VwGH 2000/17/0017

VwGH2000/17/001724.10.2001

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Höfinger, Dr. Holeschofsky, Dr. Köhler und Dr. Zens als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hackl, über die Beschwerde der S Export GmbH in W, vertreten durch Dr. Klaus Nuener, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Anichstraße 40, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich (Berufungssenat III der Region Linz) vom 20. Dezember 1999, Zl. ZRV56/1-L3/98, betreffend Ausfuhrerstattung, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §37;
BAO §115 Abs1;
BAO §167 Abs2;
BAO §243;
BAO §289 Abs1;
BAO §289;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
VwGG §42 Abs2 Z3;
ZollRDG 1994 §2 Abs1;
ZollRDG 1994 §85c Abs1;
ZollRDG 1994 §85c Abs3c idF 2001/I/061;
AVG §37;
BAO §115 Abs1;
BAO §167 Abs2;
BAO §243;
BAO §289 Abs1;
BAO §289;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
VwGG §42 Abs2 Z3;
ZollRDG 1994 §2 Abs1;
ZollRDG 1994 §85c Abs1;
ZollRDG 1994 §85c Abs3c idF 2001/I/061;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund (Bundesministerium für Finanzen) hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,--

binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die beschwerdeführende GmbH meldete beim Zollamt Innsbruck am 9. August 1995 17 Stück reinrassige weibliche Zuchtrinder (Kühe) bis zum Alter von 60 Monaten, Mindestgewicht: 250 kg, WE-Nr. 01021030120, Eigenmasse 11.578 kg und 16 Stück reinrassige weibliche Zuchtrinder (Färsen) bis zum Alter von 36 Monaten, Mindestgewicht: 250 kg, WE-Nr. 01021010120, Eigenmasse 11.048 kg zur Ausfuhr aus dem Zollgebiet an. Der Anmeldung waren Rechnungen, in denen die Kühe und Färsen mit der jeweiligen Ohrmarkennummer und dem Gewicht aufgelistet waren, sowie Abstammungs- und Leistungsnachweise für jedes Rind in Kopie angeschlossen. In der Anmeldung vermerkte das Zollorgan anlässlich der Prüfung durch die Abgangszollstelle: " konform."

Mit Bescheid vom 30. Oktober 1997 gewährte das Zollamt Salzburg/Erstattungen auf Grund des Antrages der beschwerdeführenden GmbH eine Ausfuhrerstattung nach § 2 Ausfuhrerstattungsgesetz iVm Artikel 11 der Verordnung (EWG) Nr. 3665/87 von S 185.491,--.

Mit Berufungsvorentscheidung wies das Zollamt Salzburg/Erstattungen die gegen diesen Bescheid erhobene Berufung als unbegründet ab.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die gegen die Berufungsvorentscheidung erhobene Administrativbeschwerde als unbegründet ab. In den Entscheidungsgründen heißt es:

"Vom Hauptzollamt Salzburg und Zollamt Salzburg/Erstattungen wurde u.a. die verfahrensgegenständliche Erstattungsausfuhr überprüft. Hiebei wurde unter der Anmerkung (G) zu nachfolgenden 15 Tieren die Feststellung getroffen, das zur Ausfuhr angemeldete Gewicht sei unrichtig gewesen, für die Berechnung der Ausfuhrerstattung sei das in der erstellten Aufstellung in der Spalte 'Tatsächliches Gewicht' angegebene Gewicht maßgebend:

Ohrmarken-nummer (=Kuh, F=Färse)

Name des Tieres

Vorbesitzer

Gewicht lt Anmeldung in kg

Gewichts-angaben der Vorbe- sitzer in kg oder lt Ver-wiegung

Gewichts-differenz in kg

558152446 (K)

RALI

HR

600

528

72

290776962 (F)

BONDI

MP

670

499

171

296478262 (F)

KIKI

PF

665

526

139

265966915 (K)

LIEBLING

HJ

730

634

96

272380362 (K)

LAURA

DH

740

610

130

290535762 (F)

NORA

TM

670

452

218

290574562 (F)

KATHI

TM

665

440

225

292493262 (F)

BLÜTE

HF

770

490

280

286543962 (K)

PALME

GA

647

520

127

297837862 (F)

HEIKE

MJ

810

520

290

299254762 (F)

GUNDL

TJ

665

520

145

299316262 (F)

GIESI

GK

830

500

330

299356162 (F)

ALMERL

GK

675

500

175

300698762 (F)

