VfGH V4/01

VfGHV4/0113.6.2001

Gesetzwidrigkeit der auf dem Kapitaldeckungssystem aufbauenden Zusatzpensionsregelung der Satzung der Versorgungseinrichtung der Rechtsanwaltskammer für Kärnten bis zur Novellierung der RAO durch das Rechtsanwalts-Berufsrechts-ÄnderungsG 1999

Normen

B-VG Art18 Abs2
RAO §§49 ff
Satzung der Versorgungseinrichtung der Rechtsanwaltskammer für Kärnten Teil B
B-VG Art18 Abs2
RAO §§49 ff
Satzung der Versorgungseinrichtung der Rechtsanwaltskammer für Kärnten Teil B

 

Spruch:

Die Ergänzung der Satzung der Versorgungseinrichtung der Rechtsanwaltskammer für Kärnten, Teil B: Zusatzpension, in der Fassung des Beschlusses der außerordentlichen Plenarversammlung der Rechtsanwaltskammer für Kärnten vom 4. Juni 1997, kundgemacht im Anwaltsblatt 1997, S 544 und 545, genehmigt mit Bescheid des Bundesministers für Justiz vom 19. August 1997, war bis zum Ablauf des 31. Mai 1999 gesetzwidrig.

Der Bundesminister für Justiz ist zur unverzüglichen Kundmachung dieses Ausspruches im Bundesgesetzblatt II verpflichtet.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1.1. Die §§49 - 53 RAO lauteten vor Inkrafttreten des Bundesgesetzes, mit dem die Rechtsanwaltsordnung, das Rechtsanwaltstarifgesetz, das Rechtsanwaltsprüfungsgesetz und das Disziplinarstatut 1990 geändert werden (Rechtsanwalts-Berufsrechts-Änderungsgesetz 1999), BGBl. I 1999/71, (auszugsweise) wie folgt:

"§49. (1) Die Rechtsanwaltskammern haben Einrichtungen zur Versorgung ihrer Mitglieder für den Fall des Alters und der Berufsunfähigkeit sowie zur Versorgung der Hinterbliebenen für den Fall des Todes des Mitgliedes mit einer zu beschließenden Satzung zu schaffen und aufrechtzuerhalten.

(2) ...

(3) ...

§50. (1) Jeder Rechtsanwalt und seine Hinterbliebenen haben bei Vorliegen der Voraussetzungen und bei Eintritt des Versorgungsfalls Anspruch auf Alters-, Berufsunfähigkeits- und Hinterbliebenenversorgung.

(2) Dieser Anspruch ist in den Satzungen der Versorgungseinrichtungen nach festen Regeln festzusetzen. Hierbei sind folgende Grundsätze zu beachten:

1. Anspruchsberechtigt sind nur Rechtsanwälte, die zur Zeit des Eintritts des Versorgungsfalls in die Liste einer österreichischen Rechtsanwaltskammer eingetragen gewesen sind, sowie die Witwe beziehungsweise der Witwer (der geschiedene Ehegatte) und die Kinder eines Rechtsanwalts, der im Zeitpunkt seines Todes in die Liste einer österreichischen Rechtsanwaltskammer eingetragen gewesen ist oder einen Anspruch auf eine Versorgungsleistung gehabt hat.

2. Voraussetzungen für den Anspruch sind

a) die Eintragung in der Liste einer österreichischen Rechtsanwaltskammer durch insgesamt zehn Jahre; diese Frist erhöht sich auf fünfzehn Jahre, wenn der Rechtsanwalt erstmals nach Vollendung seines 50. Lebensjahrs eingetragen worden ist. Für den Fall der Altersversorgung muß der Rechtsanwalt mindestens fünf Jahre ohne Unterbrechung unmittelbar vor Eintritt des Versorgungsfalls eingetragen gewesen sein. Die Frist von zehn Jahren vermindert sich für den Fall der Berufsunfähigkeits- und der Hinterbliebenenversorgung auf fünf Jahre, wenn der Rechtsanwalt erstmals vor Vollendung seines 50. Lebensjahrs eingetragen worden ist;

