VwGH 2000/01/0396

VwGH2000/01/039622.5.2001

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kremla und die Hofräte Dr. Nowakowski und Dr. Pelant als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hackl, über die Beschwerde des L M in G, geboren am 1. Juli 1964, vertreten durch Dr. Wolfgang Vacarescu, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Jakominiplatz 16/II, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 9. August 2000, Zl. 208.527/0-V/13/99, betreffend § 7 Asylgesetz 1997 (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:

Normen

AsylG 1997 §7;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;
AsylG 1997 §7;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger der Demokratischen Republik Kongo, reiste seinen Angaben zufolge am 13. Dezember 1996 in das Bundesgebiet ein und beantragte am 18. Dezember 1996 die Gewährung von Asyl. Diesen Antrag begründete er im Wesentlichen damit, dass er am 23. Jänner 1996 in Kinshasa an einer Demonstration teilgenommen habe, deswegen verhaftet und bis zum 30. November 1996 in einem "illegalen Gefängnis" festgehalten worden sei; am 30. November 1996 sei ihm mit Hilfe eines Freundes die Flucht gelungen.

Mit Bescheid vom 20. Jänner 1997 wies das Bundesasylamt den Asylantrag des Beschwerdeführers - u.a. wegen Unglaubwürdigkeit seiner Angaben - ab. Dieser Bescheid wurde dem Beschwerdeführer gemäß dem die Zustellung beurkundenden Rückschein am 22. Jänner 1997 durch Ausfolgung an einen Postbevollmächtigten für RSa-Briefe zugestellt.

Gegen den Bescheid des Bundesasylamtes erhob der Beschwerdeführer per Postaufgabe 17. Februar 1997 Berufung. Der seinerzeit zur Erledigung der Berufung zuständige Bundesminister für Inneres wies diese Berufung mit Bescheid vom 21. Februar 1997 gemäß § 66 Abs. 4 AVG als verspätet zurück.

Gegen den Berufungsbescheid erhob der Beschwerdeführer Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, in der er vorbrachte, dass der Bescheid des Bundesasylamtes tatsächlich erst am 3. Februar 1997 wirksam zugestellt worden sei. Der Verwaltungsgerichtshof wies diese Beschwerde mit Beschluss vom 17. Februar 1999, Zl. 97/01/0363, gemäß § 44 Abs. 2 und 3 AsylG zurück und leitete die Akten des Verwaltungsverfahrens dem unabhängigen Bundesasylsenat (der belangten Behörde) zu. Dieser führte in der Folge am 25. Jänner 2000 und am 20. Juli 2000 eine mündliche Verhandlung durch. Gemäß dem im Verwaltungsakt erliegenden Protokoll machte der Beschwerdeführer in der Verhandlung vom 25. Jänner 2000 u.a. folgende Angaben:

"BW: Ich befürchte für den Fall meiner Rückkehr einerseits wegen meiner nunmehrigen politischen Auslandsbetätigung für die Partei UDPS seitens der Regierung Kabila verfolgt zu werden sowie andererseits rechne ich auch mit Verfolgung meiner Person wegen der Ereignisse im Jahre 1996 bzw. meiner damaligen Tätigkeit gegen das Regime. So ist z. B. der zairische Konsul in Wien auch nach dem Machtwechsel noch immer die selbe Person und hat sich dahingehend nichts geändert.

VL: Woher glauben Sie würden die Heimatbehörden von Ihrer Auslandstätigkeit erfahren ?

BW: Über das Konsulat. Das Konsulat würde die Informationen über meine oder unsere Tätigkeit an die Regierung weiterleiten.

VL: Wie schätzen Sie ein, wie weit der Arm der derzeitigen Regierung Kabila tatsächlich reicht im Lande ?

BW: Wie weit tatsächlich der Einfluss Kabilas reicht, kann ich von hier aus nicht mit großer Sicherheit sagen, jedoch wäre ich auch gefährdet, wenn ich in einen von anderen Truppen kontrollierten Landesteil gehen würde, da man diesfalls als Spion Kabilas oder etwas Ähnliches angesehen und verfolgt werden würde.

BW legt ein Farbfoto einer Demonstration in Wien vor der Amerikanischen Botschaft vor (Beilage D).

BW: Das war eine Demonstration gegen das Kabila-Regime. Bei dieser Gelegenheit, nämlich am 13.6.1997, wurde auch ein Brief an Präsident Clinton übergeben. Dem wurde ein Schreiben an Kabila beigelegt, da dieser direktere Kontakte hat. Dieser Brief trägt auch meine Unterschrift. Die UDPS und ich glauben, dass dieser Brief eine derartige Wirkung gezeitigt hat, dass nunmehr die Beziehungen zwischen den Vereinigten Staaten und Zaire sich verschlechtert haben. Für meinen Fall der Rückkehr nach Kinshasa, würde man mich wegen meiner politischen Gesinnung festnehmen und einsperren. Mit einem gerechten Gerichtsverfahren hätte ich nicht zu rechnen, da ein Regime der Willkür herrscht.

