VwGH 2000/05/0188

VwGH2000/05/01886.3.2001

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Kail, Dr. Pallitsch und Dr. Waldstätten als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Thalhammer, über die Beschwerde der Gertraud Rader in Weidling, vertreten durch Pieler & Pieler & Partner KEG, Rechtsanwälte in Wien I, Lichtenfelsgasse 5, gegen den Bescheid der Bauoberbehörde für Wien vom 21. Juni 2000, Zl. MD-VfR - B XIX - 47/2000, betreffend Einwendungen gegen ein Bauvorhaben (mitbeteiligte Partei: Dr. Alfred Strommer, Rechtsanwalt in Wien I, Ebendorferstraße 3), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §8;
BauO Wr §134a Abs1 litc;
BauO Wr §71;
BauO Wr §76 Abs10;
BauRallg;
VwGG §41 Abs1;
AVG §8;
BauO Wr §134a Abs1 litc;
BauO Wr §71;
BauO Wr §76 Abs10;
BauRallg;
VwGG §41 Abs1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Die Bundeshauptstadt Wien hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der mitbeteiligte Bauwerber ist Eigentümer des Grundstückes Nr. 650/55, Baufläche, mit 617 m2 und des Grundstückes Nr. 644/2, Baufläche, mit 237 m2 der Liegenschaft EZ 165, KG Untersievering, Delugstraße 14. Die Gesamtfläche beider Grundstücke beträgt demnach 854 m2. Im Osten grenzt an die vorgenannten Grundstücke das Grundstück Nr. 650/56 der Beschwerdeführerin.

Mit Bescheid des Magistrates der Stadt Wien, Magistratsabteilung 37, vom 13. März 2000 wurde der mitbeteiligten Partei antragsgemäß unter Nebenbestimmungen folgende Baubewilligung erteilt:

"I) Nach Maßgabe der mit dem amtlichen Sichtvermerk versehenen Pläne, die einen wesentlichen Bestandteil dieses Bescheides bilden, wird gemäß § 70 der Bauordnung für Wien (BO) in Verbindung mit § 75 Abs. 9 und in Anwendung des Wiener Garagengesetzes, unter Bezugnahme auf die mit Bescheid vom 13.03.1987, Z.: MA 37/V - 19., Delugstraße 14/1123/87, bekannt gegebenen Bebauungsbestimmungen, deren weitere Gültigkeit zuletzt am 20.05.1998 zur Zl.: MA 37/V - 3017/98 bestätigt wurde, die Bewilligung erteilt, auf der im Betreff genannten Liegenschaft die nachstehend beschriebene Bauführung vorzunehmen:

Das bestehende Wohnhaus an der linken Grundgrenze wird nach dessen teilweiser Abtragung durch einen Zubau derart erweitert, dass ein vollständig unterkellertes Wohnhaus mit drei Wohnungen entsteht.

Der Verpflichtung gemäß § 36 Abs. 1 Wr. Garagengesetz wird durch Schaffung von 3 Stellplätzen in der Garage im Keller entsprochen.

Darüber hinaus werden noch weitere zwei Stellplätze freiwillig geschaffen.

II) Unter einem wird gem. 71 BO die Bewilligung auf jederzeitigen Widerruf erteilt, den auf Widerruf bewilligten Bestand an der hinteren Grundgrenze lt. Plan abzuändern."

Auf Grund der dagegen erhobenen Berufung der Beschwerdeführerin wurde der belangten Behörde von der Magistratsabteilung 37 mit Schreiben vom 25. Mai 2000 bekannt gegeben, "dass nach den beigelegten neuen Einreichplänen der Bauwunsch insofern geändert wurde, als die Kanalanlage nunmehr ausschließlich über die verfahrensgegenständliche Liegenschaft und die öffentlichen Verkehrsflächen verläuft und keine Änderungen mehr im auf Widerruf bewilligten Bestand vorgesehen sind".

