Normen
B-VG Art18
B-VG Art139 Abs1 Z1
Stmk AbfallwirtschaftsG 2004 §11, §13
AbfuhrO der Gemeinde Rohr bei Hartberg vom 12.11.2015 §15
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VFGH:2018:V96.2017
Spruch:
Der Antrag wird abgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe
I. Antrag
Mit dem vorliegenden, auf Art139 Abs1 Z1 B‑VG gestützten Antrag begehrt das Landesverwaltungsgericht Steiermark, §15 der Abfuhrordnung der Gemeinde Rohr bei Hartberg in der Fassung des Beschlusses des Gemeinderates vom 12. November 2015, kundgemacht durch Auflage im Gemeindeamt der Gemeinde Rohr bei Hartberg in der Zeit von 12. bis 27. November 2015, als gesetzwidrig aufzuheben.
II. Rechtslage
Die Rechtslage stellt sich wie folgt dar (die angefochtenen Bestimmungen sind hervorgehoben):
1. Die maßgeblichen Bestimmungen des Steiermärkischen Abfallwirtschaftsgesetzes 2004 (in der Folge: StAWG 2004), LGBL. 65, lauten:
"§11
Abfuhrordnung
Die Gemeinde hat auf der Grundlage des regionalen Abfallwirtschaftsplanes gemäß §15 über die Besorgung der öffentlichen Abfuhr eine Abfuhrordnung zu erlassen. Die Abfuhrordnung hat jedenfalls zu enthalten:
1. den Abfuhrbereich gemäß §7 Abs2 und die öffentlichen Sammelstellen gemäß §7 Abs3,
2. die Art und Häufigkeit der öffentlichen Abfuhr, bezogen auf alle Siedlungsabfälle,
3. die Art und Häufigkeit der Problemstoffsammlung nach den bundesrechtlichen Bestimmungen sowie die Zeiten der Benützbarkeit der sonstigen öffentlichen Sammelstellen (z. B. Altstoffsammelzentrum),
4. die Art der zu verwendenden Abfallsammelbehälter oder Abfallsammelsäcke unter Angabe der Grundsätze zur Bemessung der Größe und Anzahl,
5. die Art der Gebühren und Kostenersätze gemäß §13,
6. die Grundzüge der Gebührengestaltung, bezogen auf die einzelnen Abfallfraktionen sowie Dienstleistungen und
7. die in Übereinstimmung mit dem regionalen Abfallwirtschaftsplan in Anspruch genommenen Behandlungsanlagen zur Verwertung und Beseitigung der Siedlungsabfälle gemäß §4 Abs4.
[…]
§13
Gebühren und Kostenersätze
(1) Die Gemeinden werden ermächtigt, für die Benützung der Einrichtungen und Anlagen der Abfuhr und der Behandlung der Siedlungsabfälle Gebühren einzuheben, wobei sich diese an den Zielen und Grundsätzen dieses Gesetzes zu orientieren haben.
(2) Die Verpflichtung zur Entrichtung der Gebühren entsteht mit dem Zeitpunkt, an dem die Abfallsammelbehälter beigestellt werden.
(3) Zur Entrichtung der Gebühr sind die anschlusspflichtigen Liegenschaftseigentümer/innen verpflichtet. Miteigentümer/innen schulden die Gebühr zur ungeteilten Hand. Die für die Liegenschaftseigentümer/innen geltenden Bestimmungen finden sinngemäß auch auf Personen Anwendung, die zur Nutzung des Grundstückes berechtigt sind oder es verwalten. Bei Bauwerken auf fremdem Grund gelten die Bestimmungen dieses Gesetzes auch für die Bauwerkseigentümer/innen.
(4) Die Höhe der Gebühr ist nach beigestelltem Behältervolumen und der Anzahl der Entleerungen oder gewichtsbezogen zu berechnen (variable Gebühr), wobei in der Abfuhrordnung eine jedenfalls zu entrichtende Grundgebühr festzulegen ist. Für zusätzliche Leistungen bei der Abholung des Siedlungsabfalls kann ein gesonderter Kostenersatz verrechnet werden.
(5) Die Benützungsgebühr kann bis zu einem Ausmaß festgelegt werden, bei dem der voraussichtliche Jahresertrag der Gebühr das doppelte Jahreserfordernis für Betrieb und Erhaltung der Einrichtungen und Anlagen gemäß Abs1 nicht übersteigt. Zu diesen Erfordernissen zählen insbesondere nachvollziehbare Maßnahmen zur Abfallvermeidung, Maßnahmen zur Erhaltung und Maßnahmen zum Betrieb der Abfuhr und Behandlung (Verwertung und Beseitigung), der Betrieb von Altstoffsammelzentren und Problemstoffsammelstellen, Maßnahmen für eine nachhaltige Abfall- und Umweltberatung, Maßnahmen und Projekte zur Förderung einer nachhaltigen Abfall- und Stoffflusswirtschaft, Schuldendienstleistungen für aufgenommene sachbezogene Darlehen, anteilige Personal- und Verwaltungskosten der Gemeinde und des Abfallwirtschaftsverbandes sowie die Bildung von Instandhaltungs-, Erneuerungs- und allfälligen Erweiterungsrücklagen.
