VfGH V45/09

VfGHV45/093.12.2009

Keine Aufhebung von Bebauungsrichtlinien hinsichtlich der ausnahmslosen Festlegung der Straßenfluchtlinie als zwingende (vordere) Baulinie wegen Nichtberücksichtigung der jeweiligen örtlichen Gegebenheiten im Sinne des Burgenländischen Landesentwicklungsprogrammes 1994; Berücksichtigung von Ausnahmen nicht geboten

Normen

B-VG Art18 Abs2
Bebauungsrichtlinien der Gemeinde Pama vom 22.03.06 §3
Bgld Landesentwicklungsprogramm (LEP 1994) §2, Anlage A Punkt 3.3.
Bgld RaumplanungsG §7, §10, §23, §25a
B-VG Art18 Abs2
Bebauungsrichtlinien der Gemeinde Pama vom 22.03.06 §3
Bgld Landesentwicklungsprogramm (LEP 1994) §2, Anlage A Punkt 3.3.
Bgld RaumplanungsG §7, §10, §23, §25a

 

Spruch:

I. §3 Abs1 der "Verordnung des Gemeinderates der Gemeinde Pama vom 22. März 2006, Zahl 15/2006, mit der Bebauungsrichtlinien für den 'Bereich Hauptstraße' erlassen werden", genehmigt mit Bescheid der Burgenländischen Landesregierung vom 21. April 2006, Z LAD-RO-6130-2006, und kundgemacht im Landesamtsblatt für das Burgenland vom 28. April 2006, Nr. 217, sowie durch Anschlag an der Amtstafel vom 2. Mai 2006 bis 17. Mai 2006, wird nicht als gesetzwidrig aufgehoben.

II. Kosten werden nicht zugesprochen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. Beim Verfassungsgerichtshof ist eine zu B1325/07

protokollierte Beschwerde anhängig, der folgender Sachverhalt zugrunde liegt:

1.1. Mit Eingabe vom 16. März 2005 beantragte der Beschwerdeführer die Erteilung der Baubewilligung für die Errichtung eines Zubaues zu seinem Wohnhaus auf dem Grundstück Nr. 37, EZ 47, KG Pama.

Mit Bescheid vom 29. November 2005 erteilte der Bürgermeister der Gemeinde Pama dem Beschwerdeführer die beantragte Baubewilligung unter gleichzeitiger Vorschreibung von Auflagen.

1.2. Gegen diesen Bescheid erhob ein Miteigentümer des Nachbargrundstückes Nr. 36, KG Pama, Berufung. Mit Bescheid vom 31. Mai 2006 hob der Gemeinderat den angefochtenen Bescheid auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an die Baubehörde erster Instanz zurück.

1.3. Inzwischen hatte der Gemeinderat der Gemeinde Pama am 22. März 2006 eine Verordnung beschlossen, "mit der Bebauungsrichtlinien für den 'Bereich Hauptstraße' erlassen werden". Diese wurde mit Bescheid der Burgenländischen Landesregierung vom 21. April 2006 genehmigt und im Landesamtsblatt für das Burgenland vom 28. April 2006, Nr. 217, sowie durch Anschlag an der Amtstafel vom 2. Mai 2006 bis 17. Mai 2006 kundgemacht.

1.4. Im fortgesetzten Verfahren wies der Bürgermeister der Gemeinde Pama mit Bescheid vom 8. November 2006 das Ansuchen des Beschwerdeführers um Erteilung der Baubewilligung für die Errichtung eines Zubaues zu seinem Wohnhaus ab, da das Bauvorhaben der genannten Verordnung widerspreche.

1.5. Der dagegen erhobenen Berufung des Beschwerdeführers gab der Gemeinderat der Gemeinde Pama mit Bescheid vom 19. Februar 2007 keine Folge und bestätigte die Abweisung des Bauansuchens. Die Bezirkshauptmannschaft Neusiedl am See gab als Aufsichtsbehörde der dagegen erhobenen Vorstellung mit dem angefochtenen Bescheid vom 5. Juni 2007 keine Folge.