BWV: Welche Funktion hatte der BW 1997 bzw. hat er nunmehr ?

BW: Gleich nach meinem Beitritt war ich bis Dezember 1997 Vizesekretär für Informationsangelegenheiten und dann hat man mir vorgeschlagen Vizepräsident zu werden. Dies bis zum Dezember 1999. Jetzt möchte ich als Berater für die UDPS tätig sein und Berichte schreiben. Ich unterschreibe nicht immer, nur manchmal.

BWV: War seinerzeit Presse anwesend ?

BW: Gefilmt wurde schon, aber ich weiss nicht wer das war.

BWV: Glauben Sie, dass der Konsul Informationen bzw. Namen weitergibt ?

BW: Ich bin ganz sicher, dass Informationen weitergeleitet werden, wenn er dies nicht tun würde, wäre er längst seines Postens behoben.

BWV: Werden auch Informationen über das hier anhängige Asylverfahren weitergeleitet?

BW: Ja ich glaube schon. Ich habe Kontakte mit Bewohnern von Zaire, die schon lange hier leben."

Mit Bescheid vom 9. August 2000 wies die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 20. Jänner 1997 gemäß § 7 AsylG ab. Sie führte aus, dass die vom Beschwerdeführer ins Treffen geführte Teilnahme an einer Demonstration in Kinshasa, die daran anschließende Inhaftierung und die Umstände seiner Freilassung nicht als Sachverhalt festgestellt werden könnten; festgestellt werde, dass er 1997 als stellvertretender Sekretär der UDPS - Österreich tätig gewesen sei.

In der Folge legte die belangte Behörde beweiswürdigend dar, warum den Angaben des Beschwerdeführers zu den Vorfällen im Jahr 1996 keine Glaubwürdigkeit zukomme. Im Weiteren wurde wie folgt argumentiert:

"Die vom Antragsteller im Rahmen des Berufungsverfahrens ins Treffen geführten angeblichen politischen Aktivitäten nach dem Verlassen seines Heimatlandes vermochte der Antragsteller nicht in einen unzweifelhaften logischen Zusammenhang zu stellen: So scheint der Antragsteller zwar tatsächlich als Funktionär der UDPS - Österreich in der Funktion seines Stellvertreters für Information etc. auf, dies jedoch entgegen seiner Angaben bereits ab Anfang des Jahres 1997 und nicht, wie von ihm ins Treffen geführt, etwa Mitte 1997 und führte der Antragsteller erst auf Vorhalt, dass die von ihm weiters ins Treffen geführte angebliche höherrangige Tätigkeit innerhalb der UDPS - Österreich bis zum Ende 1999 nicht erkannt werden konnte, ins Treffen, dass es Probleme innerhalb der UDPS gäbe. Aber selbst unter Zugrundelegung der Tatsache, dass der Antragsteller sich nunmehr unter den Mitgliedern einer Neugründung der UDPS - Österreich befindet, war der Antragsteller im Rahmen des durchgeführten Verfahrens nicht in der Lage, diesbezüglich nachvollziehbar darzulegen, dass er selbst einerseits an führender Stelle hiebei tätig wäre, noch dass auch seine Beteiligung einer allenfalls ins Auge gefassten Neugründung oder Sezession der UDPS - Österreich den kongolesischen Behörden gar zur Kenntnis gelangt wären oder er sich gar in der Öffentlichkeit massiv gegen das nunmehrige Regime Kabila artikuliert hätte. So war der Antragsteller auch im Rahmen der Berufungszweitverhandlung nicht in der Lage auszusagen, wo sich das Büro der UDPS - Österreich in Wien befindet, noch konnte er auch den derzeitigen Präsidenten der nach seiner Diktion neuen und echten UDPS - Österreich nennen, was ebenfalls dafür spricht, dass er offenbar selbst kein besonderes politisches Interesse für diese Bewegung bisher entwickelt hat.

Da im gegenständlichen Verfahren die Glaubhaftmachung einer Verfolgung aus asylrechtlich relevantem Grund ein Essentiale darstellt, jedoch die Person des Antragstellers als grob unglaubwürdig zu qualifzieren ist, war die Gewährung von Asyl nicht statthaft."