(6) Die Gebühren- und Kostenersätze sind nach der Abfuhrordnung von der Gemeinde vorzuschreiben."
2. Die maßgeblichen Bestimmungen der Abfuhrordnung der Gemeinde Rohr bei Hartberg in der Fassung des Beschlusses des Gemeinderates vom 12. November 2015, kundgemacht durch Auflage im Gemeindeamt der Gemeinde Rohr bei Hartberg in der Zeit von 12. bis 27. November 2015, lauten:
"§4
Anschlusspflicht
(1) Die Liegenschaftseigentümer/innen der im Gemeindegebiet gelegenen Grundstücke sind berechtigt und verpflichtet, diese an die öffentliche Abfuhr anzuschließen und die auf ihren Grundstücken anfallenden Siedlungsabfälle durch die öffentliche Abfuhr sammeln und abführen zu lassen.
(2) Eine bloß zeitweilige Benützung des Grundstückes (z.B. Zweitwohnung, Ferienhaus, Wochenendhaus oder Kleingartenanlage) begründet keine Ausnahme von der Anschlusspflicht.
(3) Die Anschlusspflicht entsteht mit der Bereitstellung der Abfallsammelbehälter. Die Gemeinde hat die Anschlusspflichtigen von der Beistellung der Abfallsammelbehälter nachweislich zu verständigen. Auf Antrag des Liegenschaftseigentümers/der Liegenschaftseigentümerin hat die Gemeinde über die Anschlusspflicht mit Bescheid abzusprechen. In diesem Bescheid hat die Gemeinde auch die Art, Größe und Anzahl der Abfallsammelbehälter sowie die Abfuhrintervalle festzulegen. Der Antrag ist vom Liegenschaftseigentümer/von der Liegenschaftseigentümerin binnen eines Monats ab Zustellung der Verständigung über die Beistellung der Abfallsammelbehälter einzubringen.
[…]
§13
Grundzüge der Gebührengestaltung
(1) Für die Benützung der Einrichtungen und Anlagen der Abfallabfuhr und ‑behandlung hebt die Gemeinde Rohr bei Hartberg an den Zielen und Grundsätzen des §1 StAWG 2004 orientierte Gebühren ein.
(2) Die Verpflichtung zur Entrichtung der Benützungsgebühren entsteht mit dem Zeitpunkt, an dem die Abfallsammelbehälter beigestellt werden.
(3) Zur Entrichtung der Benützungsgebühren sind die anschlusspflichtigen Liegenschaftseigentümer/Liegenschaftseigentümerinnen verpflichtet. Miteigentümer/ Miteigentümerinnen schulden die Gebühr zur ungeteilten Hand. Die für die Liegenschaftseigentümer/innen geltenden Bestimmungen finden sinngemäß auch auf Personen Anwendung, die zur Nutzung des Grundstückes berechtigt sind oder es verwalten. Bei Bauwerken auf fremdem Grund gelten die Bestimmungen dieses Gesetzes auch für die Bauwerkseigentümer/innen.
§14
Gebühren und Kostenersätze
(1) Die Benützungsgebühr setzt sich zusammen aus einer verbrauchsunabhängigen Grundgebühr und einer variablen Gebühr.
(2) Für zusätzliche Leistungen bei der Abholung des Siedlungsabfalls kann ein gesonderter Kostenersatz verrechnet werden.
§15
Grundgebühr
Als Grundlage der Berechnung wird die Personenanzahl der Liegenschaft herangezogen. In die verbrauchsunabhängige Grundgebühr werden insbesondere die für den Betrieb, die Erhaltung und die Verwaltung der maßgeblichen Einrichtungen und Anlagen entstandenen Kosten hineingerechnet. Insgesamt 60 Prozent der Gesamtkosten.
€ 25,98 pro Person
§16
Variable Gebühr
(1) Die Berechnung der variablen Gebühr erfolgt auf Basis des beigestellten Behältervolumens und der Anzahl der Entleerungen. Als Berechnungsgrundlage werden die Kosten herangezogen, welche durch die tatsächliche Inanspruchnahme der Entsorgungseinrichtung anfallen.