2. Die gegen diesen Bescheid gerichtete, auf Art144 Abs1 B-VG gestützte Beschwerde behauptet die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz (Art2 StGG) sowie die Verletzung in Rechten wegen Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnung.

II. 1. Aus Anlass dieser Beschwerde hat der Verfassungsgerichtshof am 22. Juni 2009 beschlossen, gemäß Art139 Abs1 B-VG die Gesetzmäßigkeit des §3 Abs1 der "Verordnung des Gemeinderates der Gemeinde Pama vom 22. März 2006, Zahl 15/2006, mit der Bebauungsrichtlinien für den 'Bereich Hauptstraße' erlassen werden", genehmigt mit Bescheid der Burgenländischen Landesregierung vom 21. April 2006, Z LAD-RO-6130-2006, und kundgemacht im Landesamtsblatt für das Burgenland vom 28. April 2006, Nr. 217, sowie durch Anschlag an der Amtstafel vom 2. Mai 2006 bis 17. Mai 2006, von Amts wegen zu prüfen.

Diese in Prüfung gezogene Bestimmung lautet (samt Überschrift):

"§3 Baulinie

(1) Die vordere Baulinie wird als zwingende Baulinie an der Straßenfluchtlinie festgelegt."

1.1. Der Verfassungsgerichtshof ging vorläufig davon aus, dass die Beschwerde zulässig ist und er bei seiner Entscheidung darüber die in Prüfung gezogene Bestimmung anzuwenden hätte.

1.2. Aus dem Prüfungsbeschluss:

"Der Verfassungsgerichtshof hegt gegen die in Prüfung gezogene Bestimmung der genannten Verordnung, nach der die vordere Baulinie als zwingende Baulinie an der Straßenfluchtlinie festgelegt wird, das Bedenken, dass diese den im LEP 1994 enthaltenen Grundsätzen der örtlichen Raumplanung iSd §7 Abs2 letzter Satz Bgld. RPlG widersprechen dürfte.

Gemäß §2 Abs1 LEP 1994 haben u.a. Bebauungsrichtlinien diesem Landesentwicklungsprogramm zu entsprechen.

Die Anlage A zum LEP 1994 legt in Punkt 3.3. u.a. fest, dass bei der Erlassung von Bebauungsrichtlinien insbesondere die jeweiligen örtlichen Gegebenheiten zu berücksichtigen sind.

Im Rahmen der den erlassenen Bebauungsrichtlinien vorausgegangenen Grundlagenforschung wurde u.a. festgestellt (Punkt 5.): 'Vereinzelt sind jedoch die privaten Grundstücke deutlich zurück- aber auch vorversetzt. [...]. Die Gebäude sollen nach entsprechender Ablöse bzw. Neuzuteilung (Korrektur der Straßenfluchtlinie) gemäß dem Verlauf der typischen einheitlichen Gebäudefront errichtet werden.'

Da bereits vor der Erlassung der Bebauungsrichtlinien bekannt war, dass - wenn auch nur vereinzelt - Objekte nicht an der Straßenfluchtlinie errichtet sind und daher jedenfalls nicht der zu erlassenden Norm entsprechen, dürfte die ausnahmslose Festlegung der Straßenfluchtlinie als zwingende Baulinie für 'jegliches' Bauvorhaben, also nicht nur für Neubauten sondern auch für Zubauten, dem LEP 1994 widersprechen, da dieses 'insbesondere' zur Berücksichtigung der 'jeweiligen' örtlichen Gegebenheiten verpflichtet."

2. Die Bezirkshauptmannschaft Neusiedl am See legte weitere Verwaltungsakten vor und gab eine Stellungnahme ab, in der sie auf die Begründung ihres im Anlassverfahren angefochtenen Bescheides verweist und die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

3. Der Gemeinderat der Gemeinde Pama und die Gemeinde Pama legten jeweils zwei Lichtbilder und weitere Verordnungsakten vor, ersterer erstattete eine Äußerung, zweitere gab eine gleich lautende Stellungnahme ab, in denen sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragen:

Auszugsweise lauten die Schriftsätze wie folgt:

"...

