VwGH 2000/01/0214

VwGH2000/01/021421.8.2001

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kremla und die Hofräte Dr. Nowakowski, Dr. Pelant, Dr. Mairinger und Dr. Köller als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hackl, über die Beschwerde des HS in L, geboren am 30. Jänner 1974, vertreten durch Dr. Georg Bruckmüller, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Mozartstraße 56, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 17. Februar 2000, Zl. 213.842/0- XII/36/99, betreffend §§ 6 und 8 Asylgesetz 1997 (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:

Normen

AsylG 1997 §32;
AsylG 1997 §6 Z3;
AsylG 1997 §6;
AsylG 1997 §32;
AsylG 1997 §6 Z3;
AsylG 1997 §6;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein Staatsbürger von Algerien, beantragte am 1. September 1999 die Gewährung von Asyl. Vor dem Bundesasylamt gab er hiezu gemäß der im Akt erliegenden Niederschrift Folgendes an:

"Ich habe meine Heimatstadt Algier am 4.11.1996 verlassen,

wobei ich im Besitze eines gültigen algerischen Reisepasses,

versehen mit ungar. Sichtvermerk war. ... In Ungarn hielt ich mich

dann zwei Tage auf und ich fand einen Marokkaner, der für S 6.000,-

- bereit war, mich illegal nach Österreich zu verbringen. ... Das

war am 7.11.1996.

F. Sie stellten unter falschem Namen einen Asylantrag und zogen diesen wiederum zurück. Ist dies richtig?

A. Auf Anraten des Marokkaners gab ich einen falschen Namen an. Aus Angst inhaftiert zu werden, zog ich den Antrag zurück.

...

F. Weshalb wurden Sie verurteilt?

A. Ich wurde wegen Verkaufes von 2 Gramm Haschisch verurteilt. Ich wurde zu einem Monat und einer Woche Gefängnisstrafe verurteilt. Dies war im Februar 1998. Ich wurde im Februar arrestiert. Ende März war die Gerichtsverhandlung und am 1. April wurde ich entlassen.

...

A. Im Juli 1996 zeigte ich einen Mann bei der Polizei an, welcher mit den Terroristen zusammengearbeitet hat. Es gibt ein Gesetz in Algerien, wenn man einen Terroristen nicht anzeigt, so wird man bis zu 5 Jahren Gefängnisstrafe verurteilt. Er wurde verhaftet und er hat gestanden, mit den Terroristen zusammengearbeitet zu haben. Seine terroristische Gruppe hat die Ermordung meines Vaters und eines Musikers geplant zu haben. Man wollte ihn töten, da mein Vater der FLN angehört. Die Terroristen wollten die Angehörigen der FLN töten, da dies die Partei ist, die die meisten Widerstandskämpfer gegen die Franzosen als Mitglieder hat. 2 Wochen später kamen 5 Terroristen zu uns nach Hause und läuteten an der Tür. Mein Vater hat diese als Terroristen erkannt und öffnete die Tür nicht. Mein Vater fragte diese, was sie wollen und die sagten, sie würden ein Gewehr und einen Feldstecher wollen. Er sagte, er würde über die Gegenstände nicht verfügen. Mein Vater verständigte die Polizei und sagte zu den Terroristen, dass diese gehen sollten, da er die Polizei verständigt hätte. Diese sagten zu ihm, dass diese schwören würden, dass er und sein Sohn AH (Anm.: Vorname des Beschwerdeführers) töten würden. Dann verschwanden diese. Die Polizei kam eine Stunde später. Ich korrigiere, die Armee. 3 - 4 Tage später flüchteten mein Vater und ich nach Been Aknun, also in einen anderen Bezirk und versteckten uns bei meiner verheirateten Schwester. Mein Schwager hat die Sorge um die Familie bekundet, da wir bei ihm waren und er meinte, dass mein Vater bei ihm bleiben könne, ich jedoch gehen solle. Nach langer Überlegung beschloss ich, nach Europa zu flüchten. Als ich nach Österreich kam, setzte ich mich mit meiner Familie in Verbindung und erfuhr, dass nach 4 Monaten mein Vater nach Hause zurückkehrte. Er bekam von der Regierung Waffen für die Selbstverteidigung. 2 mal wurde die Ortschaft überfallen, wobei das erste Mal ca. 200 Personen getötet wurden. Einer meiner Brüder erlitt einen Beinschuss, ansonsten wurde niemand verletzt. Allerdings ist das Gewehr meines Vaters ein Gewehr, das für Selbstverteidigung eher ungeeignet ist. Daher sind die Selbstverteidigungsmaßnahmen nicht ausreichend. Ich bot meinem Vater an, ihm zu helfen, er meinte, die Kinder dürften nicht um ihn versammelt sein, da im Falle eines Angriffes durch die Terroristen alle sterben müssten.