b) im Fall der Altersversorgung die Vollendung des 68. Lebensjahrs;

c) im Fall der Alters- und der Berufsunfähigkeitsversorgung der Verzicht auf die Ausübung der Rechtsanwaltschaft;

d) im Fall der Witwen(Witwer-)versorgung, daß die Ehe vor Vollendung des 65. Lebensjahrs des verstorbenen Rechtsanwalts geschlossen worden ist, es sei denn, daß der Altersunterschied zwischen dem verstorbenen Rechtsanwalt und der Witwe beziehungsweise dem Witwer weniger als 30 Jahre beträgt oder daß der Ehe Kinder entstammen;

e) im Fall der Versorgung des geschiedenen Ehegatten, daß

aa) der verstorbene Rechtsanwalt zur Zeit des Todes Unterhalt (einen Unterhaltsbeitrag) auf Grund eines gerichtlichen Urteils, eines gerichtlichen Vergleichs oder einer vor Auflösung der Ehe eingegangenen vertraglichen Verpflichtung zu leisten hatte, sofern und solange der geschiedene Ehegatte nicht eine neue Ehe geschlossen hat,

bb) das auf Scheidung lautende Urteil den Ausspruch nach §61 Abs3 Ehegesetz enthält,

cc) die Ehe mindestens fünfzehn Jahre gedauert und

dd) der Ehegatte im Zeitpunkt des Eintritts der Rechtskraft des Urteils auf Auflösung der Ehe das 40. Lebensjahr vollendet hat.

Die unter litdd) genannte Voraussetzung entfällt, wenn der Ehegatte seit dem Zeitpunkt des Eintritts der Rechtskraft des Urteils erwerbsunfähig ist oder nach dem Tod des Rechtsanwalts eine Waisenrente im Sinn der Z1 anfällt, sofern dieses Kind aus der aufgelösten Ehe stammt oder von den Ehegatten gemeinsam an Kindes Statt angenommen worden ist und das Kind in allen diesen Fällen im Zeitpunkt des Todes des Rechtsanwalts ständig in Hausgemeinschaft mit dem anspruchsberechtigten Ehegatten lebt. Das Erfordernis der ständigen Hausgemeinschaft entfällt bei nachgeborenen Kindern.

3. Jeder Versorgungsanspruch wird mit Ablauf des Monats wirksam, in dem alle Voraussetzungen des betreffenden Anspruchs erfüllt sind.

4. Der Versorgungsanspruch der Witwe beziehungsweise des Witwers (des geschiedenen Ehegatten) endet mit ihrer Wiederverehelichung.

5. Der Versorgungsanspruch des Kindes endet mit dem der Vollendung des 19. Lebensjahres folgenden Jahresletzten; im Fall einer darüber hinausgehenden ordnungsgemäßen Berufsausbildung mit deren Abschluß, spätestens jedoch mit dem letzten Tag des Jahres, in dem das Kind das 26. Lebensjahr vollendet hat.

(3) In den Satzungen der Versorgungseinrichtungen können auch über die im Abs2 festgelegten Grundsätze hinausgehende, für die Versorgungsberechtigten günstigere Regelungen festgesetzt werden. Dabei ist jedoch auf die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Kammermitglieder Bedacht zu nehmen.

§51. Die Plenarversammlung der Rechtsanwaltskammer hat eine Leistungsordnung und alljährlich eine Umlagenordnung zu beschließen. In der Leistungsordnung ist die Höhe der von der Versorgungseinrichtung zu erbringenden Leistungen festzusetzen, in der Umlagenordnung die Höhe der Beiträge zur Aufbringung der dazu notwendigen Mittel.

§52. (1) Der Mindestanspruch aus der Versorgungseinrichtung entspricht den nach §293 Abs1 und 2 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes, BGBl Nr 189/1955, in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl Nr 31/1973 jeweils geltenden Richtsätzen. Er erhöht sich für jedes vollendete Jahr, das der Rechtsanwalt länger als die Mindestzeit (§50 Abs2 Z2) eingetragen gewesen ist, um 1 vH dieser Richtsätze.