Das Grundstück des Beschwerdeführers befindet sich in einem Bereich, in dem die Gebäude an der Straßenfluchtlinie errichtet wurden. Dies ist sowohl für den betroffenen Ortsteil, als auch für die Dorfstruktur und somit für das gesamte Erscheinungsbild von der Gemeinde Pama wichtig. Dies ist Teil ihrer Identität und möchte die Gemeinde im Kernbereich, zu dem das Grundstück des Beschwerdeführers gehört, die geschlossene Baustruktur auch beibehalten und hier keine Ausnahme zulassen, welche Vorbildwirkung für andere Vorhaben sein könnten.

Entsprechend Anl. A zum LEP 1994, Pkt. 3.3 sind bei der Erlassung von Bebauungsrichtlinien die örtlichen Gegebenheiten zu berücksichtigen. Aus raumplanerischer Sicht ist hier jedenfalls Rücksicht auf die typische charakteristische Orts- und Bebauungsstruktur zu nehmen. Es kommt der Erhaltung der typischen charakteristischen Orts- u. Bebauungsstruktur der Gemeinde Pama als Angerdorf mit geschlossener Baustruktur massive Bedeutung zu.

Ein wesentliches Ziel der seit mehr als zwei Jahrzehnten erfolgreichen 'Dorferneuerung Burgenland' ist die Erhaltung der charakteristischen Orts- und Bebauungsstruktur, insbesondere in Ortskernen.

Das Bauvorhaben des Beschwerdeführers würde sich störend auf die bestehende charakteristische Orts- u. Bebauungsstruktur auswirken, da die Situierung des Gebäudes abseits der Straßenfluchtlinie geplant ist.

Im Bereich der Liegenschaft des Beschwerdeführers wird lediglich bei einer Liegenschaft die Bebauungsrichtlinie nicht eingehalten. Dies geht auf die Jahre 1984 - 1985 zurück. Auf diesem Grundstück wurde ein altes Haus abgerissen, dadurch ist eine Lücke entstanden. Selbstverständlich hat sich der Eigentümer dieser Liegenschaft bei der Durchführung eines Neubaus auch an die gültigen Bebauungsrichtlinien zu halten.

Aus den beiden vorgelegten Fotos ist ersichtlich, dass die Anordnung der Gebäudefronten unmittelbar an der Straße ist. Es ist aus diesen Fotos deutlich ersichtlich, dass es sich beim Ortskern von Pama um ein generelles Charakteristikum des Ortskernes der Straßen- und Angerdörfer im nördlichen und mittleren Burgenland handelt. Das Grundstück des Beschwerdeführers liegt - wie bereits ausgeführt - im Ortskern an der seit jeher vorhandenen Durchzugsstraße durch die Gemeinde Pama.

Für diesen Ortskern ist eben die geschlossene Bebauungsstruktur ohne Vorgärten charakteristisch.

Mit der Verordnung der Gemeinde Pama, mit welcher die Straßenfluchtlinie als zwingende Baulinie festgelegt wurde, wird dem Pkt. 3.3 der LEP jedenfalls entsprochen. Die Gemeinde Pama hat von der Möglichkeit der Erlassung der Bebauungsrichtlinie deswegen Gebrauch gemacht, um den geschlossenen historisch gewachsenen und typischen Gesamtcharakters des Ortskerns zu erhalten, bzw. für dessen Wiederherstellung Sorge zu tragen.

Auf der Liegenschaft des Beschwerdeführers war bereits ein Gebäude an der Straßenfluchtlinie vorhanden und wurde dieses abgerissen. Offensichtlich glaubt der Beschwerdeführer durch diese Vorgangsweise die Bebauungsrichtlinien umgehen zu können.

