Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 908,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin, eine somalische Staatsangehörige, gelangte am 7. August 1997 - mit ihren Kindern - in das Bundesgebiet und beantragte am darauf folgenden Tag Asyl.
Im Rahmen ihrer Einvernahme durch das Bundesasylamt am 13. August 1997 schilderte die Beschwerdeführerin detailliert die zwei Monate zurückliegende Tötung ihres Ehegatten, ehemals von Beruf Soldat, im Zuge eines Feuergefechts, weiters ihre Festnahme, Befragung zu ihrer Clan-Zugehörigkeit und anschließende Vergewaltigung durch zwei bewaffnete Männer am 15. Juli 1997 sowie ihren Fluchtweg. Zu den Verhältnissen in Somalia gab sie u.a. an, es herrsche jetzt noch Bürgerkrieg, aber nicht mehr so intensiv wie im Jahre 1991. Jedoch sei die Bevölkerung jetzt noch bewaffnet und es würden Leute getötet werden. Sie wisse genau, dass die Ermordung ihres Mannes und die Vergewaltigungen von den Männern des General Aidid, einer bewaffneten Gruppierung, durchgeführt worden seien. Sie und ihre Kinder hätten nach diesen Vergewaltigungen die Wohnung aus Angst vor weiteren Vorfällen nicht mehr verlassen. Auf die Frage, was sie im Falle einer Rückkehr in ihr Heimatland befürchte, antwortete sie, sie wolle momentan nicht nach Somalia zurückkehren, weil dort kein Friede und keine Gerechtigkeit herrschten. Es gebe jetzt nur die bewaffneten Gruppierungen. Wenn in ihrem Heimatland wieder Friede einkehre, wolle sie wieder dorthin zurückkehren. Sie habe alles, was sie in ihrem Heimatland besessen habe, verloren.
Mit Bescheid vom 12. September 1997 wies das Bundesasylamt den Antrag der Beschwerdeführerin gemäß § 3 des Asylgesetzes 1991 ab. Die Erstbehörde gelangte im Wesentlichen zur Schlussfolgerung, die von der Beschwerdeführerin ins Treffen geführten Umstände seien zweifellos persönliche Schicksalsschläge, doch ließen sich hieraus keine Rückschlüsse auf eine Verfolgung ihrer Person "im Konventionssinn" sehen. Die Vorgangsweisen der bewaffneten Gruppierungen in Somalia seien gegen die Beschwerdeführerin nicht aus politischen, religiösen, rassischen, ethnischen oder sozialen Gründen gesetzt worden, sondern es seien mehrfach wehrlose Leute Opfer von derartigen Übergriffen geworden. Die Beschwerdeführerin habe als Einzelperson die Folgen des Krieges in Somalia mit voller Härte zu spüren bekommen. Das Asylrecht habe nicht die Aufgabe, vor den allgemeinen Unglücksfolgen zu bewahren, die aus Krieg, Bürgerkrieg oder sonstigen Unruhen hervorgingen.
In ihrer gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung rügte die Beschwerdeführerin ihre mangelnde Anleitung durch die Erstbehörde. Wäre diese ihrer besonderen Manuduktionspflicht nachgekommen, hätte sie zu dem Schluss kommen müssen, dass die Beschwerdeführerin ihr Heimatland aus wohl begründeter Furcht verlassen habe, aus Gründen der Genfer Flüchtlingskonvention verfolgt zu werden.
Mit Bescheid vom 10. Oktober 1997 wies der Bundesminister für Inneres die Berufung der Beschwerdeführerin ("... Staatsangehörige der Jugosl. Föderation ...") ab. Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, der diese mit Beschluss vom 20. Oktober 1999, Zl. 97/01/1126, gemäß § 44 Abs. 3 des Asylgesetzes 1997 zurückwies.
Im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem unabhängigen Bundesasylsenat (der belangten Behörde) am 8. Mai 2000 schilderte die Beschwerdeführerin ihre Herkunft, ihre familiären Verhältnisse, die Tötung ihres Mannes im Zuge einer Schießerei und gab auf Befragen zum unmittelbaren Anlass für das Verlassen ihres Heimatlandes an:
"BW: Ich war unterwegs zum Markt, da ich Milch kaufen wollte, und dabei sind mir zwei bewaffnete Männer entgegengekommen. Die zwei Männer haben mich angehalten und haben mich nach meiner Clanzugehörigkeit gefragt und ich habe gesagt, dass ich der Marehan angehöre und sie haben mich mitgenommen. Sie haben zu mir gesagt, dass ich mitkommen soll. Man hat mich zu einem zerstörten Haus gebracht. In diesem Haus hat die Vergewaltigung stattgefunden.
