VwGH 2000/08/0056

VwGH2000/08/005620.9.2000

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Knell und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Sulyok, Dr. Nowakowski und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hackl, über die Beschwerde des L in W, vertreten durch Dr. Friedrich Flendrovsky, Rechtsanwalt in 1090 Wien, Garnisongasse 22/5, gegen den aufgrund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien vom 11. Jänner 2000, Zl. LGSW/Abt. 10-AlV/1218/56/1999-1773, betreffend Verlust des Anspruches auf Notstandshilfe gemäß § 10 AlVG, zu Recht erkannt:

Normen

AlVG 1977 §10 Abs1;
AlVG 1977 §9 Abs1;
AlVG 1977 §9 Abs2;
AlVG 1977 §10 Abs1;
AlVG 1977 §9 Abs1;
AlVG 1977 §9 Abs2;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Aus der vorliegenden Beschwerde und dem ihr beigeschlossenen angefochtenen Bescheid ergibt sich folgender unbestrittene Sachverhalt:

Mit dem im Instanzenzug ergangenen, angefochtenen Bescheid wurde dem Beschwerdeführer gegenüber der Verlust des Anspruches auf Notstandshilfe gemäß §§ 10 iVm 38 AlVG für die Zeit vom 20. Juli 1999 bis 30. August 1999 ausgesprochen.

Am 7. Juni 1999 wurde dem Beschwerdeführer vom Arbeitsmarktservice Angestellte/Akademikerinnen und Führungskräfte eine Stelle als Sicherheitsorgan bei einer näher genannten Gesellschaft angeboten. Nach den - insoweit unbestrittenen - Feststellungen des angefochtenen Bescheides sei diese Beschäftigung kollektivvertraglich entlohnt und dem Beschwerdeführer auch sonst zumutbar gewesen. Seitens des Unternehmens sei eine persönliche Vorstellung des Beschwerdeführers erwünscht gewesen. In der Folge habe der Beschwerdeführer ein Bewerbungsschreiben an das Unternehmen übermittelt, dem ein Lebenslauf beigeschlossen gewesen sei. In diesem Bewerbungsschreiben habe der Beschwerdeführer um Einladung zu einem Bewerbungsgespräch "bei Ersatz der Fahrtkosten" ersucht. Seitens des Unternehmens sei dem Arbeitsmarktservice mitgeteilt worden, dass der Beschwerdeführer nur zu einem Bewerbungsgespräch komme, wenn die Fahrtkosten ersetzt würden. Auch habe er in seinem Lebenslauf keine Dienstverhältnisse angeführt. Er sei daher an der Stelle nicht interessiert und wolle nicht arbeiten.

In rechtlicher Hinsicht vertrat die belangte Behörde die Auffassung, dass das Unternehmen nach dem Wortlaut des Bewerbungsschreibens "durchaus zu dem Schluss kommen konnte", dass sich der Beschwerdeführer ohne Kostenersatz nicht persönlich vorstellen wolle. Ein Hinweis darauf, dass dies nur als ein Vorschlag zu verstehen sei, sei aus seinem Schreiben nicht ersichtlich. Es habe aus dem Schreiben durchaus abgeleitet werden können, dass der Beschwerdeführer kein besonderes Interesse an der Beschäftigung habe. Damit habe der Beschwerdeführer ein Verhalten gesetzt, das den Dienstgeber von der Vereinbarung eines Vorstellungstermines und damit von der Einstellung abgehalten habe, womit der Tatbestand des § 10 in Verbindung mit § 38 AlVG erfüllt sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der der Beschwerdeführer einräumt, eine schriftliche Bewerbung vom 12. Juli 1999 an das Unternehmen gerichtet zu haben, welches (in Kopie der Beschwerde beiliegend) folgenden Wortlaut hat:

"Bewerbung als Sicherheitsorgan

Sehr geehrte Damen und Herren,

aufgrund Ihres Inserates bewerbe ich mich bei Ihnen als

Bewachungsorgan.

Meinen beruflichen Werdegang entnehmen Sie bitte beiliegendem Curriculum vitae.

Ich versichere Ihnen, die Tätigkeit nach bestem Wissen und Gewissen zu erledigen.

Sollten Sie Interesse an meiner Bewerbung haben, ersuche ich um Einladung zu einem persönlichen Bewerbungsgespräch, bei Ersatz der Fahrtkosten.

