VfGH V114/01 ua

VfGHV114/01 ua6.3.2002

Keine Gesetzwidrigkeit eines ergänzenden Bebauungsplanes hinsichtlich der Festlegung einer besonderen Bauweise für Grundstücke unter Unterschreitung der in der Tir BauO 1998 geregelten Mindestabstände; keine Gesetzwidrigkeit einer Flächenwidmungsplanänderung betreffend Umwidmung der Grundstücke in Sonderfläche Kirche; Verstoß gegen das in der Tir Plangrundlagen- und Planzeichenverordnung normierte Gebot der Durchnummerierung von Änderungsplänen kein wesentlicher, auf die Rechtmäßigkeit der Änderungsverordnung durchschlagender Fehler

Normen

B-VG Art18 Abs2
B-VG Art139 Abs1 / Präjudizialität
Bebauungsplan der Gemeinde St. Jakob in Defereggen. Ergänzung vom 09.03.1999 .und 05.05.1999.
Flächenwidmungsplanänderung der Gemeinde St. Jakob in Defereggen vom 09.03.1999
Tir BauO 1998 §6 Abs1
Tir Plangrundlagen- und PlanzeichenV, LGBl 123/1994 §4 Abs1
Tir RaumOG 1997 §43 Abs1 lita
Tir RaumOG 1997 §60 Abs4
Tir RaumOG 2001 §67, §68
B-VG Art18 Abs2
B-VG Art139 Abs1 / Präjudizialität
Bebauungsplan der Gemeinde St. Jakob in Defereggen. Ergänzung vom 09.03.1999 .und 05.05.1999.
Flächenwidmungsplanänderung der Gemeinde St. Jakob in Defereggen vom 09.03.1999
Tir BauO 1998 §6 Abs1
Tir Plangrundlagen- und PlanzeichenV, LGBl 123/1994 §4 Abs1
Tir RaumOG 1997 §43 Abs1 lita
Tir RaumOG 1997 §60 Abs4
Tir RaumOG 2001 §67, §68

 

Spruch:

1. Die Verordnung betreffend den ergänzenden Bebauungsplan der Gemeinde St. Jakob in Defereggen, Beschluss des Gemeinderates vom 9. März 1999 (und 5. Mai 1999), aufsichtsbehördlich genehmigt mit Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 17. Juni 1999, ZVe1-546-724/59-4 vA, kundgemacht durch Anschlag an der Amtstafel vom 25. Juni 1999 bis 12. Juli 1999, soweit sie "ergänzende Festlegungen für Bereiche mit besonderer Bauweise" für die Grundstücke Nr. .171 und 1634/1, beide KG St. Jakob in Defereggen trifft, sowie

2. die Verordnung betreffend eine Änderung des Flächenwidmungsplanes im Bereich der Grundstücke Nr. .171 und 1634/1 (Teil), beide KG St. Jakob in Defereggen (Umwidmung in Sonderfläche Kirche nach §43 Abs1 lita TROG 1997), Beschluss des Gemeinderates der Gemeinde St. Jakob in Defereggen vom 9. März 1999, aufsichtsbehördlich genehmigt mit Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 17. Juni 1999, ZVe1-546-724/59-3, kundgemacht durch Anschlag an der Amtstafel vom 25. Juni 1999 bis 12. Juli 1999,

werden nicht als gesetzwidrig aufgehoben.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Am 27. Februar 1999 beantragte die Gemeinde St. Jakob in Defereggen die Erteilung der Baubewilligung zur Errichtung einer "Leichenhalle - Totenkapelle bzw. Leichenhalle und Sakristei" als Anbau an die bestehende röm. kath. Pfarrkirche auf dem Grundstück Nr. .171, EZ 155, KG St. Jakob in Def.. Die nunmehr beschwerdeführenden Nachbarn erhoben gegen das Bauvorhaben Einwendungen und machten ua. geltend, dass die gesetzlichen Abstandsbestimmungen nicht eingehalten worden seien. Mit Bescheid vom 13. Dezember 1999 erteilte der Bürgermeister der Gemeinde St. Jakob in Def. die beantragte Baubewilligung. Dagegen erhoben die Beschwerdeführer Berufung, die mit Bescheid des Gemeindevorstandes der Gemeinde St. Jakob in Def. vom 4. Februar 2000 als unbegründet abgewiesen wurde. Mit dem angefochtenen Bescheid vom 6. Juni 2000 wies die Tiroler Landesregierung die Vorstellung als unbegründet ab.

2. Gegen diesen Bescheid wendet sich die vorliegende auf Art144 Abs1 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz (Art2 StGG), auf Unversehrtheit des Eigentums (Art5 StGG), auf ein faires Verfahren (Art6 EMRK) sowie die Verletzung in Rechten wegen Anwendung rechtswidriger genereller Normen (allgemeiner und ergänzender Bebauungsplan, Flächenwidmungsplan der Gemeinde St. Jakob, §§55 ff TROG 1997) behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt wird. Der Bebauungsplan, der - sowie auch der Flächenwidmungsplan - aus Anlass des Bauvorhabens geändert worden sei, schreibe zur Grundstücksgrenze der Beschwerdeführer, Grundstück Nr. 720/3, nur mehr die Einhaltung eines Mindestabstandes von 0,88 m bis 1,00 m vor. Die Änderung des Bebauungsplanes bewirke im Vergleich zu anderen Nachbarn aufgrund der Verringerung der Mindestabstände eine deutliche Ungleichbehandlung. Darüber hinaus sei nach dem neuen örtlichen Raumordnungskonzept für das Grundstück, auf dem die Totenkapelle errichtet werden soll, die Errichtung eines Parkplatzes vorgesehen. Die Umwidmung der Bauparzelle in Sonderfläche "Kirche" sei aufgrund der Nutzungen (Beherbergungs-, Gewerbebetriebe, Wohnhäuser) der angrenzenden und in der Nähe befindlichen Grundstücke nicht gesetzeskonform. Die "gesetzlichen Grundlagen der Änderung eines Bebauungsplanes" (gemeint wohl: §57 Abs2 TROG 1997) sei verfassungswidrig, da die Voraussetzungen für die Änderung des Bebauungsplanes nicht ausreichend determiniert seien. Letztlich verletze die Tatsache, dass die Gemeinde selbst Bauwerberin und ihre Organe Behörden des Bauverfahrens erster und zweiter Instanz seien, die Beschwerdeführer im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein faires Verfahren.