Das sind meine Probleme, andere habe ich nicht. Ich kenne den Mann, den ich anzeigte, namentlich.

F. Sie sagten doch, ihr Vater hat den Mann angezeigt.

A. Die Terroristen kamen, nachdem ich den Mann anzeigte.

F. Weshalb haben Sie diesen angezeigt.

A. Ich sah, dass dieser viel Brot kaufte und verschwand, und somit die Terroristen versorgt hat. Außerdem befürchtete ich, dass dieser Details unserer Ortschaft an die Terroristen weitergibt, damit diese bei einem Überfall Ortskenntnisse haben. Die Leute, welche die Terroristen informieren, sind gefährlicher als die Terroristen. Ich will sagen, dass der Staat der Bevölkerung nicht hilft, da diese selbst Angst haben. Stirbt ein Polizist, so bekommen die Angehörigen kein Geld. Diese schützen uns nicht gut.

F. Eine Rückkehrgefährdung liegt in Ihrem Falle nicht vor, da Sie selbst angeboten haben, Ihrem Vater behilflich zu sein, ist dies richtig?

A. Meine Familie hat Waffen und würde meine Familie sterben, so muss jemand am Leben bleiben, um für die Mutter und Schwester zu sorgen. Dies ist die Idee meines Vaters, warum ich nicht zurückkehren soll. Ich bin auch nicht geeignet, eine Waffe zu tragen, denn bei der Musterung entdeckten die Ärzte bei der Untersuchung, dass ich am linken Ohr nichts höre.

...

Nach Rückübersetzung gebe ich an, dass der Überfall, wobei 200 Personen getötet wurden, sich in einem Nebenbezirk n. Ben Talha ereignet hat. Das Angebot an meinen Vater war nicht ernst gemeint. Ich wollte zeigen, dass ich moralisch verpflichtet bin. Ich wusste, dass er die Hilfe nicht annehmen wird. ...

Sie befinden sich seit 1996 in Österreich. Die von Ihnen nunmehr erwähnten Schwierigkeiten haben sich allesamt vor der damaligen Einreise abgespielt. Warum haben Sie nicht bereits damals oder im Laufe der Zeit einen Asylantrag gestellt? A. Ich ging vor 4 Monaten zu einem Anwalt namens Dr. B und er sagte, ich hätte eine Chance, um Asyl anzusuchen. Hätte ich dies früher gewusst, hätte ich bereits vorher einen Antrag gestellt."

Mit Bescheid vom 4. November 1999 wies das Bundesasylamt den Asylantrag des Beschwerdeführers gemäß § 6 Z 3 AsylG als offensichtlich unbegründet ab und sprach aus, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Algerien gemäß § 8 AsylG zulässig sei. Dabei ging es davon aus, dass dessen Identität nicht einwandfrei festgestellt werden könne; fest stehe hingegen, dass er Ende 1996 illegal nach Österreich eingereist sei. Dass der Beschwerdeführer algerischer Staatsangehöriger sei, sei "dem zu entnehmen, da Sie bezüglich der dortigen Örtlichkeiten bzw. die dortige Situation ganz gut auskennen und diesbezüglich auch Angaben tätigen können, die durchaus der dortigen Allgemeinsituation entsprechen könnten. Ansonsten jedoch sind Ihre individuellen, Sie betreffenden Aussagen seitens der ho. Behörde als unglaubwürdig einzustufen". "Alles in allem" gehe das Bundesasylamt - nach Darstellung seiner Erwägungen im Einzelnen - davon aus, dass die Angaben des Beschwerdeführers lediglich der Asylerlangung bzw. der Legalisierung seines Aufenthaltes dienen sollten, jedoch keinesfalls der Wahrheit entsprächen. Seine Aussage sei als "gänzlich" unglaubwürdig einzustufen, sein Asylantrag entbehre eindeutig jeder Grundlage und sei daher als offensichtlich unbegründet abzuweisen.

