VwGH 2000/02/0154

VwGH2000/02/015414.7.2000

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Kremla, Dr. Riedinger, Dr. Holeschofsky und Dr. Beck als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Zeller, über die Beschwerde des J K in S, vertreten durch Dr. Heinz Edelman, Rechtsanwalt in 1060 Wien, Windmühlgasse 30, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 17. April 2000, Zl. UVS-03/B/42/2846/2000/2, betreffend Übertretung des KFG, zu Recht erkannt:

Normen

KFG 1967 §102 Abs3;
KFG 1967 §134 Abs3b;
VStG §44a Z3;
KFG 1967 §102 Abs3;
KFG 1967 §134 Abs3b;
VStG §44a Z3;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Die belangte Behörde gab mit ihrem Bescheid vom 17. April 2000 der Berufung des Beschwerdeführers gegen das erstinstanzliche Straferkenntnis keine Folge und bestätigte dieses. Nach dem Spruch des erstinstanzlichen Erkenntnisses hatte der Beschwerdeführer am 23. Juli 1999 zu einer näher angeführten Zeit an einem näher umschriebenen Ort in Wien als Lenker eines dem Kennzeichen nach bestimmten Kraftfahrzeuges während der Fahrt telefoniert, ohne eine Freisprecheinrichtung benutzt zu haben; er habe dadurch § 102 Abs. 3 KFG verletzt, weshalb über ihn eine Geldstrafe in der Höhe von S 500,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 12 Stunden) "gemäß § 134 KFG" verhängt wurde.

Nach den Feststellungen der belangten Behörde in ihrem Bescheid ging diese davon aus, dass der Beschwerdeführer zur erstinstanzlichen bescheidumschriebenen Tatzeit am dort umschriebenen Tatort das näher bezeichnete Fahrzeug gelenkt und während des Lenkvorganges mit einem mobilen Telefon telefoniert hatte "und daher nicht über eine Freisprecheinrichtung telefoniert hatte". Festgestellt wurde weiters, dass der Beschwerdeführer während des Telefonierens das "Handy" in seiner rechten Hand hielt.

In ihrer Beweiswürdigung folgte die belangte Behörde nach dem Inhalt des mit der Beschwerde vorgelegten bekämpften Bescheides den Angaben des Meldungslegers; insbesondere sei es "einem meldungslegenden Organ" durchaus "zuzubilligen, im Zuge einer Nachfahrt ein in Händen gehaltenes Handy wahrzunehmen". Das Vorbringen des Berufungswerbers (Beschwerdeführers) erschien der belangten Behörde als nicht nachvollziehbar; so widerspreche es der alltäglichen Lebenserfahrung ohne ersichtlichen Grund ein Fahrzeug in auffälligem Schritttempo zu lenken, gleichzeitig nur mit der linken Hand das Lenkrad und mit der rechten Hand das Ohr zu halten. Auch entspreche es nicht der Lebenserfahrung, während des Fahrens relativ lange Zeit seine rechte Hand an sein rechtes Ohr zu halten und gleichzeitig sohin nur in der Lage zu sein, mit der linken Hand zu lenken. "Eine derartige Handhaltung" erscheine "sowohl für die rechte als auch für die linke Hand höchst anstrengend".

In rechtlicher Hinsicht erachtete die belangte Behörde eine Übertretung des § 102 Abs. 3 KFG für gegeben.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde in einem gemäß § 12 Abs. 3 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Unter dem Gesichtspunkt der Rechtswidrigkeit des Inhaltes des bekämpften Bescheides vermeint der Beschwerdeführer, dass die belangte Behörde gegen § 44a VStG verstoßen habe; dies auch deshalb, da durch die Zitierung des § 134 KFG - ohne nähere Ausführungen - der Beschwerdeführer nicht in die Lage versetzt werde, die Angemessenheit der verhängten Geldstrafe (Ersatzfreiheitsstrafe) zu überprüfen. Überdies wäre es "unumgänglich gewesen", das vom Beschwerdeführer angeblich verwendete Mobiltelefon "typenmäßig, nach Rufnummer, etc., zu umschreiben".