3. Die Tiroler Landesregierung legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie beantragt, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen. Als Rechtsgrundlage der im Bebauungsplan getroffenen Abstände diene die Festlegung der besonderen Bauweise nach §60 Abs4 TROG 1997, LGBl. Nr. 10/1997 idgF. Die Festlegung der besonderen Bauweise und Unterschreitung der Mindestabstände des §6 TBO 1998 entspreche daher den gesetzlichen Vorgaben. Die Errichtung eines Aufbahrungsraumes und einer Sakristei sei standortgebunden. Es entspreche auch den kulturellen und sozialen Gepflogenheiten der größtenteils katholischen Bevölkerung, dass diese Bauvorhaben an die Pfarrkirche anschließend situiert werden. Die Festlegung der besonderen Bauweise diene vor allem dazu, in historisch gewachsenen Ortskernen, die vielfach bereits im Bestand eine Unterschreitung der subsidiär geltenden aktuellen Abstandbestimmungen aufweisen, eine sinnvolle Bebauung zu ermöglichen. Den Planunterlagen könne entnommen werden, dass die bestehende Sakristei der Pfarrkirche die Mindestabstände zum Grundstück der Beschwerdeführer nicht einhalte. Dieser Gebäudeteil solle nunmehr durch einen - im Verhältnis zum Gesamtprojekt geringfügigen - Zubau vergrößert werden.

4. Die Gemeinde St. Jakob in Def. legte die Verordnungsakten vor, erstattete jedoch keine Äußerung.

5. Aus den Verordnungsakten ergibt sich Folgendes:

In einem Schreiben vom 9. März 1999 gab der örtliche Raumplaner zur beabsichtigten Änderung des Flächenwidmungsplanes der Gemeinde St. Jakob in Def. im Bereich der Grundstücke Nr. .171 und 1634/1, KG St. Jakob in Def., folgende Stellungnahme ab:

"Geplant ist die Errichtung einer Totenkapelle mit dem Neubau der Sakristei zur Kirche St. Jakob.

Nun hat sich bei der Vermessung herausgestellt, daß die Kirche gegenüber den Grundstücksgrenzen verschoben ist und die Grundgrenzen überbaut werden müssen. Eine Berichtigung der Grundgrenzen muß vorgenommen werden, ein Überbauen der Grundstücksgrenzen ist gemäß TBO 98 nicht möglich.

Weiters ist der Bereich als Freiland bzw. Teile von Grundstück Nr. 1634/1 als öffentliche Verkehrsfläche - Gemeinde gewidmet. Im Freiland könnte theoretisch ein Zubau bis 20 % der Baumasse errichtet werden, was allerdings nur für die Kirche, d.h. Grundstück Nr. .171 gilt. Voraussetzung für den Zubau wäre aber die Einhaltung der Grundabstände gemäß §6, TBO 98, was im gegenständlichen Fall nicht möglich ist. Die Erlassung eines Bebauungsplanes im Freiland ist nicht möglich.

Der Bau der Totenkapelle ist im öffentlichen Interesse gelegen, womit auch die Änderung des Flächenwidmungsplanes im vffentlichen Interesse liegt. Die Stellungnahme des Bundesdenkmalamtes ist beizulegen."

Der Gemeinderat der Gemeinde St. Jakob in Def. beschloss am 9. März 1999 gemäß §69 Abs1 lita TROG 1997 gleichzeitig die Auflegung des Entwurfes und die dem Entwurf entsprechende Änderung des Flächenwidmungsplanes im Bereich der "Pfarrkirche St. Jakob in Defereggen" laut planlicher Darstellung betreffend eine Umwidmung von Freiland in Sonderfläche "Kirche" gemäß §43 Abs1 lita. TROG 1997, "wobei die Bp. 171 und Teile der Gp. 1634/1 berührt werden". Dieser Beschluss wurde vom 11. März 1999 bis 8. April 1999 zur allgemeinen Einsicht aufgelegt und die Verordnung mit Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 17. Juni 1999 aufsichtsbehördlich genehmigt und durch Anschlag an der Amtstafel vom 25. Juni 1999 bis 12. Juli 1999 kundgemacht.

In einem Schreiben vom 9. März 1999 gab der örtliche Raumplaner zum allgemeinen und zum ergänzenden Bebauungsplan im Bereich der Grundstücke Nr. .171, .571, 720/3 und 1634/1, KG St. Jakob in Def., folgende Stellungnahme ab:

"Die geplante Totenkapelle im Süden der Pfarrkirche wird auf ca. 1,0 m an die Grundgrenze herangebaut. Dadurch ist die Erstellung eines allgemeinen und ergänzenden Bebauungsplanes erforderlich. Die zulässigen Wandhöhen entsprechen dem Bestand der Häuser und werden mit den bestehenden Höhen fixiert. Die festgelegten Wandhöhen beim geplanten Bauvorhaben entsprechen dem Plan. Im Norden der Kirche, auf Gst. 1634/1, wird der bestehende öffentliche Weg mit Straßenfluchtlinie fixiert. Die Baufluchtlinie entspricht weitgehend dem Bestand. Eine Stellungnahme des Bundesdenkmalamtes ist einzuholen.

Hingewiesen wird auf die Bestimmungen nach TBO 1998, wonach Baugenehmigungen nur auf Grundstücken erteilt werden dürfen, die eine einheitliche Widmung aufweisen. Eine dementsprechende Grundstücksteilung ist vorzusehen."

Der Gemeinderat der Gemeinde St. Jakob in Def. beschloss am 9. März 1999 gemäß §66 Abs2 TROG 1997 gleichzeitig die Auflegung des Entwurfes und die Erlassung des allgemeinen und des ergänzenden Bebauungsplanes betreffend die Grundstücke Nr. .171, 571, 720/3, 1634/1, KG St. Jakob. Diese Beschlüsse wurden vom 11. März 1999 bis 8. April 1999 zur allgemeinen Einsicht aufgelegt. Nachdem der Gemeinderat die Stellungnahme der Beschwerdeführer diskutiert hatte, beschloss er die Änderung des allgemeinen und des ergänzenden Bebauungsplanes in seiner Sitzung vom 5. Mai 1999. Die Verordnungen wurden mit Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 17. Juni 1999 aufsichtsbehördlich genehmigt und durch Anschlag an der Amtstafel vom 25. Juni 1999 bis 12. Juli 1999 kundgemacht.