Die gegen diesen Bescheid erhobene Berufung wies der unabhängige Bundesasylsenat (die belangte Behörde) mit Bescheid vom 17. Februar 2000 gemäß § 6 Z 1 und 3 AsylG ab; gemäß § 8 AsylG iVm § 57 Fremdengesetz 1997 wurde weiter festgestellt, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Algerien zulässig sei.

Es sei unstrittig, dass der am 7. November 1996 in das Bundesgebiet eingereiste Beschwerdeführer nach dem Aufgriff durch Grenzschutzorgane unter falschem Namen einen ersten Asylantrag gestellt habe. Im Zuge der Einvernahme vor dem Bundesasylamt am 18. November 1996 habe er seine Angaben widerrufen und seine Personalangaben richtig gestellt; gleichzeitig habe er den ersten Asylantrag zurückgezogen und erklärt, dass er nach Algerien zurückzukehren beabsichtige, weil er dort keiner wie immer gearteten Verfolgung ausgesetzt sei. In der Folge sei der Beschwerdeführer unsteten Aufenthalts gewesen und im Februar 1998 wegen Suchtgifthandels zu einer Freiheitsstrafe verurteilt worden.

Auf Grund von in der Berufungsverhandlung vorgelegten Geburtsurkunden stehe nunmehr fest - so die belangte Behörde weiter -, dass der Beschwerdeführer den Namen A. H. S. führe und am 30. Jänner 1974 in El Harrach geboren worden sei. Die Angaben zu seinen Fluchtgründen, insbesondere wonach er wegen der Anzeige eines Terroristen bei der algerischen Polizei Verfolgung durch fundamentalistische Terroristen zu befürchten und vom algerischen Staat keinen hinreichenden Schutz zu erwarten habe, würden der Entscheidung mangels Glaubwürdigkeit (jedoch) nicht zugrunde gelegt. Bereits der Umstand, dass sich der Beschwerdeführer bei Einbringung seines ersten Asylantrages einer falschen Identität bedient habe, sei als Hinweis darauf zu werten, dass auch sein Vorbringen der Fluchtgründe nicht den Tatsachen entspreche. Außerdem sei er weder vor dem Bundesasylamt noch in der Berufung oder in der mündlichen Berufungsverhandlung in der Lage gewesen, eine übereinstimmende und schlüssige Begründung dafür anzuführen, weshalb er seinen ersten Asylantrag zurückgezogen und erst mehr als zweieinhalb Jahre später einen neuerlichen Asylantrag gestellt habe; während der Beschwerdeführer vor dem Bundesasylamt und in der Berufung im Wesentlichen auf Angst vor der Schubhaft verwiesen habe, habe er in der mündlichen Berufungsverhandlung angegeben, ihm sei von libanesischen Freunden zur Antragsrückziehung geraten worden; er habe die Gesetze in Österreich nicht gut gekannt und die Libanesen hätten ihm Angst gemacht, er würde allenfalls kein Asyl bekommen. Diese widersprüchlichen und wenig plausiblen Angaben ließen jedenfalls keinen schlüssigen Grund dafür erkennen, was den Beschwerdeführer zur Rückziehung seines ersten Asylantrages und zur Einbringung eines neuerlichen Antrages nach mehr als zweieinhalb Jahren bewogen haben könnte; mangels anderweitiger schlüssiger Erklärung habe die belangte Behörde daher die Überzeugung gewonnen, dass der neuerliche Asylantrag im Zusammenhang mit der gerichtlichen Verurteilung des Beschwerdeführers wegen Suchtgifthandels und zur Verhinderung der Setzung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen eingebracht worden sei. Schließlich stelle sich das Vorbringen des Beschwerdeführers zu seinen Fluchtgründen als teilweise widersprüchlich bzw. unklar dar und sei bereits aus diesem Grund als unglaubwürdig zu qualifizieren. So habe der Beschwerdeführer in der mündlichen Berufungsverhandlung zunächst ausgeführt, im Juli 1996 mit dem Umbringen bedroht worden zu sein, weil er den Namen eines Terroristen verraten habe. In der Folge habe er angegeben, nicht unmittelbar von Terroristen bedroht worden zu sein; sollte ihn aber ein Terrorist auf der Straße antreffen, würde die Anzeige natürlich schon Konsequenzen haben. Später habe der Beschwerdeführer wiederum angegeben, dass die Terroristen das Haus aufgesucht hätten und eine Stunde später die Polizei eingetroffen sei. Diese widersprüchlichen Angaben, mit denen sich der Beschwerdeführer einerseits darauf stütze, dass er von Terroristen bedroht worden sei, andererseits aber angebe, keine unmittelbare Bedrohung erlitten zu haben, seien nicht geeignet, eine konkrete Bedrohung glaubhaft zu machen. Trotz mehrfacher Nachfrage sei der Beschwerdeführer nicht in der Lage gewesen, die von ihm behaupteten Ereignisse widerspruchsfrei und in einer klaren zeitlichen Reihenfolge zu schildern, weshalb davon auszugehen sei, dass er die von ihm behaupteten Ereignisse tatsächlich nicht erlebt habe.