Diese betragen pro Entleerung:
1. für getrennt zu sammelnde biogene Siedlungsabfälle (kompostierbare Siedlungsabfälle wie z. B. Küchen-, Garten-, Markt- oder Friedhofabfälle):
|
| TransportSaubermacher | VerwertungAWV | gesamt |
Kunststoffgefäß | 120 l | € 4,40 | € 1,65 | € 6,05 |
Kunststoffgefäß | 240 l | € 6,60 | € 3,30 | € 9,90 |
Diese betragen pro Kalenderjahr
1. für gemischte Siedlungsabfälle (Restmüll, das ist jener Teil der nicht gefährlichen Siedlungsabfälle, der nicht den vorigen Kategorien zuzurechnen ist), wobei 40 Prozent der Gesamtkosten eingerechnet werden.
Kunststoffgefäß | 120 l | € 46,32 |
Kunststoffgefäß | 240 l | € 92,65 |
Abfallcontainer | 1100 l | € 424,63 |
Abfallsammelsack | 110 l | € 23,59 |
Im Bedarfsfall können (z. B. 60 l oder 110 l) Säcke für die zusätzliche Sammlung von Restmüll zugekauft werden.
Ein Abfallsammelsack kostet: € 3,50.
(2) Bei Erhöhung oder Reduzierung des festgelegten Behältervolumens wird die variable Gebühr angepasst, die Vorschreibung der Grundgebühr erfolgt auch in diesen Fällen auf Personen bezogen.
[…]
§19
Vorschreibung und Stichtag
(1) Die in dieser Verordnung angeführten Gebühren werden vierteljährlich vorgeschrieben. Stichtage für die Berechnung der jeweiligen Vorschreibung sind der 1. Jänner, 1. April, 1. Juli und 1. Oktober.
(2) Für den Fall, dass die Gemeinde neben der Abfallgebühr auch andere Leistungen (z.B. Grundsteuer, Kanalgebühr) in einem vorschreibt, ist die Abfallgebühr gesondert auszuweisen.
[…]
§21
Inkrafttreten
Die Abfuhrordnung der Gemeinde Rohr bei Hartberg tritt am 01.01.2016 in Kraft. Gleichzeitig treten die derzeit gültigen Abfuhrordnungen außer Kraft."
III. Antragsvorbringen und Vorverfahren
1. Dem Antrag liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
1.1. Mit Abgabenbescheid des Bürgermeisters der Gemeinde Rohr bei Hartberg vom 8. Februar 2016 wurden der Beschwerdeführerin vor dem Landesverwaltungsgericht Steiermark Müllgebühren ab 1. Jänner 2016 iHv € 176,23 vorgeschrieben. Der Berechnung wurde eine Grundgebühr für fünf Personen zu je € 23,62 sowie eine variable Gebühr iHv € 42,11 (jeweils exklusive 10% Umsatzsteuer) zugrunde gelegt.
1.2. Die dagegen erhobene Berufung wurde mit Bescheid des Gemeinderates der Gemeinde Rohr bei Hartberg vom 27. Juni 2016 abgewiesen.
1.3. Bei der Behandlung der dagegen erhobenen Beschwerde sind beim Landesverwaltungsgericht Steiermark Bedenken ob der Bestimmung des §15 der Abfuhrordnung der Gemeinde Rohr bei Hartberg entstanden.
2. Das Landesverwaltungsgericht Steiermark legt die Bedenken, die es zur Antragstellung beim Verfassungsgerichtshof bestimmt haben, wie folgt dar:
2.1. Die Beschwerdeführerin vor dem Landesverwaltungsgericht Steiermark sei Alleineigentümerin einer näher bezeichneten Liegenschaft. Auf dieser Liegenschaft befinde sich ein Wohnhaus, das von der pflegebedürftigen Mutter der Beschwerdeführerin bewohnt werde, die an dieser Adresse hauptwohnsitzgemeldet sei. Die Mutter werde von zwei Pflegerinnen betreut, die abwechselnd für jeweils 14 Tage anwesend seien und an der Adresse einen Nebenwohnsitz begründet hätten. Zudem seien die Beschwerdeführerin (und Liegenschaftseigentümerin) sowie deren Bruder an dieser Adresse nebenwohnsitzgemeldet, die abwechselnd jedes zweite Wochenende dort verbringen würden. Da sohin fünf Personen an der Adresse (haupt- bzw. nebenwohnsitz)gemeldeten seien, sei die Abgabenbehörde davon ausgegangen, dass die Grundgebühr der Beschwerdeführerin fünf Mal vorzuschreiben sei.
