VfGH V11/00 ua

VfGHV11/00 ua1.10.2001

Zurückweisung von Anträgen des Obersten Gerichtshofes auf Aufhebung von Bestimmungen betreffend Werbebeschränkungen für Ärzte mangels Präjudizialität; Werbetätigkeit eines Zahnambulatoriums keine ärztliche Berufsausübung sondern Teil des Krankenanstaltenrechts; Denkunmöglichkeit der Annahme der Präjudizialität ärzterechtlicher Bestimmungen in Gerichtsverfahren betreffend die Werbung von Ambulatorien aufgrund des Gebots der verfassungskonformen Interpretation

Normen

B-VG Art12 Abs1 Z1
B-VG Art139 Abs1 / Präjudizialität
ÄrzteG 1998 §53
KAG §2 Abs1 Z7
KAG §13
Richtlinie "Arzt und Öffentlichkeit" der Österreichischen Ärztekammer idF vom 25.03.98 Art3
B-VG Art12 Abs1 Z1
B-VG Art139 Abs1 / Präjudizialität
ÄrzteG 1998 §53
KAG §2 Abs1 Z7
KAG §13
Richtlinie "Arzt und Öffentlichkeit" der Österreichischen Ärztekammer idF vom 25.03.98 Art3

 

Spruch:

Die Anträge werden zurückgewiesen.

Begründung

Begründung

I. 1.1. Der Oberste Gerichtshof stellt aus Anlaß bei ihm anhängiger Verfahren die auf Art89 Abs2 iVm Art140 (richtig: Art139) B-VG gestützten Anträge auf Aufhebung von Art3 litd erster Halbsatz (im Verfahren zu V11/00) bzw. Art3 litd und lith (im Verfahren zu V34/00) der auf §53 Abs4 ÄrzteG 1998 beruhenden, mit den Worten "Arzt und Öffentlichkeit" überschriebenen Richtlinie der Österreichischen Ärztekammer in der Fassung vom 25. März 1998, kundgemacht in der Österreichischen Ärztezeitung Nr. 6/1998.

1.2. Die den Anträgen zugrunde liegenden Verfahren betreffen behauptete Verstöße gegen §53 ÄrzteG 1998 iVm der aufgrund dieser Bestimmung ergangenen Richtlinie "Arzt und Öffentlichkeit" der Österreichischen Ärztekammer durch Werbemaßnahmen für zahnärztliche Leistungen. In diesen Verfahren wird von der Klägerin (der Österreichischen Ärztekammer) jeweils die Unterlassung jeder Information im Zusammenhang mit der Ausübung des ärztlichen Berufs durch die Nennung von Preisen für ärztliche Leistungen sowie - in dem dem Antrag zu V34/00 zugrunde liegenden Verfahren - durch die Verteilung von Flugblättern an die Bevölkerung und durch die Ankündigung von Gratistests und Rabatten begehrt. Beklagte Parteien sind in dem dem Antrag zu V11/00 zugrunde liegenden Verfahren die Kärntner Gebietskrankenkasse als Betreiberin mehrerer Zahnambulatorien sowie in dem dem Antrag zu V34/00 zugrunde liegenden Verfahren eine näher bezeichnete Krankenanstalten GmbH, die ebenfalls ein Zahnambulatorium betreibt.

2. Zur Rechtslage:

§53 ÄrzteG 1998, BGBl. I 169/1998, hat folgenden Wortlaut:

"Werbebeschränkung und Provisionsverbot

§53. (1) Der Arzt hat sich jeder unsachlichen, unwahren oder das

Standesansehen beeinträchtigenden Information im Zusammenhang mit der Ausübung seines Berufes zu enthalten.

(2) Der Arzt darf keine Vergütungen für die Zuweisung von Kranken an ihn oder durch ihn sich oder einem anderen versprechen, geben, nehmen oder zusichern lassen. Rechtsgeschäfte, die gegen dieses Verbot verstoßen, sind nichtig. Leistungen aus solchen Rechtsgeschäften können zurückgefordert werden.

(3) Die Vornahme der gemäß Abs1 und 2 verbotenen Tätigkeiten ist auch sonstigen physischen und juristischen Personen untersagt.

(4) Die Österreichische Ärztekammer kann nähere Vorschriften über die Art und Form der im Abs1 genannten Informationen erlassen."

