VwGH 2000/17/0094

VwGH2000/17/009418.9.2000

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hnatek und die Hofräte Dr. Höfinger, Dr. Holeschofsky, Dr. Köhler und Dr. Zens als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Keller, über die Beschwerde der S, vertreten durch M, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Präsidenten des Oberlandesgerichtes Wien vom 14. März 2000, Zl. Jv 50236-33a/00, betreffend Stundung von Gerichtskosten, zu Recht erkannt:

Normen

BAO §212 Abs1;
BAO §236 Abs1;
GEG §9 Abs1;
GEG §9 Abs2;
BAO §212 Abs1;
BAO §236 Abs1;
GEG §9 Abs1;
GEG §9 Abs2;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund (Bundesministerium für Justiz) Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Eingabe vom 17. Februar 2000 beantragte die Beschwerdeführerin, ihr die Entrichtung von Gerichtskosten (nach der Aktenlage in der Höhe von S 52.724,--) zu stunden. Bisher geleistete Ratenzahlungen könne sie nicht weiterführen, weil sie seit Oktober arbeitslos gemeldet sei.

Mit Eingabe vom 6. März 2000 präzisierte sie diesen Antrag dahin, dass ihr die Entrichtung der geschuldeten Gerichtskosten in Monatsraten zu S 500,-- bewilligt werden möge.

Zu ihren Einkommens- und Vermögensverhältnissen gab die Beschwerdeführerin an, sie beziehe Arbeitslosengeld in der Höhe von S 14.500,-- monatlich. Darüber hinaus sei sie geringfügig beschäftigt, wofür sie S 3.900,-- monatlich erhalte. Schulden aus einem Privatkredit von S 470.000,-- und aus einem Leasingvertrag von S 130.000,-- stünde als Vermögen lediglich ein Kraftfahrzeug, Baujahr 1998, gegenüber. Die Beschwerdeführerin sei für ihren 20-jährigen Sohn sorgepflichtig, welcher noch bis September 2000 als Zivildiener ein Monatseinkommen von S 2.300,-- beziehe. Die Beschwerdeführerin unterstütze überdies ihre Mutter mit monatlichen Zahlungen von S 1.000,--.

Mit dem angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 14. März 2000 wurde dieser Antrag der Beschwerdeführerin abgewiesen. Begründend führte die belangte Behörde aus, gemäß § 9 Abs. 1 des Gerichtlichen Einbringungsgesetzes, BGBl. Nr. 288/1962 (im Folgenden: GEG), könne die vorgeschriebene Zahlungsfrist auf Antrag verlängert oder die Entrichtung in Teilbeträgen gestattet werden, wenn die Einbringung mit einer besonderen Härte für den Zahlungspflichtigen verbunden wäre und entweder durch die Stundung nicht gefährdet oder Sicherheit geleistet werde. Voraussetzung für die Gewährung einer Stundung sei somit sowohl das Vorliegen einer besonderen Härte als auch die mangelnde Gefährdung der Einbringung bzw. die Sicherheitsleistung. Trotz diesbezüglicher Aufforderung habe die Beschwerdeführerin keine Sicherheitsleistungen angeboten. Angesichts ihrer ungünstigen wirtschaftlichen Verhältnisse (Arbeitsloseneinkommen von S 14.500,-- monatlich, Einkommen aus geringfügiger Beschäftigung von S 3.900,-- monatlich) sei evident, dass die Einbringung der Gerichtskosten gefährdet sei. Dem Stundungsansuchen sei daher keine Folge zu geben.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof. Die Beschwerdeführerin erachtet sich in ihrem Recht auf Stundung der in Rede stehenden Gerichtskosten gemäß § 9 Abs. 1 GEG verletzt. Sie macht erkennbar Rechtswidrigkeit des Inhaltes mit dem Antrag geltend, den angefochtenen Bescheid aus diesem Grunde aufzuheben.

Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift, in der sie beantragt, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

§ 9 Abs. 1 und 2 GEG lauten:

"§ 9. (1) Die vorgeschriebene Zahlungsfrist kann auf Antrag verlängert oder die Entrichtung in Teilbeträgen gestattet werden (Stundung), wenn die Einbringung mit einer besonderen Härte für den Zahlungspflichtigen verbunden wäre und entweder durch die Stundung nicht gefährdet oder Sicherheit geleistet wird. Über den Antrag entscheidet bei Beträgen bis zu 390 000 S der Präsident des Oberlandesgerichtes. ... Wird eine Rate nicht oder verspätet bezahlt, so wird die Stundung wirkungslos (Terminverlust).

(2) Gebühren und Kosten können auf Antrag nachgelassen werden, wenn die Einbringung mit besonderer Härte für den Zahlungspflichtigen verbunden wäre oder wenn der Nachlass im öffentlichen Interesse gelegen ist. ..."

Wie die belangte Behörde zutreffend erkannte, ist für die Zulässigkeit einer die Stundung gewährenden Ermessensentscheidung Voraussetzung, dass die sofortige Einbringung sowohl mit einer besonderen Härte verbunden ist, als auch, dass durch die Stundung die Hereinbringung nicht gefährdet wäre bzw. Sicherheit geleistet wird.

Ebenso wie auf Grund der vergleichbaren Interessenlage für das Nachlassverfahren nach § 9 Abs. 2 GEG die Judikatur zum Nachsichtsverfahren nach § 236 Abs. 1 BAO anwendbar ist (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 26. Jänner 1996, Zl. 93/17/0265), kann zur Auslegung des § 9 Abs. 1 GEG auf Lehre und Rechtsprechung zu § 212 Abs. 1 BAO zurückgegriffen werden. Der Begriff der "Gefährdung der Einbringung" ist demnach wie folgt zu interpretieren:

Gefährdung schließt gegenwärtige und künftige Bedrohungen ein. Der Anspruch wäre durch die Zufristung gefährdet, wenn auf Grund der in einem Ermittlungsverfahren festgestellten Umstände und zu erwartenden Entwicklungen davon auszugehen ist, dass er später überhaupt nicht oder nur mit größten Schwierigkeiten realisiert werden kann. Die Voraussetzungen für eine Zufristung sind effektive Leistungsschwäche oder gegenwärtige Leistungsunzumutbarkeit ("erhebliche Härte"), jedoch sind Zahlungserleichterungen nur unter der gerechtfertigten Erwartung späterer Leistungsfähigkeit zu gewähren. Drohende, ernsthaft zu besorgende Leistungsunfähigkeit, begründet zu erwartendes Leistungsunvermögen schließen Zahlungserleichterungen aus. Es ist, um Gefährdung der Einbringlichkeit annehmen zu können, nicht erforderlich, dass es bereits zu einem Ausfall gekommen ist. Es reicht aus, wenn das Aufkommen in Gefahr ist oder ernsthaft in Gefahr zu geraten droht. Für die Annahme einer Gefährdung müssen Anhaltspunkte tatsächlicher Art gegeben sein. Ein bloß möglicher Ausfall genügt, wenn die Möglichkeit nicht begründet ist, für die Annahme der Gefährdung nicht. Es müssen Tatsachen vorliegen, die das konkrete Risiko des Ausfalles in einem das übliche Gläubigerrisiko übersteigenden Maße ins Bewusstsein rücken; ein Risiko des Forderungsverlustes also, das greifbar ist oder sich erhöhen würde, würden Zufristungen gewährt werden. Aus bisheriger Säumigkeit kann auf eine Gefährdung ebenso wenig zwingend geschlossen werden wie aus bisheriger Zahlungswilligkeit und Zahlungspünktlichkeit unabdingbar auf das Nichtvorliegen einer Gefährdung zu schließen ist. Es ist für die Anwendung der Gefährdungsklausel nicht erforderlich, dass die Behörde die Gefährdung der Einbringlichkeit förmlich nachweist, es genügt, dass nach Sachverhaltsermittlung und nach sachgerechter, objektiver Würdigung die Gefährdung der Einbringlichkeit begründet zu befürchten ist, wobei dieses erhöhte Risiko nicht ernsthaft ausgeschlossen werden kann. Derartige eine Gefährdung darstellende Umstände sind insbesondere bei einer Überschuldung des Abgabepflichtigen gegeben. Bei einer bestehenden, gegenwärtigen Notlage kann ein Antrag auf Zahlungserleichterungen nur zum Erfolg führen, wenn der Abgabepflichtige glaubhaft macht, dass die Einbringlichkeit der Abgaben durch die beantragte Zahlungserleichterung nicht gefährdet ist. Schlechte Einkommens- und Vermögensverhältnisse, voraussehbar geringes künftiges Einkommen, Vermögenslosigkeit oder Vorbelastungen sind Gegebenheiten, die es im Allgemeinen rechtfertigen, eine Gefährdung der Einbringlichkeit anzunehmen (vgl. zu all dem die bei Stoll, BAO III, 2249 f, wiedergegebene Rechtsprechung und Literatur).