II. 1. Aus Anlass der Beschwerde gegen den Vorstellungsbescheid der Tiroler Landesregierung hat der Verfassungsgerichtshof am 9. Oktober 2001 beschlossen, gemäß Art139 Abs1 B-VG die Gesetzmäßigkeit der Verordnung betreffend den ergänzenden Bebauungsplan der Gemeinde St. Jakob in Defereggen, Beschluss des Gemeinderates vom 9. März 1999 (und 5. Mai 1999), aufsichtsbehördlich genehmigt mit Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 17. Juni 1999, ZVe1-546-724/59-4 vA, kundgemacht durch Anschlag an der Amtstafel vom 25. Juni 1999 bis 12. Juli 1999, soweit sie "ergänzende Festlegungen für Bereiche mit besonderer Bauweise" für die Grundstücke Nr. .171 und 1634/1, beide KG St. Jakob in Defereggen trifft, sowie die Gesetzmäßigkeit der Verordnung betreffend eine Änderung des Flächenwidmungsplanes im Bereich der Grundstücke Nr. .171 und 1634/1 (Teil), beide KG St. Jakob in Defereggen (Umwidmung in Sonderfläche Kirche nach §43 Abs1 lita TROG 1997), Beschluss des Gemeinderates der Gemeinde St. Jakob in Defereggen vom 9. März 1999, aufsichtsbehördlich genehmigt mit Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 17. Juni 1999, ZVe1-546-724/59-3, kundgemacht durch Anschlag an der Amtstafel vom 25. Juni 1999 bis 12. Juli 1999, von Amts wegen zu prüfen.

2. Der Verfassungsgerichtshof ist im Einleitungsbeschluss vorläufig davon ausgegangen, dass die Beschwerde zulässig ist und dass er bei seiner Entscheidung darüber den in Prüfung gezogenen ergänzenden Bebauungsplan und sowie den in Prüfung gezogenen Flächenwidmungsplan der Gemeinde St. Jakob in Def. anzuwenden hätte.

3. Aus folgenden Gründen hegte der Verfassungsgerichtshof Bedenken ob der Gesetzmäßigkeit des ergänzenden Bebauungsplanes der Gemeinde St. Jakob in Def.:

"3.1. Die zur Erlassung des Bebauungsplanes maßgebliche Bestimmung des §60 Abs4 Tiroler Raumordnungsgesetz 1997 (im Folgenden: TROG 1997), LGBl. Nr. 10/1997 idF LGBl. Nr. 21/1998 lautet:

'§60

Bauweisen

(1) ...

(2) ...

(3) ...

(4) Soweit dies im Interesse einer zweckmäßigen Bebauung von Grundstücken erforderlich ist, kann eine besondere Bauweise festgelegt werden. In diesem Fall sind die für die Anordnung und Gliederung der Gebäude und der Nebenanlangen maßgebenden Festlegungen zu treffen. Dabei sind gegenüber Grundstücken, für die die offene Bauweise festgelegt ist, jedenfalls die in der Tiroler Bauordnung geregelten Mindestabstände einzuhalten. Wird jedoch eine besondere Bauweise für ein Grundstück festgelegt, auf dem nach den baurechtlichen Vorschriften rechtmäßig ein anderes als nach der Tiroler Bauordnung in den Abstandsflächen zulässiges Gebäude besteht, so können die in der Tiroler Bauordnung geregelten Mindestabstände bis auf die bestehenden Abstände unterschritten werden, wenn zu den betreffenden Grundstücken hin gleichzeitig eine höchstzulässige Wandhöhe festgelegt wird, die jene des bestehenden Gebäudes nicht übersteigt. Innerhalb der Abstandsflächen dürfen nur Gebäude oder Gebäudeteile errichtet und sonstige Bauvorhaben ausgeführt werden, bei denen auf Grund ihrer baulichen Gestaltung und ihres Verwendungszweckes zusätzliche nachteilige Auswirkungen auf die betreffenden Grundstücke, insbesondere durch Lärm, nicht zu erwarten sind.

(5) ...'

3.2. Gemäß §6 Abs1 TBO 1998 sind, sofern nicht auf Grund der in einem Bebauungsplan festgelegten geschlossenen oder besonderen Bauweise oder aufgrund von darin festgelegten Baugrenzlinien zusammenzubauen bzw. ein anderer Abstand einzuhalten ist, folgende Mindestabstände einzuhalten: gemäß Abs1 lita dieser Bestimmung auf einer Sonderfläche nach §43 TROG 1997 das 0,4 fache des lotrechten Abstandes zwischen dem betreffenden Punkt und dem Geländeniveau darunter, jedenfalls aber drei Meter ua. zum übrigen Bauland jedoch das 0,6 fache dieses Abstandes, jedenfalls aber vier Meter.

Mit dem ergänzenden Bebauungsplan gemäß §114 Abs2 TROG 1997 vom 9. März 1999 (und 5. Mai 1999) wurde für die Grundstücke Nr. .171 und 1634/1 ua. unter Unterschreitung der in der Tiroler Bauordnung geregelten Mindestabstände eine besondere Bauweise gemäß §60 Abs4 TROG 1997 festgelegt.

Der Verfassungsgerichtshof ist vorläufig der Ansicht, dass die gemäß §6 Abs1 TBO 1998 erforderlichen Mindestabstände zwischen Punkten auf der Außenhaut von der baulichen Anlage gegenüber den Grenzen des Bauplatzes (Grundstück Nr. .171) zu den angrenzenden Grundstücken Nr. 571 und 720/3 jedenfalls nicht eingehalten worden sind.

Die Voraussetzungen des §60 Abs4 TROG 1997 zur Festlegung einer besonderen Bauweise unter Unterschreitung der in der Tiroler Bauordnung geregelten Mindestabstände für das Grundstück Nr. .171 dürften grundsätzlich vorliegen. Auf dem Grundstück Nr. .171 dürfte nach den baurechtlichen Vorschriften rechtmäßig ein anderes als nach der Tiroler Bauordnung in den Abstandsflächen zulässiges Gebäude - nämlich der Altbestand der Kirche und der früheren Sakristei - bestehen. Daher dürften die in der Tiroler Bauordnung geregelten Mindestabstände bis zu den bestehenden Abständen unterschritten werden, wenn zu den betreffenden Grundstücken hin gleichzeitig eine höchstzulässige Wandhöhe festgelegt wird, die jene des bestehenden Gebäudes nicht übersteigt, und wenn bei Bauvorhaben innerhalb der Abstandsflächen keine zusätzlichen nachteiligen Auswirkungen auf die betreffenden Grundstücke zu erwarten sind.