Mit freundlichen Grüßen"

Zur Darlegung der behaupteten Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides wird in der Beschwerde ausgeführt, es sei unbeachtlich, welche Schlüsse das Unternehmen aus dem erwähnten Bewerbungsschreiben gezogen habe, zumal "Fehlschlüsse" nicht zu Lasten des Beschwerdeführers gehen könnten. Das Bewerbungsschreiben sei vollkommen sachlich und höflich abgefasst und der angeschlossene Lebenslauf übersichtlich und informativ. Es könne aus dem Bewerbungsschreiben nicht entnommen werden, dass der Beschwerdeführer zu einem persönlichen Bewerbungsgespräch nur bei Ersatz der Fahrtkosten bereit sei; schon gar nicht könne daraus abgeleitet werden, dass er arbeitsunwillig sei. Es sei "nach dem materiellen Arbeitsrecht nicht geklärt, ob bei einer Einladung zu einem persönlichen Bewerbungsgespräch Anspruch auf Fahrtkosten besteht". Es sei aber "weit verbreitet", dem Bewerber in derartigen Fällen die Fahrtkosten zu ersetzen, zumal ein Arbeitsloser, speziell ein Langzeitarbeitsloser wie der Beschwerdeführer, sozial besonders schutzwürdig sei. Es erscheine daher weder allgemein noch in concreto unbillig einen Anspruch auf Ersatz der Fahrtkosten zumindest "anzumelden".

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Rechtsauffassung der belangten Behörde ist im Ergebnis

nicht zu beanstanden:

Gemäß § 9 Abs. 1 AlVG ist arbeitswillig, wer (u.a.) bereit ist, eine durch die regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice vermittelte zumutbare Beschäftigung anzunehmen oder von einer sonst sich bietenden Arbeitsmöglichkeit Gebrauch zu machen. Eine solche Beschäftigung ist gemäß § 9 Abs. 2 AlVG zumutbar, wenn sie den körperlichen Fähigkeiten des Arbeitslosen angemessen ist, seine Gesundheit und Sittlichkeit nicht gefährdet, angemessen entlohnt ist und dem Arbeitslosen eine künftige Verwendung in seinem Beruf nicht wesentlich erschwert. Grundvoraussetzung für die Zuweisungstauglichkeit einer Beschäftigung an einen Arbeitslosen ist, dass dessen Kenntnisse und Fähigkeiten jenen Kenntnissen und Fähigkeiten entsprechen, die an der zugewiesenen Arbeitsstelle verlangt werden (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 30. September 1997, Zl. 97/08/0414).

Gemäß § 10 Abs. 1 AlVG verliert ein Arbeitsloser, der sich weigert, eine ihm von der regionalen Geschäftsstelle zugewiesene zumutbare Beschäftigung anzunehmen oder die Annahme einer solchen Beschäftigung vereitelt, für die Dauer der Weigerung, jedenfalls aber für die Dauer der auf die Weigerung folgenden sechs Wochen den Anspruch auf Arbeitslosengeld.

Nach ständiger Rechtsprechung (vgl. zuletzt das Erkenntnis vom 20. Oktober 1999, Zl. 99/08/0136) sind die genannten Bestimmungen Ausdruck der dem gesamten Arbeitslosenversicherungsrecht zu Grunde liegenden Gesetzeszwecke, den arbeitslos gewordenen Versicherten, der trotz Arbeitsfähigkeit und Arbeitswilligkeit nach Beendigung seines Beschäftigungsverhältnisses keinerlei Beschäftigung gefunden hat, möglichst wieder durch Vermittlung in eine ihm zumutbare Beschäftigung einzugliedern und ihn so in die Lage zu versetzen, seinen Lebensunterhalt ohne Zuhilfenahme öffentlicher Mittel zu bestreiten. Wer eine Leistung der Versichertengemeinschaft der Arbeitslosenversicherung in Anspruch nimmt, muss sich daher darauf einstellen, eine ihm angebotene, zumutbare Beschäftigung auch anzunehmen, das heißt bezogen auf eben diesen Arbeitsplatz arbeitswillig zu sein.

Um sich in Bezug auf eine von der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice vermittelte, zumutbare Beschäftigung arbeitswillig zu zeigen, bedarf es grundsätzlich einerseits eines auf die Erlangung des Arbeitsplatzes ausgerichteten (und daher unverzüglich zu entfaltenden) aktiven Handelns des Arbeitslosen, andererseits (und deshalb) aber auch der Unterlassung jedes Verhaltens, welches objektiv geeignet ist, das Zustandekommen des konkret angebotenen Beschäftigungsverhältnisses zu verhindern.

Das Nichtzustandekommen eines den Zustand der Arbeitslosigkeit beendenden (zumutbaren) Beschäftigungsverhältnisses kann vom Arbeitslosen somit auf zwei Wegen verschuldet (das heißt dessen Zustandekommen vereitelt) werden: Nämlich dadurch, dass der Arbeitslose ein auf die Erlangung des Arbeitsplatzes ausgerichtetes Handeln erst gar nicht entfaltet (Unterlassen der Vereinbarung eines Vorstellungstermines, Nichtantritt der Arbeit etc.), oder aber, dass er den Erfolg seiner (nach Außen zu Tage tretenden) Bemühungen durch ein Verhalten, welches nach allgemeiner Erfahrung geeignet ist, den potenziellen Dienstgeber von der Einstellung des Arbeitslosen abzubringen, zunichte macht.