Art3 der auf §53 Abs4 ÄrzteG 1998 beruhenden Richtlinie "Arzt und Öffentlichkeit" der Österreichischen Ärztekammer in der hier relevanten Fassung vom 25. März 1998, kundgemacht in der Österreichischen Ärztezeitung Nr. 6/1998, lautet:

"Artikel 3

Das Standesansehen beeinträchtigend ist eine Information, wenn sie Ehre und Ansehen der Ärzteschaft gegenüber der Gemeinschaft, den Patienten oder den Kollegen herabsetzt. Eine standeswidrige Information liegt insbesondere vor bei

a) vergleichender Bezugnahme auf Standesangehörige wie z.B. herabsetzende Äußerungen über Kollegen, ihre Tätigkeit und deren medizinische Methoden

b) Einbeziehung von Patienten

c) Werbung für Arzneimittel, Heilbehelfe und sonstige medizinische Produkte

d) Nennung des Preises für die eigenen privatärztlichen Leistungen in der Öffentlichkeit, sowie die Ankündigung unentgeltlicher Behandlungen, wenn es zum eigenen Vorteil des Arztes erfolgt

e) Selbstanpreisung der eigenen Person oder Darstellung der eigenen ärztlichen Tätigkeit durch reklamehaftes Herausstellen, sowie aufdringlichen oder marktschreierischen Ankündigungen

f) Erwecken des Eindruckes einer medizinischen Exklusivität bei Laien

g) Unwahrer und ungerechtfertigter Titelführung

h) Verteilung von Flugblättern und Postwurfsendungen an die Bevölkerung und andere Formen der Telekommunikation."

§13 des (Bundes-)Krankenanstaltengesetzes - KAG, BGBl. 1/1957 idF BGBl. 801/1993, lautet:

"§13. (1) Dem Träger einer Krankenanstalt ist es verboten, selbst oder durch andere physische oder juristische Personen unsachliche oder unwahre Informationen im Zusammenhang mit dem Betrieb einer Krankenanstalt zu geben.

(2) Die näheren Bestimmungen über die für Zuwiderhandlungen gegen die Vorschriften des Abs1 zu verhängenden Strafen sind durch die Landesgesetzgebung zu erlassen."

3. Der Oberste Gerichtshof geht - ohne dies näher darzulegen - davon aus, daß er in dem dem Antrag zu V11/00 zugrunde liegenden Verfahren den ersten Halbsatz des Art3 litd und in dem dem Antrag zu V34/00 zugrunde liegenden Verfahren Art3 litd und lith der Richtlinie "Arzt und Öffentlichkeit" anzuwenden hat.

4. Die Österreichische Ärztekammer, die in den Ausgangsverfahren beklagten Parteien und die Bundesministerin für soziale Sicherheit und Generationen erstatteten jeweils eine Äußerung. Die im Ausgangsverfahren zu V34/00 beklagte Partei zog dabei die Annahme der Präjudizialität der angefochtenen Bestimmungen durch den Obersten Gerichtshof in Zweifel, erachtete sie aber letztlich als denkmöglich.

II. Die Anträge sind nicht zulässig.

1. Der Verfassungsgerichtshof ist zwar nicht berechtigt, durch seine Präjudizialitätsentscheidung das antragstellende Gericht an eine bestimmte Rechtsauslegung zu binden, weil er damit indirekt der Entscheidung dieses Gerichtes in der Hauptsache vorgreifen würde. Gemäß der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes muß aber ein Antrag iS des Art140 B-VG bzw. des Art139 B-VG dann wegen mangelnder Präjudizialität zurückgewiesen werden, wenn es offenkundig unrichtig (denkunmöglich) ist, daß die - angefochtene - generelle Norm eine Voraussetzung der Entscheidung des antragstellenden Gerichtes im Anlaßfall bildet (zB VfSlg. 9811/1983, 10.296/1984, 11.565/1987, 12.189/1989).

2. Der Oberste Gerichtshof hat in den den Anträgen zugrunde liegenden Verfahren jeweils über die wettbewerbsrechtliche Zulässigkeit von näher dargestellten Veröffentlichungen im Zusammenhang mit zahnärztlichen Leistungen durch die Kärntner Gebietskrankenkasse als Betreiberin mehrerer Zahnambulatorien bzw. durch eine Krankenanstalten GmbH, die ebenfalls ein Zahnambulatorium betreibt, zu entscheiden.

Den Betreiberinnen der Krankenanstalten wird vorgeworfen, daß sie im Zuge der Verbreitung der Information, sie seien ab 1.1.1999 berechtigt, "festsitzenden Zahnersatz" anzubieten, auch die Preise für bestimmte Teilleistungen (z.B. Vollgußkrone, gegossener Stiftaufbau etc.) ausgewiesen hätten. Ein Hinweis auf konkrete Ärzte oder Besonderheiten ärztlicher Leistungen ist offenbar nicht erfolgt.

3.1. Bei den von den Beklagten betriebenen Zahnambulatorien handelt es sich um Krankenanstalten iSd. §2 Abs1 Z7 KAG. Der Verfassungsgerichtshof hat in seiner Entscheidung VfSlg. 13.023/1992 auf Basis einer historischen Analyse dargetan, daß es "im Versteinerungszeitpunkt Ambulatorien jedenfalls als Teileinheiten von öffentlichen Krankenanstalten gegeben hat".