Allerdings dürfte die Unterschreitung der Mindestabstände nach dem Willen des Gesetzgebers nur bis zu den bereits durch den Altbestand gegebenen Abständen zulässig sein. Dem ergänzenden Bebauungsplan scheint jedoch zu entnehmen sein, dass die Mindestabstände durch den Zubau auf dem Grundstück Nr. .171 zu den Parzellen 571 und 720/3 (das Grundstück der Beschwerdeführer) über den Altbestand hinaus - wenn auch teilweise nur geringfügig - auf ca. 1 m unterschritten werden.

3.3. Die Verordnung betreffend den ergänzenden Bebauungsplan der Gemeinde St. Jakob in Def., Beschluss des Gemeinderates vom 9. März 1999 (und 5. Mai 1999), aufsichtsbehördlich genehmigt mit Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 17. Juni 1999, ZVe1-546-724/59-4 vA, kundgemacht durch Anschlag an der Amtstafel vom 25. Juni 1999 bis 12. Juli 1999, scheint, soweit sie "ergänzende Festlegungen für Bereiche mit besonderer Bauweise" für die Grundstücke Nr. .171 und 1634/1 trifft, im Widerspruch zu §60 Abs4 TROG 1997 zu stehen und daher insoweit gesetzwidrig zu sein."

4. Der Verfassungsgerichtshof hegte weiters folgendes Bedenken ob der Gesetzmäßigkeit des Flächenwidmungsplanes der Gemeinde St. Jakob in Def.:

"Der Verfassungsgerichtshof ist vorläufig der Ansicht, dass die Änderung des Flächenwidmungsplanes im Widerspruch zur Plangrundlagen- und Planzeichenverordnung, LGBl. Nr. 123/1994, ist. Gemäß §4 Abs1 dieser Verordnung hat jede Änderung eines örtlichen Flächenwidmungsplanes mit einer laufenden Nummer versehen zu werden; im geänderten Plan ist diese dadurch kenntlich zu machen, dass der Änderungsbereich mit einer roten Linie umrandet wird und mit dieser laufenden Nummer versehen wird. Der Gemeinderat der Gemeinde St. Jakob in Def. scheint der Verpflichtung zur Bezeichnung der Änderungsversion des Flächenwidmungsplanes nicht nachgekommen zu sein (zu einem Verstoß gegen die Planzeichenverordnung vgl. VfSlg. 14.968/1997), weshalb die Verordnung betreffend eine Änderung des Flächenwidmungsplanes im Bereich der Grundstücke .171 und 1634/1 (Teil), beide KG St. Jakob in Def. (Umwidmung in Sonderfläche Kirche nach §43 Abs1 lita TROG 1997), Beschluss des Gemeinderates der Gemeinde St. Jakob in Def. vom 9. März 1999, aufsichtsbehördlich genehmigt mit Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 17. Juni 1999, ZVe1-546-724/59-3, kundgemacht durch Anschlag an der Amtstafel vom 25. Juni 1999 bis 12. Juli 1999, gesetzwidrig sein dürfte."

5. Die Tiroler Landesregierung erstattete eine Äußerung, in der sie die in Prüfung gezogenen Verordnungen mit folgenden Argumenten rechtfertigt:

"(...)

Nach Ansicht der Landesregierung hat der Verfassungsgerichtshof entgegen seiner vorläufigen Annahme im Prüfungsbeschluss bei seiner Entscheidung die in Prüfung gezogene Festlegung des Flächenwidmungsplanes der Gemeinde St. Jakob in Defereggen aus den im Folgenden angeführten Gründen nicht anzuwenden, sodass das Verordnungsprüfungsverfahren nur hinsichtlich des ebenfalls in Prüfung gezogenen ergänzenden Bebauungsplanes zulässig scheint:

Auf das gegenständliche Bauvorhaben, für das die Baubewilligung in zweiter Instanz mit Bescheid des Gemeindevorstandes vom 13. Dezember 1999 erteilt wurde, ist die Tiroler Bauordnung 1998, LGBl. Nr. 15, in der Fassung der (in Bezug auf dieses Bauvorhaben nicht relevanten) Novelle LGBl. Nr. 7/1999 anzuwenden. Die Rechtsstellung der nunmehrigen Beschwerdeführer als Nachbarn im Bauverfahren richtet sich daher noch nach der Stammfassung des §25 leg. cit., dessen Abs2 zweiter Satz mit dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes VfSlg. 15.581 mit Wirkung vom 01.01.2001 an aufgehoben wurde. Die durch die 2. Bauordnungsnovelle, LGBl. Nr. 79/2000, mit welcher der §25 leg. cit. gänzlich neu gefasst wurde, entsprechend diesem Erkenntnis erweiterte Nachbarrechtsstellung kommt daher im Anlassfall nicht zum Tragen. Die Beschwerdeführer waren daher als Nachbarn im Bauverfahren nur berechtigt, die Verletzung der Abstandsbestimmungen nach §6 geltend zu machen (§25 Abs2 zweiter Satz leg. cit.). Die bei einem Bauvorhaben einzuhaltenden Abstände ergeben sich ausschließlich aus dieser Gesetzesbestimmung, gegebenenfalls in Verbindung mit dem Bebauungsplan. Dem Flächenwidmungsplan, der nur Festlegungen über die zulässige Art der baulichen Nutzung von Grundstücken trifft, kommt im gegebenen Zusammenhang dagegen keine rechtliche Relevanz zu. Die Beschwerdeführer können schon aus diesem Grund durch den Flächenwidmungsplan vorweg nicht in subjektiven öffentlichen Nachbarrechten verletzt sein. Der Verfassungsgerichtshof hat daher im zugrunde liegenden Beschwerdeverfahren, in dem nachzuprüfen ist, ob die Landesregierung mit ihrer abweislichen Vorstellungsentscheidung die Verletzung subjektiver öffentlicher Nachbarrechte der Beschwerdeführer zu Recht verneint hat, den Flächenwidmungsplan nicht anzuwenden.

Die Landesregierung verkennt dabei nicht, dass die Beschwerdeführer eine Rechtsverletzung auch durch den Flächenwidmungsplan behaupten. Wie vorhin dargelegt wurde, ergibt sich demgegenüber schon aufgrund der Gesetzeslage, konkret des §25 Abs2 zweiter Satz leg. cit. in der im Anlassfall noch anzuwendenden Stammfassung, dass der Beschwerdeführer durch den Flächenwidmungsplan deshalb nicht in Rechten verletzt sein kann, weil sich aus diesem damals Nachbarrechte nicht ergeben haben. Kommt solcherart eine Rechtsverletzung aufgrund des Flächenwidmungsplanes aufgrund der gesetzlichen Grundlagen vorweg nicht in Betracht, so ist dieser im Beschwerdeverfahren folgerichtig unabhängig vom Parteienvorbringen nicht anzuwenden.