2.2. §15 der Abfuhrordnung der Gemeinde Rohr bei Hartberg knüpfe für die Berechnung der Grundgebühr an die "Personenanzahl der Liegenschaft" an. Eine nähere Erläuterung, was unter dieser Wortfolge zu verstehen sei, sei nach Ansicht des Landesverwaltungsgerichtes Steiermark weder dem Steiermärkischen Abfallwirtschaftsgesetz 2004 noch der Abfuhrordnung der Gemeinde Rohr bei Hartberg zu entnehmen.
2.2.1. Im Rahmen einer Auslegung der angefochtenen Bestimmung nach dem Wortsinn sei unter dem Begriff "Personenanzahl" eine bestimmte Anzahl von Personen und unter dem Begriff "Liegenschaft" ein (bebautes) Grundstück, ein Anwesen bzw. Grundbesitz zu verstehen. Demgegenüber sei jedoch nicht zu erkennen, wie die Wortfolge "Personenanzahl der Liegenschaft" auszulegen sei. Es gäbe keine Kriterien bzw. Auslegungshilfen, welche konkrete Personenanzahl – bezogen auf die Liegenschaft – gemeint sein könne. Die Bestimmung sei daher einer Auslegung nach dem Wortsinn nicht zugänglich.
2.2.2. Auch im Zuge einer Auslegung der angefochtenen Bestimmung nach dem Bedeutungszusammenhang sei "nicht einmal ansatzweise erkennbar", welche Personen in Bezug auf die Liegenschaft bei der Gebührenbemessung heranzuziehen seien. Nach Ansicht des Landesverwaltungsgerichtes Steiermark seien verschiedene Anknüpfungspunkte denkbar: Erfasst sein könnten beispielsweise Personen, die an der Liegenschaft ihren Haupt- bzw. Nebenwohnsitz gemeldet oder dort ihren Lebensmittelpunkt begründet hätten; auch ein Heranziehen (nur) der jeweiligen Liegenschaftseigentümer sei möglich. Die verordnungserlassende Behörde habe im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem Landesverwaltungsgericht Steiermark die Ansicht vertreten, dass der Begriff "Personenanzahl der Liegenschaft" nur so ausgelegt werden könne, dass darunter ein Abstellen auf die Meldung als Haupt- oder Nebenwohnsitz verstanden werden könne, da §15 der Abfuhrordnung der Gemeinde Rohr bei Hartberg sonst nicht vollziehbar sei. Das antragstellende Gericht teile diese Sichtweise nicht, zumal es zu willkürlichen Ergebnissen führe, wenn es der Abgabenbehörde freistehe, "entweder an den Hauptwohnsitz oder den Nebenwohnsitz anzuknüpfen".
2.2.3. Eine Auslegung nach dem historischen Willen des Verordnungsgebers führe ebenfalls zu keinem Ergebnis, zumal die Wortfolge "Personenanzahl der Liegenschaft" im Zuge der letzten Novelle der Abfuhrordnung der Gemeinde Rohr bei Hartberg – ohne nähere Erläuterung – von der davor in Geltung stehenden Fassung übernommen worden sei.
2.2.4. Im Rahmen der objektiv-teleologischen Auslegung sei zu prüfen, welchem Zweck bzw. welchem Grundgedanken eine Regelung (unter Berücksichtigung des äußerst möglichen Wortsinnes) diene. Der Regelungszweck der Abfuhrordnung sei nach Ansicht des antragstellenden Gerichtes darin gelegen, all jene Personen bei der Gebührenberechnung miteinzubeziehen, die "an der Entstehung von Müll beteiligt sind oder sein könnten". Die angefochtene Bestimmung liefere keinen Hinweis darauf und sei es nicht Aufgabe der Gerichte, "eine unbefriedigende Regelung einer Verordnung zu korrigieren". Der Verwaltungsgerichtshof habe – in Bezug auf eine andere Gemeinde, deren Abfuhrordnung bei der Bemessung der Grundgebühr ebenfalls auf die "Personenanzahl der Liegenschaft" abstelle – die Entscheidung der Abgabenbehörde behoben, weil diese die Haushaltsgröße (drei Zweipersonenhaushalte) und nicht die Personenanzahl der Liegenschaft (sechs Personen) herangezogen habe (mit Verweis auf VwGH 29.2.2011, 2007/17/0104). Der Verwaltungsgerichtshof sei in diesem Erkenntnis jedoch nicht weiter auf den Begriff "Personenanzahl der Liegenschaft" eingegangen, sondern habe nur bemerkt, dass keine Bedenken gegen die Abfuhrordnung entstanden seien.
2.3. Da unter Heranziehung sämtlicher Interpretationsmethoden nicht beurteilt werden könne, was unter dem Begriff "Personenanzahl der Liegenschaft" im Einzelfall zu verstehen sei, habe der Verordnungsgeber "gegen das rechtsstaatliche Bestimmtheitsgebot gemäß Art18 B‑VG verstoßen", weshalb das Landesverwaltungsgericht Steiermark beantrage, die Bestimmung des §15 der Abfuhrordnung der Gemeinde Rohr bei Hartberg als gesetzwidrig aufzuheben.
