VwGH 2000/06/0031

VwGH2000/06/003124.10.2002

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident DDr. Jakusch und die Hofräte Dr. Händschke und Dr. Rosenmayr als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Weiss, in der Beschwerdesache der S in P, vertreten durch Dr. Wolfgang Maria Paumgartner, Rechtsanwalt in 5020 Salzburg, Gaisbergstraße 46, gegen die Gemeindevertretung der Gemeinde Puch, wegen Verletzung der Entscheidungspflicht in einer Bauangelegenheit, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §73 Abs2;
AVG §8;
B-VG Art132;
VwGG §27;
AVG §73 Abs2;
AVG §8;
B-VG Art132;
VwGG §27;

 

Spruch:

Gemäß § 42 Abs. 4 und § 62 Abs. 2 VwGG in Verbindung mit § 73 Abs. 2 AVG wird der Devolutionsantrag vom 9. Juni 1998 als unzulässig zurückgewiesen.

Die Gemeinde Puch hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in Höhe von EUR 635,89 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Eingabe vom 15. Mai 1996 suchten die Ehegatten E und HW als Eigentümer der an das Grundstück der Beschwerdeführerin angrenzenden Liegenschaft U-Straße 179 in P um nachträgliche baubehördliche Genehmigung eines Dachhäuschens an. Über dieses Vorhaben wurde am 12. Juni 1996 eine mündliche Verhandlung durchgeführt, bei welcher sich die Beschwerdeführerin, insbesondere wegen Unterschreitung des Mindestabstands, gegen die Genehmigung aussprach.

Am 10. Juni 1998 stellte die Beschwerdeführerin einen mit 9. Juni 1998 datierten Devolutionsantrag bei der belangten Behörde als sachlich in Betracht kommender Oberbehörde. Darin nahm sie auf die "Bauverhandlung vom 12.06.1996" Bezug und erklärte, den Fall an die Gemeindevertretung "als nächste Instanz zur Erledigung" zu übergeben.

Auf Grund dieses Devolutionsantrages der Beschwerdeführerin wurde den Ehegatten W von der Gemeindevertretung der Gemeinde Puch mit Bescheid vom 9. Juli 1998 über das Ansuchen vom 15. Mai 1996 die erforderliche baubehördliche Bewilligung für das bestehende Dachhäuschen erteilt.

Dagegen erhob die Beschwerdeführerin das Rechtsmittel der Vorstellung an die Salzburger Landesregierung.

Auf Grund dieser Vorstellung hob die Salzburger Landesregierung den Bescheid der Gemeindevertretung der Gemeinde Puch vom 9. Juli 1998 mit Bescheid vom 5. März 1999 auf und verwies die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die Gemeindevertretung. Begründet wurde diese Entscheidung im Wesentlichen damit, dass die Gemeindevertretung Puch zur Erteilung der Baubewilligung nicht zuständig gewesen sei. Der Devolutionsantrag der Beschwerdeführerin sei nicht geeignet gewesen, einen Zuständigkeitsübergang vom Bürgermeister zur Gemeindevertretung zu bewirken, weil der Nachbar im Bauverfahren die Entscheidungspflicht nicht geltend machen könne, wenn über das Bauansuchen noch kein Bescheid ergangen sei. Über das gegenständliche Bauansuchen hätte der Bürgermeister als erste Instanz und nicht die Gemeindevertretung zu entscheiden gehabt. Schon aus diesem Grund sei der Bescheid zu beheben gewesen und zur neuerlichen Entscheidung zurückzuverweisen gewesen.

Am 6. März 2000 erhob die Beschwerdeführerin die vorliegende Säumnisbeschwerde. Darin führte sie aus, dass seit der Zurückverweisung der Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die Gemeindevertretung mehr als sechs Monate vergangen und durch die belangte Behörde keinerlei Veranlassungen getroffen worden seien. Sie meint, mit der Zurückverweisung der Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die Gemeindevertretung im Spruch des Bescheides der Salzburger Landesregierung vom 15. März 1999 sei durch die Vorstellungsbehörde ausgesprochen worden, dass die Gemeindevertretung nunmehr über das Baubewilligungsansuchen der Ehegatten W vom 15. Mai 1996 zu entscheiden gehabt habe und beantragt diese Entscheidung nunmehr vom Verwaltungsgerichtshof.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor.