VL: Haben Sie sich jemals politisch betätigt?
BW: Nein.
VL: Glauben Sie, hätten Sie die Vergewaltigung auch dann erleiden müssen, wenn Sie Angehörige eines anderen Clans gewesen wären.
BW: Ja, wenn ich z.B. Hawie Angehörige gewesen wäre, wäre ich nicht vergewaltigt worden.
VL: Was haben Sie nach der Vergewaltigung getan?
BW: Ich bin zurück zum Haus des Bekanntes meines Mannes.
...
VL: Gibt es in Somalia ein Gebiet, indem der Marehan Clan ein Kernsiedlungsgebiet besitzt?
BW: Ja (und zeigt der Dolmetsch nach Rücksprache mit der BW das Gebiet des Bundeslandes Gedo im Südwesten Somalias und führt die BW dazu aus, dass im Gebiet zwischen Bur Dubo bis Mandera an der Grenze zu Kenia das Clangebiet der Marehan ist).
VL: Was wäre geschehen, wenn Sie sich mit Ihrer Familie in dieses Gebiet Ihres Clans begeben hätten?
BW: Zur Zeit kann man nicht dort hin, da die Angehörigen des Hawie Clans ständig Überfälle machen.
VL: Was glauben Sie, hätte Ihnen bei Ihrem weiteren Verbleib in Mogadishu gedroht?
BW: In Mogadishu habe ich keine Chance. Denn wenn man weiß, dass an einem Ort eine Darod Frau mit Kindern lebt, wäre das Haus beschossen bzw. überfallen worden.
VL: In diesem einen Monat ist aber nichts dergleichen geschehen?
BW: Der Mann der uns geholfen hat, ist Hawie, jedoch ist seine Mutter Marehan und hat er uns deshalb geholfen und hat er aus diesem Grund mit den anderen Hawiet gesprochen, aber hatte er selbst auch Probleme, da man ihn bezichtigte, eine Darod Familie zu beherbergen. Er hätte uns nicht auf Dauer von Angriffen der Hawie schützen können.
..."
Am 11. Mai 2000 brachte die Beschwerdeführerin schließlich im Hinblick auf die Frage der "innerstaatlichen Schutzalternative" eine umfangreiche Stellungnahme über die Lage in Somalia, insbesondere auch in Somaliland und Punt-Land ein.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung gegen den Bescheid des Bundesasylamtes gemäß § 7 des Asylgesetzes 1997 (AsylG) ab. Begründend führte sie aus, das detaillierte erstinstanzliche Vorbringen (der Beschwerdeführerin) sei bereits im Erstbescheid richtig und vollständig wiedergegeben worden, sodass der diesbezügliche Teil dieses Bescheides auch zum Inhalt des angefochtenen erhoben werde. Die Beschwerdeführerin habe vor der Erstbehörde im Wesentlichen releviert, dass ihr Mann im Zuge der Bürgerkriegswirren von Seiten Angehöriger eines verfeindeten Clans getötet worden sei und sie selbst als Angehörige des Clans der Marehaan bzw. der Volksgruppe der Darod von zwei ihr unbekannten Männern vergewaltigt worden sei. Im Gefolge dieser Ereignisse habe sie das Land verlassen. Im Rahmen der Berufungsverhandlung vor der belangten Behörde am 8. Mai 2000 habe die Beschwerdeführerin zentral zu Protokoll gegeben, auf dem Weg zum örtlichen Markt von zwei Clanangehörigen des Stammes der Hawyie angehalten und von diesen vergewaltigt worden zu sein. Ihre Vergewaltigung habe sie ursächlich auf die Tatsache zurückgeführt, dass sie selbst nicht Angehörige des Hawyie-Clans wäre. In der Folge habe sie noch ca. einen Monat lang im Haus eines Freundes ihres Mannes gelebt und sodann mit ihren Kindern das Land verlassen. Im Rahmen des Rechtsgespräches vor der belangten Behörde sei der Beschwerdeführerin ein Abriss der aktuellen Lage sowie der Sicherheitssituation in Somalia gegeben worden. Insbesondere sei ihr der Umstand vorgehalten worden, dass sich die Situation in Somalia nun gänzlich zweigeteilt darstelle: So gelte der Norden des Landes insbesondere die Provinz Somaliland sowie Punt-Land als befriedet und würden in Punt-Land eine überwiegende Anzahl von Angehörigen des Darodstammes leben. Des Weiteren sei der Beschwerdeführerin die voranschreitende Normalisierung in den Nordprovinzen Somalias vorgehalten bzw. ihr auch begründet dargelegt worden, dass ihr jedenfalls in der Nordhälfte Somalias - und insbesondere in Punt-Land - keine Verfolgung (weder von Seiten staatsähnlich regierender Autoritäten noch von Seiten Privater) drohen würde. Ihr sei in diesem Rechtsgespräch überdies die aktuelle politische und menschenrechtliche Situation in Somalia zur Kenntnis gebracht worden und sie sei u.a. ausdrücklich darauf hingewiesen worden, dass sich seit dem Zeitpunkt ihres Verlassens Somalias in der Nordhälfte des Landes ein staatsähnliches Gebilde Somaliland sowie eine staatsähnlich regierend eingerichtete Region Punt-Land etabliert hätten.