(2) Sind nach einem Rechtsanwalt zwei oder mehrere Personen mit Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung vorhanden, so darf die Summe der Leistungen für diese Anspruchsberechtigten nicht höher sein als die Leistung, auf die der Rechtsanwalt selbst Anspruch hätte. Innerhalb dieses Höchstausmaßes sind die Leistungen an die einzelnen Anspruchsberechtigten verhältnismäßig zu kürzen.

(3) Erreicht die Summe der in einem Kalenderjahr von der Versorgungseinrichtung erbrachten Leistung nicht mindestens die Höhe des der betreffenden Rechtsanwaltskammer zukommenden Teiles der Pauschalvergütung, so ist der unter Berücksichtigung des §53 Abs1 zweiter Satz verbleibende Rest dieses Teiles auf die Anspruchsberechtigten im Verhältnis ihrer Ansprüche aus den Abs1 und 2 aufzuteilen.

(4) Die Leistungsordnung kann über die vorstehenden Bestimmungen hinausgehende Leistungen, besonders höhere Versorgungsleistungen und Todfallsbeiträge, vorsehen, um den Anspruchsberechtigten eine den durchschnittlichen Lebensverhältnissen eines Rechtsanwalts angemessene Lebensführung zu ermöglichen. Bei der Bemessung solcher zusätzlicher Leistungen ist jedoch auf die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Kammermitglieder Bedacht zu nehmen.

§53. (1) Die Umlagenordnung hat die Beiträge für die Versorgungseinrichtung so zu bemessen, daß unter Berücksichtigung des der betreffenden Rechtsanwaltskammer zukommenden Teiles der Pauschalvergütung die für die Versorgungseinrichtung erforderlichen Mittel aufgebracht werden. Die Umlagenordnung kann jedoch bestimmen, daß jährlich eine Rücklage von höchstens 5 vH der erforderlichen Mittel angelegt wird, doch darf die Rücklage nie mehr als 120 vH der jährlich erforderlichen Mittel übersteigen.

(2) Die Beiträge sind für alle Kammermitglieder gleich hoch zu bemessen. Die Umlagenordnung kann jedoch bestimmen, daß

1. Kammermitglieder, die bereits die Voraussetzungen zur Inanspruchnahme der Versorgungseinrichtung erfüllen, Leistungen aus dieser jedoch nicht in Anspruch nehmen, von der Leistung der Umlage ganz oder teilweise befreit werden;

2. die Höhe der Umlagen nach Alter, Geschlecht und Dauer der Standeszugehörigkeit der Rechtsanwälte abgestuft wird;

3. Umlagen in berücksichtigungswürdigen Fällen gestundet und allfällige Rückstände mit den Leistungen aus der Versorgungseinrichtung aufgerechnet werden."

1.2. Mit Inkrafttreten des Rechtsanwalts-Berufsrechts-Änderungsgesetzes 1999 (1. Juni 1999), BGBl. I 1999/71, wurden die §§50 - 53 RAO wie folgt novelliert:

"23. Im §50 wird der Abs3 durch folgende Abs3 bis 5 ersetzt:

'(3) In den Satzungen der Versorgungseinrichtungen können auch über die im Abs2 festgelegten Grundsätze hinausgehende, für die Versorgungsberechtigten günstigere Regelungen festgesetzt werden, insbesondere ein günstigeres Anfallsalter sowie günstigere Wartezeiten; bei der Berufsunfähigkeits- und Hinterbliebenenversorgung kann auf das Erfordernis der Wartezeit ganz verzichtet werden. Die Satzungen können auch vorsehen, daß ehemalige Rechtsanwälte sowie deren Hinterbliebene bei Weiterentrichtung von Beiträgen in die Versorgungseinrichtung, bei deren Höhe der Entfall der Erbringung von Verfahrenshilfeleistungen zu berücksichtigen ist, anspruchsberechtigt bleiben. Zusätzlich zu den auf dem Umlagesystem beruhenden Versorgungseinrichtungen können in den Satzungen auch nach dem Kapitaldeckungsverfahren gestaltete Versorgungseinrichtungen geschaffen werden, bei denen die Versorgungsansprüche ausschließlich nach den eingezahlten Beträgen und Prämien berechnet werden, auf das Erfordernis der Wartezeit ganz verzichtet werden kann und der Verzicht auf die Ausübung der Rechtsanwaltschaft keine Anspruchsvoraussetzung ist.