3. Der Gemeinderat der Gemeinde Rohr bei Hartberg als verordnungserlassende Behörde hat eine Äußerung erstattet, in der dieser die Zurückweisung bzw. (eventualiter) die Abweisung des Antrages des Landesverwaltungsgerichtes Steiermark beantragt.
3.1. Die Anfechtung (nur) des §15 der Abfuhrordnung der Gemeinde Rohr bei Hartberg erweise sich als zu eng, zumal die Bestimmung in einem untrennbaren Zusammenhang mit §14 (Gebühr und Kostenersätze) und §16 (Variable Gebühr) der Abfuhrordnung der Gemeinde Rohr bei Hartberg sowie mit §13 Abs3 StAWG 2004 stehe. Im Übrigen würde die isolierte Aufhebung des §15 der Abfuhrordnung der Gemeinde Rohr bei Hartberg die §§14 und 16 der Abfuhrordnung der Gemeinde Rohr bei Hartberg "unverständlich und insbesondere unanwendbar machen". Der Antrag sei daher als unzulässig zurückzuweisen.
3.2. In der Sache bringt die verordnungserlassende Behörde vor, dass die Gemeinde Rohr bei Hartberg die angefochtene Abfuhrordnung nach einer vom Land Steiermark geprüften und empfohlenen "Mustervorlage" erstellt und der zuständigen Fachabteilung des Landes Steiermark zur Verordnungsprüfung gemäß §100 Stmk. GemO vorgelegt habe, die diese "ohne inhaltliche Bedenken" zur Kenntnis genommen habe. Zudem habe der Verwaltungsgerichtshof keine Bedenken ob der Gesetzmäßigkeit einer mit der angefochtenen Bestimmung inhaltsgleichen Regelung gehegt und festgehalten, dass der Begriff "Personenanzahl der Liegenschaft" auf die jeweilige Liegenschaft und nicht auf die Haushaltsgröße der auf der Liegenschaft bestehenden Haushalte abstelle (VwGH 29.2.2011, 2007/17/0104).
Nach §13 Abs5 StAWG 2004 sei die Abfallgebühr nicht nur für die Teilnahme an der Abfuhr bzw. die Behandlung von Abfällen zu entrichten, sondern diene auch den – in §13 Abs5 zweiter Satz StAWG 2004 demonstrativ genannten – Erfordernissen des Betriebes und der Erhaltung der Einrichtungen und Anlagen der Abfallwirtschaft. Die Kosten der Finanzierung der vor der Gemeinde zur Verfügung gestellten Infrastruktur würden in die Gebührengestaltung der Abfallgebühr miteinfließen. Das Jahreserfordernis werde zum einen durch eine verbrauchsunabhängige Grundgebühr, zum anderen durch eine variable Gebühr gedeckt. Für die Bemessung der Grundgebühr komme es nicht darauf an, ob bzw. in welchem Ausmaß Müll von der gemeindlichen Müllabfuhr entsorgt werde (mit Verweis auf VwGH 17.12.2001, 97/17/0027).
§13 Abs3 StAWG 2004 und §13 Abs3 der Abfuhrordnung der Gemeinde Rohr bei Hartberg verpflichteten zur Entrichtung der Benützungsgebühren die anschlusspflichtigen Liegenschaftseigentümer/Liegenschaftseigentümerinnen; die für diese geltenden Bestimmungen fänden sinngemäß auch auf Personen Anwendung, die zur Nutzung des Grundstückes berechtigt seien oder es verwalteten. Vor diesem Hintergrund seien nach Ansicht der Verordnungsgeberin unter den Begriff "Personenanzahl der Liegenschaft" jene Personen zu subsumieren, die an der Liegenschaft ihren Hauptwohnsitz oder Nebenwohnsitz begründet hätten oder daran nutzungsberechtigt seien. Die Heranziehung des Melderegisters zum Stichtag 1. Jänner 2016 bei der Bemessung der verbrauchsunabhängigen Grundgebühr durch den Gemeinderat der Gemeinde Rohr bei Hartberg sei daher als sachlich zu bewerten.
