VfGH V24/2016

VfGHV24/201624.11.2016

Zurückweisung des Individualantrags einer flugmedizinischen Sachverständigen auf Aufhebung bereits außer Kraft getretener Bestimmungen im Zivilluftfahrtpersonal-Hinweis (ACG) in der Fassung 2014 mangels Legitimation; kein Kostenzuspruch

Normen

B-VG Art139 Abs1 Z3
Zivilluftfahrtpersonal-Hinweis (ACG) MED 1 idF Rev 2 vom 05.11.2014
VfGG §61a
B-VG Art139 Abs1 Z3
Zivilluftfahrtpersonal-Hinweis (ACG) MED 1 idF Rev 2 vom 05.11.2014
VfGG §61a

 

Spruch:

I. Der Antrag wird zurückgewiesen.

II. Kosten werden nicht zugesprochen.

Begründung

Begründung

I. Antragvorbringen und Vorverfahren

1. Mit dem auf Art139 Abs1 Z3 B‑VG gestützten Antrag begehrt die Einschreiterin folgende Bestimmungen bzw. Wortfolgen im Zivilluftfahrtpersonal-Hinweis (ACG) Med 1 "Konkretisierung der Bestimmungen für flugmedizinische Sachverständige" in der Fassung Rev. 2 vom 5. November 2014, GZ: LSA320-02/03-14 ("ZPH (ACG) MED 1"), als gesetzwidrig aufzuheben (ohne die Hervorhebungen im Original):

"a) den Abschnitt 4.2.13 'Datenübermittlungsprogramm'

b) im Abschnitt 4.2.14:

- auf Seite 26 im zweiten Absatz von unten den Satz 'EMPIC wird den AMEs von der Austro Control GmbH als Datenerfassungs- und Übermittlungstool für flugmedizinische Tauglichkeitsuntersuchungen zur Verfügung gestellt.'

- und auf Seite 27 im dritten Absatz von oben, vierter Spiegelstrich das Wort 'EMPIC-Zugang';

c) im Abschnitt 4.2.10:

- auf Seite 22 im zweiten Absatz von oben im Satz 'Die Übermittlung der Unterlagen hat ohne Zeitverzögerung und grundsätzlich über das von der Austro Control GmbH zur Verfügung gestellte Datenübertragungssystem EMPIC zu erfolgen, d.h. die oben genannten Dokumente sind einzuscannen und im EMPIC-System dem elektronischen Probandenakt mittels der Dokumentenimportfunktion anzuschließen.' die Wortfolgen 'und grundsätzlich über das von der Austro Control GmbH zur Verfügung gestellte Datenübertragungssystem EMPIC' und 'im EMPIC-System'

- ferner auf Seite 22 im vierten Absatz von unten die Wortfolge 'via EMPIC' und im ersten Absatz von unten die Wortfolge 'im EMPIC',

- und auf Seite 23 im vierten Absatz von oben die Wortfolge 'im EMPIC' sowie im zweiten Absatz von unten auf dieser Seite die Wortfolge 'im EMPIC';

d) im Abschnitt 4.2.11:

- auf Seite 24 in dem fünften Absatz von unten auf dieser Seite im Satz 'Die Übermittlung der Unterlagen hat ohne Zeitverzögerung und grundsätzlich über das von der Austro Control GmbH zur Verfügung gestellte Datenübertragungssystem EMPIC zu erfolgen, d.h. die oben genannten Dokumente sind einzuscannen und im EMPIC-System dem elektronischen Probandenakt mittels der Dokumentenimportfunktion anzuschließen.' die Wortfolgen 'und grundsätzlich über das von der Austro Control GmbH zur Verfügung gestellte Datenübertragungssystem EMPIC und 'im EMPIC-System';

- und auf Seite 25 im dritten Absatz von oben die Wortfolge 'im EMPIC' sowie im sechsten Absatz von oben auf dieser Seite die Wortfolge 'im EMPIC';

e) im Abschnitt 4.2.11:

- auf Seite 20 zweiter Absatz von oben den Satz die 'Die Übermittlung hat grundsätzlich mittels der von der Austro Control GmbH zur Verfügung gestellten Datenübermittlungssoftware (derzeit EMPIC) zu erfolgen.', in eventu in diesem Satz die Wortfolge 'grundsätzlich mittels der von der Austro Control GmbH zur Verfügung gestellten Datenübermittlungssoftware (derzeit EMPIC)', in eventu die Wortfolge 'mittels der von der Austro Control GmbH zur Verfügung gestellten Datenübermittlungssoftware (derzeit EMPIC)';