HIRSCHL

LP

630

420

210

253703362 (K)

KIRSCHE

PF

740

660

80

Auf den beim Fleckviehzuchtverband Steiermark aufliegenden Unterlagen (Durchschriften der Abstammungs- und Leistungsnachweise) wurden die bei den Auftriebstellen durch Verwiegung ermittelten Gewichte hinsichtlich folgender Tiere handschriftlich vermerkt:

Ohrmarken-nummer (=Kuh, F=Färse)

Name des Tieres

Vorbesitzer

Gewichte lt Fleckviehzucht-verband Steiermark

290776962 (F)

BONDI

MP

499

296478262 (F)

KIKI

PF

526

265966915 (K)

LIEBLING

HJ

634

272380362 (K)

LAURA

DH

610

290535762 (F)

NORA

TM

452

290574562 (F)

KATHI

TM

440

292493262 (F)

BLÜTE

HF

490

286543962 (K)

PALME

GA

520

297837862 (F)

HEIKE

MJ

520

299254762 (F)

GUNDL

TJ

520

299316262 (F)+)

GIESI

G

500 +)

299356162 (F)+)

ALMERL

GK

500 +)

300698762 (F)

HIRSCHL

LP

420

253703362 (K)

KIRSCHE

PF

660

+) Das Gewicht beider Tiere zusammen wurde mit 1.000 kg

ermittelt.

Das Zollamt Salzburg/Erstattungen hat in einem Aktenvermerk vom 6. August 1998 festgehalten, dass zufolge einer fernmündlichen Rücksprache mit dem in der Angelegenheit zuständigen Sachbearbeiter des Fleckviehzuchtverbandes Steiermark Herrn JL alle bezughabenden Rinder, für die ... das Gewicht handschriftlich vermerkt ist, bei den verschiedenen Auftriebsstellen in der Oststeiermark gewogen worden wären. Der Ankauf sei am 31. Juli 1995 durch 'P' (Anmerkung: Fa. Ing. FP) erfolgt. Im Zuge des im Verfahren vor dem Berufungssenat angeordneten ergänzenden Beweisermittlungsverfahrens bestätigte der Fleckviehzuchtverband Steiermark im Schreiben an das Hauptzollamt Graz vom 2. September 1999, die in Rede stehenden Tiere seien über seine Vermittlung von der Fa. Ing. FP am 31. Juli 1995 angekauft worden. Die Verladung und Verwiegung der Tiere sei auf den Sammelstellen erfolgt.

JL, Angestellter des Fleckviehzuchtverbandes Steiermark, gab am 22. September 1999 zum Ankaufsvorgang von Organen des Hauptzollamtes Graz als Auskunftsperson befragt u.a. zur Niederschrift an, er selbst habe die handschriftlichen Eintragungen auf den bezughabenden Stammscheinausdrucken vorgenommen. Zum Verkaufstermin habe ein Vertreter der Fa. P der Verladung und Verwiegung beigewohnt und in weiterer Folge die gekauften Rinder auf die firmeneigenen Lastkraftwagen verladen.

FP, am 1. Oktober 1999 vom Hauptzollamt Graz in der gegenständlichen Angelegenheit als Zeuge befragt, vermochte sich an den in Rede stehenden Vorgang nicht mehr im Detail zu erinnern. Es könne möglich sein, dass im Jahr 1995 die in Rede stehenden Rinder über Vermittlung des Fleckviehzuchtverbandes in F zugekauft wurden. Von der Bf. seien die Rinder im Stückpreis (so genannter 'über Kopf Verkauf') erworben worden; eine Verwiegung oder Gewichtsangabe sei dabei nicht üblich.

Am 14. September 1995 hielt das Hauptzollamt Salzburg die Aussagen von MH als Auskunftsperson niederschriftlich fest. Er habe im August 1995 über Vermittlung des Rinderzuchtverbandes L an die Bf. die Kuh 'RALI' mit der Ohrmarkennummer 558152446 zum Preis von ATS 16,50 pro Kilogramm um ATS 8.700,00 verkauft. Das Tier sei bei der Auftriebsstelle in L verwogen worden. Sein Gewicht habe 528 Kilogramm betragen. Es habe sich um eine sehr schlechte Kuh gehandelt. Beim ersten Kalb habe es Schwierigkeiten beim Kalben gegeben. Auch nach mehrmaliger Behandlung durch den Tierarzt habe sie nicht mehr aufgenommen.