§ 102 Abs. 3 KFG idF der mit 1. Juli 1999 in Kraft getretenen Novelle BGBl. I Nr. 147/1998 lautet:

"(3) Der Lenker muss die Handhabung und Wirksamkeit der Betätigungsvorrichtungen des von ihm gelenkten Kraftfahrzeuges kennen. Ist er mit ihrer Handhabung und Wirksamkeit noch nicht vertraut, so darf er das Fahrzeug nur mit besonderer Vorsicht lenken. Er muss die Lenkvorrichtung während des Fahrens mit mindestens einer Hand festhalten und muss beim Lenken Auflagen, unter denen ihm die Lenkerberechtigung erteilt wurde, erfüllen. Er hat sich im Verkehr der Eigenart des Kraftfahrzeuges entsprechend zu verhalten. Während des Fahrens ist dem Lenker das Telefonieren ohne Benützung einer Freisprecheinrichtung verboten. Der Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr hat unter Bedachtnahme auf die Verkehrssicherheit und den Stand der Technik durch Verordnung die näheren Vorschriften bezüglich der Anforderungen für Freisprecheinrichtungen festzulegen. Freisprecheinrichtungen müssen den Anforderungen der Produktsicherheitsbestimmungen für Freisprecheinrichtungen entsprechen."

Durch eben diese Novelle (BGBl. I Nr. 147/1998) wurde nach § 134 Abs. 3a KFG ein Abs. 3b eingefügt; dieser lautet wie folgt:

"(3b) Wer als Lenker eines Kraftfahrzeuges die in § 102 Abs. 3

5. Satz angeführte Verpflichtung nicht erfüllt, begeht, wenn dies bei einer Anhaltung gemäß § 97 Abs. 5 StVO 1960 festgestellt wird, eine Verwaltungsübertretung, welche mit einer Organstrafverfügung gemäß § 50 VStG mit einer Geldstrafe von S 300,-- zu ahnden ist. Wenn die Zahlung des Strafbetrages verweigert wird, ist von der Behörde eine Geldstrafe bis zu S 1.000,--, im Falle der Uneinbringlichkeit eine Freiheitsstrafe bis zu 24 Stunden, zu verhängen."

Gemäß § 44a Z. 1 VStG hat der Spruch eines Straferkenntnisses, wenn er nicht auf Einstellung lautet, die als erwiesen angenommene Tat zu enthalten. Dieser Vorschrift ist nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes dann entsprochen, wenn dem Beschuldigten im Spruch des Straferkenntnisses die Tat in so konkretisierter Umschreibung vorgeworfen wird, dass er in die Lage versetzt wird, auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, um den Tatvorwurf zu widerlegen und der Spruch geeignet ist, den Beschuldigten davor zu schützen, wegen desselben Verhaltens nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden (vgl. beispielsweise das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Oktober 1985, Slg.Nr. 11.894/A sowie das hg. Erkenntnis vom 22. Februar 1999, Zl. 99/17/0026, mwN). Nach diesen, aber auch nur nach diesen Gesichtspunkten ist in jedem konkreten Fall insbesondere auch zu beurteilen, ob die im Spruch eines Straferkenntnisses enthaltene Identifizierung der Tat dem § 44a Z. 1 VStG genügt oder nicht genügt, mithin ob die erfolgte Umschreibung der Tat im konkreten Fall das Straferkenntnis als rechtmäßig oder als rechtswidrig erscheinen lässt. Das an die Umschreibung der Tat zu stellende Genauigkeitserfordernis wird daher nicht nur von Delikt zu Delikt, sondern auch nach den jeweils gegebenen Begleitumständen in jedem einzelnen Fall ein verschiedenes, weil an den oben wieder gegebenen Rechtsschutzüberlegungen zu messendes Erfordernis sein (vgl. zu Tatort- und Tatzeitangabe etwa das hg. Erkenntnis vom 16. April 1999, Zl. 99/02/0017, mit weiteren Hinweisen auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes).

Davon ausgehend kann der Verwaltungsgerichtshof im Beschwerdefall nicht erkennen, dass die im Spruch des bekämpften Bescheides vorgenommene Konkretisierung dem im § 44a Z. 1 VStG umschriebenen Rechtsschutzbedürfnis des Beschuldigten (des Beschwerdeführers) widerspricht. Im Hinblick auf das ihm zur Last gelegte Delikt und die bei dessen Individualisierung zu berücksichtigende Tatzeit bedurfte es der in der Beschwerde vermissten Angaben betreffend die nähere Umschreibung des nach dem Spruch verwendeten Mobiltelefones (etwa der Rufnummer nach) nicht. Weder ist insoweit eine Beeinträchtigung der Verteidigungsrechte des Beschwerdeführers noch die Gefahr einer Doppelbestrafung erkennbar.

Soweit aber der Beschwerdeführer einen Verstoß gegen § 44a (Z. 3) VStG in der Zitierung des § 134 KFG ohne Anführung des entsprechenden Absatzes erblickt, vermag er gleichfalls keine Rechtswidrigkeit darzutun: Zwar weist § 134 KFG mehrere Absätze auf, der Umstand, dass im Spruch des bekämpften Bescheides der Hinweis auf den betreffenden Absatz unterblieben ist, zog aber im Beschwerdefall keine Rechtsverletzung des Beschwerdeführers nach sich, weil als die bei der Verhängung der Strafe angewendete Gesetzesbestimmung nur Abs. 3b dieses Paragraphen in Betracht kam (vgl. das hg. Erkenntnis vom 24. Jänner 1990, Zl. 89/02/0113).