Nach Ansicht der Landesregierung liegen daher mangels Präjudizialität der in Prüfung gezogenen Widmungsfestlegung des Flächenwidmungsplanes der Gemeinde St. Jakob in Defereggen die Prozessvoraussetzungen für das vom Verfassungsgerichtshof diesbezüglich eingeleitete Verordnungsprüfungsverfahren nicht vor.

(...) Nach Ansicht der Landesregierung sind der gegenständliche ergänzende Bebauungsplan und Flächenwidmungsplan entgegen der vorläufigen Annahme des Verfassungsgerichtshofes aus den im Folgenden angeführten Gründen nicht gesetzwidrig:

Zum in Prüfung gezogenen ergänzenden Bebauungsplan:

Am 01.10.2001 ist die 5. Raumordnungsgesetz-Novelle, LGBl. Nr. 73/2001, in Kraft getreten. Mit dieser Novelle wurde der §60 Abs4 des Tiroler Raumordnungsgesetzes 1997 geändert.

Aufgrund der Übergangsbestimmung des ArtII Abs3 dieser Novelle ist deren ArtI Z. 43 und 48 auch auf die im Zeitpunkt ihres In-Kraft-Tretens bestehenden oder bereits beschlossenen allgemeinen und ergänzenden Bebauungspläne anzuwenden, soweit sich aufgrund des §114 Abs3 und 4 in der Fassung des ArtI Z. 88 nichts anderes ergibt.

Aufgrund der mit der Kundmachung der Landesregierung LGBl. Nr. 93/2001 mit Wirkung vom 01.11.2001 an erfolgten Wiederverlautbarung des Tiroler Raumordnungsgesetzes 1997 als Tiroler Raumordnungsgesetz 2001 - TROG 2001 findet sich die entsprechende Übergangsbestimmung nunmehr im ArtVI Abs3 der Wiederverlautbarungskundmachung, wobei dem in dieser Übergangsbestimmung verwiesenen §114 Abs3 und 4 der nunmehrige §112 Abs3 und 4 des Tiroler Raumordnungsgesetzes 2001 entspricht.

Der §60 Abs4 TROG 2001 lautet wie folgt:

'(4) Soweit dies im Interesse einer zweckmäßigen Bebauung von Grundstücken erforderlich ist, kann eine besondere Bauweise festgelegt werden. In diesem Fall ist die Anordnung und Gliederung der Gebäude festzulegen, wobei untergeordnete Bauteile außer Betracht bleiben. Dabei können zwingende Festlegungen oder Festlegungen über Mindest- oder Höchstausmaße getroffen werden. Gegenüber Grundstücken, für die die offene Bauweise festgelegt ist, sind jedenfalls die Mindestabstände nach der Tiroler Bauordnung 2001 einzuhalten. Wird jedoch eine besondere Bauweise für ein Grundstück festgelegt, auf dem nach den baurechtlichen Vorschriften rechtmäßig ein anderes als nach der Tiroler Bauordnung 2001 in den Abstandsflächen zulässiges Gebäude besteht, so können die Mindestabstände nach der Tiroler Bauordnung 2001 bis auf die bestehenden Abstände unterschritten werden, wenn zu den betreffenden Grundstücken hin gleichzeitig eine höchstzulässige Wandhöhe festgelegt wird, die jene des bestehenden Gebäudes nicht übersteigt. Innerhalb der Abstandsflächen dürfen nur Gebäude oder Gebäudeteile errichtet und sonstige Bauvorhaben ausgeführt werden, bei denen aufgrund ihrer baulichen Gestaltung und ihres Verwendungszweckes zusätzliche nachteilige Auswirkungen auf die betreffenden Grundstücke, insbesondere durch Lärm, nicht zu erwarten sind.'

Aufgrund der vorangeführten Übergangsbestimmung ist auch die Gesetzmäßigkeit des in Prüfung gezogenen ergänzenden Bebauungsplanes der Gemeinde St. Jakob in Defereggen, dem die Beschlüsse des Gemeinderates vom 09.03.1999 und 05.05.1999 zugrunde liegen und der durch Anschlag an der Amtstafel vom 25.06.1999 bis 12.07.1999 kundgemacht wurde, nach §60 Abs4 TROG 2001 zu beurteilen. Aus der Sicht des Beschwerdeverfahrens sind die Änderungen gegenüber der Stammfassung dieser Bestimmung jedoch nicht von Belang. Neu ist im Wesentlichen nur die ausdrückliche Anordnung, dass bei der Festlegung der Anordnung und Gliederung von Gebäuden untergeordnete Bauteile und Nebenanlagen außer Betracht bleiben (zweiter Satz) und dass diesbezüglich neben zwingenden Festlegungen auch Mindest- oder Höchstausmaße festgelegt werden können (neuer dritter Satz).

Der Verfassungsgerichtshof erachtet den ergänzenden Bebauungsplan(es) im Hinblick auf §60 Abs4 vierter und fünfter Satz TROG 2001 deshalb als gesetzwidrig, weil die Mindestabstände durch den verfahrensgegenständlichen Zubau auf dem Gst. Nr. .171 zu den Parzellen .571 und 720/3 hin über den Altbaubestand hinaus - wenn auch teilweise nur geringfügig - auf ca. 1 m unterschritten würden.

Der vierte und fünfte Satz dieser Bestimmung beziehen sich jedoch nach ihrem klaren Wortlaut in seinem Zusammenhang aber ausschließlich auf den Fall, dass ein Grundstück mit besonderer Bauweise an ein Grundstück angrenzt, für das die offene Bauweise festgelegt ist. Nur zu solchen Grundstücken hin sind nach dem vierten Satz jedenfalls die Mindestabstände nach der Tiroler Bauordnung 2001 einzuhalten bzw. dürfen nach dem fünften Satz dann, wenn - wie im Anlassfall - auf dem betreffenden Grundstück nach den baurechtlichen Vorschriften rechtmäßig bereits ein anderes als nach der Tiroler Bauordnung 2001 in den Abstandsflächen zulässiges Gebäude besteht, die Mindestabstände bis auf die bestehenden Abstände unterschritten werden; letzteres jedoch nur unter der weiteren Voraussetzung, dass zum Grundstück, für das die offene Bauweise festgelegt ist, hin gleichzeitig eine höchstzulässige Wandhöhe festgelegt wird, die jene des bestehenden Gebäudes nicht übersteigt.