Zum Vorhalt der Organe des Hauptzollamtes Salzburg im Zuge der niederschriftlichen Vernehmung vom 2. August 1996, auf Grund der bei den Züchtern und den zuständigen Zuchtverbänden vorgenommenen Ermittlungen (Einvernahmen der Züchter, bei den Zuchtverbänden aufliegende Gewichtslisten) seien u.a. bei den vorstehenden unter Anmerkung (G) angeführten Fällen erhebliche Gewichtsdifferenzen zwischen Ankauf und Erklärung in der Warenanmeldung festgestellt worden, gestand ES, er habe fallweise in den Warenanmeldungen erhöhte Gewichtsangaben gemacht. Er habe darüber keine Aufzeichnungen geführt, weshalb er dazu auch keine detaillierten Angaben machen könne. Das Zollamt habe bei den ermittelten Gewichten das Gewicht zum Einkaufszeitpunkt herangezogen. Nach seiner Ansicht müsste eine Gewichtszunahme (bis zum Zeitpunkt der Ausfuhr) von 40 bis 60 Kilogramm pro Rind Berücksichtigung finden, weil er die Tiere vor der Verladung stets bestens gefüttert und dadurch eine kurzfristige Gewichtszunahme bis zu 60 Kilogramm erreicht habe. Durchschnittlich wären die Tiere bei ihm (zwischen Ankauf und Ausfuhr) 5 bis 10 Tage im Stall gestanden. Ansonsten stelle er die vom Zollamt erhobenen Gewichtsdifferenzen außer Streit. Ausschlaggebend für die unzutreffenden erhöhten Gewichtsangaben in den Warenanmeldungen seien die finanziellen Schwierigkeiten und die äußerst angespannte Lage im Viehhandel gewesen. Er habe sich mit erhöhten Gewichtsangaben in den Exporterklärungen beim Zoll etwas beholfen und seiner Bürokraft eine von ihm handschriftlich erstellte Liste mit den zu exportierenden Tieren und dem zu erklärenden Gewicht übergeben. Diese habe davon Reinschriften angefertigt, die in weiterer Folge dem Zoll vorgelegt worden seien. Einigemale sei seine Viehwaage defekt gewesen, wodurch unter Umständen auch Gewichtsdifferenzen zustandegekommen wären.

Hinsichtlich der von ES ins Treffen geführten Gewichtszunahme hat das Zollamt Salzburg/Erstattungen in der Folge auf Grund einer entsprechenden Anfrage bei der Landwirtschaftskammer Oberösterreich durch das Schreiben vom 16. Dezember 1996 und einer fernmündlichen Rücksprache vom 7. Jänner 1997 in Erfahrung gebracht, dass bei trächtigen Kalbinnen (Färsen) die höchsten Gewichtszunahmen in kurzen Tageszunahmen betrachtet mit 900 Gramm (12. bis 24. Lebensmonat), 600 Gramm (24. bis 36. Lebensmonat) bzw. 550 Gramm (1. bis 12. Lebensmonat) begrenzt wären. Bei Kühen mit 2 bis 3 Abkalbungen ändere sich das Gewicht kaum. Die normalen Gewichtszunahmen bewegten sich bei 300 bis 400 Gramm pro Tag. Wenn die Tiere jedoch - wie im gegenständlichen Fall - in einen anderen Stall, beispielsweise zu einem Viehhändler, wechseln, wären in den ersten zwei Wochen kaum Gewichtszunahmen zu erreichen.

Der Bf. wurde das maßgebliche Ermittlungsergebnis mit Vorhalt vom 16. Juli 1997, GZ. 610/5306/1/95, unter angemessener Fristsetzung für eine allfällige Stellungnahme zur Kenntnis gebracht. Die Bf. äußerte sich zu diesem Vorhalt des Erstattungsamtes nicht.

...