Ausgehend von diesem Verständnis des Begriffes der Gefährdung der Einbringung kann aber der belangten Behörde nicht entgegengetreten werden, wenn sie vorliegendenfalls von einer solchen Gefährdung ausging:

Auch wenn man der Beschwerdeführerin zugestehen wollte, dass von einer Gefährdung der Einbringlichkeit nicht schon gesprochen werden kann, sobald der Antragsteller nicht in der Lage ist, den geforderten Betrag prompt zu bezahlen (oder Sicherheit zu leisten), wäre für sie nichts gewonnen. Von einer Gefährdung der Einbringlichkeit wäre nämlich jedenfalls dann auszugehen, wenn im Falle der Gewährung der beantragten Ratenzahlung begründet zu befürchten wäre, dass der Antragsteller auch zur Leistung dieser Raten nicht in der Lage sein würde.

Der Beschwerdeführerin ist nun zuzugestehen, dass eine solche Befürchtung gegenwärtig angesichts ihres Einkommens von insgesamt S 18.400,-- netto monatlich nicht bestünde, ginge man (auch) vom Zutreffen ihrer Beschwerdebehauptung aus, wonach sie ihre Kreditverbindlichkeiten in Monatsraten zu S 8.400,-- zurückzahle.

Freilich würde aber die Bewilligung der beantragten Ratenzahlung zu einer Stundung der Gerichtskosten für einen Zeitraum von über acht Jahren führen. Im Hinblick auf die befristete Dauer des Bezuges von Arbeitslosengeld (§ 18 AlVG), aber auch von Notstandshilfe (§ 35 AlVG) besteht die begründete Befürchtung, dass während der Dauer des Zahlungsaufschubes eine Verringerung des Einkommens der Beschwerdeführerin eintritt, welches sie außer Stande setzen könnte, auch nur die Raten in der beantragten Höhe zu entrichten, zumal ja auch die Kreditraten in der behaupteten Höhe von S 8.400,-- monatlich bedient werden müssten.

Schließlich hat die Beschwerdeführerin entgegen ihrer diesbezüglichen Obliegenheit, auch das negative Merkmal des Fehlens der Gefährdung der Einbringlichkeit initiativ darzutun (vgl. hiezu Stoll, a.a.O., 2243), keine Umstände behauptet, die einen baldigen Vermittlungserfolg und damit ein Ende ihrer Arbeitslosigkeit (oder eine sonstigen Sicherung oder Verbesserung ihrer derzeitigen Einkommenssituation) nahe legen würden.

Wie oben bereits dargetan, begründet weder Zahlungswilligkeit noch bisherige Zahlungspünklichkeit die Annahme, eine Gefährdung der Einbringung liege nicht vor. Auch mit dem Vorbringen, die Beschwerdeführerin habe bisher die Ratenzahlungen pünktlich eingehalten und sie sei zahlungswillig, vermag diese daher keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen.

Aus diesen Erwägungen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 18. September 2000

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