Die belangte Behörde gelangte zur Feststellung, die Beschwerdeführerin sei somalische Staatsangehörige und Mitglied des Volkes der Darod, in concreto Angehörige des Clans der Marehaan. Im Gefolge der Bürgerkriegssituation sei ihr Ehegatte getötet worden. Sie selbst sei in der Stadt ihres gewöhnlichen Aufenthaltes, Mogadishu, von zwei unbekannten Männern mehrfach vergewaltigt worden. Auf Grund dieser Ereignisse habe sie ihren Heimatstaat verlassen.
Zur Situation in Somalia werde nachstehendes festgestellt:
"Seit dem Jahr 1991 herrschte in weiten Teilen Somalias Bürgerkrieg und führten die Kämpfe zwischen den verfeindeten Clans bzw. Volksgruppen um die zu besetzende Präsidentschaft zu dem bis heute andauernden völligen Zusammenbruch einer zentralstaatlichen Ordnung in Somalia. Am 17.5.1991 wurde in Nordwestsomalia (dem früheren britischen Protektorat Somaliland) die - international nicht anerkannte - Republik Somaliland ausgerufen. Anfang 1993 begannen Stabilisierung und Wiederaufbau in Nordwestsomalia, die sich seither kontinuierlich fortsetzen. Heute besitzt die Republik Somaliland alle äußeren Attribute eines Staatswesens, nämlich eine in weiten Teilen bestehende Staatsgewalt mit zentraler Regierung sowie Verwaltung, Rechtsprechung und Polizei auf örtlicher Ebene, einem Staatsgebiet und einem Staatsvolk, das sich mehrheitlich mit dem Staat zu identifizieren scheint.
In Nordostsomalia hat die dort herrschende Somali Salvation Democratic Front (SSDF) zunächst auf regionaler Ebene mit der Errichtung von Verwaltungsstrukturen begonnen. Im August 1998 wurde in Nordostsomalia der Regionalstaat Punt-Land ausgerufen, der sich als Kern eines künftigen föderal organisierten Somalia begreift. Die SSDF wurde in eine Art staatliche Polizei umbenannt, die im wesentlichen das Gewaltmonopol in Punt-Land ausübt. Der Aufbau von Regierung, Verwaltung, Parlament und unabhängiger Justiz befindet sich noch auf einer bescheidenen Stufe. Nordostsomalia wird überwiegend von Angehörigen des Darod-Clans bewohnt. Dazu zählen zahlreiche Darod-Flüchtlinge aus anderen Teilen Somalias. Aber auch Angehörige anderer Clans sowie Stämme, in erster Linie Flüchtlinge, leben in Nordostsomalia unbehelligt.
De facto ist der frühere Staat Somalia zweigeteilt, in eine weitgehende befriedete Nordhälfte sowie den sich noch im Chaos bzw. Bürgerkrieg befindlichen Südteil.
