VwGH 2000/05/0001

VwGH2000/05/000130.5.2000

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Kail, Dr. Pallitsch und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Rätin Dr. Gritsch, über die Beschwerde des Richard Witzelsberger und der Margarete Cerny in Wien, beide vertreten durch Mag. Kurt Kadavy, Rechtsanwalt in Wien I, Singerstraße 27, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 11. Oktober 1999, Zl. RU1-V-99109/00, betreffend Parteistellung in einem Baubewilligungsverfahren (mitbeteiligte Parteien:

  1. 1. Sebastian und Ingrid Hüpfel in Reichenau an der Rax, Edlach 159,
  2. 2. Marktgemeinde Reichenau an der Rax, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §42 idF 1998/I/158;
AVG §66 Abs4;
AVG §8;
AVG §82 Abs7 idF 1998/I/158;
BauO NÖ 1996 §21 Abs2;
BauO NÖ 1996 §6 Abs1;
BauO NÖ 1996 §6 Abs2 Z1;
BauO NÖ 1996 §6 Abs2;
BauRallg;
AVG §42 idF 1998/I/158;
AVG §66 Abs4;
AVG §8;
AVG §82 Abs7 idF 1998/I/158;
BauO NÖ 1996 §21 Abs2;
BauO NÖ 1996 §6 Abs1;
BauO NÖ 1996 §6 Abs2 Z1;
BauO NÖ 1996 §6 Abs2;
BauRallg;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Niederösterreich hat den Beschwerdeführern insgesamt Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Ansuchen vom 3. November 1998, eingelangt bei der Baubehörde am selben Tag, beantragten die Erstmitbeteiligten die Erteilung der Baubewilligung für die Herstellung einer Garage und einer Einfriedung auf dem Grundstück Nr. 38/2 in EZ 499, KG Kleinau und Großau. Das Grundstück der Beschwerdeführer grenzt unmittelbar an die zu bebauende Liegenschaft an, wobei gegenüber jener Stelle, an der die Garage errichtet werden soll, ein ca. 8 m hohes Gebäude errichtet ist, an das in gekuppelter Bebauungsweise das Garagengebäude angebaut werden soll.

Über das Baugesuch wurde mit Ladung vom 11. November 1998 eine mündliche Verhandlung für den 25. November 1998 anberaumt, zu der die Beschwerdeführer unter Hinweis auf die Präklusionsfolgen nachweislich geladen wurden.

Vor der Verhandlung brachten die Beschwerdeführer am 23. November 1998 vor, es sei eine Niveaumessung erforderlich, weshalb sie einen Vertagungsantrag stellten. In der Verhandlung vom 25. November 1998 erklärten die Beschwerdeführer der Niederschrift zufolge wörtlich Folgendes:

"Mit Schreiben vom 23.11.1998 wird nochmals auf die exakte Vermessung der Höhenlage hingewiesen.

Im Zusammenhang mit dem Bauvorhaben Hüpfel müsste im Falle eines nicht vorhandenen Fundamentes, bzw. eines Fundamentes, das nicht auf Frosttiefe geführt wird, müsste die Unterfangung des Fundamentes bei der Bauführung der Garage durchgeführt werden.

Bei Durchführung der Fundierungsarbeiten wird entweder wenn möglich der Anrainer verständigt oder es wird ein Foto von der Fundamentsituation hergestellt.

Der Anschluss des Garagengebäudes an das bestehende Nebengebäude des Anrainers muss den handwerklichen Regeln entsprechend dem Stand der Technik ausgeführt werden, dass heißt, der Blechhochzug an der Mauer muss mindestens 30 cm über der Dachhaut liegen.

Es muss dadurch gewährleistet sein, dass eine Beeinträchtigung des Nachbarbauwerks von Herrn Witzelsberger hintangehalten wird.

Die Dachabwässer müssen auf eigenem Grund entsorgt werden, dass eine Beeinträchtigung am Nachbargrundstück hintangehalten wird.

Die Nachbarn Witzelsberger und Cerny fühlen sich in ihren subjektiven Nachbarrechten massivst gestört und erheben Einspruch gegen das Bauvorhaben."