Betreffend die allgemeine Situation in Algerien werde festgestellt, dass in den großen Städten (u.a. Algier) der Terrorismus praktisch nicht mehr existent sei. Das Leben in den genannten Städten habe sich normalisiert, intensive Operationen der Sicherheitskräfte gegen die islamischen Terroristen und Zerwürfnisse zwischen den verschiedenen islamistischen Gruppen führten dazu, dass die Kämpfer vielfach nicht mehr aktiv werden würden. Obwohl die Schlagkraft der bewaffneten Islamistengruppen stark zurückgegangen sei, seien diese jedoch noch nicht ausgerottet; in bestimmten Orten sei es weiterhin zu vereinzelten Attentaten gekommen, in der Stadt Algier werde der Terrorismus teilweise durch Banditentum abgelöst.

In rechtlicher Hinsicht gelangte die belangte Behörde zu dem Ergebnis, dass im gegenständlichen Fall die Voraussetzungen des § 6 Z 3 AsylG gegeben seien. Wenn ein Asylwerber - zunächst unter Angabe einer falschen Identität - einen ersten Asylantrag stelle, diesen wegen fehlender Verfolgungsgefahr zurückziehe, nach zweieinhalb Jahren einen neuerlichen Asylantrag stelle und darüber hinaus seine Fluchtgründe nicht schlüssig und widerspruchsfrei darlegen könne, so liege offenbar eine Täuschung der Asylbehörde bzw. ein Missbrauch des Asylverfahrens vor. Im Übrigen würde selbst unter hypothetischer Zugrundelegung des vom Beschwerdeführer erstatteten Vorbringens keine "begründete Furcht vor Verfolgung" im Sinn von Art. 1 Abschnitt A Z 2 der FlKonv vorliegen, weshalb auch § 6 Z 1 AsylG erfüllt sei. Bei der vom Beschwerdeführer behaupteten Verfolgung durch islamische Terroristen handle es sich nämlich um eine von Privatpersonen ausgehende Verfolgung. Eine derartige Verfolgung sei nur dann asylrelevant, wenn der betreffende Staat nicht in der Lage oder nicht gewillt sei, diese Verfolgung hintanzuhalten. In Algerien bestünden indes legistische Vorkehrungen zur Bekämpfung des Terrorismus und gingen Sondereinheiten und Polizeikräfte massiv gegen Angehörige terroristischer und krimineller Organisationen vor. Angesichts dessen könne nicht davon ausgegangen werden, dass der Staat nicht schutzfähig wäre. Zusammenfassend ergebe sich somit, dass selbst unter hypothetischer Zugrundelegung des zu den Fluchtgründen erstatteten Vorbringens eine nicht asylrelevante, weder vom algerischen Staat ausgehende noch von diesem gebilligte Bedrohung des Beschwerdeführers vorliegen würde. Dazu komme noch, dass der Terrorismus in Algier, der Heimatstadt des Beschwerdeführers, praktisch nicht mehr existent sei, und es dem Beschwerdeführer demnach zumutbar wäre, sich wieder unter den Schutz seines Heimatstaates Algerien zu stellen (Art. 1 Abschnitt C Z 5 FlKonv). (Auf die Wiedergabe der weiteren Begründung der belangten Behörde für ihren Ausspruch nach § 8 AsylG wird hier verzichtet.)