Er hat sodann ausgeführt, daß der Verfassungsgesetzgeber bei Erlassung der Kompetenzartikel offensichtlich an die einfachgesetzliche Rechtslage angeknüpft hat, ohne jedoch zwischen öffentlichen und privaten Krankenanstalten zu unterscheiden. In der Folge wird im zitierten Erkenntnis ausführlich dargetan, worin das maßgebliche Merkmal liegt, daß ein selbständiges Ambulatorium als Krankenanstalt zu sehen ist.

Der Verfassungsgerichtshof hat dazu festgehalten:

"Die Möglichkeit oder Unmöglichkeit mehrere Personen gleichzeitig zu behandeln, ist jedoch - wie sich aus §2 Abs3 KAG (arg. 'deren Organisation einer Anstalt entspricht') - für sich allein kein unterscheidendes Kriterium zwischen einer Ordinationsstätte und einer Krankenanstalt in der Betriebsform eines selbständigen Ambulatoriums im Sinne des KAG (so auch Kux/Emberger/Neudorfer/Chlan/Mahn, Ärztegesetz, 3. Auflage, S. 130 f.).

Das maßgebliche Kriterium für eine Krankenanstalt in Form eines selbständigen Ambulatoriums im Sinne des (...) §2 Abs1 Z7 KAG sowie der entsprechenden landesausführungsgesetzlichen Bestimmungen bildet somit das Vorliegen einer organisatorischen Einheit sowie der Abschluß eines (Behandlungs-)Vertrages nicht (nur) mit dem Arzt, sondern (auch) mit dieser Einrichtung und die sanitäre Beaufsichtigung derselben."

Der Verfassungsgerichtshof sieht sich nicht veranlaßt, von dieser Meinung abzugehen. Die beiden in den zugrunde liegenden Verfahren maßgeblichen zahnärztlichen Ambulatorien sind entsprechend dieser Unterscheidung Krankenanstalten iSd. Krankenanstaltengesetzes.

Es ist daher §13 KAG anzuwenden; diese Regelung untersagt es dem Träger der Krankenanstalt, unsachliche oder unwahre Informationen im Zusammenhang mit dem Betrieb der Krankenanstalt zu verbreiten. Die Konkretisierung dieses Verbotes obliegt ausschließlich den Landesorganen.

3.2. Die gesetzliche Grundlage für die Richtlinie "Arzt und Öffentlichkeit" ist §53 ÄrzteG 1998; die in den vorliegenden Fällen vom Obersten Gerichtshof als präjudiziell erachteten Bestimmungen des Art3 der Richtlinie betreffen standeswidrige Informationen.

Würde aber jegliche Werbetätigkeit eines Zahnambulatoriums undifferenziert unter die "Ausübung des ärztlichen Berufes" iSd. §53 ÄrzteG 1998 subsumiert und folglich auch die Anwendbarkeit des Art3 der Richtlinie "Arzt und Öffentlichkeit" betreffend standeswidriges Verhalten auf Werbemaßnahmen einer Krankenanstalt bejaht, so würde dies der vom Verfassungsgesetzgeber getroffenen unterschiedlichen kompetenzrechtlichen Zuordnung zuwiderlaufen.

Es ist nämlich auch hinsichtlich der Kompetenz zur Erlassung von Werbeverboten danach zu unterscheiden, ob sich die Werbung auf Leistungen einer Krankenanstalt (als organisatorische Einheit) oder auf die Tätigkeit eines bestimmten Arztes bezieht. Regelungen über Werbebeschränkungen für Krankenanstalten sind von dem gemäß Art12 Abs1 Z1 B-VG ("Heil- und Pflegeanstalten") zuständigen Gesetzgeber zu treffen. Was in dem Fall gilt, daß eine Krankenanstalt für einen bestimmten Arzt - der in der Krankenanstalt angestellt ist - wirbt, kann in den vorliegenden Verfahren dahingestellt bleiben.

3.3. In den vorliegenden Fällen wurden jeweils in der Öffentlichkeit - durch Postwurfsendungen oder Flugblätter - Preise für die in der betreffenden Krankenanstalt angebotenen Leistungen genannt, teils auch unter Ankündigung von Gratistests und Rabatten, ohne auf einen bestimmten Arzt Bezug zu nehmen. Die Anwendung des §53 DrzteG 1998 und der darauf beruhenden Richtlinie "Arzt und Öffentlichkeit" auf die den Verfahren zugrunde liegenden Sachverhalte würde - aus oben dargelegten Erwägungen - dem §53 ÄrzteG 1998 und den darauf gestützten Regelungen einen im Hinblick auf die Kompetenzbestimmung des Art12 Abs1 Z1 B-VG verfassungswidrigen Inhalt unterstellen. Angesichts der Notwendigkeit einer verfassungskonformen Interpretation ist es somit denkunmöglich, daß der antragstellende Gerichtshof diese Normen in den den Anträgen zugrunde liegenden Verfahren anzuwenden hat, weshalb die angefochtenen Bestimmungen nicht präjudiziell iSd. Art139 Abs1 B-VG sein können.

Die Anträge waren daher zurückzuweisen.

4. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs3 Z2 lite VerfGG 1953 in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

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