VfGH V109/89

VfGHV109/8928.6.1990

Zurückweisung eines Individualantrages mangels Betroffenheit des Antragstellers wegen Neufassung der bekämpften Verordnungsstelle; Erforderlichkeit des Vorliegens der Legitimation zur Anfechtung einer Norm auch im Zeitpunkt der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes

Normen

B-VG Art139 Abs1 / Gegenstandslosigkeit
B-VG Art139 Abs1 / Individualantrag
Satzung der Versorgungseinrichtung der Rechtsanwaltskammer Wien vom 21.05.74 §16 Abs2
B-VG Art139 Abs1 / Gegenstandslosigkeit
B-VG Art139 Abs1 / Individualantrag
Satzung der Versorgungseinrichtung der Rechtsanwaltskammer Wien vom 21.05.74 §16 Abs2

 

Spruch:

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Kosten werden nicht zugesprochen.

Begründung

Begründung

1.1. Mit einer auf Art139 Abs1 B-VG gestützten, eingehend begründeten Eingabe begehrt der Antragsteller, §16 Abs2 der Satzung der Versorgungseinrichtung der Rechtsanwaltskammer Wien als gesetzwidrig aufzuheben.

1.2. Zur Zulässigkeit des Antrages verweist der Antragsteller darauf, daß er am 4. November 1921 geboren wurde und daher im Zeitpunkt der Antragstellung (9. November 1989) das 68. Lebensjahr vollendet habe. Er sei erstmals am 15. September 1959, sohin vor Vollendung seines 50. Lebensjahres, in die Liste der Rechtsanwälte der Rechtsanwaltskammer für Wien, Niederösterreich und Burgenland eingetragen worden. Aufgrund einer Verurteilung des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 16. Juli 1968 sei er mit Beschluß des Disziplinarrates vom 23. April 1969 aus der Liste der Rechtsanwälte gestrichen worden. Seine Wiedereintragung sei am 20. Oktober 1981 erfolgt. Dementsprechend sei er seit mehr als insgesamt zehn Jahren in die Liste einer österreichischen Rechtsanwaltskammer eingetragen, sodaß §50 Abs2 Z2 lita erster Satz RAO entsprochen sei; überdies erfülle er auch die Voraussetzung des §50 Abs2 Z2 lita zweiter Satz RAO - "mindestens fünf Jahre unmittelbar vor Eintritt des Versorgungsfalles eingetragen gewesen (zu) sein" -, sodaß es ihm jederzeit möglich sei, durch Verzicht auf die Ausübung der Rechtsanwaltschaft gemäß §50 Abs2 Z2 litc RAO sämtliche Voraussetzungen für den Versorgungsanspruch gemäß §50 Abs2 Z2 RAO zu erfüllen. Nicht erfüllt würden von ihm hingegen die von der Satzung der Versorgungseinrichtung der Rechtsanwaltskammer Wien (in der Folge: Satzung) aufgestellten strengeren (verschärften) Anspruchsvoraussetzungen.

Da die Standesbehörde die Erlassung eines Feststellungsbescheides verweigert habe, bleibe ihm nur die Möglichkeit, sein Anliegen zum Gegenstand eines Individualantrages nach Art139 Abs1 B-VG zu machen.

2. Der Ausschuß der Rechtsanwaltskammer Wien begehrt die Zurückweisung des Antrages, in eventu seine Abweisung, sowie den Zuspruch von Prozeßkosten.

3.1. §16 Abs2 der Satzung stand im Zeitpunkt der Antragstellung in der Fassung des Beschlusses der ordentlichen Vollversammlung der Rechtsanwaltskammer für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 21. Mai 1974 (genehmigt durch den Bundesminister für Justiz am 31. August 1974, Z17.503-4b/74, kundgemacht im AnwBl. 1974, S. 239, 377) in Geltung und lautete:

"Hat ein Rechtsanwalt die Ausübung der Rechtsanwaltschaft unterbrochen, so ermäßigen sich seine Rentenansprüche bzw. die Ansprüche seiner Hinterbliebenen pro Jahr der Unterbrechung pro Jahr um drei von Hundert der in der Leistungsordnung festgesetzten Höhe, sofern er nicht unter Berücksichtigung der Tätigkeit nach der letzten Unterbrechung allein die Wartezeit erfüllt hat. Die Bestimmungen über die Verkürzung der Wartezeit nach §3 (2) dieser Satzung sind in diesem Falle nur anzuwenden, wenn die letzte Eintragung in die Liste der Rechtsanwälte vor Vollendung seines 50. Lebensjahres erfolgt ist."

3.2. §16 Abs2 der Satzung wurde mit Beschluß der Plenarversammlung der Rechtsanwaltskammer Wien vom 26. März 1990, genehmigt mit Bescheid des Bundesministers für Justiz vom 6. April 1990, Z16.201/8-I6/90, kundgemacht im AnwBl. 5/1990, S. 248, wie folgt geändert:

"(2) Hat ein Rechtsanwalt die Ausübung der Rechtsanwaltschaft unterbrochen, so ermäßigen sich seine Rentenansprüche bzw. die Ansprüche seiner Hinterbliebenen pro Jahr der Unterbrechung pro Jahr um drei von Hundert der in der Leistungsordnung festgesetzten Höhe, sofern er nicht unter Berücksichtigung der Tätigkeit nach der letzten Unterbrechung allein die Wartezeit erfüllt oder schon vor der Unterbrechung alle Voraussetzungen für den Bezug der Altersrente erbracht hat. Die Bestimmungen über die Verkürzung der Wartezeit nach §3 (2) dieser Satzung sind in diesem Falle nur anzuwenden, wenn die letzte Eintragung in die Liste der Rechtsanwälte vor Vollendung seines 50. Lebensjahres erfolgt ist."

4. Der Antrag ist nicht zulässig.

Nach Art139 Abs1 B-VG bildet eine Voraussetzung des sogenannten Individualantrages auf Verordnungsprüfung, daß die Verordnung - ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides - für die anfechtende Person wirksam geworden ist; Voraussetzung der Antragslegitimation ist aber weiters, daß die bekämpfte Verordnung für den Einschreiter auch noch im Zeitpunkt der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes wirksam ist. Wie bereits dargelegt, wurde die bekämpfte Verordnungsstelle mit Beschluß der Plenarversammlung der Rechtsanwaltskammer Wien vom 26. März 1990 neu gefaßt, sodaß sie seither dem Rechtsbestand nicht mehr angehört. Da nach Lage des Falles die geltend gemachte Betroffenheit hiemit weggefallen ist, fehlt aber dem Antragsteller die nicht bloß im Zeitpunkt der Antragseinbringung, sondern auch im Zeitpunkt der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes erforderliche Legitimation zur Anfechtung, sodaß sein Antrag zurückzuweisen ist (vgl. VfSlg. 9868/1983, VfGH 3.10.1989 G227/88).

5. Der Kostenspruch gründet sich auf §61a VerfGG, der den Kostenzuspruch nur für den Fall des Obsiegens des Antragstellers vorsieht.

6. Dies konnte gemäß §19 Abs3 Z2 lite VerfGG in nichtöffentlicher Sitzung ohne vorangegangene Verhandlung beschlossen werden.

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