VwGH 2000/11/0165

VwGH2000/11/016512.12.2000

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf sowie den Senatspräsidenten Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Graf, Dr. Gall und Dr. Schick als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Lenhart, über die Beschwerde des R in W, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Tirol vom 4. April 2000, Zl. IIb2-3-7-1-388/3, betreffend Entziehung der Lenkberechtigung, zu Recht erkannt:

Normen

FSG 1997 §24 Abs1;
FSG 1997 §26 Abs5;
FSG 1997 §8;
FSG 1997 §24 Abs1;
FSG 1997 §26 Abs5;
FSG 1997 §8;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 24 Abs. 1 in Verbindung mit § 8 Führerscheingesetz - FSG die Lenkberechtigung für die Klassen C, E und G wegen mangelnder gesundheitlicher Eignung entzogen.

In der Begründung dieses Bescheides führte die belangte Behörde aus, der erstinstanzliche Bescheid vom 18. März 1999 gründe sich auf das schlüssige und nachvollziehbare amtsärztliche Gutachten vom 21. Jänner 1999. Im Berufungsverfahren sei der Akt der Landessanitätsdirektion vorgelegt worden. Von dieser sei am 21. Dezember 1999 mitgeteilt worden, dass zur endgültigen Abklärung der gesundheitlichen Eignung eine internistische Kontrolluntersuchung durchzuführen sei. Dies sei dem Vertreter des Beschwerdeführers mit Schreiben vom 14. Jänner 2000 mitgeteilt worden. Da bis zur Erlassung des angefochtenen Bescheides ein internistisches Gutachten nicht vorliege und damit die gesundheitliche Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen nicht abschließend beurteilt werden könne, gehe die belangte Behörde davon aus, dass die gesundheitliche Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen der Klassen C, E und G derzeit beim Beschwerdeführer nicht vorliege.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Dieser lehnte mit Beschluss vom 21. Juni 2000, B 932/00-4, die Behandlung der an ihn gerichteten Beschwerde ab und trat sie gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.

Der Beschwerdeführer hat die Beschwerde im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof ergänzt und beantragt die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens

vorgelegt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Für den Beschwerdefall sind folgende Bestimmungen des FSG von

Bedeutung:

"§ 8. (1) Vor der Erteilung einer Lenkberechtigung hat der Antragsteller der Behörde ein ärztliches Gutachten vorzulegen, dass er zum Lenken von Kraftfahrzeugen gesundheitlich geeignet ist. Das ärztliche Gutachten darf im Zeitpunkt der Entscheidung nicht älter als ein Jahr sein und ist von einem im örtlichen Wirkungsbereich der Behörde, die das Verfahren zur Erteilung der Lenkberechtigung durchführt, in die Ärzteliste eingetragenen sachverständigen Arzt für Allgemeinmedizin zu erstellen.

(2) Sind zur Erstattung des ärztlichen Gutachtens besondere Befunde oder im Hinblick auf ein verkehrspsychologisch auffälliges Verhalten eine Stellungnahme einer verkehrspsychologischen Untersuchungsstelle erforderlich, so ist das ärztliche Gutachten von einem Amtsarzt zu erstellen; der Antragsteller hat diese Befunde oder Stellungnahmen zu erbringen. Wenn im Rahmen der amtsärztlichen Untersuchung eine sichere Entscheidung im Hinblick auf die gesundheitliche Eignung nicht getroffen werden kann, so ist erforderlichenfalls eine Beobachtungsfahrt anzuordnen.

...

§ 24. (1) Besitzern einer Lenkberechtigung, bei denen die Voraussetzungen für die Erteilung der Lenkberechtigung (§ 3 Abs. 1 Z. 2 bis 4) nicht mehr gegeben sind, ist von der Behörde entsprechend den Erfordernissen der Verkehrssicherheit

  1. 1. die Lenkberechtigung zu entziehen oder
  2. 2. die Gültigkeit der Lenkberechtigung durch Bedingungen, Befristungen oder zeitliche, örtliche oder sachliche Beschränkungen einzuschränken. Diese Einschränkungen sind gemäß § 13 Abs. 2 in den Führerschein einzutragen.