Die (Behörde erster Rechtsstufe) hat zum Beweis dafür, dass von der Bf. in der bezughabenden Ausfuhranmeldung sowie im nationalen Erstattungsantrag als Ausführerin vorsätzlich falsche Angaben gemacht wurden, auf die mit dem Geschäftsführer der Bf. ES am 2. August 1996 aufgenommene Niederschrift des Hauptzollamtes Salzburg hingewiesen, in welcher er u.a. angegeben hatte, wegen der finanziellen Schwierigkeiten und der angespannten Lage im Viehhandel erhöhte Gewichtsangaben in den Ausfuhranmeldungen gemacht und sich bei den Exporten nach Tschechien mit überhöhten Gewichtsangaben in den Exporterklärungen beim Zoll etwas geholfen zu haben. ES habe die Listen mit den unrichtigen Gewichten selbst erstellt und dann der Bürokraft zur weiteren Bearbeitung übergeben. Grundsätzlich war die rechtliche Schlussfolgerung im angefochtenen Bescheid, die Bf. habe als Ausführerin wissentlich und gewollt, demnach vorsätzlich im Sinne des § 8 Abs. 1 Finanzstrafgesetz unrichtigen Angaben in der Anmeldung, die zur Auszahlung des nicht zustehenden Erstattungsbetrages geführt hätten, gemacht, daher nach Ansicht des Berufungssenates denkfolgerichtig zulässig. Sollten im vorliegenden Fall - was durch die ergänzende Einvernahme des Ing. FP, von welchem die Bf. die über Vermittlung des Fleckviehzuchtverbandes Steiermark angekauften Rinder erworben hatte, einzuräumen war - die in Rede stehenden Rinder 'über Kopf' erstanden worden und das tatsächliche genaue Gewicht für die Preisbildung nicht von erheblicher Bedeutung gewesen sein, musste die Bf. zufolge der Aussage ihres Geschäftsführers ES hinsichtlich des Motives für die Angabe unrichtiger Gewichte in der Ausfuhranmeldung die Verwirklichung des Tatbildes (der Angabe unrichtiger, überhöhter Gewichtsangaben) ernstlich für möglich gehalten und sich mit ihr abgefunden haben. Damit war aber gleichfalls von einer vorsätzliche Vorgangsweise im Sinne des § 8 Abs. 1 Finanzstrafgesetz zweiter Halbsatz (in der Form des bedingten Vorsatzes) auszugehen.

Das Zollamt Salzburg/Erstattungen hat sowohl im Erstbescheid als auch in ihrer nunmehr angefochtenen Berufungsvorentscheidung detailliert dargelegt, auf Grund welcher Beweismittel sie zu den von ihr zugrundegelegten Sachverhaltsannahmen gelangt ist. Dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung entsprach es auch, dass die Behörde und letztlich der Berufungssenat ohne an formale Regeln gebunden gewesen zu sein, sich Klarheit über den maßgebenden Sachverhalt verschaffte. Die im angefochtenen Erstbescheid und in der Berufungsvorentscheidung dargestellten Schlussfolgerungen bezüglich der Gewichtsdifferenzen der verfahrensgegenständlichen Tiere erschienen auch dem Berufungssenat denkfolgerichtig. Da Vergangenes zu beurteilen war, Vergangenes aber niemals mit absoluter Sicherheit unter Ausschluss jeglichen Irrtums aufgeklärt werden kann, war jene Möglichkeit als erwiesen anzunehmen, die gegenüber anderen in Betracht kommenden möglichen Ereignissen die Gewissheit für sich hatte und alle anderen Möglichkeiten absolut oder mit Wahrscheinlichkeit ausschloss.

Die (Behörde erster Rechtsstufe) konnte davon ausgehen, dass die amtliche Befundaufnahme - die den Charakter einer öffentlichen Urkunde hatte - über den Gegenstand und den Umfang der Beschau zum Vorhandensein der zur Überführung in die Ausfuhr gestellten Waren zutreffend war. Auch der Berufungssenat konnte nicht erkennen, dass der Abfertigungsbeamte über entscheidungsrelevante Sachverhaltsfragen nunmehr nach mehr als vier Jahren als Zeuge andere Angaben hätte machen können als er verhalten war, im Abfertigungsbefund aufzunehmen. Dort hat er festgehalten, von den in der Rechnung markierten drei Rindern (Färsen) die Ohrmarkennummern überprüft zu haben. Eine Verwiegung hat er nicht attestiert. Entgegen dem diesbezüglichen Berufungsvorbringen wurde im Erstattungsbescheid und auch in der Berufungsvorentscheidung ein Austausch von Tieren im vorliegenden Fall nicht angenommen. Der Umstand, dass dem Antrag der Bf. auf Einvernahme des Abfertigungsbeamten als Zeugen für den Umfang und Inhalt der Warenkontrolle im Lichte der vorstehenden Ausführungen nicht entsprochen wurde, erwies sich nicht als Verfahrensmangel. Die beantragte Einvernahme des Ing. FP wurde mit dem dargestellten Ergebnis nachgeholt. Als unzutreffend, für das Beweisergebnis letztlich von nicht sachverhaltsbezogener Relevanz, kehrte sich hiebei hervor, dass entgegen der diesbezüglichen Feststellung in der angefochtenen Berufungsvorentscheidung die im Wege der Vermittlung durch den Fleckviehzuchtverband Steiermark erworbenen Rinder durch die Bf. von der Fa. Ing. FP offensichtlich doch 'über Kopf' angekauft wurden. Die ergänzende Beweisführung hat jedoch durch die Aussage des Angestellten des Fleckviehzuchtverbandes Steiermark JL bzw. den angesprochenen Schriftverkehr die zunächst nur im Aktenvermerk festgehaltene Sachverhaltsfeststellung, dass die bezughabenden Rinder am 31. Juli 1995, demnach nur 9 Tage vor der Annahme der Ausfuhranmeldung, verwogen und hiebei die von der Anmeldung abweichenden niedrigeren Gewichte festgestellt wurden, bestätigt.