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wurde Spruchpunkt II) des erstinstanzlichen Bescheides behoben, im Übrigen wurde die Berufung der Beschwerdeführerin als unbegründet abgewiesen. In der Begründung wurde ausgeführt, auf Grund der Bebauungsbestimmungen sei für die zu bebauende Liegenschaft von der Widmung Wohngebiet Bauklasse I, offene Bauweise, Gebäudehöhe maximal 6,5 m auszugehen. Nach der Bekanntgabe der Bebauungsbestimmungen dürfe auf dem gegenständlichen Bauplatz ein Gebäude nicht an den Baulinien errichtet werden, da durch die Festlegung vorderer Baufluchtlinien jeweils ein Vorgarten entlang der Baulinie vorgesehen sei. Aus den Einreichplänen ergebe sich, dass das gegenständliche Bauprojekt unter Beachtung dieser Anordnung des Bebauungsplanes erstellt worden sei. Die zulässige Gebäudehöhe sei gemäß § 81 Abs. 2 der Bauordnung für Wien (BO) zu ermitteln. Danach dürfe bei den über eine Gebäudetiefe von 15 m hinausragenden Teilen von Gebäuden an der Baulinie, Straßenfluchtlinie oder Verkehrsfluchtlinie sowie bei allen nicht an diesen Fluchtlinien gelegenen Gebäuden die Summe der Flächeninhalte aller Gebäudefronten nicht größer als das Produkt aus der Summe der Längen aller Gebäudefronten und der höchsten zulässigen Gebäudehöhe sein; hiebei dürfe die höchste zulässige Gebäudehöhe an der Grundgrenze und bis zu einem Abstand von 3 m von derselben überhaupt nicht und an den übrigen Fronten an keiner Stelle um mehr als 3 m überschritten werden. Die der Dachform entsprechenden Giebelflächen hätten jedoch bei der Bemessung der Gebäudehöhe außer Betracht zu bleiben. Gemäß § 75 Abs. 9 BO - eine Bestimmung die vom Verfassungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 12. Dezember 2000, G 97/00, aufgehoben wurde - dürfe, sofern das örtliche Stadtbild nicht beeinträchtigt werde und das Gebäude nicht mehr Hauptgeschoße aufweise als ein Neubau, der ausschließlich Wohnungen und eine durchgehende Geschoßhöhe von 2,8 m aufweise, die in den Bauklassen I bis IV zulässige Gebäudehöhe außerhalb von Schutzzonen um höchstens 1,5 m überschreiten; dabei seien die Bestimmungen des Abs. 4 einzuhalten und dürfe die Bebaubarkeit der Nachbargrundstücksflächen nicht vermindert werden. Für dieses Überschreiten der Gebäudehöhe bis zu dem Ausmaß von 1,5 m sei eine Bewilligung gemäß § 69 Abs. 1 lit. m BO nicht erforderlich. Wenn eine solche Überschreitung erfolge, sei eine darüber hinausgehende Überschreitung nach dieser Gesetzesstelle ausgeschlossen. Das vorliegende Projekt sei unter Inanspruchnahme dieser Bestimmung erstellt. Zu den Voraussetzungen, die im § 75 Abs. 9 BO genannt würden, sei zunächst auszuführen, dass eine Schutzzone nicht festgesetzt und in der Bauklasse I die Anwendung dieser Bestimmung nach dem Gesetzeswortlaut grundsätzlich möglich sei. Nach den einen Bestandteil des Berufungsbescheides bildenden Bauplänen weise das gegenständliche Bauvorhaben zwei Hauptgeschoße auf, sodass auch die weitere Voraussetzung, dass das Gebäude nicht mehr Hauptgeschoße als ein Neubau mit einer Geschoßhöhe von 2,8 m aufweisen dürfe, erfüllt sei. Bei einer laut Bebauungsplan maximalen Gebäudehöhe von 6,5 m und einer Geschoßhöhe von 2,8 m seien jedenfalls zwei Hauptgeschoße möglich. Es könne nicht davon ausgegangen werden, dass durch die Überschreitung der Gebäudehöhe die Bebaubarkeit der Nachbargrundflächen vermindert werde. Wie den Einreichplänen zu entnehmen sei, werde durch das gegenständliche Wohnhaus die höchst zulässige Gebäudehöhe von 8 m (6,5 m + 1,5 m) nicht überschritten. Der Bauwerber habe eine detaillierte nachvollziehbare Berechnung der Fassadenflächen vorgelegt, aus der hervorgehe, dass die Gesamtheit der Flächeninhalte der Front keine größere Fläche als das Produkt aus der Länge dieser Front und der höchst zulässigen Gebäudehöhe ausmache. Diese Berechnung der Gebäudehöhe sei vom bautechnischen Amtssachverständigen der Magistratsabteilung 37/19 überprüft und für richtig befunden worden. Die maximal zulässige Gebäudehöhe sei jedenfalls auch an der der Beschwerdeführerin zugekehrten Front eingehalten. In diesem Zusammenhang sei auch festzuhalten, dass der geplante Bau mit seinen raumbildenden Teilen jenen Gebäudeumriss, der sich aus einer Gebäudehöhe von 8 m und einem Winkel von 45 Grad , angesetzt am oberen Gebäudeabschluss, ergebe, nicht überschreite. Bezüglich der flächenmäßigen Ausnützbarkeit des Bauplatzes sei zu bemerken, dass die bewilligte Bauführung 269,5 m2 in Anspruch nehme. Nach § 76 Abs. 10 BO dürfe im Wohngebiet bei offener, offener oder gekuppelter, bei gekuppelter und bei der Gruppenbauweise das Ausmaß der bebauten Fläche nicht mehr als ein Drittel der Bauplatzfläche betragen. Da die Bauplatzfläche im vorliegenden Fall 854 m2 betrage, dürfe sohin eine Fläche von 284,7 m2 bebaut werden. Das gegenständliche Bauvorhaben halte diese Vorschrift ein. Spruchpunkt II) des erstinstanzlichen Bescheides sei zu beheben gewesen, weil der Bauwerber sein Projekt im Berufungsverfahren insoweit eingeschränkt habe, dass nur mehr die Bewilligung für die unter Punkt I) dargestellte Bauführung beantragt werde.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde. Die Beschwerdeführerin erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid in dem Recht auf "Einhaltung des Abstandes der Baulichkeiten zur Liegenschaft der Beschwerdeführerin, Einhaltung der Bestimmungen über die Gebäudehöhe, Einhaltung der Bestimmungen über die flächenmäßige Ausnützbarkeit von Bauplätzen" verletzt. Sie macht Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