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Nach § 6 AsylG sind Asylanträge als offensichtlich unbegründet abzuweisen, wenn sie eindeutig jeder Grundlage entbehren. Dies ist der Fall, wenn ohne sonstigen Hinweis auf Verfolgungsgefahr im Herkunftsstaat

1. sich dem Vorbringen der Asylwerber offensichtlich nicht die Behauptung entnehmen lässt, dass ihnen im Herkunftsstaat Verfolgung droht oder

2. die behauptete Verfolgungsgefahr im Herkunftsstaat nach dem Vorbringen der Asylwerber offensichtlich nicht auf die in Art. 1 Abschnitt A Z 2 FlKonv genannten Gründe zurückzuführen ist oder

3. das Vorbringen der Asylwerber zu einer Bedrohungssituation offensichtlich den Tatsachen nicht entspricht oder

4. die Asylwerber an der Feststellung des maßgebenden Sachverhalts trotz Aufforderung nicht mitwirken oder

5. im Herkunftsstaat auf Grund der allgemeinen politischen Verhältnisse, der Rechtslage und der Rechtsanwendung in der Regel keine begründete Gefahr einer Verfolgung aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 FlKonv genannten Gründen besteht.

In den Erläuterungen zur Regierungsvorlage wurde zu dieser Bestimmung ausgeführt, ein Asylantrag solle "nur dann als offensichtlich unbegründet abgewiesen werden, wenn eine Verfolgungsgefahr mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit (eindeutig) ausgeschlossen werden kann". Die Regelung orientiere sich an der Entschließung der für Einwanderung zuständigen Minister der Europäischen Gemeinschaften über offensichtlich unbegründete Asylanträge vom 30. November und 1. Dezember 1992, wonach ein Asylantrag als offensichtlich unbegründet gelte, wenn eindeutig keines der wesentlichen Kriterien der FlKonv erfüllt sei; dies sei nach dieser Entschließung der Fall, wenn die Behauptung des Asylwerbers, in seinem Heimatland Verfolgung befürchten zu müssen, eindeutig jeder Grundlage entbehre oder der Antrag zweifellos auf einer vorsätzlichen Täuschung beruhe oder einen Missbrauch des Asylverfahrens darstelle. In diesem Sinne sei auch im Beschluss Nr. 28 (XXXIII) des UNHCR-Exekutivkomitees (1982) ausgeführt worden, es sollten Überlegungen angestellt werden, um zu gewährleisten, dass derartige Entscheidungen nur getroffen würden, wenn der Antrag in betrügerischer Absicht gestellt worden sei oder sich nicht auf die in der FlKonv festgelegten Kriterien für die Anerkennung der Flüchtlingseigenschaft beziehe. In Bezug auf § 6 Z 4 AsylG wird in den Erläuterungen noch hervorgehoben, "vor dem Hintergrund von Sinn und Zweck dieser Bestimmung" sei sie nur dann heranzuziehen, wenn die Verweigerung der Mitwirkung den Schluss zulasse, dass der Asylantrag missbräuchlich gestellt worden sei (686 BlgNR 20. GP 19).