(4) Die Rechtsanwaltskammern können auch Einrichtungen zur Versorgung ihrer Mitglieder und deren Angehörigen sowie sonstiger Personen, die Leistungen aus der Versorgungseinrichtung (§49) beziehen, für den Fall der Krankheit schaffen, die die Voraussetzungen des §5 GSVG erfüllen. Diese Einrichtungen können auch in einer von der Rechtsanwaltskammer abgeschlossenen vertraglichen Gruppenversicherung bestehen.

(5) Bei der Bemessung von zusätzlichen Leistungen nach Abs3 und 4 ist auf die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Kammermitglieder Bedacht zu nehmen.'

24. Im §51 lautet der erste Satz:

'Die Plenarversammlung der Rechtsanwaltskammer hat alljährlich eine Leistungsordnung und eine Umlagenordnung zu beschließen.'

25. §52 Abs4 lautet:

'(4) Die Leistungsordnung kann über die vorstehenden Bestimmungen hinausgehende Leistungen vorsehen, besonders höhere Versorgungsleistungen, um den Anspruchsberechtigten eine den durchschnittlichen Lebensverhältnissen eines Rechtsanwalts angemessene Lebensführung zu ermöglichen, sowie angemessene Todfallsbeiträge und Abfindungsleistungen. Sie kann auch nach der Dauer der Eintragung in die Liste einer Rechtsanwaltskammer oder der Dauer der Beitragszahlung in eine Versorgungseinrichtung einer Rechtsanwaltskammer oder dem Zeitpunkt der Inanspruchnahme der Versorgungsleistung abgestufte Leistungen vorsehen. Bei der Bemessung solcher zusätzlicher Leistungen ist jedoch auf die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Kammermitglieder Bedacht zu nehmen.'

26. Im §53 Abs1 werden

a) der Hundertsatz '5 vH' durch den Hundertsatz '20 vH' und der Hundertsatz '120 vH' durch den Hundertsatz '200 vH' ersetzt;

b) folgender letzter Satz angefügt:

'Diese Regeln gelten nicht für eine Versorgungseinrichtung nach dem Kapitaldeckungsverfahren.'"

1.3. Teil B der Satzung der Versorgungseinrichtung der Rechtsanwaltskammer für Kärnten, idF des Beschlusses der außerordentlichen Plenarversammlung der Rechtsanwaltskammer für Kärnten vom 4. Juni 1997, lautet:

"§1

Pflichtversicherung

(1) Die Bestimmungen der Satzung der Versorgungseinrichtung der Rechtsanwaltskammer für Kärnten für die Zusatzpension stellen eine Pflichtversicherung für alle in der Rechtsanwaltskammer für Kärnten eingetragenen Rechtsanwälte dar,

a) die am 01.01.1998 als Rechtsanwälte in die Liste der Rechtsanwaltskammer eingetragen waren,

b) die nach dem 01.01.1998 in die Liste der Rechtsanwälte der Rechtsanwaltskammer für Kärnten eingetragen werden.

(2) Ausgenommen sind jene Rechtsanwälte, die am 01.01.1998 in die Liste der Rechtsanwaltskammer für Kärnten eingetragen waren, in diesem Zeitpunkt jedoch das 65. Lebensjahr bereits überschritten haben.

§2

Beiträge

(1) Die von den Rechtsanwälten für die Zusatzpension zu leistenden Beiträge werden alljährlich durch die Umlagenordnung festgesetzt.

(2) Für das Jahr 1998 beträgt der Jahresbeitrag jedes Rechtsanwaltes S 40.000,--.

