Normen
BauRallg;
ROG Tir 1997 §16 Abs1 lita;
BauRallg;
ROG Tir 1997 §16 Abs1 lita;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Tirol hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.089,68 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführer stellten einen Antrag gemäß §§ 15 und 16 Tiroler Raumordnungsgesetz 1994 betreffend Feststellung eines Freizeitwohnsitzes in einem Gebäude des Erstbeschwerdeführers in der mitbeteiligten Gemeinde. Der Antrag wurde mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde abgewiesen, auch die Berufung der Beschwerdeführer wurde von der belangten Behörde abgewiesen.
Die Beschwerdeführer erhoben Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Dieser hob mit Erkenntnis vom 28. November 1996, G 195/96 u.a., das Tiroler Raumordnungsgesetz 1994, LGBl. Nr. 81/1993 in der Fassung der Kundmachungen LGBl. Nr. 6/1995 und 68/1995, insoweit als verfassungswidrig auf, als ihm nicht durch die 1. Raumordnungsgesetz-Novelle, LGBl. Nr. 4/1996, derogiert wurde, und stellte fest, dass es insoweit verfassungswidrig gewesen sei, als ihm durch die 1. Raumordnungsgesetz-Novelle, LGBl. Nr. 4/1996, derogiert worden sei. In der weiteren Folge kam es in der vorliegenden Verwaltungsangelegenheit zum Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 22. April 1999, Zl. 98/06/0166, woraufhin schließlich der Bürgermeister der Gemeinde J neuerlich über den Antrag der Beschwerdeführer abzusprechen hatte.
Mit Bescheid vom 23. August 1999 stellte der Bürgermeister der mitbeteiligten Gemeinde gemäß § 16 Abs. 3 des Tiroler Raumordnungsgesetzes 1997, LGBl. Nr. 10/1997 i.d.F. LGBl. Nr. 21/1998 - TROG 1997, fest, dass der "Freizeitwohnsitz" von den Beschwerdeführern als Eigentümer/Verfügungsberechtigte "nicht als Freizeitwohnsitz verwendet werden darf". Diese Entscheidung wurde im Wesentlichen damit begründet, dass es sich bei dem gegenständlichen Objekt um ein Einfamilienhaus im Freiland handle, das in den Jahren 1961/62 umgebaut und einer Generalsanierung unterzogen worden sei. Es bestehe aus Erd- und Obergeschoß und weise eine Wohnnutzfläche von insgesamt 110 m2 auf. Die Mutter des Erstbeschwerdeführers sei am 28. November 1977 von Wien in die mitbeteiligte Gemeinde zugezogen und habe im Wohnhaus ihres Sohnes ihren uneingeschränkten Hauptwohnsitz begründet.
Dagegen erhoben die Beschwerdeführer Berufung, in der sie u. a. vorbrachten, dass sie ihren Hauptwohnsitz in M hätten und ab dem 9. Juli 1976 im verfahrensgegenständlichen Gebäude einen Zweitwohnsitz hätten, dort entsprechend gemeldet seien und ihre Freizeit verbrächten. Das Gebäude sei mit einer Fläche von 110 m2 dafür ausreichend groß.
Mit Bescheid vom 31. Jänner 2000 wurde die Berufung der Beschwerdeführer vom Gemeindevorstand der Gemeinde J gemäß § 66 Abs. 4 AVG als unbegründet abgewiesen. Diese Entscheidung wurde im Wesentlichen damit begründet, beim verfahrensgegenständlichen Gebäude handle es sich um ein Einfamilienhaus mit Aufenthaltsräumen und Küche im Erdgeschoß und Schlaf- und Wohnräumen im Obergeschoß, das in den Jahren 1961/62 umgebaut und einer Generalsanierung unterzogen worden sei. Die Mutter des Erstbeschwerdeführers habe darin ihren uneingeschränkten Hauptwohnsitz. Die Beschwerdeführer hätten allerdings nicht glaubhaft belegen können, dass das gegenständliche Wohnhaus am 31. Jänner 1993 nach den raumordnungsrechtlichen Vorschriften rechtmäßig als Freizeitwohnsitz verwendet worden sei.
Die gegen diesen Bescheid gerichtete Vorstellung der Beschwerdeführer wurde mit dem angefochtenen Bescheid vom 28. Februar 2000 gemäß § 112 Abs. 3 und 5 der Tiroler Gemeindeordnung 1966 als unbegründet abgewiesen.