Im vorliegenden Fall hat das Bundesasylamt im Hinblick auf die "gänzlich" unglaubwürdige Aussage des Beschwerdeführers den Tatbestand des § 6 Z 3 AsylG als verwirklicht angesehen, die belangte Behörde hat überdies auch noch Z 1 der genannten Bestimmung als erfüllt erachtet. Was zunächst § 6 Z 3 leg. cit. anlangt, so wird die Offensichtlichkeit bzw. die geforderte Eindeutigkeit so verstanden, dass nur Fälle "qualifizierter Unglaubwürdigkeit" erfasst werden und eine "schlichte Unglaubwürdigkeit" des Asylwerbers nicht zur Anwendung dieses Tatbestandes führt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 7. September 2000, Zl. 99/01/0273). In diesem Sinn wurde vom Verwaltungsgerichtshof etwa ausgesprochen, dass eine geographische Kenntnislücke eines jugendlichen Asylwerbers (Unkenntnis darüber, in welcher Himmelsrichtung von seinem Wohnsitz in Freetown aus sich das Meer befinde) zwar eine unwahre Behauptung über seine Herkunft indiziere, angesichts seiner geringen Schulausbildung, seiner ansonsten getätigten Angaben über geographische Gegebenheiten in Freetown und über politische Zusammenhänge im Bürgerkrieg für sich allein jedoch nicht als ausreichend erscheine, um von einer "offensichtlich" unwahren Behauptung über seine Herkunft ausgehen zu können (vgl. das hg. Erkenntnis vom 8. Juni 2000, Zl. 99/20/0398). In einem anderen Fall (Erkenntnis vom 16. Februar 2000, Zl. 99/01/0392) wurde erkannt, dass (verbleibende) Widersprüchlichkeiten in den Angaben eines Asylwerbers - ungeachtet der Möglichkeit, dass der Asylantrag im Ergebnis unbegründet sein könnte - nicht die Annahme rechtfertigen, der Asylantrag entbehre "eindeutig jeder Grundlage". Umgekehrt hat es der Verwaltungsgerichtshof nicht beanstandet, etwa in einem Fall, in dem der Asylwerber eine nicht verifizierbare und von ihm nicht beherrschte Sprache als seine Stammessprache angab und in dem er behauptete, aus Juba zu stammen, wobei er auf die Frage, welche Gewässer es in Juba gebe, allerdings mit "Das Rote Meer" antwortete und wobei er über die Regenzeit im Südsudan nicht Bescheid wusste, weil er darüber "nicht unterrichtet" worden sei und weil er in der Kirche, in der er sich stets aufgehalten habe, nie aus dem Fenster gesehen habe, das Vorbringen als offensichtlich nicht den Tatsachen entsprechend zu beurteilen (Erkenntnis vom 6. März 2001, Zl. 2000/01/0232).