(3) Eine Herabsetzung dieses Jahresbeitrages ist nur mit qualifizierter Mehrheit der Plenarversammlung, das ist mit einer Anwesenheit von mindestens 1/5 der Kammermitglieder und mit einer Mehrheit von 2/3 zulässig, wobei die Herabsetzung in der Einladung zur Plenarversammlung bereits angekündigt sein muss.

(4) Über Antrag sind Rechtsanwälte von der Leistung von Beiträgen zur Zusatzpension zur Gänze zu befreien,

a) die am 1.1.1998 das 60. Lebensjahr erreicht oder überschritten haben, oder

b) die Beiträge zu einer sozialversicherungsrechtlichen Altersversorgung leisten.

(5) Auf Antrag können Rechtsanwälte von der Leistung von Beiträgen bis auf 2/5 des ordentlichen Betrages befreit werden

a) für das Jahr der Ersteintragung und das folgende Kalenderjahr,

b) wenn ihr jährlicher Einnahmenüberschuss vor Steuern im vorangegangenen Kalenderjahr S 500.000,-- nicht überstiegen hat.

(6) Über die Befreiungs- und Herabsetzungsanträge entscheidet der Ausschuss der Rechtsanwaltskammer für Kärnten mit Bescheid.

§3

Leistungen

(1) Die Leistungen aus der Zusatzpension sind alljährlich in der Leistungsordnung durch die Plenarversammlung festzusetzen.

(2) Die Leistungen sind nach dem Kapitaldeckungsverfahren unterschiedlich für alle Leistungsbezieher nach deren erworbenen Anwartschaften festzulegen.

(3) Über die Leistungen dem Grunde und der Höhe nach entscheidet über Antrag oder von Amts wegen der Ausschuss der Rechtsanwaltskammer Kärnten durch Bescheid.

§4

Anwendung anderer Satzungsbestimmungen

(1) Von den Bestimmungen der Satzung der

Versorgungseinrichtung der Rechtsanwaltskammer für Kärnten (Fassung

1995) sind nachstehende Bestimmungen n i c h t anzuwenden:

§ 4: Aufbringung der Mittel

§ 5: Wartezeit

§11: Abfertigung

§12: Außerordentliche Unterstützungen

§13: Freiwillige Weiterversicherung

§14: Höhe der Leistungen

§15: Mehrere Rechtsanwaltskammern

§18: Übergangsbestimmungen

(2) Alle übrigen Bestimmungen der Satzung der Versorgungseinrichtung der Rechtsanwaltskammer für Kärnten sind zumindest sinngemäß auch auf die Zusatzpension anzuwenden."

II. 1. Beim Verfassungsgerichtshof ist zu B734/98 eine auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde eines Rechtsanwaltes anhängig, die sich gegen einen im Instanzenzug ergangenen Bescheid des (Voll-)Ausschusses der Rechtsanwaltskammer für Kärnten wendet, mit welchem ein Antrag des Beschwerdeführers, ihn von der Leistung von Beiträgen zur sog. "Zusatzpension neu" mit Rücksicht auf bereits privat abgeschlossene Pensions-, Kranken- und Unfallversicherungen zu befreien, (rechtskräftig) abgewiesen wurde.

2. Aus Anlaß der Beratung dieser Beschwerde beschloß der Verfassungsgerichtshof am 10. Oktober 2000, von Amts wegen ein Verfahren gemäß Art139 Abs1 B-VG zur Prüfung der Gesetzmäßigkeit der Ergänzung der Satzung der Versorgungseinrichtung der Rechtsanwaltskammer für Kärnten, Teil B: Zusatzpension, in der Fassung des Beschlusses der außerordentlichen Plenarversammlung der Rechtsanwaltskammer für Kärnten vom 4. Juni 1997, einzuleiten.

2.1. Zur Zulässigkeit des Verordnungsprüfungsverfahrens führte der Verfassungsgerichtshof in seinem Prüfungsbeschluß aus:

"Gegenstand des angefochtenen Bescheides ist ein Antrag auf Befreiung von der Beitragsleistung zur 'Zusatzpension neu'. §2 Abs4 des Teiles B der Satzung der Versorgungseinrichtung für Kärnten normiert eine Befreiung von der Pflicht zur Beitragszahlung, was einer Befreiung vom gesamten Teil B dieser Satzung gleichkommt.