Der fünfte Satz des §60 Abs4 TROG 2001 steht nämlich systematisch im unmittelbaren und untrennbaren Zusammenhang zum vorangehenden vierten Satz leg. cit., der ausschließlich den Fall des Zusammentreffens von Grundstücken mit besonderer und offener Bauweise regelt. Im Umkehrschluss ist daher davon auszugehen, dass im Innenverhältnis zwischen Grundstücken mit besonderer Bauweise die Beschränkung des §60 Abs4 fünfter Satz TROG 2001 nicht zum Tragen kommt. Jede andere Auslegung, also die Annahme einer generellen Geltung des §60 Abs4 fünfter Satz leg. cit. für Grundstücke mit besonderer Bauweise, würde sohin nicht nur dem klaren Gesetzeswortlaut in seinem Zusammenhang widersprechen, sondern außerdem zu dem aus der Sicht des Gleichheitssatzes bedenklichen Ergebnis führen, dass der Verordnungsgeber nur bei unbebauten Grundstücken mit besonderer Bauweise die Anordnung und Gliederung der Gebäude gegenüber der gemeinsamen Grundstücksgrenze unter Beachtung der relevanten raumordnerischen Zielbestimmungen frei festlegen könnte, während bei einem bereits bebauten Grundstück, auch wenn dieses an ein Grundstück ebenfalls mit besonderer Bauweise angrenzt, der Baubestand den Abstand zulässiger Bauten gegenüber der Grundstücksgrenze vorgeben würde. Dies würde zweifelsfrei eine unsachliche Differenzierung zwischen bebauten und unbebauten Grundstücken mit besonderer Bauweise bedeuten.

Im Innenverhältnis zwischen Grundstücken mit besonderer Bauweise bestehen allgemein keine zwingenden Schranken hinsichtlich der Anordnung der Gebäude gegenüber der gemeinsamen Grundstücksgrenze. Hier gelten insbesondere auch nicht die Mindestabstände nach §6 der Tiroler Bauordnung 2001, LGBl. Nr. 94, weil diese nach dem Abs1 leg. cit. nur subsidiär im Falle zum Tragen kommen, dass 'nicht aufgrund der in einem Bebauungsplan festgelegten geschlossenen oder besonderen Bauweise oder aufgrund von darin festgelegten Baugrenzlinien zusammenzubauen bzw. ein anderer Abstand einzuhalten ist'. Bei festgelegter besonderer Bauweise kommen sohin die Mindestabstände grundsätzlich nicht zum Tragen.

Eine Einschränkung ergibt sich - wie erwähnt - lediglich aufgrund der raumordnungsrechtlichen Vorschrift des §60 Abs4 vierter und fünfter Satz TROG 2001, wonach im Verhältnis zwischen Grundstücken mit besonderer und offener Bauweise die im §6 Abs1 lita oder b TBO 2001 geregelten Mindestabstände zu beachten sind bzw. die durch einen rechtmäßigen Altbaubestand vorgegebenen Abstände nicht weiter unterschritten werden dürfen.

Die Voraussetzungen nach §60 Abs4 vierter und fünfter Satz TROG 2001 liegen hier deshalb nicht vor, weil für die an den Bauplatz im verfahrensgegenständlichen Bereich angrenzenden Grundstücke ebenfalls eine besondere Bauweise festgelegt ist.

Konkret sieht der in Prüfung gezogene ergänzende Bebauungsplan sowohl für die zur Bebauung bestimmten Gst. Nr. .171 und 1634/1 (Teil) als auch für die daran angrenzenden Gst. Nr. 720/3 und .571 eine besondere Bauweise vor. Dies ergibt sich eindeutig aus der Planurkunde mit der Festlegung 'BW b 0,4 TBO' für die Sonderfläche Kirche und für die genannten benachbarten, als Kerngebiet gewidmeten Grundstücke. Nach der Legende des Bebauungsplanes steht die Buchstabengruppe 'BW b' für besondere Bauweise nach §60 Abs4 TROG. Wie vorhin ausführlich begründet dargelegt wurde, kommt im Innenverhältnis zwischen Grundstücken mit besonderer Bauweise die Beschränkung nach §60 Abs4 fünfter Satz TROG 2001 nicht zum Tragen.

Nach Ansicht der Landesregierung liegt daher die vom Verfassungsgerichtshof vorläufig angenommene Gesetzwidrigkeit des in Prüfung gezogenen ergänzenden Bebauungsplanes nicht vor.

Zur in Prüfung gezogenen Änderung des Flächenwidmungsplanes:

Der Verfassungsgerichtshof erachtet die gegenständliche Änderung des Flächenwidmungsplanes vorläufig als gesetzwidrig, weil der Gemeinderat seiner Verpflichtung nach §4 Abs1 der Plangrundlagen- und Planzeichenverordnung, LGBl. Nr. 123/1994, nicht nachgekommen sei, wonach jede Änderung eines Flächenwidmungsplanes mit einer laufenden Nummer zu versehen und im geänderten Plan (das ist der Stammflächenwidmungsplan) dadurch kenntlich zu machen ist, dass der Änderungsbereich mit einer roten Linie umrandet und mit dieser laufenden Nummer versehen wird. Diese nachträgliche Kenntlichmachung im Stammflächenwidmungsplan, der keine normative Bedeutung zukommt, ist von der ausschließlich normativen Festlegung im Änderungsplan strikt zu unterscheiden.