Gelangt die Asylbehörde am Boden ihrer Beweiswürdigung zu dem Ergebnis, dass das Vorbringen eines Asylwerbers als unglaubwürdig zu werten ist, so ist damit noch nichts darüber ausgesagt, ob es ein solches Maß an Unglaubwürdigkeit erreicht, dass der Tatbestand des § 6 Z 3 AsylG als erfüllt angesehen werden kann. Letzteres kann nur dann angenommen werden, wenn Umstände vorliegen, die besonders deutlich die Unrichtigkeit der erstatteten Angaben vor Augen führen. Es muss unmittelbar einsichtig ("eindeutig", "offensichtlich") sein, dass die abgegebene Schilderung tatsächlich wahrheitswidrig ist. Dieses Urteil muss sich quasi "aufdrängen", der (die) dazu führende(n) Gesichtspunkt(e) muss (müssen) klar auf der Hand liegen, sei es allenfalls auch deshalb, weil nach einem Ermittlungsverfahren "Hilfstatsachen" (zB. fehlende Kenntnis der behaupteten Stammessprache) substantiell unbestritten bleiben. Im Ergebnis setzt die im gegebenen Zusammenhang erforderliche "qualifizierte Unglaubwürdigkeit" somit voraus, dass es weder weitwendiger Überlegungen noch einer langen Argumentationskette bedarf, um zu erkennen, dass das Vorbringen eines Asylwerbers nicht den Tatsachen entspricht. Insoweit stellt die Regelung des Gesetzgebers, der (u.a.) für die Fälle offensichtlich unbegründeter Asylanträge ein abgekürztes Berufungsverfahren vorsieht (§ 32 AsylG), eine adäquate Reaktion dar, weil es dann bei der Entscheidung über die Asylgewährung typischerweise nur um die Klarstellung einfacher Fragen, nicht aber um diffizile Beweiswürdigungsprobleme gehen kann. Dem entspricht - bezogen auf die rechtliche Würdigung des Sachverhaltes - die hg. Rechtsprechung, wonach das Erfordernis einer Beurteilung komplexer asylrechtlicher Zusammenhänge die Abweisung eines Asylantrages als offensichtlich unbegründet ausschließt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 21. Oktober 1999, Zl. 98/20/0196).

Im vorliegenden Fall hat die belangte Behörde ihre Beurteilung, die Voraussetzungen des § 6 Z 3 AsylG seien gegeben, darauf gestützt, dass der Beschwerdeführer unmittelbar nach seiner Einreise nach Österreich unter falscher Identität einen ersten Asylantrag gestellt, diesen "wegen fehlender Verfolgungsgefahr" zurückgezogen und erst mehr als zweieinhalb Jahre später einen neuerlichen - den gegenständlichen - Asylantrag eingebracht habe, und dass er seine Fluchtgründe nicht schlüssig und widerspruchsfrei habe darlegen können.

Es ist zutreffend, dass die Verschleierung der Identität ein gewichtiges Indiz für die Unglaubwürdigkeit eines Asylwerbers darstellt. Sie mag auch verschiedentlich im Sinn des Vorgesagten eine auf der Hand liegende Beurteilung in diese Richtung (und daher die Anwendung des § 6 AsylG) erlauben, doch kommt es stets auf die konkreten Umstände des Einzelfalles an. Hier ist, wie die Beschwerde richtig aufzeigt, zu beachten, dass der Beschwerdeführer noch im Zuge der damaligen Einvernahme vor dem Bundesasylamt am 18. November 1996 seine Personalangaben richtig stellte, und dass er nunmehr sein Verhalten damit gerechtfertigt hat, dass er dem Ratschlag seines Schleppers gefolgt sei. Ein eindeutiger Rückschluss auf die Unwahrheit des jetzigen Vorbringens ist damit nicht möglich. Ähnlich stellt sich die Situation bezüglich jenes Arguments, der Beschwerdeführer habe am 18. November 1996 seine damaligen Angaben widerrufen, seinen ersten Asylantrag zurückgezogen und erklärt, dass er nach Algerien mangels einer wie immer gearteten Verfolgung zurückkehren wolle, dar. In diesem Zusammenhang hat der Beschwerdeführer im Verlauf des gegenständlichen Asylverfahrens vor dem Bundesasylamt - ohne dazu eingehender befragt zu werden - darauf hingewiesen, dass er den ersten Asylantrag aus Angst vor Inhaftierung zurückgezogen habe. In seiner Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid hat er massiven Druck der fremdenpolizeilichen Behörden und gleichfalls Angst vor Schubhaft geltend gemacht. Auch in der mündlichen Berufungsverhandlung vor der belangten Behörde ist ein Bezug zur Schubhaft hergestellt und ergänzend die Empfehlung libanesischer Freunde erwähnt worden.