4. Die Beschwerdeführerin vor dem Landesverwaltungsgericht Steiermark hat ebenfalls eine Äußerung erstattet.
IV. Erwägungen
1. Zur Zulässigkeit des Antrages
1.1. Der Verfassungsgerichtshof ist nicht berechtigt, durch seine Präjudizialitätsentscheidung das antragstellende Gericht an eine bestimmte Rechtsauslegung zu binden, weil er damit indirekt der Entscheidung dieses Gerichtes in der Hauptsache vorgreifen würde. Gemäß der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes darf daher ein Antrag iSd Art139 Abs1 Z1 B‑VG bzw. des Art140 Abs1 Z1 lita B‑VG nur dann wegen mangelnder Präjudizialität zurückgewiesen werden, wenn es offenkundig unrichtig (denkunmöglich) ist, dass die – angefochtene – generelle Norm eine Voraussetzung der Entscheidung des antragstellenden Gerichtes im Anlassfall bildet (vgl. etwa VfSlg 10.640/1985, 12.189/1989, 15.237/1998, 16.245/2001 und 16.927/2003).
1.2. Die Grenzen der Aufhebung einer auf ihre Gesetzmäßigkeit hin zu prüfenden Verordnungsbestimmung sind, wie der Verfassungsgerichtshof sowohl für von Amts wegen als auch für auf Antrag eingeleitete Normenprüfungsverfahren schon wiederholt dargelegt hat (VfSlg 13.965/1994 mwN, 16.542/2002, 16.911/2003), notwendig so zu ziehen, dass einerseits der verbleibende Verordnungsteil nicht einen völlig veränderten Inhalt bekommt und dass andererseits die mit der aufzuhebenden Verordnungsstelle untrennbar zusammenhängenden Bestimmungen auch erfasst werden.
1.3. Dieser Grundposition folgend hat der Gerichtshof die Rechtsauffassung entwickelt, dass im Normenprüfungsverfahren der Anfechtungsumfang der in Prüfung gezogenen Norm bei sonstiger Unzulässigkeit des Prüfungsantrages nicht zu eng gewählt werden darf (vgl. zB VfSlg 8155/1977, 12.235/1989, 13.915/1994, 14.131/1995, 14.498/1996, 14.890/1997, 16.212/2001). Das antragstellende Gericht hat all jene Normen anzufechten, welche für die Beurteilung der allfälligen Verfassungswidrigkeit der Rechtslage eine untrennbare Einheit bilden. Es ist dann Sache des Verfassungsgerichtshofes, darüber zu befinden, auf welche Weise eine solche Verfassungswidrigkeit – sollte der Verfassungsgerichtshof die Auffassung des antragstellenden Gerichtes teilen – beseitigt werden kann (VfSlg 16.756/2002, 19.496/2011, 19.684/2012, 19.903/2014; VfGH 10.3.2015, G201/2014).
Unzulässig ist der Antrag etwa dann, wenn der im Falle der Aufhebung im begehrten Umfang verbleibende Rest einer Verordnungsstelle als sprachlich unverständlicher Torso inhaltsleer und unanwendbar wäre (VfSlg 16.279/2001, 19.413/2011; VfGH 19.6.2015, G211/2014; 7.10.2015, G444/2015; 10.10.2016, G662/2015), der Umfang der zur Aufhebung beantragten Bestimmungen so abgesteckt ist, dass die angenommene Gesetzwidrigkeit durch die Aufhebung gar nicht beseitigt würde (vgl. zB VfSlg 18.891/2009, 19.933/2014), oder durch die Aufhebung bloßer Teile einer Verordnung dieser ein völlig veränderter, dem Verordnungsgeber überhaupt nicht mehr zusinnbarer Inhalt gegeben würde (VfSlg 18.839/2009, 19.841/2014, 19.972/2015; VfGH 15.10.2016, G339/2015)
Unter dem Aspekt einer nicht trennbaren Einheit in Prüfung zu ziehender Vorschriften ergibt sich ferner, dass ein Prozesshindernis auch dann vorliegt, wenn es auf Grund der Bindung an den gestellten Antrag zu einer in der Weise isolierten Aufhebung einer Bestimmung käme, dass Schwierigkeiten bezüglich der Anwendbarkeit der im Rechtsbestand verbleibenden Vorschriften entstünden, und zwar in der Weise, dass der Wegfall der angefochtenen (Teile einer) Verordnungsbestimmung den verbleibenden Rest unverständlich oder auch unanwendbar werden ließe. Letzteres liegt dann vor, wenn nicht mehr mit Bestimmtheit beurteilt werden könnte, ob ein der verbliebenen Vorschrift zu unterstellender Fall vorliegt (VfSlg 16.869/2003 mwN)
1.4. Eine zu weite Fassung des Antrages macht diesen nicht in jedem Fall unzulässig. Soweit alle vom Antrag erfassten Bestimmungen präjudiziell sind oder der Antrag mit solchen untrennbar zusammenhängende Bestimmungen erfasst, führt dies – ist der Antrag in der Sache begründet – im Fall der Aufhebung nur eines Teiles der angefochtenen Bestimmungen im Übrigen zu seiner teilweisen Abweisung (vgl. VfSlg 19.746/2013, 19.905/2014). Umfasst der Antrag auch Bestimmungen, die im Verfahren vor dem antragstellenden Gericht nicht präjudiziell sind, führt dies – wenn die angefochtenen Bestimmungen insoweit trennbar sind – im Hinblick auf diese Bestimmungen zur partiellen Zurückweisung des Antrages (siehe VfSlg 18.486/2008, 18.298/2007; soweit diese Voraussetzungen vorliegen, führen zu weit gefasste Anträge also nicht mehr – vgl. noch VfSlg 14.342/1995, 15.664/1999, 15.928/2000, 16.304/2001, 16.532/2002, 18.235/2007 – zur Zurückweisung des gesamten Antrages).