- auf Seite 19 im letzten Absatz die Wortfolge 'im EMPIC';

- auf Seite 21 vorletzter Absatz die Wortfolge 'im EMPIC' und letzter Absatz die Wortfolge 'sowie im EMPIC';

f) im Abschnitt 4.2.6:

- auf Seite 12 in lita im Satz 'Das Tauglichkeitszeugnis/die Verweigerungsbestätigung ist im EMPIC elektronisch auszufüllen.' die Wortfolge 'im EMPIC elektronisch', in eventu 'im EMPIC' sowie die Wortfolge 'im Programm EMPIC';

- auf Seite 13 im letzten Absatz des Abschnitts im Satz 'Werden die PDF-Druckvorlagen aufgrund eines allfällig aufgetretenen Problems mit EMPIC oder der Internetverbindung verwendet, so sind die Daten nachträglich binnen einer Woche in das System EMPIC einzugeben.' die Wortfolgen 'EMPIC oder' und 'in das System EMPIC';

g) im Abschnitt 4.2.4:

- auf Seite 10 im zweiten Absatz des Abschnitts im Satz 'Dieses ist im EMPIC hinterlegt und auszufüllen.' die Wortfolge 'im EMPIC hinterlegt und', in eventu 'im EMPIC';

h) im Abschnitt 4.1.8:

- auf Seite 7 im Satz 'In der flugmedizinischen Stelle muss eine geeignete EDV-Infrastruktur für die Verwendung des von der Austro Control GmbH vorgegebenen Datenübermittlungsprogramms (derzeit EMPIC) und die Ausstellung von flugmedizinischen Tauglichkeitszeugnissen vorhanden sein.' die Wortfolge 'die Verwendung des von der Austro Control GmbH vorgegebenen Datenübermittlungsprogramms (derzeit EMPIC) und';

i) im Abschnitt 4.1.2:

- auf Seite 3 die Definition 'EMPIC ... das von der ACG vorgegebene Datenerfassung- und Übermittlungsprogramm'

- auf Seite 3 die Definition 'AMEs, die noch nicht über einen EMPIC-Zugang verfügen AMEs, die bereits autorisiert wurden, der EMPIC-Zugang jedoch noch nicht aktiviert ist'."

2. Begründend führt die Antragstellerin im Wesentlichen aus, der ZPH (ACG) MED 1 sei eine Verordnung im Sinne des Art139 B‑VG. Die Antragstellerin sei flugmedizinische Sachverständige nach den Verordnungen (EU) Nr 216/2008, (EU) Nr 1178/2011 und (EU) Nr 805/2011. Sie sei zur Durchführung flugmedizinischer Untersuchungen und Beurteilungen sowie zur Ausstellung flugmedizinischer Tauglichkeitszeugnisse bzw. medizinischer Tauglichkeitsbescheinigungen für die Klassen 1, 2, 3, LAPL, CC und nationaler Tauglichkeitsbescheinigungen nach der Zivilluftfahrt-Personalverordnung 2006, BGBl II 205/2006 ("ZLPV 2006"), autorisiert. Die Antragstellerin mache von der Berechtigung zur Durchführung von Untersuchungen und Ausstellung von Zeugnissen erheblichen Gebrauch, die durch diese Tätigkeit erzielten Umsätze machten etwa 10 % der Einkünfte der Antragstellerin aus.

Die Antragstellerin sei von der Austro Control Österreichische Gesellschaft für Zivilluftfahrt mbH ("ACG") unter Bezugnahme auf den ZPH (ACG) MED 1 aufgefordert worden, zur Datenübermittlung die Software des Datenübermittlungsprogramms "EMPIC" zu installieren und dieses Programm zur Übermittlung flugmedizinischer Daten an die ACG zu verwenden. Hinsichtlich ihrer inhaltlichen Bedenken gegen den ZPH (ACG) MED 1 führte die Antragstellerin aus, es fehle an einer innerstaatlichen oder unionsrechtlichen Rechtsgrundlage, um der Antragstellerin als flugmedizinischer Sachverständiger die Installierung und Verwendung eines elektronischen Datenübermittlungssystems für die Übermittlung der Daten vorzuschreiben. Der ZPH (ACG) MED 1 sei überdies rechtswidrig, weil §1b ZLPV 2006, der die Rechtsgrundlage für den ZPH (ACG) MED 1 bilde, eine unzulässige dynamische Verweisung an eine andere Rechtssetzungsautorität enthalte. Auch sei §1b ZLPV 2006 nicht hinreichend determiniert, dasselbe gelte für §57b Luftfahrtgesetz, BGBl 253/1957, welcher die Verordnungsermächtigung für die ZLPV 2006 enthalte. Die angefochtenen Bestimmungen seien normativ, weshalb von der ACG bei Erlassung des ZPH (ACG) MED 1 die unrichtige Rechtsform des bloßen "Hinweises" gewählt worden sei. Ferner verstoße das vorgeschriebene Datenübermittlungssystem "EMPIC" gegen das Gebot der Datensicherheit nach §14 Datenschutzgesetz 2000, BGBl I 165/1999. Selbst wenn es im vorliegenden Zusammenhang zulässig wäre, die Installation und Verwendung von elektronischen Datenübermittlungssystemen vorzuschreiben, wären die angefochtenen Bestimmungen dennoch rechtswidrig, weil die Vorschreibung elektronischer Datenübermittlungssysteme nur wettbewerbsneutral erfolgen dürfe. Es bestehe daher kein sachlicher Grund, den Anbieter "EMPIC" zu bevorzugen.