Die Säumnisbeschwerde ist zulässig.

Gemäß Art. 132 B-VG kann Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht erheben, wer im Verwaltungsverfahren als Partei zur Geltendmachung der Entscheidungspflicht berechtigt war (nachdem die oberste im Verwaltungsverfahren anrufbare Verwaltungsbehörde oder der Unabhängige Verwaltungssenat angerufen wurde; § 27 VwGG). Jede Partei hat Anspruch auf Erlassung eines Bescheides, wenn ein Antrag oder eine Berufung offen ist. Dieser Anspruch ist auch dann gegeben, wenn die Voraussetzungen für die Zurückweisung ihres Antrages oder ihrer Berufung vorliegen. Die vorliegende Säumnisbeschwerde bezieht sich auf die Säumnis der Gemeindevertretung der Gemeinde Puch hinsichtlich des am 10. Juni 1998 bei der Gemeinde eingelangten Devolutionsantrages der Beschwerdeführerin vom 9. Juni 1998. Diesbezüglich bestand die Entscheidungspflicht der belangten Behörde, gleichgültig in welcher Form über den Antrag zu entscheiden war (vgl. den Beschluss eines verstärkten Senates vom 15. Dezember 1977, Slg. Nr. 9458/A).

Zwar kann der Auffassung der Beschwerdeführerin nicht beigepflichtet werden, die Gemeindevertretung der Gemeinde Puch wäre zur Entscheidung über das Baubewilligungsansuchen vom 15. Mai 1996 der Ehegatten H und EW zuständig gewesen. Eine solche Aussage kann auch dem Bescheid der Salzburger Landesregierung vom 15. März 1999 nicht entnommen werden, weil die im Spruch dieses Bescheides ausgedrückte Zurückverweisung der Angelegenheit an die Gemeindevertretung auf die Zuständigkeit der Gemeindevertretung zur Entscheidung über den Devolutionsantrag vom 9. Juni 1998 zu verstehen ist. Insoferne ist die vorliegende Säumnisbeschwerde auf dem Boden der angeführten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes daher nicht als unzulässig zurückzuweisen, weil der Devolutionsantrag der Beschwerdeführerin vom 9. Juni 1998 durch die belangte Behörde nach wie vor unerledigt geblieben ist (vgl. zum Ganzen das - einen ebenfalls von der Beschwerdeführerin bei der belangten Behörde gestellten Devolutionsantrag betreffende - hg. Erkenntnis vom 27. Februar 1998, Zl. 96/06/0016, m.w.N.).

Dieser Devolutionsantrag vom 9. Juni 1998 ist aber unzulässig, da der Nachbar - wie die Salzburger Landesregierung bereits richtig erkannte - im Bauverfahren in der Regel nicht die Entscheidungspflicht geltend machen kann, solange über ein Bauansuchen oder im Zusammenhang damit stehende Einwendungen eines Nachbarn kein Bescheid ergangen ist. Vor der Entscheidung der Behörde erster Instanz kann somit nur der Bauwerber die Entscheidungspflicht geltend machen. Ein Eingriff in die Rechtssphäre des Nachbarn ist nämlich im Allgemeinen nur dann gegeben, wenn eine Baubewilligung erteilt wurde (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 10. Mai 1994, Zl. 92/05/0268, und vom 30. Juni 1994, Zl. 93/06/0176). Die belangte Behörde hätte daher den Devolutionsantrag zurückzuweisen gehabt (vgl. auch dazu das hg. Erkenntnis vom 27. Februar 1998, Zl. 96/06/0016, m.w.N.).

Auf Grund der zulässigerweise erhobenen Säumnisbeschwerde ist die Zuständigkeit zur Entscheidung über den Devolutionsantrag gemäß § 27 in Verbindung mit § 42 Abs. 4 VwGG auf den Verwaltungsgerichtshof übergegangen. Es war daher - in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat - die Zurückweisung des Devolutionsantrages vom 8. Juni 1998 auszusprechen.

Die Kostenentscheidung gründet sich im Rahmen des Antrags auf § 47 in Verbindung mit § 55 VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. II Nr. 501/2001.

Wien, am 24. Oktober 2002

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