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof - in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat - erwogen:

Gemäß § 44 Abs. 2 AsylG ist das gegenständliche Asylverfahren mit Inkrafttreten des Asylgesetzes 1997 in das Stadium vor Erlassung des - die Berufung des Beschwerdeführers als verspätet zurückweisenden - Berufungsbescheides des Bundesministers für Inneres vom 21. Februar 1997 zurückgetreten (vgl. den oben erwähnten hg. Beschluss vom 17. Februar 1999). Die nunmehr zur Erledigung der Berufung zuständige belangte Behörde hatte daher die am 17. Februar 1997 zur Post gegebene Berufung gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 20. Jänner 1997 neu zu beurteilen, und zwar auch dahingehend, ob sie rechtzeitig erhoben worden ist. In diese Richtung hat die belangte Behörde zwar eingangs der mündlichen Verhandlung vom 25. Jänner 2000 Ermittlungen durchgeführt; sie ging in der Folge wohl auch davon aus, dass die Berufung fristgerecht eingebracht worden sei, hat zur Grundlage ihrer diesbezüglichen Beurteilung jedoch keine Feststellungen getroffen.

In der Sache selbst ist der belangten Behörde vorzuwerfen, dass sie sich mit dem Vorbringen des Beschwerdeführers betreffend seine exilpolitischen Tätigkeiten für die UDPS - Österreich und betreffend seine Teilnahme an einer Kundgebung vom 13. Juni 1997 vor der amerikanischen Botschaft in Wien - jeweils unter dem Gesichtspunkt einer daraus allenfalls abzuleitenden Gefährdung des Beschwerdeführers für den Fall seiner Rückkehr in den Herkunftsstaat - nicht bzw. nicht ausreichend auseinander gesetzt hat.

Was ersteres anlangt, so hat die belangte Behörde ausdrücklich bloß festgestellt, dass der Beschwerdeführer 1997 als stellvertretender Sekretär der UDPS - Österreich tätig gewesen sei. Ihren in der Folge angestellten rechtlichen Erwägungen lässt sich weiter entnehmen, dass sie davon ausgehe, dass der Beschwerdeführer im Rahmen einer Neugründung der UDPS - Österreich jedenfalls nicht an führender Stelle tätig (gewesen) sei und dass seine Beteiligung an einer derartigen Neugründung den kongolesischen Behörden jedenfalls nicht zur Kenntnis gelangt wäre. Wie die Beschwerde zutreffend aufzeigt, gelangte die belangte Behörde zu diesem Ergebnis, ohne auf die Beweisanträge des Beschwerdeführers Rücksicht zu nehmen. Dieser begehrte zunächst in der mündlichen Verhandlung vom 25. Jänner 2000 die Einvernahme eines als ehemaligen Präsidenten der UDPS bezeichneten Zeugen, und zwar u.a. zum Beweis dafür, dass er (der Beschwerdeführer) Vizepräsident (gewesen) und noch immer intellektueller Berater der UDPS sei und dass Informationen über Mitglieder der UDPS bzw. über Asylwerber aus dem Kongo über das Konsulat an das Regime weitergereicht werden könnten. Mit schriftlich eingebrachtem Beweisantrag vom 26. Jänner 2000 beantragte er die Einvernahme zweier weiterer namentlich genannter Zeugen, und zwar ebenfalls zum Beweis dafür, dass er Vizepräsident der UDPS gewesen und dass dies - ebenso wie mehrfache politische Betätigung im Inland - den Behörden in Kinshasa über das österreichischen Konsulat bekannt geworden sei. Schließlich wurde auch in der mündlichen Verhandlung vom 20. Juli 2000 ein ähnlicher Beweisantrag, gerichtet auf Einvernahme weiterer Zeugen, gestellt. Über all diese Beweisanträge hat sich die belangte Behörde stillschweigend hinweggesetzt, ohne dass die Voraussetzungen für ein Absehen von der beantragten Beweisaufnahme (vgl. dazu etwa die bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2, (1998), zu § 45 AVG unter E 234. ff zitierte hg. Judikatur) vorgelegen hätten.

Zum Vorbringen des Beschwerdeführers betreffend die Demonstration vom 13. Juni 1997 hat die belangte Behörde nicht einmal ansatzweise Feststellungen getroffen. Hiezu wäre sie jedoch schon deshalb verpflichtet gewesen, weil der Beschwerdeführer eine ihm nunmehr als Rückkehrer drohende asylrelevante Gefährdung erkennbar auch darauf gestützt hat. Im Einzelnen wird in diesem Zusammenhang auf das hg. Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 2000/01/0076, verwiesen.

Nach dem Gesagten ist der angefochtene Bescheid mit einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften belastet. Er war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG aufzuheben. Im Hinblick darauf konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 3 VwGG die Durchführung der beantragten Verhandlung unterbleiben.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 22. Mai 2001

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