Bei der fehlenden laufenden Nummerierung im Änderungsplan handelt es sich nach Ansicht der Landesregierung jedenfalls um keine zur Gesetzwidrigkeit der Planänderung führende Fehlerhaftigkeit der planlichen Darstellung. Dieser Fehler scheint nicht mit dem im Prüfungsbeschluss bezogenen Erkenntnis VfSlg. 14.968/1997 vergleichbar. In dem diesem Erkenntnis zugrunde liegenden Fall war die Umwidmungsfläche nicht durch eine Linie begrenzt, sondern nur durch eine Schraffur kenntlich gemacht, sodass diese nicht in einer den rechtsstaatlichen Erfordernissen eindeutigen Weise exakt abgegrenzt war. Ein derartiger Mangel wird dadurch, dass der Änderungsplan (in dem die Widmungsänderung planlich exakt abgegrenzt ist) nicht auch mit einer laufenden Nummer versehen wurde, keinesfalls bewirkt. Bei dieser Nummerierung handelt es sich nämlich anders als bei der Abgrenzung der Umwidmungsfläche im Änderungsplan weder um eine normative Festlegung noch wird durch das Fehlen derselben der normative Gehalt des Flächenwidmungsplanes beeinträchtigt. Auch die Gesetzmäßigkeit der Kundmachung, die im §67 TROG 2001 abschließend geregelt ist, wird dadurch nicht berührt. §4 der Plangrundlagen- und Planzeichenverordnung stellt solcherart eine Formvorschrift im Interesse der Verbesserung der Übersichtlichkeit und Überschaubarkeit des Flächenwidmungsplanes dar. Die Publizität des Flächenwidmungsplanes ist jedoch auch ohne diese Nummerierung durch die Auflegung nach §67 Abs3 TROG 2001, hinsichtlich der Änderungspläne nach §67 Abs3 in Verbindung mit §68 TROG 2001, gewährleistet.

Nach Ansicht der Tiroler Landesregierung liegt daher die vom Verfassungsgerichtshof vorläufig angenommene Gesetzwidrigkeit des Änderungsplanes nicht vor.

(...) Die Tiroler Landesregierung vertritt aus den dargelegten Gründen die Ansicht, dass das Verordnungsprüfungsverfahren nur für den in Prüfung gezogenen ergänzenden Bebauungsplan, nicht jedoch für die ebenfalls in Prüfung gezogene Festlegung des Flächenwidmungsplanes der Gemeinde St. Jakob in Defereggen zulässig ist. Darüber hinaus vertritt die Tiroler Landesregierung die Ansicht, dass beide in Prüfung gezogenen Verordnungen nicht gesetzwidrig sind.

Die Tiroler Landesregierung stellt daher den Antrag, der Verfassungsgerichtshof wolle das Verordnungsprüfungsverfahren hinsichtlich der in Prüfung gezogenen Festlegung des Flächenwidmungsplanes einstellen, in eventu aussprechen, dass diese Festlegung nicht als gesetzwidrig aufgehoben wird.

Weiters wolle der Verfassungsgerichtshof aussprechen, dass der in Prüfung gezogene ergänzende Bebauungsplan nicht als gesetzwidrig aufgehoben wird."

6. Die Gemeinde St. Jakob in Def. erstattete ebenfalls eine Stellungnahme, in der sie die in Prüfung gezogenen Verordnungen verteidigt.

III. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:

1. Die vorläufigen Annahmen des Verfassungsgerichtshofes, dass die zu B1320/00 protokollierte Beschwerde zulässig ist und dass er bei seiner Entscheidung darüber die beiden in Prüfung gezogenen Verordnungen anzuwenden hat, haben sich sowohl hinsichtlich des ergänzenden Bebauungsplanes als auch, entgegen den Ausführungen der Tiroler Landesregierung, hinsichtlich des Flächenwidmungsplanes als zutreffend erwiesen:

Die Tiroler Landesregierung vermeint, der Verfassungsgerichtshof habe den Flächenwidmungsplan der Gemeinde St. Jakob in Def. deshalb nicht anzuwenden, weil die Beschwerdeführer als Nachbarn - nach der im vorliegenden Fall anzuwendenden Stammfassung des §25 Abs2 TBO 1998 - nur berechtigt waren, die Verletzung der Abstandsbestimmungen geltend zu machen. Die bei einem Bauvorhaben einzuhaltenden Abstände würden sich jedoch ausschließlich aus dieser Gesetzesbestimmung, gegebenenfalls in Verbindung mit dem Bebauungsplan, nicht aber aus dem Flächenwidmungsplan ergeben. Daher könnten die Beschwerdeführer durch den Flächenwidmungsplan nicht in ihren subjektiv-öffentlichen Rechten verletzt sein.

Dem ist Folgendes zu entgegnen:

Die Beschwerdeführer haben im Baubewilligungsverfahren Einwendungen hinsichtlich der Einhaltung der Mindestabstände gemäß §6 Abs1 TBO 1998 erhoben und haben daher ihre Parteistellung im Baubewilligungsverfahren behalten. Als Nachbarn konnten sie daher sowohl in der Berufung als auch im Vorstellungsverfahren geltend machen, durch die Erteilung der Baubewilligung in ihren subjektiv-öffentlichen Rechten verletzt zu sein.

Sie sind daher auch legitimiert, die Verletzung in Rechten wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm vor dem Verfassungsgerichtshof im Rahmen eines Beschwerdeverfahrens gemäß Art144 Abs1 B-VG geltend zu machen.

Die Baubehörden I. und II. Instanz, ebenso wie die Aufsichtsbehörde, haben den Flächenwidmungsplan, zwar nicht zur Begründung der Abweisung der Einwendungen der Nachbarn, wohl aber zur Begründung der Erteilung bzw. Bestätigung der Baubewilligung angewendet. Bei der Überprüfung der Frage, ob die Baubewilligung (unter Abweisung der Nachbareinwendungen) zu Recht erteilt wurde, hat deshalb auch der Verfassungsgerichtshof den Flächenwidmungsplan anzuwenden. Das Verordnungsprüfungsverfahren ist daher auch diesbezüglich zulässig.

2. Jedoch treffen die vorläufigen Bedenken des Verfassungsgerichtshofes gegen die Gesetzmäßigkeit des in Rede stehenden ergänzenden Bebauungsplanes sowie des in Prüfung gezogenen Flächenwidmungsplanes aus folgenden Gründen nicht zu:

2.1. Die Tiroler Landesregierung weist zunächst darauf hin, dass gemäß ArtII Abs3 der 5. Raumordnungsgesetz-Novelle, LGBl. Nr. 73/2001, deren ArtI Z43 (§56 TROG) und Z48 (§60 TROG) auch auf die im Zeitpunkt des Inkrafttretens dieser Novelle bestehenden oder bereits beschlossenen allgemeinen und ergänzenden Bebauungspläne anzuwenden ist, soweit sich aufgrund des §114 Abs3 (Festlegungen über Geschossflächendichten und über die Anzahl der Vollgeschosse) und Abs4 (Festlegungen über Baugrenzlinien und Höhenlagen) in der Fassung des ArtI Z88 nichts anderes ergibt. Mit der Kundmachung der Tiroler Landesregierung vom 23. Oktober 2001, LGBl. Nr. 93/2001 sei das TROG 1997 als TROG 2001 wiederverlautbart worden. Der in Prüfung gezogene ergänzende Bebauungsplan sei daher nicht am §60 Abs4 TROG 1997, LGBl. Nr. 10/1997 idF LGBl. Nr. 21/1998, zu messen, sondern am §60 Abs4 TROG idF der Wiederverlautbarungskundmachung LGBl. Nr. 93/2001.