Die Abgabenbehörde hatte gem. § 167 Abs. 2 Bundesabgabenordnung (BAO), BGBl. Nr. 194/1961, unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Abgabenverfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen war oder nicht (Grundsatz der freien Beweiswürdigung). Die Behörde konnte auf den von den Beweisthemen erfassten Beweis der Einvernahme des Abfertigungsbeamten im Sinne des Gebotes der Zweckmäßigkeit und der Beschränkung des Beweisverfahrens auf 'geeignete' Beweismittel verzichten, weil dieser seine Wahrnehmungen bereits im Abfertigungsbefund der Ausfuhranmeldung festgehalten hatte. Die belangte Berufungsbehörde hat in der angefochtenen Berufungsvorentscheidung schlüssig dargelegt, dass den Angaben der Verkäufer und Zuchtverbände erhöhte Beweiskraft zukam. Entgegen dem Vorbringen der Bf. beruhten die Gewichtsangaben der Vorbesitzer nicht auf Schätzungen sondern im vorliegenden Fall ausschließlich auf Ergebnissen von Verwiegungen.

Die Bf. vermochte durch die von ihr auch ins Treffen geführte Argumentation, besonders hohe Gewichtsunterschiede durch eine gezielte Fütterung und Wasseraufnahme ein möglichst hohes Gewicht erreicht zu haben um einen höheren Preis zu erzielen, nach Ansicht des Berufungssenates nichts für sich zu gewinnen. Einerseits war ein derartiges Bestreben wohl auch bei den Vorbesitzern der Tiere anzunehmen, zumal sich für sie der Kaufpreis ebenfalls nach dem Gewicht orientierte, zum anderen weist die Bf. in der der Ausfuhranmeldung angeschlossenen Ausfuhrrechnung Nr. 129 vom 9. August 1995 unabhängig vom Gewicht für jedes einzelne Tier einheitlich einen Kaufpreis von je ATS 6.000,00 aus, ein Umstand, der nicht auf eine Preisbeeinflussung durch das Gewicht schließen ließ.

Das Beschwerdevorbringen, es stehe nicht fest, welche Gewichtsdifferenzen der Geschäftsführer der Bf. ES außer Streit gestellt bzw. welche Gewichtsdifferenzen er zugegeben habe, steht der Umstand entgegen, dass in der bezughabenden Niederschrift die Aufstellung mit den Gewichtsdifferenzen hinsichtlich der verfahrensgegenständlichen Rinder enthalten war. ES konnte, wie in der Niederschrift festgehalten wurde, in die bezughabenden Beweisunterlagen (Niederschriften, Gewichtslisten, Versteigerungsunterlagen) Einsicht nehmen. Die Zuordnung der einzelnen Rinder zu den einzelnen Ausfuhrsendungen war anhand der Ohrmarkennummern möglich. Der Bf. war daher auch der Zeitraum zwischen den Beweiserhebungsmaßnahmen (Aufnahme der Niederschriften etc.) und der Niederschriftsaufnahme mit ES bekannt. Als der Bf. im Schreiben des Zollamtes Salzburg/Erstattungen vom 16. Juli 1997 Gelegenheit zur Äußerung zum Sachverhalt gegeben worden war, hat sie sich zu den Sachverhaltsfeststellungen nicht geäußert. Dem diesbezüglichen Beschwerdeeinwand war daher grundsätzlich nicht näher zu treten.