Die Aufhebung des §3 Abs1 der mit Verordnung der Gemeinde Pama erlassenen Bebauungsrichtlinien würde dazu führen, dass auch andere Bauvorhaben von der Straßenfluchtlinie abrücken würden. Das würde bedeuten, dass der Charakter der Gemeinde Pama als historisch gewachsenes Angerdorf mit einer Bebauungsstruktur an der vorderen Straßenfluchtlinie zerstört werden würde.

..."

4. Der Beschwerdeführer im Anlassverfahren legte Lichtbilder vor, um beispielhaft die aktuelle Situation des "Bereiches Hauptstraße" wiederzugeben, und gab eine Stellungnahme ab, in der er - nach der Wiederholung des wesentlichen Sachverhaltes - das im Prüfungsbeschluss zum Ausdruck gebrachte Bedenken des Verfassungsgerichtshofes ob der Gesetzmäßigkeit der in Prüfung gezogenen Bestimmung teilt und im wesentlichen Folgendes ausführt:

Der "Bereich Hauptstraße" sei derzeit auf beiden Seiten mit Gebäuden bebaut. Aufgrund der deutlichen Zurück- oder Vorversetzung einzelner Grundstücke sei es unmöglich, die Gebäude gemäß dem Verlauf einer einheitlichen Gebäudefront entlang der Hauptstraße zu errichten, wie dies im Rahmen der den erlassenen Bebauungsrichtlinien vorausgegangenen Grundlagenforschung beabsichtigt gewesen sei.

Einzelne Gebäude im "Bereich Hauptstraße" seien rund 10 bis 30 Meter von der Straßenfluchtlinie entfernt, sodass ein Zubau zu einem bestehenden Gebäude geradezu unmöglich sei, da dieser eine Länge von 10 bis 30 Meter haben müsste, weshalb - aufgrund der großen Nutzfläche - kaum mehr von einem "Zubau" gesprochen werden könne.

Vereinzelt seien Gebäude bzw. die vordere Baulinie der Gebäude wenige Meter von der Straßenfluchtlinie entfernt, sodass zwischen Gebäude und Straßenfluchtlinie ein Vorgarten bestehe. Die Gebäude würden beiderseits an andere Gebäude angrenzen, sodass ein Zubau ebenfalls unmöglich sei.

Vereinzelt würden Gebäude zwar an den Gehsteig angrenzen, seien aber derart vor- oder zurückgestellt, dass von einer einheitlichen Gebäudefront, wie sie in der den Bebauungsrichtlinien vorausgegangenen Grundlagenforschung beabsichtigt sei, nicht gesprochen werden könne.

Ein Großteil der im örtlichen Geltungsbereich der Verordnung bestehenden Gebäude, deren vordere Baulinie nicht an der Straßenfluchtlinie liege, bestehe schon seit Jahrzehnten.

Ein einheitliches Ortsbild könne durch die nachträgliche Vorschreibung der vorderen Baulinie als zwingende Baulinie an der Straßenfluchtlinie aufgrund der unterschiedlichen Verbauung der Gebäude und aufgrund der unterschiedlichen Lage der Grundstücke nicht (mehr) erreicht werden.

Nach dem Charakter der verbauten Grundstücke liege die zwingende Baulinie nicht an der Straßenfluchtlinie.

Wenn der gesamte Gebietscharakter und die rechtmäßig bestehende Bebauung bei der Erlassung der Bebauungsrichtlinien berücksichtigt worden wären, hätte die vordere Baulinie nicht als zwingende Baulinie an der Straßenfluchtlinie festgelegt werden dürfen.