In der Beschwerde wird unter Berufung auf § 76 Abs. 10 Bauordnung für Wien ausgeführt, dass unter Berücksichtigung des auf der zu bebauenden Liegenschaft bereits bestehenden Altbaus, dessen Beseitigung die belangte Behörde nicht aufgetragen habe, eine Verbauung von insgesamt 60 % des Bauplatzes mit dem bewilligten Bauvorhaben erfolgen würde.

Schon mit diesem Vorbringen zeigt die Beschwerdeführerin eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf.

Gemäß § 76 Abs. 10 der Bauordnung für Wien (BO) darf im Wohngebiet und im gemischten Baugebiet mit Ausnahme der Geschäftsviertel und der Betriebsbaugebiete bei offener, bei offener oder gekuppelter und bei der Gruppenbauweise das Ausmaß der bebauten Fläche nicht mehr als ein Drittel der Bauplatzfläche betragen.

Die Bezugsgröße für die Bebauungsbeschränkungen ist der Bauplatz (vgl. hiezu die hg. Erkenntnisse vom 26. Mai 1981, Slg. Nr. 10 469/A, und vom 13. April 1993, Zl. 92/05/0327).

Die belangte Behörde hat der Baubewilligung - ohne dies jedoch ausdrücklich im angefochtenen Bescheid auszusprechen - offensichtlich die vom mitbeteiligten Bauwerber im Berufungsverfahren vorgelegten neuen Einreichpläne zu Grunde gelegt. (Auf dem Einreichplan befindet sich der Vermerk, dass sich der angefochtene Bescheid auf diesen Plan bezieht). In diesem Plan wird beim "Nachweis der max. bebauten Fläche nach § 76/10" die Gesamtgrundfläche mit 854 m2 und die bebaute Fläche (rote Färbelung) mit 269,5 m2 angegeben. In diesem Plan ist weiters noch der "Bestand 'auf Widerruf' = 112,5 m2" (grüne Färbelung) angegeben. Da mit dem angefochtenen Bescheid zwar Spruchpunkt II) des erstinstanzlichen Bescheides, womit eine Baubewilligung auf Widerruf gemäß § 71 BO zur Abänderung des Bestandes an der hinteren Grundgrenze erteilt worden war, gemäß § 66 Abs. 4 AVG behoben, jedoch keine Abbruchsverpflichtung für den ausgewiesenen Altbestand an der Nordseite der zu bebauenden Liegenschaft ausgesprochen worden ist, ist bei Berechnung des Ausmaßes der bebauten Fläche gemäß § 76 Abs. 10 BO dieser Altbestand mitzuberücksichtigen. Der Altbestand und die bebaute Fläche des bewilligten Bauvorhabens betragen aber insgesamt 382 m2, womit die zulässige Drittelbebauung von 284,7 m2 um 97,3 m2 überschritten wird. Dies durfte die Beschwerdeführerin jedenfalls vor dem Verwaltungsgerichtshof geltend machen, weil durch die Planänderung im Berufungsverfahren das dem Nachbarn durch § 134a Abs. 1 lit. c BO gewährleistete subjektiv-öffentliche Nachbarrecht berührt wird und im Berufungsverfahren keine mündliche Verhandlung stattgefunden hat (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 29. April 1997, Zl. 96/05/0085).

Schon aus diesen Gründen war daher der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 6. März 2001

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