1.5. Die verordnungserlassende Behörde begründet die Unzulässigkeit des Antrages des Landesverwaltungsgerichtes im Wesentlichen damit, dass die angefochtene Bestimmung des §15 der Abfuhrordnung der Gemeinde Rohr bei Hartberg in einem untrennbaren Zusammenhang mit anderen Regelungen der Abfuhrordnung der Gemeinde Rohr bei Hartberg bzw. des Steiermärkischen Abfallwirtschaftsgesetzes 2004 stehe. Dabei übersieht sie jedoch, dass sich die Bedenken des antragstellenden Gerichtes nicht gegen die Gebührenvorschreibung an sich, sondern nur gegen die Berechnung der Grundgebühr und die in diesem Zusammenhang zur Anwendung gelangende Wortfolge "Personenanzahl der Liegenschaft" in §15 der Abfuhrordnung der Gemeinde Rohr bei Hartberg richten. Der von der verordnungserlassenden Behörde behauptete untrennbare Zusammenhang liegt vor dem Hintergrund der Bedenken nicht vor.
1.6. Das Landesverwaltungsgericht Steiermark hat bei der Behandlung der Beschwerde gegen den Bescheid des Gemeinderates der Gemeinde Rohr bei Hartberg, mit dem der Beschwerdeführerin vor dem Landesverwaltungsgericht Steiermark Müllgebühren in bestimmter Höhe vorgeschrieben wurden, §15 der Abfuhrordnung der Gemeinde Rohr bei Hartberg anzuwenden. Die vorgebrachten Bedenken des Landesverwaltungsgerichtes Steiermark richten sich zwar nur gegen die Wortfolge "Personenanzahl der Liegenschaft" in §15 erster Satz der Abfuhrordnung der Gemeinde Rohr bei Hartberg. Mit einer isolierten Aufhebung (nur) des ersten Satzes der angefochtenen Bestimmung würde §15 der Abfuhrordnung der Gemeinde Rohr bei Hartberg jedoch – im Hinblick auf die Art der Berechnung sowie die Höhe der Grundgebühr – ein völlig veränderter, der Verordnungsgeberin nicht zusinnbarer Inhalt beigemessen. Der erste Satz der angefochtenen Bestimmung steht mit den übrigen Teilen insoweit in einem untrennbaren Zusammenhang, weshalb sich die angefochtene Bestimmung (zur Gänze) als präjudiziell erweist.
Da auch sonst keine Prozesshindernisse hervorgekommen sind, ist der Antrag zulässig.
2. In der Sache
2.1. Der Verfassungsgerichtshof hat sich in einem auf Antrag eingeleiteten Verfahren zur Prüfung der Gesetzmäßigkeit einer Verordnung gemäß Art139 B‑VG auf die Erörterung der geltend gemachten Bedenken zu beschränken (vgl. VfSlg 11.580/1987, 14.044/1995, 16.674/2002). Er hat sohin ausschließlich zu beurteilen, ob die angefochtene Bestimmung aus den in der Begründung des Antrages dargelegten Gründen gesetzwidrig ist (VfSlg 15.644/1999, 17.222/2004).
2.2. Das Landesverwaltungsgericht Steiermark zieht die hinreichende Bestimmtheit des §15 der Abfuhrordnung der Gemeinde Rohr bei Hartberg in Zweifel. Die angefochtene Bestimmung knüpfe nach Ansicht des antragstellenden Gerichtes im Hinblick auf die Berechnung der (verbrauchsunabhängigen) Grundgebühr an die "Personenanzahl der Liegenschaft" an. Diese Wortfolge sei einer Auslegung nicht zugänglich, zumal sich selbst unter Heranziehung sämtlicher Interpretationsmethoden nicht abschließend bestimmen lasse, welche Personen der Liegenschaft für die Gebührenbemessung heranzuziehen seien.