Mit Bescheid vom 7. Jänner 1999 hat der Bürgermeister der mitbeteiligten Marktgemeinde den Erstmitbeteiligten die beantragte baubehördliche Bewilligung erteilt, wobei die Verhandlungsniederschrift einen wesentlichen Bescheidbestandteil bildet. In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung führten die nunmehr anwaltlich vertretenen Beschwerdeführer aus, das Gebäude beeinträchtige die Belichtung, sei zu hoch und halte die erforderlichen Abstände nicht ein; überdies hätten die Beschwerdeführer bereits in der Bauverhandlung darauf hingewiesen, dass durch die geplante Dachschräge der projektierten Garage, die sich zu dem auf dem Grundstück der Beschwerdeführer errichteten, das Bauprojekt weit überragenden unmittelbar angrenzenden Gebäude hinneige, die Durchfeuchtung der eigenen Feuermauer in massivem Umfang drohe. Das im Bauverhandlungsprotokoll erwähnte Hochziehen eines Bleches bis 30 cm sei nicht geeignet, diese Durchfeuchtung hintanzuhalten, da durch die sich zwischen der Feuermauer des Gebäudes der Beschwerdeführer und dem auf diese zugeneigten Dach des Bauprojektes bildende Mulde eine Schneeablagerung von wesentlich größerer Höhe als 30 cm befürchtet werden müsse.

Nach Einholung zweier gutächtlicher Stellungnahmen des bautechnischen Sachverständigen, in welchen dieser zusammengefasst zu dem Schluss kam, dass die Belichtungsbedingungen eingehalten würden, das beantragte Nebengebäude wesentlich kleiner als die erlaubten 100 m2 sei, der Bauwich an der rechten Seite freigehalten sei, an der linken Seite das Kuppeln wegen des vorhandenen Altgebäudes der Beschwerdeführer notwendig und auch erlaubt sei und bei ordnungsgemäßem Verputzen der Feuermauer (dies sei die Aufgabe der Beschwerdeführer) und dem entsprechenden Blechanschluss eine Durchfeuchtung des Nachbargebäudes auf jeden Fall hintangehalten werde. Eine Beweissicherung sei erforderlich, da die bisher unverputzte Seitenwand des Gebäudes der Beschwerdeführer schon derzeit starke Durchnässungserscheinungen aufweise.

Die Beschwerdeführer äußerten sich zum Vorhalt dieser Stellungnahmen negativ.

Mit Bescheid des Gemeinderates der mitbeteiligten Marktgemeinde vom 17. Juni 1999 wurde die Berufung der Beschwerdeführer gegen den erstinstanzlichen Bescheid abgewiesen, der erstinstanzliche Spruch wurde insofern abgeändert, als den Bauwerbern aufgetragen wurde, vor Baubeginn der Garage eine Beweissicherung hinsichtlich des Bauzustandes der an der Grundgrenze befindlichen Feuermauer der Beschwerdeführer durchzuführen.

Die gegen diesen Bescheid erhobene Vorstellung der Beschwerdeführer hat die belangte Behörde mit Bescheid vom 11. Oktober 1999 als unzulässig zurückgewiesen. Die Beschwerdeführer hätten keine Einwendungen im Sinne des § 42 Abs. 2 AVG gemacht, sie hätten daher die Parteistellung verloren.

Die Behandlung der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde hat der Verfassungsgerichtshof mit Beschluss vom 15. Dezember 1999, B 1904/99-3, abgelehnt und die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten.

In der über Auftrag des Verwaltungsgerichtshofs ergänzten Beschwerde wird Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten mit einer Gegenschrift vorgelegt und die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Auch die mitbeteiligte Marktgemeinde hat die Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 6 Abs. 1 der NÖ BO 1996, LGBl. 8200-0, haben im Baubewilligungsverfahren Parteistellung bzw. können erlangen:

  1. 1. der Bauwerber und/oder der Eigentümer des Bauwerks
  2. 2. der Eigentümer des Baugrundstücks
  3. 3. die Eigentümer der Grundstücke, die mit dem Baugrundstück eine gemeinsame Grenze haben oder von diesen durch eine öffentliche Verkehrsfläche, ein Gewässer oder einen Grüngürtel mit einer Breite bis zu 14 m getrennt sind (Nachbarn), und

    4. die Eigentümer eines ober- oder unterirdischen Bauwerks auf den Grundstücken Z. 2 und 3, z.B. Superädifikat, Baurechtsobjekt, Keller, Kanalstrang (Nachbarn).