Die Regierung der Republik Somaliland stützt sich auf die erfolgreiche Aussöhnung zwischen Subclans des herrschenden Isaq-Clans sowie zwischen Isaq und der Minderheit der Dir im Westen des Landes. Die Darod-Subclans lehnen die Autorität der Regierung weitgehend ab und haben sich zum Teil der Punt-Land Verwaltung in Nordostsomalia angeschlossen. Die Republik Somaliland versucht sich in friedlicher Koexistenz mit dem benachbarten Punt-Land und deren Verwaltung. Die Regierung Somalilands versucht insbesondere die Darod durch die Gewährung von politischen Vorteilen für den somaliländischen Staatsverband zu gewinnen und so wurden Darod überproportional mit Ämtern und Parlamentssitzen bedacht. Benachteiligende Maßnahmen bestimmter Volksgruppen, so insbesondere der Darod, sind in Somaliland nicht feststellbar. Eine Unterdrückung von Darod oder anderer Einwohner dieser Region nur aufgrund ihrer Clanzugehörigkeit findet in Somaliland sohin nicht statt. Im gesamten Norden Somalias herrscht für alle Einwohner de facto Bewegungsfreiheit. Nach Somaliland und Nordostsomalia ist eine Rückkehr grundsätzlich daher möglich."
Die oben festgestellte Situation in Nordsomalia gründe sich auf eine Bewertung der Situation internationaler Beobachtungen in einem Zeitraum von über einem Jahr.
In rechtlicher Würdigung des Sachverhaltes gemäß § 7 AsylG führte die belangte Behörde aus, dass eine in der Heimat des Asylwerbers herrschende Bürgerkriegssituation eine aus asylrechtlich relevanten Gründen drohende Verfolgung nicht generell ausschließe. Doch sei allein im Umstand, dass dort Bürgerkrieg herrsche, nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes noch keine Verfolgung im Sinn des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention gelegen. Der Asylwerber müsse in diesem Zusammenhang vielmehr behaupten und glaubhaft machen, dass die Ereignisse als eine individuell gegen seine Person gerichtete Verfolgung zu werten seien und nicht mehr oder weniger zufällige Folge der allgemeinen Bürgerkriegshandlungen. Eine im Heimatland des Antragstellers herrschende Bürgerkriegssituation indiziere per se nicht die Flüchtlingseigenschaft. Das Asylrecht habe nicht zur Aufgabe, vor den allgemeinen Unglücksfolgen zu bewahren, die aus Krieg, Bürgerkrieg, Revolution oder sonstigen Unruhen hervorgingen. Die von der Beschwerdeführerin relevierten Ereignisse seien als geradezu typische Konsequenzen eines herrschenden Bürgerkriegs zu bewerten. Diesen Umständen könne kein konkreter Hinweis auf eine gerade auf die Person der Beschwerdeführerin zielgerichtete massive Verfolgung aus einem vom Schutzzweck der Genfer Flüchtlingskonvention umfassten Grunde erkannt werden.
Die Beschwerdeführerin habe dargelegt, durch ihre Clan-Zugehörigkeit einem erhöhten Grad der Exponiertheit ausgesetzt gewesen zu sein. Grundlegende politische Veränderungen sowie Veränderungen der allgemeinen Menschenrechtssituation in einem Staat begründeten grundsätzlich die Annahme, dass der Anlass für die Furcht vor Verfolgung nicht (mehr) bestehe. Im gegenständlichen Fall habe die belangte Behörde die Entwicklung in Nordsomalia beobachtet. Auf Grund der geschilderten Entwicklung in Nordsomalia könne davon ausgegangen werden, dass die in Rede stehenden Veränderungen der Umstände nicht bloß eine möglicher Weise, vorübergehend geänderte Situation darstellten, sondern vielmehr davon, dass die Verhältnisse in der Nordhälfte Somalias - durch das Entstehen zumindest eines staatsähnlichen Gebildes - ein solches Maß an positiver Grundvoraussetzung bzw. Rechtsstaatlichkeit erreicht hätten, dass die Beschwerdeführerin auf Grund dieses Umstandes jedenfalls eine asylrelevante Verletzung ihrer Rechte nicht (mehr) zu befürchten habe. Die Beschwerdeführerin habe sich auch im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor der belangten Behörde nicht in der Lage gesehen, das Beweisergebnis bzw. die Einschätzung der Situation in Nordsomalia durch qualifizierte bzw. substantiierte Kenntnisse aus gleichzuhaltenden Quellen ernsthaft in Zweifel zu ziehen. Letztlich habe die Beschwerdeführerin im Rahmen des Rechtsgespräches vor der belangten Behörde nicht nachvollziehbar darzutun vermocht, dass ihr bei einer Rückkehr in den befriedeten Teil Somalias gänzlich jegliche Lebensgrundlage entzogen wäre. Auf Grund der dargestellten, als positiv zu bezeichnenden Entwicklung in der Nordhälfte Somalias und der Befriedung dieses Landstriches sowie der Einrichtung zumindest quasi-staatlich regierender Autoritäten könne nunmehr tatsächlich davon ausgegangen werden, dass die Beschwerdeführerin jedenfalls nicht planmäßig gegen ihre Person gerichtete Verfolgung von erheblicher Eingriffsintensität zu befürchten habe. Umstände, dass die Vertreter staatlicher bzw. quasi-staatlich regierender Autoritäten und auch private Personen oder Personengruppen ein individuell gegen die Person der Beschwerdeführerin gerichtetes Interesse an einer Verfolgung aus einem der in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründe pro futuro hätten, hätten nicht festgestellt werden können.