Die Festlegung der vorderen Baulinie an der Straßenfluchtlinie in §3 Abs1 der Bebauungsrichtlinien für den "Bereich Hauptstraße" der Gemeinde Pama beruhe somit auf einer Gemeindeplanung, die die "örtlichen Gegebenheiten" gemäß Punkt 3.3. der Anlage A zur Verordnung der Burgenländischen Landesregierung vom 19. Juli 1994, mit der ein Landesentwicklungsprogramm erlassen wird (Burgenländisches Landesentwicklungsprogramm - in der Folge: Bgld. LEP 1994), LGBl. 48, im Sinne des §7 Abs2 des Gesetzes vom 20. März 1969 über die Raumplanung im Burgenland (Burgenländisches Raumplanungsgesetz - in der Folge: Bgld. RPlG), LGBl. 18, nicht berücksichtigt habe.

Schließlich bekräftigt der Beschwerdeführer im Anlassverfahren die Argumente seiner Beschwerde hinsichtlich der behaupteten Gesetzwidrigkeit der in Prüfung gezogenen Verordnung.

5. Die Burgenländische Landesregierung legte weitere Verordnungsakten vor und erstattete eine Äußerung, in der sie den Ausspruch beantragt, dass die in Prüfung gezogene Verordnung gesetzeskonform ist:

Auszugsweise lautet ihre Äußerung wie folgt (Hervorhebungen nicht übernommen):

"...

Unter der 'Berücksichtigung der jeweiligen örtlichen Gegebenheiten' [iSd Punktes 3.3. der Anlage A zum Bgld. LEP 1994] ist aus raumplanerischer Sicht jedenfalls die Berücksichtigung der typischen charakteristischen Orts- und Bebauungsstruktur zu verstehen. Demzufolge kommt der Erhaltung der typischen charakteristischen Orts- und Bebauungsstruktur der Gemeinde Pama als Angerdorf mit geschlossener Bebauungsstruktur erhöhte Bedeutung zu. Die Erhaltung der charakteristischen Orts- und Bebauungsstruktur vor allem in den Ortskernen ist auch ein wesentliches Ziel der seit mehr als zwei Jahrzehnten erfolgreichen 'Dorferneuerung Burgenland'.

Die Schaffung von Ausnahmen im Hinblick auf die Situierung der Gebäude durch Genehmigung von Bauten abseits der Straßenfluchtlinie (zusätzlich zu den ein oder zwei bestehenden 'atypischen' Ausnahmen), würde sich aus raumplanungsfachlicher Sicht störend auf die bestehende charakteristische Orts- und Bebauungsstruktur auswirken.

Im betreffenden Fall ist klar ersichtlich und im Luftbild [...] überprüfbar, dass die Anordnung der Gebäudefronten unmittelbar an der Straße deutlich überwiegend vorhanden sowie typisch und charakteristisch für die 'örtliche Gegebenheit' ist (zwingende Baulinie an der Straßenfluchtlinie). Dies geht auch aus der Fotodokumentation im Erläuterungsbericht hervor, demzufolge die Zahl jener Gebäude an der Straßenfluchtlinie gegenüber den Gebäuden mit Vorgärten deutlich überwiegen.

Es handelt sich hierbei um ein generelles Charakteristikum der Straßen- und Angerdörfer im nördlichen und mittleren Burgenland. Während neue Siedlungsgebiete am Ortsrand überwiegend offene Bebauungsstrukturen mit Vorgärten aufweisen, ist für den Ortskern an der Hauptstraße die geschlossene Bebauungsstruktur ohne Vorgärten charakteristisch. Das [...] Grundstück [des Beschwerdeführers im Anlassverfahren] liegt im Ortskern an der historischen Durchzugsstraße der Gemeinde Pama. Dieser Bereich um d[ieses ...] Grundstück wurde auch als Ortskern gemäß dem Burgenländischen Wohnbauförderungsgesetz 2005, idgF, ausgewiesen.