Diese Entscheidung wurde im Wesentlichen damit begründet, dass eine Einsichtnahme in den Bauakt bezüglich des verfahrensgegenständlichen Wohnobjekts keinen Verwendungszweck als Freizeitwohnsitz im Sinne des § 16 Abs. 1 lit. a letzter Satz TROG 1997 ergeben habe. Daher sei entscheidungswesentlich, ob der Wohnsitz am 31. Dezember 1993 nach den raumordnungsrechtlichen Vorschriften als Freizeitwohnsitz verwendet worden sei. Unbestritten habe die Mutter des Erstbeschwerdeführers ihren Hauptwohnsitz im gegenständlichen Wohnobjekt. Aus dem Zusammenhang der Bestimmungen des Tiroler Raumordnungsgesetzes 1997 lasse sich ableiten, das dasselbe Gebäude oder Teile davon nicht zugleich als Freizeitwohnsitz und Hauptwohnsitz verwendet werden dürften. Hiefür müsste eine klare Trennung, etwa in Form von eigenständigen Wohnungen vorliegen. Dies sei im vorliegenden Fall nicht gegeben, weil im gegenständlichen Gebäude z.B. nur eine gemeinschaftlich benützte Küche vorhanden sei, und sich im Erdgeschoß vorwiegend Aufenthaltsräume und im Obergeschoß vorwiegend Schlafmöglichkeiten befänden. Das gegenständliche Wohngebäude könne daher am Stichtag des 31. Dezember 1993 nach den raumordnungsrechtlichen Vorschriften nicht als Freizeitwohnsitz in Verwendung gestanden haben, daher sei nicht von Bedeutung, ob es an diesem Tag tatsächlich als Freizeitwohnsitz in Verwendung stand.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit sowie wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, erstattete eine Gegenschrift und beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
§ 16 Abs. 1 bis 3 des Tiroler Raumordnungsgesetzes 1997, LGBl. Nr. 10 in der Fassung des Landesgesetzes LGBl. Nr. 21/1998, lautet:
"§ 16 Nachträgliche Anmeldung von
Freizeitwohnsitzen,
Freizeitwohnsitzverzeichnis
(1) Wohnsitze,
a) die am 31. Dezember 1993 nach den raumordnungsrechtlichen Vorschriften rechtmäßig als Freizeitwohnsitze verwendet worden sind oder bei denen sich der Verwendungszweck als Freizeitwohnsitz auf Grund der Baubewilligung ergibt und
b) die weiterhin als Freizeitwohnsitze verwendet werden sollen, können vom Eigentümer oder vom sonst hierüber Verfügungsberechtigten noch bis zum 31. Dezember 1998 beim Bürgermeister angemeldet werden, wenn er glaubhaft macht, dass er von der Anmeldepflicht nach § 16 Abs. 1 des Tiroler Raumordnungsgesetzes 1994 nicht oder erst innerhalb von sechs Monaten vor dem Inkrafttreten dieses Gesetzes Kenntnis erlangt hat. Der betreffende Wohnsitz ist innerhalb von sechs Monaten nach Kenntnis der Anmeldepflicht anzumelden.
(2) In der Anmeldung ist außer im Falle, dass sich der Verwendungszweck als Freizeitwohnsitz auf Grund der Baubewilligung ergibt, durch geeignete Unterlagen oder sonstige Beweismittel glaubhaft zu machen, dass der Wohnsitz bereits am 31. Dezember 1993 als Freizeitwohnsitz verwendet worden ist. Die Anmeldung hat weiters zu enthalten:
a) Name, Geburtsdatum und Adresse des Eigentümers des
Wohnsitzes und des allenfalls sonst hierüber Verfügungsberechtigten;
b) die Bezeichnung des Grundstückes, auf dem sich der
Wohnsitz befindet;
c) die Adresse des Wohnsitzes;
- d) die Baumasse (§ 61 Abs. 3 zweiter Satz) und die Wohnnutzfläche des Wohnsitzes, bei Wohnungen oder sonstigen Gebäudeteilen weiters die genaue Bezeichnung und erforderlichenfalls eine planliche Darstellung der betreffenden Räumlichkeiten.
(3) Der Bürgermeister hat auf Grund der Anmeldung eines Freizeitwohnsitzes mit schriftlichem Bescheid festzustellen, ob der betreffende Wohnsitz als Freizeitwohnsitz verwendet werden darf. Die Zulässigkeit der Verwendung des betreffenden Wohnsitzes als Freizeitwohnsitz ist festzustellen, wenn die Anmeldung rechtzeitig erfolgt ist und eine der Voraussetzungen nach Abs. 1 lit. a vorliegt. Andernfalls ist die Unzulässigkeit der Verwendung des betreffenden Wohnsitzes als Freizeitwohnsitz festzustellen. Bescheide über die Zulässigkeit der Verwendung eines Wohnsitzes als Freizeitwohnsitz haben die Angaben nach Abs. 2 lit. a bis d zu enthalten. Parteien des Verfahrens sind der Eigentümer des Wohnsitzes und der sonst hierüber Verfügungsberechtigte."