Dazu ist festzuhalten: Der in Prüfung gezogene Bebauungsplan wurde vom Gemeinderat der Gemeinde St. Jakob in Def. am 9. März 1999 und am 5. Mai 1999 beschlossen. Zum Zeitpunkt der Beschlussfassung war als Rechtsgrundlage §60 Abs4 TROG 1997, LGBl. Nr. 10/1997 idF LGBl. Nr. 21/1998 in Geltung. Nach Inkrafttreten des in Prüfung gezogenen Bebauungsplanes trat mit 1. Oktober 2001 die 5. Raumordnungsgesetz-Novelle in Kraft. Da eine Verordnung gemäß Art18 Abs2 B-VG nicht nur zum Zeitpunkt ihrer Erlassung, sondern in jedem Zeitpunkt ihrer Geltung eine gesetzliche Deckung aufweisen muss, wäre allenfalls zu untersuchen, ob der in Prüfung gezogene ergänzende Bebauungsplan durch die 5. TROG-Novelle eine nachfolgende gesetzliche Deckung erhalten oder seine gesetzliche Grundlage verloren hat. Diese Frage kann jedoch dahingestellt bleiben, weil der Inhalt des §60 Abs4 4. Satz TROG durch die 5. TROG-Novelle nicht verändert wurde.

2.2. Die Tiroler Landesregierung weist weiters darauf hin, dass sich der 5. Satz des §60 Abs4 TROG im Zusammenhang mit dem

4. Satz auf die Festlegung der besonderen Bauweise gegenüber Grundstücken, für die die offene Bebauungsweise festgelegt ist, bezieht. Sie vertritt die Auffassung, dass bei anderer Auslegung der Verordnungsgeber nur bei unbebauten Grundstücken mit besonderer Bauweise die Anordnung und Gliederung der Gebäude gegenüber der gemeinsamen Grundstücksgrenze unter Beachtung der relevanten raumordnerischen Zielbestimmungen frei festlegen könnte, während bei einem bereits bebauten Grundstück - auch wenn dieses an ein Grundstück ebenfalls mit besonderer Bauweise angrenze, der Baubestand den Abstand zulässiger Bauten gegenüber der Grundstücksgrenze vorgeben würde. Bei dieser Auslegung würde ein gleichheitswidriges Ergebnis hinsichtlich bebauter und unbebauter Grundstücke mit besonderer Bauweise erzielt.

Der Gerichtshof teilt diese Auffassung; für diese Auslegung spricht nicht zuletzt auch §6 Abs1 TBO 1998, wonach die dort aufgezählten Abstände nur gelten, sofern nicht auf Grund der in einem Bebauungsplan festgelegten geschlossenen oder besonderen Bauweise ein anderer Abstand einzuhalten ist. Der in Prüfung gezogene Bebauungsplan ist somit nicht an §60 Abs4 4. Satz TROG zu messen. Der Verfassungsgerichtshof hält daher eine Auslegung, wonach die Mindestabstände des §6 TBO 1998 auch über den Bestand hinaus gegen Grundstücke mit besonderer Bauweise unterschritten werden dürfen, für geboten.

Aus dem in Prüfung gezogenen ergänzenden Bebauungsplan ergibt sich, dass für die Grst. Nr. 571 und 720/3 - ebenso wie für das Grst. Nr. .171 die besondere Bauweise festgelegt wurde, was sich aus den Signaturen "BW b" ergibt. Das Bedenken des Verfassungsgerichtshofes gegen den ergänzenden Bebauungsplan, er stehe mit §60 Abs4 TROG im Widerspruch, trifft daher nicht zu.

2.3. Die Bedenken des Verfassungsgerichtshofes gegen die Gesetzmäßigkeit des Flächenwidmungsplanes der Gemeinde St. Jakob in Def. haben sich als nicht begründet herausgestellt:

§4 Abs1 der Plangrundlagen- und Planzeichenverordnung verpflichtet zwar den Verordnungsgeber dazu, jede Änderung eines örtlichen Flächenwidmungsplanes mit einer laufenden Nummer zu versehen; im geänderten Plan ist diese dadurch kenntlich zu machen, dass der Änderungsbereich mit einer roten Linie umrandet wird und mit dieser laufenden Nummer versehen wird. Dieser Verpflichtung kam der Gemeinderat der Gemeinde St. Jakob in Def. nicht nach.

Der Verfassungsgerichtshof hatte das Bedenken, dass dieser Verstoß gegen die Planzeichenverordnung zur Gesetzwidrigkeit des Flächenwidmungsplanes führt und berief sich auf das Erkenntnis VfSlg. 14.968/1997. Zum Unterschied vom vorliegenden Verstoß gegen die Plangrundlagen- und Planzeichenverordnung war dort den rechtsstaatlichen Erfordernissen nach exakter Abgrenzung der Umwidmungsfläche nicht entsprochen worden.

Dieses Bedenken trifft jedoch hier nicht zu. Die Umwidmungsfläche und der Inhalt der neuen Widmung sind aus der Plandarstellung eindeutig zu entnehmen. Zwar führt eine Durchnummerierung der Änderungen eines Flächenwidmungsplanes zu einer übersichtlicheren Chronologie der Entwicklung eines solchen, jedoch ist bei Fehlen der Durchnummerierung der einzelnen Änderung für den Eigentümer eines Grundstückes die Kontrolle der Aktualität an Hand der Veröffentlichungen der Änderungspläne durch öffentliche Kundmachung gemäß §67 Abs1 iVm §68 Abs1 TROG 2001 möglich. Bei einem Verstoß gegen das Gebot der Durchnummerierung von Änderungsplänen handelt es sich daher um keinen wesentlichen, auf die Rechtmäßigkeit der Änderungsverordnung durchschlagenden, Fehler.

2.4. Es war daher insgesamt auszusprechen, dass der ergänzende Bebauungsplan sowie der Flächenwidmungsplan der Gemeinde St. Jakob in Def., jeweils in deren in Prüfung gezogenem Umfang, nicht als gesetzwidrig aufgehoben werden.

3. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG 1953 ohne mündliche Verhandlung in nicht öffentlicher Sitzung getroffen werden.

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