Entgegen dem diesbezüglichen Vorbringen in der Stellungnahme der Bf. vom 5. November 1999 war für eine allfällige, hinsichtlich einer Gewichtszunahme relevante Zeitspanne nicht die Zeit zwischen der Gewichtsermittlung und dem Antrag der Bf. auf Zahlung der Erstattung vom 21. August 1995 sondern dem Tag der Annahme der Ausfuhranmeldung, demnach der 9. August 1995 maßgebend. Denn gemäß Art. 3 Abs. 4 der VO (EWG) Nr. 3665/87 ist der Tag der Ausfuhr maßgebend für die Feststellung von Menge, Art und Eigenschaften des ausgeführten Erzeugnisses und als Tag der Ausfuhr gilt nach Art. 3 Abs. 1 leg.cit. der Zeitpunkt, an dem die Zollbehörden die Ausfuhranmeldung, aus der hervorgeht, dass eine Erstattung beantragt wird, annehmen.

Bei den angesprochenen Tieren erwiesen sich die Gewichtsunterschiede innerhalb von den wenigen Tagen zwischen dem Ankauf bzw. der Verwiegung an der Sammelstelle und der Ausfuhrabfertigung als derart hoch, dass diese auch durch die von der Bf. ins Treffen geführte mögliche Gewichtszunahme, welche von extremen Fütterungs- und Wasseraufnahmeunterschieden ausgeht, nicht mehr erklärbar erschien. Im Übrigen erweist es sich auch bei einer laienhaften Betrachtung als äußerst zweifelhaft und unglaubwürdig, dass (am Beispiel des Tieres mit der Ohrmarkennummer 297837862-'HEIKE') ein Rind mit 520 kg Gewicht durch noch so exzessive Fütterung und Wasseraufnahme innerhalb von 9 Tagen eine Gewichtszunahme von 290 kg, demnach von rd. 56 Prozent seines Körpergewichtes erfahren kann. In die Beweiswürdigung einzubeziehen hatte der Senat auch die Anfragebeantwortung und das Ergebnis der fernmündlichen Anfrage des Zollamtes Salzburg/Erstattungen bei der Landwirtschaftskammer Oberösterreich. Danach wären bei trächtigen Kalbinnen (Färsen) die höchsten Gewichtszunahmen in kurzen Tageszunahmen betrachtet mit 900 Gramm (12. bis 24. Lebensmonat), 600 Gramm (24. bis 36. Lebensmonat) bzw. 550 Gramm (1. bis 12. Lebensmonat) begrenzt, es ändere sich bei Kühen mit 2 bis 3 Abkalbungen das Gewicht kaum, die normalen Gewichtszunahmen bewegten sich bei 300 bis 400 Gramm pro Tag und es wären, wenn die Tiere - wie im gegenständlichen Fall - in einen anderen Stall, beispielsweise zu einem Viehhändler, wechseln, in den ersten zwei Wochen kaum Gewichtszunahmen zu erreichen: Die Behörde war daher nicht verhalten, ein zusätzliches Sachverständigengutachten einzuholen. Wie von ES anlässlich seiner Einvernahme am 2. August 1996 dargetan wurde, standen die Tiere bei der Bf. zwischen Ankauf und Ausfuhr durchschnittlich 5 bis 10 Tage im Stall, sodass in dieser Zeitspanne die von der Bf. ins Treffen geführten potenziell möglichen großen Gewichtszunahmen als unzutreffend erschienen."

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde, mit der sowohl Rechtswidrigkeit des Inhaltes als auch Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht wird. Die beschwerdeführende GmbH erachtet sich in ihrem Recht auf Unterbleiben der Festsetzung eines Sanktionsbetrages gemäß

Artikel 11 Abs. 1 Buchstaben a und b der Verordnung (EWG) Nr. 3665/87 mangels Vorliegens der Tatbestandsmerkmale verletzt.

In der Beschwerde wird die Beweiswürdigung der belangten Behörde bekämpft und behauptet, es seien nicht vorsätzlich unrichtige Angaben gemacht worden. Überdies wird die Nichteinvernahme eines beantragten Zeugen gerügt.

Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist in Fragen der Beweiswürdigung die Kontrollbefugnis des Verwaltungsgerichtshofes darauf eingeschränkt, ob der maßgebende Sachverhalt ausreichend ermittelt wurde und die hiebei angestellten Erwägungen schlüssig sind, wobei es dem Gerichtshof verwehrt ist, die vorgenommene Beweiswürdigung darüber hinaus auf ihre Richtigkeit hin zu überprüfen (vgl. dazu insbesondere das Erkenntnis eines verstärkten Senates des Verwaltungsgerichtshofes vom 3. Oktober 1985, Zl. 85/02/0053).