Über die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:
Die Beschwerdeführerin sieht eine Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften darin, die belangte Behörde hätte auf Grund ihres Vorbringens festzustellen gehabt, dass die Beschwerdeführerin auf Grund ihrer Clan-Zugehörigkeit, sohin auf Grund ihrer Rasse und Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe, vergewaltigt worden sei. Die belangte Behörde hätte weiters festzustellen gehabt, dass ihre Familie auf Grund der Zugehörigkeit zum Clan der Marehaan einer Verfolgung ausgesetzt gewesen sei. Zusammenfassend hätte eine auf die Person der Beschwerdeführerin zielgerichtete massive Verfolgung festgestellt werden müssen. Weiters habe die Beschwerdeführerin in ihrer Stellungnahme darauf hingewiesen, dass auf Grund der Bürgerkriegslage sowie auch auf Grund der humanitären, menschenrechtlich und politischen Lage im gegenständlichen Fall die innerstaatliche Schutzalternative nicht gegeben sei. Auf Grund der Unsicherheit in Somalia sei weder der Zugang zu sozialen Einrichtungen noch zu medizinischer Versorgung gegeben, der Lebensunterhalt der Beschwerdeführerin und ihrer fünf Kinder gefährdet und eine Rückkehr sowohl unzumutbar als auch rechtlich und faktisch unmöglich.
Damit zeigt die Beschwerde eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf:
Gemäß § 7 des Asylgesetzes 1997, BGBl. I Nr. 76 (AsylG), hat die Behörde Asylwerbern auf Antrag mit Bescheid Asyl zu gewähren, wenn glaubhaft ist, dass ihnen im Herkunftsstaat Verfolgung (Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention) droht und keiner der in Art. 1 Abschnitt C oder F der Genfer Flüchtlingskonvention (FlKonv) genannten Endigungs- oder Ausschlussgründe vorliegt.
Nach Art. 1 Abschnitt A Z 2 FlKonv ist Flüchtling, wer sich aus wohl begründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.
Zutreffend verweist die Beschwerdeführerin darauf, dass sie im Zuge ihrer Einvernahmen (sowohl vor der Erst- als auch vor der belangten Behörde) über ihre Vergewaltigung angegeben hatte, von den bewaffneten Männern vorerst über ihre Clan-Zugehörigkeit befragt worden zu sein und sodann abgeführt und vergewaltigt worden zu sein. Demgegenüber beschränkte sich die belangte Behörde (beginnend auf Seite 3 des angefochtenen Bescheides, letzter Absatz) auf die Feststellung, die Beschwerdeführerin sei in der Stadt ihres gewöhnlichen Aufenthaltes von zwei unbekannten Männern mehrfach vergewaltigt worden, ohne zu begründen, weshalb sie von dem von der Beschwerdeführerin bezeugten Zusammenhang zwischen ihrer Clan-Zugehörigkeit und der Vergewaltigung offenbar absah.
Nach dem gemäß § 67 AVG auch von der Berufungsbehörde anzuwendenden § 60 leg. cit. sind in der Begründung des Berufungsbescheides die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen. Demnach muss in der Bescheidbegründung in einer eindeutigen, die Rechtsverfolgung durch die Partei ermöglichenden und einer nachprüfenden Kontrolle durch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts zugänglichen Weise dargetan werden, welcher Sachverhalt der Entscheidung zu Grunde gelegt wurde, aus welchen Erwägungen die Behörde zu der Ansicht gelangte, dass gerade dieser Sachverhalt vorliege, und aus welchen Gründen sie die Subsumtion dieses Sachverhaltes unter einen bestimmten Tatbestand als zutreffend erachtete (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 26. Juli 2001, Zl. 2001/20/0064).