3. Die ACG erstattete eine Äußerung, in der sie dem Antragsvorbringen entgegen tritt. Im Rahmen dieser Äußerung bringt die ACG unter anderem vor, dass der ZPH (ACG) MED 1 am 28. Juli 2016 außer Kraft getreten und durch die Zivilluftfahrtpersonal-Anweisung (ACG), ACG/MED/01-2016 "An flugmedizinische Stellen (AME und AeMC) zur Implementierung und Durchführung der flugmedizinischen Bestimmungen der VO (EU) Nr 1178/2011 idgF sowie VO (EU) 2015/340 idgF", GZ: LSA310-02/01-16 ("ZPA MED 1"), kundgemacht am 28. Juli 2016 auf der Internetseite der ACG, ersetzt worden sei. Aus diesem Grund mangle es der Antragstellerin an der Antragslegitimation.

4. Die Antragstellerin erstattete eine Gegenäußerung, in der sie ausführt, dass ihr Antrag – ungeachtet des Umstandes, dass der ZPH (ACG) MED 1 mittlerweile außer Kraft getreten sei – weiterhin zulässig sei. Dabei stützt sich die Antragstellerin im Wesentlichen darauf, dass ihr Kostenersatzbegehren noch nicht erledigt sei. §61a VfGG weise diesbezüglich eine planwidrige Lücke auf, die durch eine analoge Anwendung des §58 Abs2 VwGG als sachnächste Regelung zu schließen sei. Insoweit sei bei der Kostenentscheidung zu prüfen, ob die Antragstellerin obsiegt hätte, wenn der ZPH (ACG) MED 1 nicht außer Kraft getreten wäre.

Die ACG erstattete im Hinblick auf die Gegenäußerung eine Replik, die Antragstellerin in weiterer Folge eine Duplik.

II. Zur Zulässigkeit

1. Voraussetzung der Antragslegitimation gemäß Art139 Abs1 Z3 B‑VG ist einerseits, dass der Antragsteller behauptet, unmittelbar durch die angefochtene Verordnung – im Hinblick auf deren Gesetzwidrigkeit – in seinen Rechten verletzt worden zu sein, dann aber auch, dass die Verordnung für den Antragsteller tatsächlich, und zwar ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides wirksam geworden ist. Grundlegende Voraussetzung der Antragslegitimation ist, dass die Verordnung in die Rechtssphäre des Antragstellers nachteilig eingreift und diese – im Falle ihrer Gesetzwidrigkeit – verletzt.

Nicht jedem Normadressaten aber kommt die Anfechtungsbefugnis zu. Es ist darüber hinaus erforderlich, dass die Verordnung selbst tatsächlich in die Rechtssphäre des Antragstellers unmittelbar eingreift. Ein derartiger Eingriff ist jedenfalls nur dann anzunehmen, wenn dieser nach Art und Ausmaß durch die Verordnung selbst eindeutig bestimmt ist, wenn er die (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigt und wenn dem Antragsteller kein anderer zumutbarer Weg zur Abwehr des – behaupteterweise – rechtswidrigen Eingriffes zur Verfügung steht (VfSlg 13.944/1994, 15.234/1998, 15.947/2000).

Hiebei hat der Verfassungsgerichtshof vom Antragsvorbringen auszugehen und lediglich zu prüfen, ob die vom Antragsteller ins Treffen geführten Wirkungen solche sind, wie sie Art139 Abs1 Z3 B‑VG als Voraussetzung für die Antragslegitimation fordert (vgl. VfSlg 16.426/2002).