    Nachbarn werden nur dann Parteien, wenn sie durch das Bauwerk und dessen Benützung in den in Abs. 2 erschöpfend festgelegten subjektiv-öffentlichen Rechten berührt werden. Im Baubewilligungsverfahren werden sie nur dann Parteien, wenn sie diese Rechte spätestens in der Bauverhandlung geltend machen. Beteiligte sind alle sonstigen Personen, die in ihren Privatrechten oder in ihren Interessen betroffen werden.

    Nach Abs. 2 dieser Bestimmung werden subjektiv-öffentliche Rechte durch jene Bestimmungen dieses Gesetzes, des NÖ Raumordnungsgesetzes 1976, der NÖ Aufzugsordnung, sowie der Durchführungsverordnungen zu diesen Gesetzen begründet, die

    1. die Standsicherheit, die Trockenheit und den Brandschutz der Bauwerke der Nachbarn (Abs. 1 Z. 4)

    sowie

    2. den Schutz vor Immissionen (§ 48), ausgenommen jene, die sich aus der Benützung eines Gebäudes zu Wohnzwecken oder einer Abstellanlage im gesetzlich vorgeschriebenen Ausmaß (§ 63) ergeben, gewährleisten und über

    3. die Bebauungsweise, die Bebauungshöhe, den Bauwich, die Abstände zwischen Bauwerken oder deren zulässige Höhe, soweit diese Bestimmungen der Erzielung einer ausreichenden Belichtung der Hauptfenster (§ 4 Z. 9) der Gebäude der Nachbarn dienen.

    Dieser Bestimmung des § 6 Abs. 1 dritter Satz in Verbindung mit § 21 Abs. 2 NÖ BO 1996 wurde auch nicht durch § 82 Abs. 7 AVG in der Fassung BGBl. I Nr. 158/1998, derogiert, da § 82 Abs. 7 AVG in dieser Fassung im Beschwerdefall noch nicht anwendbar ist, weil die mündliche Verhandlung am 25. November 1998, somit vor Inkrafttreten der genannten Änderung des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991, durchgeführt wurde.

    Entscheidungswesentlich ist daher, ob die Beschwerdeführer in der Bauverhandlung eines der Rechte, die in Abs. 2 des § 6 NÖ BO 1996 taxativ aufgezählt sind, geltend gemacht haben. Die Beschwerdeführer haben in der Verhandlung vom 25. November 1998 gefordert, dass der Anschluss des Garagengebäudes an das bestehende Nebengebäude des Beschwerdeführers den handwerklichen Regeln entsprechend dem Stand der Technik ausgeführt werden muss, so dass der Blechhochzug an der Mauer mindestens 30 cm über der Dachhaut liegen muss. Damit haben die Beschwerdeführer Einwendungen erhoben, indem sie Maßnahmen verlangten, um die Trockenheit ihres Gebäudes zu gewährleisten (§ 6 Abs. 2 Z. 1 BO).

    Mit Recht sind daher die Gemeindebehörden von der Parteistellung der Beschwerdeführer ausgegangen, es wurde ihnen der erstinstanzliche Bescheid in ihrer Eigenschaft als Parteien zugestellt, ihre Berufung wurde inhaltlich erledigt.

    Die belangte Behörde hätte daher die Vorstellung der Beschwerdeführer nicht mangels Parteistellung zurückweisen dürfen. Dadurch, dass sie dies getan und sich nicht inhaltlich mit dem Vorstellungsvorbringen auseinander gesetzt hat, und allenfalls zu einer Abweisung der Vorstellung gelangt wäre, hat sie die Beschwerdeführer in ihrem Recht auf inhaltliche Überprüfung ihrer Vorstellung verletzt.

    Da die belangte Behörde Unrecht davon ausgegangen ist, dass den Beschwerdeführern keine Parteistellung zukomme, belastete sie ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.

    Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

    Mit der Erledigung der Beschwerde ist der Antrag, dieser die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, gegenstandslos geworden.

    Wien, am 30. Mai 2000

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