Abgabenschuld, für die er haftet, binnen einer Frist von einem Monat zu entrichten. Wenn es die Abgabenbehörde für zweckmäßig erachtet, kann sie die Haftung für Teile der Abgabenschuld auch in gesonderten Bescheiden geltend machen. Ein erfüllter Ausgleich oder Zwangsausgleich hindert nicht die Geltendmachung von Haftungen."

Der Beschwerdeführer wurde zur Haftung für den Rückstand an Anzeigenabgabe der B-AG aus den Monaten April und Mai 1993 haftbar gemacht. In der Beschwerde wird einerseits das Bestehen einer Haftung grundsätzlich bestritten, andererseits - für den Fall, dass eine solche Haftung gegeben sein sollte - unter Hinweis auf den vorgelegten Liquiditätsstatus die Höhe des Betrages, für welchen der Beschwerdeführer zur Haftung herangezogen wurde, bestritten.

Dazu ist Folgendes auszuführen:

Wie die belangte Behörde zutreffend dargelegt hat, greift die Haftung gemäß § 7 iVm § 171 WAO auch nach Erfüllung eines Ausgleichs oder Zwangsausgleichs ein (vgl. das von der belangten Behörde genannte hg. Erkenntnis vom 20. Dezember 1999, Zl. 99/17/0428). In dem zuletzt genannten Erkenntnis wurde auch auf das kurz zuvor ergangene Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 22. September 1999, Zl. 96/15/0049, zu § 9 BAO, hingewiesen, in welchem der Verwaltungsgerichtshof nunmehr auch für § 9 BAO zum Ergebnis kommt, dass die Erfüllung eines (Zwangs-)Ausgleichs des Primärschuldners keinen Grund für die Befreiung des Haftungspflichtigen darstelle. Es besteht daher kein Anlass, die vom Verwaltungsgerichtshof schon zuvor zur Wiener Abgabenordnung vertretene Auffassung nicht aufrecht zu erhalten.

Soweit sich die Beschwerde gegen die Höhe des Betrages, für welchen der Beschwerdeführer zur Haftung herangezogen wurde, wendet, ist ihr ebenfalls die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes entgegenzuhalten. Wie der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen hat, haftet der Vertreter bei Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes für die von der Haftung betroffenen Abgabenschulden zur Gänze (vgl. näher das hg. Erkenntnis vom 28. Mai 1993, Zl. 93/17/0049, mit Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom 29. Jänner 1993, Zl. 92/17/0042). Dass in den beiden Monaten, für welche der Beschwerdeführer zur Haftung herangezogen wurde, eine Gleichbehandlung der Gläubiger erfolgte, wird auch in der Beschwerde nicht behauptet.

Die belangte Behörde ist daher zutreffend davon ausgegangen, dass ein näheres Eingehen auf den vom Beschwerdeführer vorgelegten Liquiditätsstatus entbehrlich war, da der Sachverhalt, dass in den Monaten April und Mai auf die hier in Rede stehende Anzeigenabgabe keine Zahlungen erfolgt waren, nicht bestritten war.

Der Beschwerdeführer wurde daher durch die Abweisung seiner Berufung nicht in seinen Rechten verletzt. Die Beschwerde war infolgedessen gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994.

Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.

Wien, am 19. März 2001

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