2. Die Antragslegitimation ist im vorliegenden Fall nicht gegeben.

Die Antragstellerin hat den Antrag gestellt, näher bezeichnete Bestimmungen bzw. Wortfolgen im Zivilluftfahrtpersonal-Hinweis (ACG) Med 1 "Konkretisierung der Bestimmungen für flugmedizinische Sachverständige" in der Fassung Rev. 2 vom 5. November 2014, GZ: LSA320-02/03-14, als gesetzwidrig aufzuheben.

Der im vorliegenden Fall maßgebliche ZPH (ACG) MED 1 ist aber, wie sich aus der entsprechenden Kundmachung auf der Homepage der ACG vom 28. Juli 2016 ergibt, samt Anlagen am 28. Juli 2016 außer Kraft getreten. Unter einem wurde auf der Homepage die Zivilluftfahrtpersonal-Anweisung (ACG), ACG/MED/01-2016 "An flugmedizinische Stellen (AME und AeMC) zur Implementierung und Durchführung der flugmedizinischen Bestimmungen der VO (EU) Nr 1178/2011 idgF sowie VO (EU) 2015/340 idgF", GZ: LSA310-02/01-16, kundgemacht am 28. Juli 2016, die den ZPH (ACG) MED 1 ersetzt.

Aus den vorgelegten Verwaltungsakten ist ersichtlich, dass der Grund für die Erlassung dieser neuen Zivilluftfahrtpersonal-Anweisung in der Implementierung und Anwendung der VO (EU) Nr 2015/340 der Kommission vom 20. Februar 2015 zur Festlegung technischer Vorschriften und von Verwaltungsverfahren in Bezug auf Lizenzen und Bescheinigungen von Fluglotsen gemäß der Verordnung (EG) Nr 216/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates, zur Änderung der Durchführungsverordnung (EU) Nr 923/2012 der Kommission und zur Aufhebung der Verordnung (EU) Nr 805/2011 der Kommission, ABl. 2015 L 63, 1, und der Novelle der ZLPV 2006 durch BGBl II 89/2016, liegt.

Die Antragslegitimation nach Art139 Abs1 Z3 B‑VG setzt u.a. voraus, dass die bekämpfte Verordnung für den Einschreiter auch noch im Zeitpunkt der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes wirksam ist. Eine im Zeitpunkt der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes bereits außer Kraft getretene Rechtsvorschrift entfaltet für die Rechtssphäre des Antragstellers in der Regel nicht mehr die eine Antragstellung rechtfertigende unmittelbare Wirkung. Das Ziel eines Verfahrens nach Art139 Abs1 Z3 B‑VG, die rechtswidrige Vorschrift ohne Verzug mit genereller Wirkung aus dem Rechtsbestand zu entfernen, ist vielmehr mit ihrem Außerkrafttreten schon erreicht (vgl. zB VfSlg 16.618/2002, 17.400/2004, 17.653/2005, 18.284/2007; VfGH 5.3.2014, G20/2013, V11/2013, VfGH 18.9.2014, V48/2014). Dies gilt selbst für den Fall, dass die neu erlassene Norm einen gleichlautenden Inhalt aufweist, weil der Prüfungsgegenstand durch das (ursprüngliche) Antragsbegehren im Sinne des §57 Abs1 VfGG festgelegt wird (vgl. VfSlg 16.280/2001). Der Antragstellerin mangelt es daher an der – nicht bloß im Zeitpunkt der Einbringung des Individualantrages, sondern auch im Zeitpunkt der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes hierüber – erforderlichen Betroffenheit durch diese bereits außer Kraft getretenen Vorschriften. Daran vermag auch der Umstand nichts zu ändern, dass auch die am 28. Juli 2016 veröffentlichte Zivilluftfahrtpersonal-Anweisung flugmedizinische Sachverständige zur Verwendung des Datenübermittlungssystems "EMPIC" verpflichtet.

3. Entgegen der Ansicht der Antragstellerin weist §61a VfGG keine planwidrige Lücke auf. Der Gesetzgeber hat vielmehr eindeutig angeordnet, dass ein Ersatz der Prozesskosten nur im Fall des "Obsiegens" des Antragstellers in Betracht kommt, zumal auch im Fall der Einstellung eines Verfahrens über einen Antrag gemäß Art139 Abs1 Z3 B‑VG ein Kostenersatz nicht vorgesehen ist (vgl. VfSlg 18.078/2007 mwN). Da §61a VfGG somit keine planwidrige Lücke aufweist, kommt bereits aus diesem Grund eine analoge Anwendung des §58 Abs2 VwGG nicht in Betracht.

III. Ergebnis

1. Der Antrag ist schon aus diesem Grund als unzulässig zurückzuweisen.

2. Dies konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.

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