Das Schwergewicht des Vorbringens des Beschwerdeführers unter dem Gesichtspunkt der Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften (und nach den Beschwerdeausführungen auch schon im Verwaltungsstrafverfahren) liegt darin, er habe nicht telefoniert. Insbesondere verweist er darauf, dass nach dem von ihm vorgelegten Einzelverbindungsnachweis der Mobilkom nur ein Telefonat um 12.36 Uhr in der Dauer von einer Sekunde ersichtlich sei. Das Letzte vor diesem Zeitpunkt geführte Telefongespräch sei um 11.23 Uhr gewesen. Ein Einzelverbindungsnachweis hinsichtlich der Passivgespräche sei trotz eines entsprechenden Antrages nicht eingeholt worden. Wäre diesem Beweisantrag entsprochen worden, hätte festgestellt werden können, dass der Beschwerdeführer zum inkriminierten Zeitpunkt weder Aktiv- noch Passivgespräche geführt habe.

Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers kommt es jedoch nicht darauf an, ob dieser tatsächlich telefoniert hat oder nicht. Aus dem Bericht des Verkehrsausschusses (1334 BlgNR 20. GP ) ergibt sich nämlich, dass Anlass für die auf einen Initiativantrag zurückzuführende Pflicht zur Verwendung von Freisprecheinrichtungen das erhöhte Unfallrisiko war. Wörtlich wird ausgeführt: "Gerade das Halten eines Handy während der Fahrt lenkt vom Verkehrsgeschehen ab. Deshalb erscheint es zielführend, dieses Problem im KFG bei den Lenkerpflichten ausdrücklich zu regeln."

Das im § 102 Abs. 3 KFG geregelte Verbot für den Lenker, während des Fahrens ohne Verwendung einer Freisprecheinrichtung zu telefonieren, umfasst daher jede Verwendung eines "Handys" ohne Freisprecheinrichtung zu Fernsprechzwecken, wie etwa auch aus welchen Gründen immer gescheiterte Versuche, das Mobiltelefon während des Lenkens (ohne Freisprecheinrichtung) in Betrieb zu nehmen.

Diese Auslegung stimmt auch mit dem im § 102 Abs. 3 KFG zum Ausdruck gebrachten Grundsatz überein, wonach der Lenker die Lenkvorrichtung während des Fahrens mit mindestens einer Hand festhalten muss; können nämlich Fahrmanöver nicht auf bloße Lenkbewegungen (Bedienung des Lenkrades) reduziert werden, sondern ist daneben auch noch die Betätigung von anderen Fahrzeugeinrichtungen (z.B. die Betätigung des Fahrtrichtungsanzeigers) erforderlich, könnte dem erwähnten Grundsatz betreffend das Festhalten der Lenkvorrichtung nicht entsprochen werden, wenn gleichzeitig ein Mobiltelefon (auch ohne Zustandekommens eines Gespräches) bedient wird.

Aus diesen Erwägungen erweist sich daher der vom Beschwerdeführer gestellte Beweisantrag als irrelevant, da es nicht darauf ankommt, ob der Beschwerdeführer tatsächlich zum Tatzeitpunkt ein Telefongespräch geführt hat oder nicht. Im Übrigen war der diesbezügliche Beweisantrag auch deshalb untauglich, weil - was der Beschwerdeführer ohnedies auch erkennt - keineswegs ausgeschlossen werden kann, dass ein Lenker über mehrere (etwa auch mit anonymen Wertkarten betriebene) Mobiltelefone (auch bei verschiedenen Netzbetreibern) verfügt. Es liegt daher auch insoweit keine Rechtswidrigkeit des bekämpften Bescheides infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften vor.

Soweit aber die belangte Behörde im Rahmen ihrer Beweiswürdigung den Angaben des Meldungslegers dahin folgte, der Beschwerdeführer habe zum Tatzeitpunkt ein Mobiltelefon zu seinem rechten Ohr gehalten, kann dem der Verwaltungsgerichtshof im Hinblick auf seine eingeschränkte Kontrolle der Beweiswürdigung (vgl. dazu das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Oktober 1985, Zl. 85/02/0053) nicht entgegen treten.

Da somit bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen lässt, dass die vom Beschwerdeführer behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde

gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 14. Juli 2000

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