Die belangte Behörde vertrat im angefochtenen Bescheid die Ansicht, die Nichteinvernahme der beantragten Zeugen stelle keinen Verfahrensmangel dar. Die Behörde erster Rechtsstufe habe davon ausgehen können, die amtliche Befundaufnahme über den Gegenstand und den Umfang der Beschau zum Vorhandensein der zur Überführung in die Ausfuhr gestellten Waren sei zutreffend gewesen. Die belangte Behörde könne nicht erkennen, dass der Abfertigungsbeamte über entscheidungsrelevante Sachverhaltsfragen nunmehr nach mehr als vier Jahren als Zeuge andere Angaben als in dem - selbst auslegungsbedürftigen - Vermerk in der Urkunde über die zollamtliche Überprüfung der in Rede stehenden Erstattungsausfuhr hätte machen können. Entgegen dem diesbezüglichen Berufungsvorbringen sei im Erstattungsbescheid und auch in der Berufungsvorentscheidung ein Austausch von Tieren im vorliegenden Fall nicht angenommen worden. Die Nichteinvernahme des Abfertigungsbeamten als Zeugen über Umfang und Inhalt der Warenkontrolle erweise sich nicht als Verfahrensmangel.

Die beschwerdeführende GmbH rügt in der Beschwerde ausdrücklich die Nichteinvernahme des Zollorgans als Verfahrensmangel mit dem Argument, die belangte Behörde habe die Beweiswürdigung rechtswidrig vorweggenommen, und stellt ferner die Relevanz dieses Verfahrensmangels dar.

Gemäß § 167 Abs. 1 BAO bedürfen Tatsachen, die bei der Abgabenbehörde offenkundig sind, und solche, für deren Vorhandensein das Gesetz eine Vermutung aufstellt, keines Beweises.

Nach § 167 Abs. 2 BAO hat die Abgabenbehörde im Übrigen unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Abgabenverfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht.

Der Grundsatz der freien Beweiswürdigung bedeutet, dass alle Beweismittel grundsätzlich gleichwertig sind und es keine Beweisregeln gibt. Ausschlaggebend ist der innere Wahrheitsgehalt der Ergebnisse der Beweisaufnahmen. Der freien Beweiswürdigung unterliegen nur aufgenommene Beweise. Es ist unzulässig, ein vermutetes Ergebnis noch nicht aufgenommener Beweise vorwegzunehmen; eine vorweggenommene Beweiswürdigung ist unzulässig (vgl. Ritz, BAO-Kommentar, Rz 6 und 7 zu § 167 BAO).

Werden in einer Verwaltungsgerichtshofbeschwerde Verfahrensmängel geltend gemacht, etwa weil der entscheidungswesentliche Sachverhalt von der belangten Behörde noch nicht ausreichend geklärt wurde, so sind sie vom Gerichtshof nur dann als allfällige Rechtsverletzungen aufzugreifen, wenn er sie entweder selbst für relevant hält oder wenn der Beschwerdeführer ihre Relevanz dartut (vgl. hg. Erkenntnis vom 13. Oktober 1999, Zl. 94/13/0102).

Von der Aufnahme gegebenenfalls beantragter Beweise ist u. a. dann abzusehen, wenn die unter Beweis zu stellenden Tatsachen als richtig anerkannt oder unerheblich sind (vgl. hg. Erkenntnis vom 17. September 1997, Zl. 93/13/0180).

Wenn der von der beschwerdeführenden GmbH im verwaltungsbehördlichen Verfahren beantragte Zeuge - wie in der Begründung des angefochtenen Bescheides dargestellt - deswegen nicht einvernommen worden ist, weil sich dieser ohnehin nicht mehr an den Verzollungsvorgang werde erinnern können, dann ist dies eine rechtswidrige vorweggenommene Beweiswürdigung. Dieser in der Beschwerde ausdrücklich relevierte Verfahrensmangel führt im Beschwerdefall zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Der angefochtene Bescheid, der in seiner Begründung klar zum Ausdruck bringt, dass sich die belangte Behörde bei der Überprüfung der Beweiswürdigung durch die Vorinstanzen auf eine bloße Schlüssigkeitsprüfung beschränkt, leidet ferner auch unter einem Begründungsmangel, dem im Beschwerdefall ebenfalls Relevanz zukommt.

Nach § 85c Abs. 1 erster Satz Zollrechts-Durchführungsgesetz (ZollR-DG), BGBl. Nr. 659/1994 idF BGBl. I Nr. 126/1998, ist gegen Berufungsvorentscheidungen als Rechtsbehelf der zweiten Stufe (Artikel 243 Abs. 2 Buchstabe b Zollkodex) die Beschwerde an den örtlich und sachlich zuständigen Berufungssenat zulässig.