Gerade durch die Festlegung der Straßenfluchtlinie als zwingende Baulinie wird dem Punkt 3.3. [der Anlage A zum Bgld.] LEP [1994] ('Berücksichtigung der jeweiligen örtlichen Gegebenheiten') entsprochen und der geschlossene Eindruck gemäß der historischen typischen Orts- und Bebauungsstruktur bewahrt und auch wiederhergestellt. Die Gemeinde Pama hat von der Möglichkeit der Erlassung der Bebauungsrichtlinien Gebrauch gemacht, um den geschlossenen typischen Gesamtcharakter des Ortskerns zu erhalten aber auch punktuell wiederherzustellen, zumal im gegenständlichen Fall bereits ein Gebäude an der Straßenfluchtlinie vorhanden war und dieses in der Folge abgerissen wurde. Die Aufhebung des §3 Abs1 der oa Bebauungsrichtlinien würde auch bei anderen Bauvorhaben ein Abrücken von der Straßenfluchtlinie bewirken, womit das Ziel der Gemeinde, nämlich die Errichtung von Gebäuden gemäß dem Verlauf der typischen geschlossenen Bebauungsstruktur an der vorderen Straßenfluchtlinie (= vordere Baulinie) klar verfehlt würde.

..."

6. Sowohl der Beschwerdeführer im Anlassverfahren als auch der Gemeinderat der Gemeinde Pama legten weitere Unterlagen zur Untermauerung ihrer Standpunkte vor.

III. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:

1. Die vorläufigen Annahmen des Verfassungsgerichtshofes, dass die zu B1325/07 protokollierte Beschwerde zulässig ist und dass die in Prüfung gezogene Bestimmung bei der Behandlung der Beschwerde präjudiziell ist, haben sich als zutreffend erwiesen.

Da auch die sonstigen Prozessvoraussetzungen vorliegen, ist das Verordnungsprüfungsverfahren zulässig.

2. Das im Prüfungsbeschluss gegen die in Prüfung gezogene Bestimmung geäußerte Bedenken trifft hingegen nicht zu:

2.1. Der Verfassungsgerichtshof hegte das Bedenken, dass die in Prüfung gezogene Bestimmung - entgegen §2 Abs1 Bgld. LEP 1994 (vgl. §10 Abs1 sowie §25a Abs4 iVm §23 Abs6 Bgld. RplG) - dem Bgld. LEP 1994 widerspricht, weil bei ihrer Erlassung die "jeweiligen örtlichen Gegebenheiten" iSd Punktes 3.3. der Anlage A zum LEP 1994 nicht berücksichtigt worden seien, indem für jegliches Bauvorhaben (nicht nur für Neubauten sondern auch für Zubauten) ausnahmslos die Straßenfluchtlinie als zwingende (vordere) Baulinie festgelegt wurde, obwohl bereits vor der Erlassung der Bebauungsrichtlinien der Gemeinde Pama bekannt war, dass (vereinzelt) Objekte nicht an der Straßenfluchtlinie errichtet sind, weshalb diese der in Prüfung gezogenen Bestimmung nicht entsprechen.

Sowohl der verordnungserlassenden Behörde als auch der Burgenländischen Landesregierung ist zuzustimmen, wenn sie darauf hinweisen, dass es für die Berücksichtigung der "jeweiligen örtlichen Gegebenheiten" iSd Punktes 3.3. der Anlage A zum Bgld. LEP 1994 bei der Erlassung von Bebauungsrichtlinien auf die typische und charakteristische Orts- und Bebauungsstruktur ankommt. Die Berücksichtigung vereinzelter Ausnahmen und das Vorsehen einer Ausnahmebestimmung für Zubauten sind dabei nicht geboten und würden dem Ziel der Erhaltung und Wiederherstellung dieser Strukturen zuwiderlaufen.

2.2. Es war daher auszusprechen, dass die in Prüfung gezogene Bestimmung nicht als gesetzwidrig aufgehoben wird.

3. Kosten waren nicht zuzusprechen, weil in Verfahren zur Prüfung der Gesetzmäßigkeit von Verordnungen gemäß §§57 ff VfGG ein Kostenersatz nur in dem - hier nicht gegebenen - Fall des §61a VfGG in Betracht kommt.

4. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

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