    ...

(4) Vor der Entziehung oder Einschränkung der Gültigkeit der Lenkberechtigung wegen mangelnder gesundheitlicher Eignung ist ein von einem Amtsarzt erstelltes Gutachten gemäß § 8, vor der Entziehung wegen mangelnder fachlicher Befähigung ein Gutachten gemäß § 10 einzuholen.

...

§ 26. (5) Leistet der Besitzer einer Lenkberechtigung einem rechtskräftigen Bescheid mit der Aufforderung, die Gutachten gemäß § 24 Abs. 4 beizubringen, innerhalb von vier Monaten nach Zustellung des Bescheides keine Folge, so ist ihm die Lenkberechtigung jedenfalls bis zur Beibringung der Gutachten zu entziehen.

..."

Voraussetzung für die Entziehung der Lenkberechtigung wegen mangelnder gesundheitlicher Eignung ist zufolge § 24 Abs. 4 FSG ein amtsärztliches Gutachten, das in schlüssiger Weise begründet, warum der Besitzer der Lenkberechtigung nicht mehr gesundheitlich geeignet ist, Kraftfahrzeuge einer bestimmten Klasse zu lenken. Dieses Gutachten darf gemäß § 8 Abs. 1 FSG im Zeitpunkt der Entscheidung nicht älter als ein Jahr sein (siehe dazu das hg. Erkenntnis vom 27. Mai 1999, Zl. 98/11/0160).

Das von der Erstbehörde eingeholte amtsärztliche Gutachten vom 21. Jänner 1999 bildet demnach schon auf Grund der zwischen seiner Erstellung und der Erlassung des angefochtenen Bescheides verstrichenen Zeit keine taugliche Grundlage für die mit dem angefochtenen Bescheid verfügte Entziehung der Lenkberechtigung.

Der belangten Behörde lag kein amtsärztliches Gutachten vor, auf das die Entziehungsmaßnahme hätte gestützt werden können, und zwar deshalb, weil der ärztliche Amtssachverständige der belangten Behörde für die Erstattung des Gutachtens einen fachärztlichen Befund benötigt hätte. Bei dieser Verfahrenslage war es verfehlt, dem Beschwerdeführer die Lenkberechtigung wegen mangelnder gesundheitlicher Eignung zu entziehen. Die belangte Behörde hätte vielmehr mit der Erlassung eines Aufforderungsbescheides gemäß § 26 Abs. 5 FSG vorgehen müssen. Diese Bestimmung bietet der Behörde eine ausreichende Handhabe dagegen, dass der Besitzer einer Lenkberechtigung im Entziehungsverfahren durch Verweigerung der Mitwirkung am Ermittlungsverfahren die Entziehung der Lenkberechtigung verhindert (vgl. dazu die zu § 75 Abs. 2 KFG 1967 ergangenen hg. Erkenntnisse vom 17. Jänner 1989, Zl. 88/11/0180, vom 15. Dezember 1995, Zl. 95/11/0318, und vom 17. Dezember 1998, Zl. 98/11/0220). Wenn ein rechtskräftiger Aufforderungsbescheid gemäß § 26 Abs. 5 FSG vorliegt, liegt es am Besitzer der Lenkberechtigung, u.a. durch Beibringung der für die Erstellung des amtsärztlichen Gutachtens benötigten fachärztlichen Befunde die Erstellung eines amtsärztlichen Gutachtens innerhalb der in § 26 Abs. 5 FSG genannten Frist von vier Monaten zu ermöglichen, will er nicht Gefahr laufen, dass ihm die Lenkberechtigung nach dieser Gesetzesstelle bis zur Beibringung des Gutachtens entzogen wird.

Aus den dargelegten Erwägungen war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 12. Dezember 2000

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