Der Verfassungsgerichtshof nimmt vorläufig an, daß der gesamte Teil B der Satzung präjudiziell ist: Da der angefochtene Feststellungsbescheid über das Vorliegen einer Ausnahme ergangen ist, dürfte für diese Entscheidung nicht nur die Bestimmung über die Ausnahme, sondern der gesamte Verordnungsinhalt des Teils B der Satzung der Versorgungseinrichtung präjudiziell sein, von dem die Ausnahme gemacht wird (in diesem Zusammenhang ist etwa auf die Rechtsprechung in VfSlg. 11190/1986, 12635/1991 hinzuweisen, worin festgehalten wird, daß ohne den Grundtatbestand der Ausnahmetatbestand nicht anwendbar sei).

Es ist auch nichts hervorgekommen, was am Vorliegen der übrigen Prozeßvoraussetzungen zweifeln ließe. Das Verordnungsprüfungsverfahren dürfte sohin zulässig sein."

2.2. Seine Bedenken gegen die in Prüfung gezogene Verordnung umschrieb der Verfassungsgerichtshof wie folgt:

"Nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes ist die inhaltliche Gesetzmäßigkeit von Verordnungen bezogen auf jenen Zeitpunkt zu prüfen, in dem sie angewendet wurden oder anzuwenden waren (VfSlg. 12755/1991 mwH). Die in Prüfung gezogene Verordnung ist an jener Rechtslage zu messen, von der die belangte Behörde bei Erlassung des angefochtenen Vorstellungsbescheides auszugehen hatte. Im vorliegenden Fall ist es die Rechtslage, die zum 24. Februar 1998 - dem Tag der Zustellung des angefochtenen Bescheides an den Beschwerdeführer - bestanden hat.

Als Maßstab für die inhaltliche Gesetzmäßigkeit der in Prüfung gezogenen Verordnung dürften daher die unter Punkt I.2.1. wiedergegebenen Bestimmungen der §§49 - 53 RAO idF vor der Novellierung der RAO durch das Rechtsanwalts-Berufsrechts-Änderungsgesetz 1999, BGBl. I 1999/71, in Betracht kommen. Die folgenden Bezugnahmen auf Bestimmungen der RAO betreffen daher diese präjudizielle Fassung.

...

Die Bestimmungen der §§49 und 50 RAO treffen nun keine ausdrückliche Entscheidung, für welches System der Altersversorgung - Kapitaldeckungssystem oder Umlagesystem - nähere Regelungen im Verordnungswege über den Anspruch auf Alters-, Berufsunfähigkeits- und Hinterbliebenenversorgung getroffen werden sollen. Auch dürfte sich keine andere Bestimmung der RAO, idF vor der Novellierung durch das Bundesgesetz BGBl. I 1999/71, explizit auf ein bestimmtes System festlegen.

Nach der Bestimmung des §53 Abs1 RAO idF vor der Novellierung durch das Bundesgesetz, BGBl. I 1999/71, sind durch die Umlagenordnung die Beiträge für die Versorgungseinrichtung so zu bemessen, daß unter Berücksichtigung des der betreffenden Rechtsanwaltskammer zukommenden Teils der Pauschalvergütung die für die Versorgungseinrichtung erforderlichen Mittel aufgebracht werden. Die Umlagenordnung kann jedoch die Bildung einer Rücklage von jährlich höchstens 5 vH der erforderlichen Mittel vorsehen, wobei die Rücklage nie mehr als 120 vH der jährlich erforderlichen Mittel übersteigen darf.