("Als ich in Schubhaft genommen wurde, haben libanesische Freunde zu mir gesagt, dass ich den Antrag besser zurückziehen sollte. An diesem Tag, am 18.11.1996, haben die Libanesen ihre eigenen Reisepässe bekommen und deshalb wurden sie in den Libanon abgeschoben. Die Libanesen haben mir Angst gemacht, dass ich, falls ich hier bleiben würde, kein Asyl bekäme.")

Diese Begründungen sind einerseits entgegen der Darstellung der belangten Behörde nicht zwingend als widersprüchlich anzusehen, sondern können auch als jeweils unvollständige Darstellungen einer "Gesamtursache" betrachtet werden; andererseits sind sie jedenfalls nicht so abwegig, dass sie von vornherein als völlig konstruiert erscheinen müssten und dass ohne weiteres im Hinblick auf die Vorgangsweise des Beschwerdeführers in Bezug auf seinen ersten Asylantrag von der Unglaubwürdigkeit der nunmehrigen Angaben zu den Fluchtgründen auszugehen wäre. Gleiches gilt angesichts der vorgebrachten Erklärung, es sei ihm erst vor kurzem seitens eines Rechtsanwaltes mitgeteilt worden, dass die Chance auf Gewährung von Asyl bestehe, für den Umstand, dass der nunmehrige Asylantrag erst im September 1999 - nach der Verurteilung des Beschwerdeführers wegen eines Suchtgiftdeliktes - eingebracht worden ist. Soweit die belangte Behörde schließlich damit argumentiert, dass das erstattete Vorbringen zu den Fluchtgründen teilweise widersprüchlich und unklar sei, ist ihr jedenfalls - ohne auf die von ihr aufgezeigten Punkte im Einzelnen einzugehen - entgegenzuhalten, dass sich auf Einzelaspekte im Vorbringen gestützte Erwägungen regelmäßig für eine Beurteilung nach § 6 AsylG als nicht tragfähig erweisen. Im Übrigen kann angesichts der konkreten Darstellung des Beschwerdeführers - so werden Namen genannt (in der mündlichen Berufungsverhandlung) und ganz bestimmte Vorgänge geschildert - nicht gesagt werden, die Wiedergabe der Fluchtgründe sei aus sich heraus völlig haltlos. Bezeichnenderweise hat das Bundesasylamt in seinem erstinstanzlichen Bescheid - freilich ohne konkrete Zuordnung - ausgeführt, dass sich der Beschwerdeführer bezüglich Örtlichkeiten und Situation in Algerien "ganz gut" auskenne und dass seine diesbezüglichen Angaben "durchaus der dortigen Allgemeinsituation entsprechen könnten". Schon in Anbetracht dessen können auch die von der belangten Behörde aufgezeigten Umstände in ihrer Gesamtheit nicht zu dem Ergebnis führen, das Vorbringen des Beschwerdeführers entspreche in der von § 6 Z 3 AsylG geforderten Offensichtlichkeit nicht den Tatsachen.

Den ergänzend herangezogenen Tatbestand des § 6 Z 1 AsylG erachtete die belangte Behörde deshalb als gegeben, weil - den getroffenen Feststellungen zu Algerien zufolge - keine "begründete Furcht vor Verfolgung" vorliege. Diese Überlegung ist freilich schon deshalb verfehlt, weil der genannte Tatbestand ausschließlich auf das Vorbringen der Asylwerber abstellt und insofern für eine Beurteilung auf Basis ergänzender oder gar gegenteiliger Feststellungen keinen Raum bietet. Davon abgesehen hat der Verwaltungsgerichtshof schon mehrfach ausgesprochen, dass das Argument, die Verfolgung gehe von Privatpersonen aus, nicht geeignet ist, eine auf § 6 AsylG gestützte Entscheidung zu tragen (vgl. zuletzt das Erkenntnis vom 31. Mai 2001, Zl. 2000/20/0496).

Nach dem Gesagten ist der bekämpfte Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet. Er war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

Der Spruch über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Die Abweisung des Mehrbegehrens beruht darauf, dass das Gesetz neben dem Schriftsatzaufwand keinen gesonderten Ersatz für Barauslagen vorsieht.

Wien, am 21. August 2001

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