Den genannten verfahrensrechtlichen Anforderungen an eine nachvollziehbare Begründung, weshalb die belangte Behörde den Angaben der Beschwerdeführerin nur zum Teil folgte, wird der angefochtene Bescheid jedoch nicht gerecht. Den von der Beschwerdeführerin vermissten, von der belangten Behörde ohne nähere Begründung unterlassenen Feststellungen über die Gründe ihrer Vergewaltigung kommt insofern Relevanz zu, als in einer Vergewaltigung der Beschwerdeführerin wegen ihrer Zugehörigkeit zu einem Clan durch Angehörige eines anderen Clans eine Verfolgung aus Konventionsgründen liegen würde. Unbestritten ist die mangelnde Fähigkeit staatlicher Autoritäten vor Übergriffen von Clanangehörigen in Mogadishu zu schützen.
Jedoch erachtet die belangte Behörde die Asylgewährung (auch) durch eine "Fluchtalternative" in Bezug auf die Nordhälfte Somalias - gegründet auf ihre Feststellungen über die Verhältnisse in Somaliland in Nordwestsomalia und in Punt-Land in Nordostsomalia - als ausgeschlossen. Diesbezüglich entbehrt der angefochtene Bescheid jedoch gleichfalls einer Begründung, die den eingangs genannten Anforderungen gerecht wird. Schon angesichts der Äußerung der Beschwerdeführerin in der mündlichen Berufungsverhandlung, jedenfalls aber im Hinblick auf ihre ausführliche Stellungnahme betreffend die "innerstaatliche Schutzalternative" hätte die belangte Behörde im Hinblick auf das einer solchen Alternative u.a. innewohnende Zumutbarkeitskalkül nähere Feststellungen über die zu erwartende konkrete Lage der Beschwerdeführerin in den in Frage kommenden Gebieten treffen müssen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 8. September 1999, Zl. 98/01/0614, mwN). In diesem Zusammenhang sei festgehalten, dass etwa der von der belangten Behörde als Beweismittel herangezogene Bericht des Auswärtigen Amtes Berlin vom 3. Februar 2000 über die asyl- und abschiebungsrechtliche Lage in Somalia betreffend "hypothetische Ausweichmöglichkeiten" ausführt, es sei häufig schwierig oder unmöglich, sichere Zufluchtsgebiete tatsächlich zu erreichen. Während im gesamten Norden des Landes Bewegungsfreiheit für alle Clanangehörigen herrsche, verhinderten Kampfhandlungen, Willkürmaßnahmen unterschiedlicher Milizen und Verfolgungsmaßnahmen gegenüber Angehörigen anderer Clans in den meisten Fällen Reisen durch die zentralen und südlichen Landesteile Somalias. Betreffend die Frage der Rückkehr führt der Bericht aus, dass eine Rückkehr nach Somaliland und Nordostsomalia grundsätzlich möglich sei, allerdings werde erwartet, dass Rückkehrer eine individuelle Wiedereingliederungshilfe in Form eines Geldbetrages mitbrächten. Wegen der allgemein schwierigen Wirtschafts- und Sicherheitslage seien jedoch die Überlebensmöglichkeiten von Personen in Frage gestellt, die nicht über familiäre Bindungen verfügten und in diesem Rahmen unterstützt werden könnten. Gelegentlich kehrten Menschen auch freiwillig in das Zentrum und den Süden des Landes zurück. Vor allem entlang den Flüssen Shabeelle und Jubba seien jedoch infolge der anhaltenden Gewalt und Unsicherheit sowie allgemeiner Nahrungsmittelknappheit die Überlegensmöglichkeiten sehr begrenzt (vgl. den zitierten Bericht des Auswärtigen Amtes, Seite 7f).
Die von der belangten Behörde gebrauchte Wendung, nach Somaliland und Nordostsomalia sei eine Rückkehr "grundsätzlich daher möglich", nimmt nicht auf die individuelle, von der Beschwerdeführerin geltend gemachte Situation Bedacht und entzieht sich schon deshalb einer nachvollziehbaren Überprüfung durch den Verwaltungsgerichtshof. Auf rechtliche Einzelfragen im Zusammenhang mit den Voraussetzungen für die Annahme einer innerstaatlichen Schutzalternative (vgl. dazu das UNHCR-Arbeitspapier von Hathaway/Foster, Internal Protection/Relocation/Flight Alternative as an Aspect of Refugee Status Determination (2001)) braucht unter diesen Umständen nicht eingegangen zu werden.
Nach dem Gesagten war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2001.
Wien, am 11. Juni 2002
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