Der Verfassungsgerichtshof nimmt vorläufig an, daß sich jedoch aus dieser Regelung eine Systementscheidung des Gesetzgebers für das Umlagesystem ergeben dürfte, weil sie ausschließlich auf ein nach einem derartigen System eingerichtetes Pensionsmodell abstellt:

So ist es den auf dem Kapitaldeckungssystem beruhenden Pensionsmodellen völlig fremd, solche Reserven in einer eingeschränkten Weise, wie sie in §53 Abs1 RAO aF vorgesehen waren, zu bilden. Es ist diesen Systemen vielmehr immanent, die entrichteten Beiträge generell und uneingeschränkt zu ihrer Verwaltung für bestimmte Zeiträume 'zurückzustellen', mit dem Ziel, sie gewinnbringend zu veranlagen und sie mit den Erträgen ab dem Pensionsanfall auszubezahlen. Daß diese Regelung mit einem auf dem Kapitaldeckungssystem beruhenden Pensionsmodell nicht vereinbar sein - vielmehr ein derartiges System ausschließen - dürfte, erhellt auch der Umstand, daß sich der Gesetzgeber im Rechtsanwalts-Berufsrechts-Änderungsgesetz 1999, BGBl. I 1999/71, ausdrücklich anzuordnen gehalten sah, die Regelung des ersten und zweiten Satzes in §53 Abs1 RAO habe nicht für jene Versorgungseinrichtungen zu gelten, die nach dem Kapitaldeckungssystem einzurichten seien.

Teil B der Satzung der Versorgungseinrichtung für Kärnten dürfte sohin nicht in Ausführung einer in den §§49 - 53 RAO (idF vor Inkrafttreten des Rechtsanwalts-Berufsrechts-Änderungsgesetzes 1999) getroffenen Regelung ergangen sein. Die Verordnung scheint vielmehr - bezogen auf diese präjudizielle Fassung der RAO - neues selbständiges Recht zu enthalten. Es läßt sich auch keine andere gesetzliche Vorschrift finden, als deren Ausführung sie gewertet werden könnte. Damit besteht aber das Bedenken, daß die Verordnung dem Art18 Abs2 B-VG widerspricht."

3. In diesem Verfahren hat die Rechtsanwaltskammer für Kärnten als verordnungserlassende Behörde eine Äußerung erstattet.

Darin wird die Annahme der Gesetzmäßigkeit des Teils B der Satzung der Versorgungseinrichtung auch für den Zeitraum vor Inkrafttreten des Rechtsanwalts-Berufsrechts-Änderungsgesetzes 1999 im wesentlichen damit begründet, daß es sich bei dieser Verordnung inhaltlich nur um eine Ausweitung der gesetzlich aufgetragenen Vorsorgeverpflichtung handle und diese Satzungsergänzung sich im Rahmen der den Rechtsanwaltskammern obliegenden Selbstverwaltung bewege. Beim Versorgungsauftrag der RAO durch Schaffung von Versorgungseinrichtungen, die auf dem Umlagesystem gegründet sind, handle es sich bloß um einen Mindestversorgungsauftrag, der nicht ausschließe, daß höhere Vorsorgen unter Bedachtnahme auf die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Kammermitglieder geschaffen werden.

4. Der in diesem Verfahren gleichfalls befaßte Bundesminister für Justiz, welcher die von der außerordentlichen Plenarversammlung der Rechtsanwaltskammer für Kärnten vom 4. Juni 1997 beschlossene Ergänzung der Versorgungseinrichtung mit Bescheid vom 19. August 1997 gemäß §27 Abs5 RAO genehmigt hatte, gab ebenfalls eine Stellungnahme ab.

Darin wird im wesentlichen ausgeführt, es sei mit dem Wortlaut des §50 Abs3 RAO idF des BG, BGBl. 1993/21, vereinbar, daß eine auf dem Kapitaldeckungssystem aufbauende Zusatzpensionsregelung eingeführt werde. Es handle sich dabei lediglich um die Einführung von günstigeren (höheren) Versorgungsleistungen über die Grundleistungen nach dem Allgemeinen Teil der Satzung der Versorgungseinrichtung hinaus, wobei insbesondere auch auf die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Kammerangehörigen Bedacht genommen worden sei.

III. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:

1. Im Verfahren ist weder vorgebracht worden noch sonst hervorgekommen, daß die vorläufige Annahme des Verfassungsgerichtshofes über die Zulässigkeit der Beschwerde und über die Präjudizialität der in Prüfung gezogenen Verordnung unzutreffend wäre.