Unter "Vereitelung" iSd § 10 Abs. 1 AlVG ist daher ein auf das zugewiesene Beschäftigungsverhältnis bezogenes Verhalten des Vermittelten zu verstehen, das - bei Zumutbarkeit der Beschäftigung - das Nichtzustandekommen des konkret angebotenen Beschäftigungsverhältnisses herbeiführt; das Nichtzustandekommen muss in einem darauf gerichteten oder dieses zumindest in Kauf nehmenden Tun des Vermittelten seinen Grund haben. Die Vereitelung iSd § 10 Abs. 1 AlVG verlangt ein vorsätzliches Handeln des Vermittelten, wobei bedingter Vorsatz (dolus eventualis) genügt. Ein bloß fahrlässiges Handeln, also die Außerachtlassung der gehörigen Sorgfalt, reicht zur Verwirklichung dieses Tatbestandes hingegen nicht hin (vgl. das Erkenntnis vom 20. Oktober 1992, Slg. 13.722/A - ständige Rechtsprechung).

Im Hinblick darauf, dass dem Beschwerdeführer - nach den insoweit unbestrittenen Feststellungen der belangten Behörde - bekannt war, dass der potentielle Arbeitgeber ein Vorstellungsgespräch wünschte, war er verpflichtet, sich nach der Zuweisung um ein solches Vorstellungsgespräch zu bemühen.

Ob und unter welchen Voraussetzungen dem Stellenbewerber ein Ersatz seiner Vorstellungskosten durch den Arbeitgeber aus arbeitsrechtlicher Sicht gebührt, wird im geltenden Recht nicht ausdrücklich geregelt. Nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes ist ein solcher Ersatzanspruch an eine Vereinbarung mit dem Arbeitgeber gebunden, die - insbesondere wenn der Arbeitnehmer ausdrücklich zur persönlichen Vorstellung durch den Arbeitgeber aufgefordert wird - auch konkludent zustande kommen kann (vgl. dazu etwa Schwarz/Löschnigg, Arbeitsrecht8, 219 f mit zahlreichen Hinweisen auf Literatur und Rechtsprechung).

Es kann aus dem Blickwinkel des vorliegenden Falles aber auf sich beruhen, ob und unter welchen Voraussetzungen der Arbeitslose die gebotenen Bemühungen um eine zugewiesene Arbeitsstelle vom Ersatz der Vorstellungskosten (bei anzunehmender Unzumutbarkeit, diese aus eigenem zu tragen) abhängig machen darf. Unter großstädtischen Bedingungen wie im vorliegenden Fall bedarf es keiner weiteren Erörterung, dass die Tragung der Fahrtkosten eines öffentlichen Verkehrsmittels dem Arbeitslosen regelmäßig zumutbar ist. Der Arbeitslose ist daher in einem solchen Fall nicht berechtigt, das Erscheinen zu einem Vorstellungstermin vom Ersatz dieser Kosten abhängig zu machen.

Dies hat der Beschwerdeführer aber getan: Sein Schreiben lässt nämlich nicht mit der gebotenen Deutlichkeit erkennen, dass der Beschwerdeführer bereit gewesen wäre, ohne jede Vorbedingung, insbesondere unabhängig davon, wie sich der potentielle Arbeitgeber zu seinem die Fahrtkosten betreffenden "Vorschlag" stellen würde, zum Vorstellungsgespräch zu erscheinen. Im Gegenteil: das Schreiben lässt objektiv eher vermuten, dass der Beschwerdeführer im Falle der "Einladung zu einem Vorstellungsgespräch" (um die er ausdrücklich gebeten hat) auf den Ersatz der Vorstellungskosten - wie im Schreiben angekündigt - bestehen würde. Im Hinblick darauf, dass die Rechtsprechung zum Teil - bei Fehlen einer ausdrücklichen Vereinbarung - die Einladung zu einem persönlichen Bewerbungsgespräch als konkludente Zusage auf den Ersatz von Fahrtkosten betrachtet, musste die Formulierung in dem

Bewerbungsschreiben des Beschwerdeführers, er "ersuche ... um

Einladung zu einem persönlichen Bewerbungsgespräch, bei Ersatz der Fahrtkosten" (und nicht etwa bloß um Bekanntgabe eines Termins für ein solches Gespräch) nicht bloß in diese Richtung gedeutet werden:

sie musste im Hinblick auf die relative Geringfügigkeit dieser Kosten unter (Wiener) großstädtischen Bedingungen geradezu provokant wirken.

Wird die Bereitschaft zu einem Vorstellungsgespräch in einer solchen Weise von einer Bedingung abhängig gemacht, wie dies nach dem Wortlaut des mehrfach erwähnten Schreibens geschehen ist, dann hat der Verfasser dieses Schreibens somit auch die Möglichkeit, der Empfänger dieses Schreibens werde auf diese Bedingung nicht eingehen (und demgemäß eine "Einladung" der gewünschten Art nicht aussprechen), wenn schon nicht angestrebt, so doch jedenfalls billigend in Kauf genommen.

Der Beschwerdeführer hat somit das Zustandekommen eines Beschäftigungsverhältnisses vereitelt.

Der angefochtene Bescheid erweist sich daher im Lichte des Beschwerdevorbringens als frei von Rechtsirrtum.

Da somit bereits aus der vorliegenden Beschwerde erkennbar ist, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 20. September 2000

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