Die Beschwerdeführer halten den angefochtenen Bescheid im Wesentlichen deswegen für rechtswidrig, weil sie seit mehr als zwei Jahrzehnten im verfahrensgegenständlichen Gebäude mit Zweitwohnsitz gemeldet seien. Die Rechtsansicht der belangten Behörde, aus dem Bauakt ließe sich ein Verwendungszweck als Freizeitwohnsitz nicht ableiten, sei unrichtig, weil zum Zeitpunkt der Erlassung eines allfälligen Baubescheides für die Baumaßnahmen im Jahr 1961 weder im damals in Geltung gestandenen Tiroler Raumordnungsgesetz noch in der Tiroler Bauordnung der Begriff "Freizeitwohnsitz" normiert gewesen sei. Eine Freizeitwohnsitznutzung im Jahr 1993 finde also durchaus ihre Deckung im Baukonsens des Jahres 1961. Auch schließe das Vorliegen eines Hauptwohnsitzes im vorliegenden Gebäude nicht das gleichzeitige Bestehen eines Freizeitwohnsitzes aus, zumal die Mutter des Erstbeschwerdeführers nur einen Teil des Gebäudes benutze.
Die Voraussetzungen des § 16 Abs. 1 lit. a TROG 1997 sind dann erfüllt, wenn einer der beiden darin alternativ angeführten Tatbestände gegeben ist; davon ist auch der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 27. April 2000, Zl. 98/06/0135, ausgegangen. Zur zweiten in dieser Gesetzesstelle angeführten Voraussetzung, ob "sich der Verwendungszweck (eines Wohnsitzes) als Freizeitwohnsitz auf Grund der Baubewilligung ergibt", hat er in diesem Erkenntnis unter Hinweis auf sein Erkenntnis vom 22. Februar 1996, Zl. 96/06/0018, ausgesprochen, dass es nicht erforderlich ist, dass die Verwendung als Freizeitwohnsitz in der Baubewilligung ausdrücklich angeführt ist. Es genügt vielmehr, dass die Baubewilligung die Verwendung als Freizeitwohnsitz mitumfasst; hiebei muss die Baubewilligung im Zusammenhang mit den im Zeitpunkt ihrer Erlassung geltenden raumordnungsrechtlichen Bestimmungen ausgelegt werden (vgl. auch das hg. Erkenntnis vom 21. September 2000, Zl. 99/06/0043).
Im vorliegenden Fall wurde weder festgestellt noch ist dies aus den Akten des Verwaltungsverfahrens ersichtlich, wann das im vorliegenden Fall als Freizeitwohnsitz angemeldete Gebäude errichtet wurde und welche Vorschriften dafür gegolten haben. Es ist weder eine Baubewilligung noch eine Rechtsvorschrift ersichtlich, welche die Verwendung des Gebäudes als Freizeitwohnsitz ausschließen oder einschränken würde. Das Gebäude wurde in den Jahren 1961/62 umgebaut und einer Generalsanierung unterzogen. Diesbezüglich liegt in den vorgelegten Akten des Verwaltungsverfahrens ein Plan ein, aus dem die Sanierung, der Einbau von Zwischenwänden und von Sanitärräumen ersichtlich ist. Die Gemeindeinstanzen haben jedoch weder das Vorliegen eines Baubescheides noch den Inhalt eines solchen allfälligen Bescheides festgestellt.
Im vorliegenden Fall ist eine Baubewilligung im Sinne des § 16 Abs. 1 lit. a TROG 1997 zwar nicht ersichtlich. Wenn aber die Errichtung eines Gebäudes im Zeitpunkt seiner Herstellung oder - wie im vorliegenden Fall - die maßgeblichen baulichen Änderungen zum Zeitpunkt ihrer Vornahme bewilligungsfrei waren, dann ergibt sich für die Anwendung des § 16 Abs. 1 lit. a TROG 1997, dass auch der Verwendungszweck als Freizeitwohnsitz nach dieser Rechtslage zulässig gewesen sein muss. Dem Gesetz kann nämlich nicht die Bedeutung unterstellt werden, dass Gebäude, für deren Errichtung oder Änderung eine Bewilligung nicht vorgeschrieben war, nur aus diesem Grund unter dem Gesichtspunkt des § 16 Abs. 1 lit. a zweiter Tatbestand TROG 1997 von der Verwendung als Freizeitwohnsitz ausgeschlossen wären.
Im vorliegenden Fall hat sich die belangte Behörde hinsichtlich der Frage, ob sich der Verwendungszweck des gegenständlichen Gebäudes als Freizeitwohnsitz auf Grund der Baubewilligung im Sinne des § 16 Abs. 1 lit. a TROG 1997, sohin nach der für die Entstehung des derzeitigen Wohnraumes maßgeblichen Rechtslage, ergibt, mit der Aussage begnügt, dass sich aus dem Bauakt ein solcher Verwendungszweck nicht ergebe. Sie hat hiebei die bereits im angeführten hg. Erkenntnis vom 27. April 2000, Zl. 98/06/0135, sowie auch im ebenfalls genannten hg. Erkenntnis vom 21. September 2000, Zl. 99/06/0043, dargelegte Rechtslage verkannt, dass es nicht erforderlich ist, dass die Verwendung als Freizeitwohnsitz in der Baubewilligung ausdrücklich angeführt ist, sondern dass es vielmehr genügt, dass die für die Entstehung des derzeitigen Wohnraumes maßgebliche Rechtslage die Verwendung als Freizeitwohnsitz mitumfasst.
Nach dem Gesagten war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.
Wien, am 26. April 2002
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