Nach § 2 Abs. 1 ZollR-DG gelten die allgemeinen abgabenrechtlichen Vorschriften in Angelegenheiten des Warenverkehrs über die Grenzen des Anwendungsgebietes, einschließlich der Erhebung von Abgaben, soweit in diesem Bundesgesetz oder in den betreffenden Rechtsvorschriften die Vollziehung der Zollverwaltung übertragen ist und nicht ausdrücklich anderes bestimmt ist.

Das ZollR-DG idF BGBl. I Nr. 126/1998 regelt die Entscheidungsbefugnis der Berufungssenate im Fall eingebrachter Beschwerden gegen Berufungsvorentscheidungen nicht. Diese (Administrativ-)Beschwerde ist nicht auf bestimmte Gründe beschränkt, sondern uneingeschränkt zulässig und kann auch auf Gründe gestützt werden, die im erstinstanzlichen Verfahren nicht vorgebracht wurden. Sie ist somit ein volles Rechtsmittel wie die "Berufung" nach den Bestimmungen der BAO. Dementsprechend gilt für die über die (Administrativ-)Beschwerde zur Entscheidung zuständige Behörde das Prinzip der uneingeschränkten "Vollentscheidung" (vgl. Stoll, BAO-Kommentar 2505 zu § 289 BAO).

Mangels einer ausdrücklichen Regelung im ZollR-DG (idF vor der Novelle BGBl. I Nr. 61/2001) waren die nach den allgemeinen abgabenrechtlichen Vorschriften maßgebenden Bestimmungen über die Entscheidungsbefugnis der Berufungsbehörden auch bei den Berufungssenaten nach dem ZollR-DG anzuwenden. - (Eine ausdrückliche gesetzliche Klarstellung erfolgte insofern mit der erst mit 1. Jänner 2002 in Kraft tretenden und daher im Beschwerdefall nicht anwendbar gewesenen Bestimmung des § 85c Abs. 3c ZollR-DG idF BGBl. I Nr. 61/2001.)

Nach § 289 Abs. 1 erster Satz BAO hat die Berufungsbehörde, sofern die Berufung nicht zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden.

Ist die Berufung nicht zurückzuweisen, so ist es Aufgabe der Berufungsbehörde, in der Sache zu entscheiden, dh neuerlich, und zwar so zu entscheiden, als ob die Sache erstmals nach den für sie geltenden materiell-rechtlichen Bestimmungen unter Beachtung der Verfahrensgrundsätze behandelt würde (Reformation). Es ist über die Berufung ohne Rücksicht auf die Ergebnisse des Erstbescheides oder der Berufungsvorentscheidung abzusprechen. Die Berufungsbehörde ist demnach nicht nur berechtigt, sondern sogar verpflichtet, ihre Entscheidung (gegenüber der Vorentscheidung) - wenn erforderlich - originär neu zu gestalten. Das Ergebnis ihrer Entscheidung kann von dem der vorangehenden Bescheide abweichen, sie kann diese in jede Richtung abändern, aufheben oder aber bestätigen (vgl. Stoll, BAO-Kommentar, 2793 zu § 289 BAO).

Gleiches gilt für den nach den Bestimmungen des ZollR-DG eingerichteten Berufungssenat. Es liegt ein Begründungsmangel vor, wenn dieser Berufungssenat die Beweiswürdigung nicht selbst vornimmt und die wesentlichen Erwägungsgründe seiner eigenen Beweiswürdigung in der Begründung nicht darstellt, sondern - wie im Beschwerdefall - die Beweiswürdigung der ersten Rechtsstufe erkennbar bloß einer Schlüssigkeitsprüfung unterzieht und ungeachtet allfälliger anderer Ergebnisse, zu der eine eigene Würdigung der Beweise hätte führen können, übernimmt. Solcherart verkennt die belangte Behörde, dass ihr eine umfassende Kontrolle der materiell-rechtlichen und verfahrensrechtlichen Gesetzmäßigkeit des bei ihr mit (Administrativ-)Beschwerde bekämpften Bescheides aufgetragen und sie nicht ermächtigt ist, sich auf eine Art Grobprüfung der Sachverhaltsfeststellungen der Vorinstanz zu beschränken.

Aus diesen Erwägungen war der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 24. Oktober 2001

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