Da auch die übrigen Prozeßvoraussetzungen vorliegen, ist das Verordnungsprüfungsverfahren zulässig.

2. Im Verordnungsprüfungsverfahren ist nichts hervorgekommen, das geeignet wäre, die im Prüfungsbeschluß aufgeworfenen Bedenken des Verfassungsgerichtshofes ob der Gesetzmäßigkeit des Teils B der Satzung der Versorgungseinrichtung für Kärnten zu zerstreuen:

Die Stellungnahmen der Rechtsanwaltskammer für Kärnten und des Bundesministers für Justiz laufen darauf hinaus, daß es sich bei der Einführung des Teils B um eine inhaltlich günstigere Regelung der Pensionsvorsorge handle bzw. lediglich um eine Ausweitung der gesetzlich aufgetragenen Vorsorgeverpflichtung, die im System der RAO (auch für den Zeitraum vor Inkrafttreten des BG, BGBl. I 1999/71) - insbesondere in der Regelung des §50 Abs3 RAO idF des BG, BGBl. 1993/21 - ihre gesetzliche Grundlage finde.

Dem ist entgegenzuhalten, daß der Verfassungsgerichtshof im Prüfungsbeschluß nicht das Bedenken hegte, die Einführung der Zusatzpension neu sei von den Bestimmungen der RAO (bloß) nicht gedeckt, sondern darüber hinausgehend vorläufig annahm, daß die Einführung eines auf dem Kapitaldeckungssystem beruhenden Vorsorgemodells im Widerspruch zur - hier maßgeblichen (vgl. dazu die zutreffenden, unter Punkt II.2.2. wiedergegebenen Ausführungen des Prüfungsbeschlusses) - Gesetzeslage der RAO vor Inkrafttreten des Rechtsanwalts-Berufsrechts-Änderungsgesetzes 1999 steht. Dieses Bedenken konnte im Prüfungsverfahren nicht entkräftet werden. Vor diesem Hintergrund läuft die Argumentation ins Leere, §50 Abs3 RAO idF des BG, BGBl. 1993/21, sei geeignet, im Hinblick auf Art18 B-VG die erforderliche gesetzliche Grundlage für den Teil B der Satzung der Versorgungseinrichtung der Rechtsanwaltskammer für Kärnten zu schaffen.

Auch aus dem Hinweis der verordnungserlassenden Behörde, daß diese "Satzungsergänzung" im (zulässigen) Rahmen der den Rechtsanwaltskammern obliegenden Selbstverwaltung erfolgt sei, ist aufgrund des Vorgesagten für den Standpunkt der verordnungserlassenden Behörde nichts zu gewinnen, denn auch die Organe der Selbstverwaltungskörper sind nach ständiger Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes zur Erlassung von Verordnungen nur "auf Grund der Gesetze" iS des Art18 B-VG befugt (VfSlg. 3993/1961, 4886/1964, 7903/1976, 13464/1993).

Da mit der Novellierung der RAO durch das Rechtsanwalts-Berufsrechts-Änderungsgesetz 1999 für Satzungen der Versorgungseinrichtungen der einzelnen Rechtsanwaltskammern, die eine zusätzliche Vorsorge nach dem Kapitaldeckungssystem normieren, nunmehr eine gesetzliche Grundlage geschaffen wurde, war daher auszusprechen, daß die Ergänzung der Satzung der Versorgungseinrichtung der Rechtsanwaltskammer für Kärnten, Teil B:

Zusatzpension, bis zum Inkrafttreten dieser RAO-Novelle gesetzwidrig war (vgl. VfSlg. 5824/1968, 6597/1971, 12325/1990 sowie VfSlg. 5813/1968, S 656, VfSlg. 8329/1978, S 409).

3. Der Ausspruch der Verpflichtung zur Kundmachung stützt sich auf Art139 Abs5 B-VG.

4. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG 1953 in nichtöffentlicher Sitzung ohne vorangegangene mündliche Verhandlung getroffen werden.

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