2.3. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes ist die Verwendung unbestimmter Rechtsbegriffe, die durch eine unscharfe Abgrenzung gekennzeichnet sind, dann mit Art18 B‑VG vereinbar, wenn die Begriffe einen soweit bestimmbaren Inhalt haben, dass der Rechtsunterworfene sein Verhalten danach einrichten kann und die Anwendung der Begriffe durch die Behörde auf ihre Übereinstimmung mit dem Gesetz überprüft werden kann (vgl. zB VfSlg 16.993/2003 mwN). Angesichts der unterschiedlichen Lebensgebiete, Sachverhalte und Rechtsfolgen, die Gegenstand und Inhalt gesetzlicher und verordnungsrechtlicher Regelungen sein können, ist jedoch ganz allgemein davon auszugehen, dass Art18 B‑VG einen dem jeweiligen Regelungsgegenstand adäquaten Determinierungsgrad verlangt (vgl. zB VfSlg 13.785/1994, 15.468/1999, 16.993/2003, 18.895/2009, 19.771/2013, 19.853/2014, 20.039/2016).
2.4. Vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung erweist sich der Antrag des Landesverwaltungsgerichtes Steiermark als nicht begründet:
2.4.1. Gemäß §11 Z5 iVm §13 Abs1 StAWG 2004 werden die steiermärkischen Gemeinden durch den Landesgesetzgeber ermächtigt, über die Besorgung der öffentlichen Abfuhr eine Abfuhrordnung zu erlassen und darin u.a. die Art der Gebühren und Kostenersätze zu regeln. Demnach hat die Gemeinde in der Abfuhrordnung eine (jedenfalls zu entrichtende) Grundgebühr sowie eine (auf die Verursachung von Abfall bezogene) variable Gebühr festzusetzen (§13 Abs4 StAWG 2004); zur Entrichtung der Gebühr sind die anschlusspflichtigen Liegenschaftseigentümer, aber auch jene Personen verpflichtet, die zur Nutzung des Grundstückes berechtigt sind oder dieses verwalten (§13 Abs3 StAWG 2004). Grundlage der Berechnung der Grundgebühr ist nach §15 erster Satz der Abfuhrordnung der Gemeinde Rohr bei Hartberg die "Personenanzahl der Liegenschaft".
2.4.2. Die Wortfolge "Personenanzahl der Liegenschaft" in §15 erster Satz der Abfuhrordnung der Gemeinde Rohr bei Hartberg ist unter Heranziehung sämtlicher Interpretationsmethoden sowie der im Steiermärkischen Abfallwirtschaftsgesetzes 2004 vorgesehenen Determinanten einer Auslegung zugänglich. Das Landesverwaltungsgericht Steiermark übersieht, dass die Abfallgebühr eine Benützungsgebühr iSd §15 FAG 2008 ist (vgl. §13 Abs5 StAWG) und daher die Vorschreibung einer verbrauchsunabhängigen Grundgebühr den Umstand berücksichtigt, dass die Bereitstellung und Aufrechterhaltung von Einrichtungen zur Abfallentsorgung Kosten verursacht, die unabhängig davon sind, ob bzw. in welchem Ausmaß Müll tatsächlich von der Gemeinde entsorgt wird. Damit sind in die Berechnung der Grundgebühr nach §15 der Abfuhrordnung der Gemeinde Rohr bei Hartberg all jene Personen einzubeziehen, die – bezogen auf eine bestimmte Liegenschaft – typischerweise an der Entstehung von Müll beteiligt sind oder sein können. Dementsprechend stellt eine an die "Personenanzahl der Liegenschaft" anknüpfende Berechnung der Grundgebühr nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht etwa auf die Haushaltsgrößen der auf der Liegenschaft bestehenden Haushalte, sondern auf die der Liegenschaft zuordenbare Personenanzahl ab (vgl. VwGH 28.2.2011, 2007/17/0104).
§15 der Abfuhrordnung der Gemeinde Rohr bei Hartberg verstößt daher nicht gegen das Bestimmtheitsgebot nach Art18 B‑VG.
V. Ergebnis
1. Die ob der Verfassungsmäßigkeit des §15 der Abfuhrordnung der Gemeinde Rohr bei Hartberg erhobenen Bedenken treffen nicht zu. Der Antrag ist daher abzuweisen.
2. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
3. Der verordnungserlassenden Behörde sind die für die abgegebene Äußerung begehrten Kosten nicht zuzusprechen, weil es im Falle eines auf Antrag eines Gerichtes eingeleiteten Normenprüfungsverfahrens Sache des antragstellenden Gerichtes ist, über allfällige Kostenersatzansprüche nach den für sein Verfahren geltenden Vorschriften zu erkennen (zB VfSlg 19.019/2010 mwN).
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