VfGH G7/02 ua

VfGHG7/02 ua19.6.2002

Keine Zulässigkeit der Gerichtsanträge auf Aufhebung der Einstufung der Familienbeihilfe nicht als Unterhalt des Kindes mangels Präjudizialität in den Anlaßverfahren zur Herabsetzung des Kindesunterhalts; kein untrennbarer Zusammenhang mit dem zweiten Halbsatz der zur Aufhebung beantragten Bestimmung des Familienlastenausgleichsgesetzes hinsichtlich der Nichtanrechenbarkeit der Familienbeihilfe auf den Unterhaltsanspruch; keine sachliche Rechtfertigung der dadurch verhinderten Abgeltung steuerlicher Mehrbelastungen von Unterhaltspflichtigen; keine Fristsetzung zur Vermeidung der Verlängerung der Judikaturdivergenzen bei den Zivilgerichten

Normen

B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
B-VG Art140 Abs1 / Allg
B-VG Art140 Abs1 / Präjudizialität Umfang
B-VG Art140 Abs1 / Prüfungsgegenstand Umfang
B-VG Art140 Abs5 / Fristsetzung
ABGB §140 Abs3
FamilienlastenausgleichsG 1967 §12a
B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
B-VG Art140 Abs1 / Allg
B-VG Art140 Abs1 / Präjudizialität Umfang
B-VG Art140 Abs1 / Prüfungsgegenstand Umfang
B-VG Art140 Abs5 / Fristsetzung
ABGB §140 Abs3
FamilienlastenausgleichsG 1967 §12a

 

Spruch:

I. In §12a Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376, in der Fassung BGBl. Nr. 646/1977, wird die Wortfolge "und mindert nicht dessen Unterhaltsanspruch" als verfassungswidrig aufgehoben.

Die aufgehobene Wortfolge ist nicht mehr anzuwenden.

Frühere gesetzliche Bestimmungen treten nicht wieder in Wirksamkeit.

Der Bundeskanzler ist zur unverzüglichen Kundmachung dieser Aussprüche im Bundesgesetzblatt I verpflichtet.

II. Im übrigen werden die Anträge zurückgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1.1. Bei den antragstellenden Gerichten (das sind der Oberste Gerichtshof und die Landesgerichte Feldkirch, St. Pölten und Linz) sind jeweils Verfahren anhängig, bei denen die Höhe der Unterhaltsleistungen der Väter für ihre nichthaushaltszugehörigen Kinder - insbesondere aufgrund des hg. Erkenntnisses vom 27. Juni 2001, B1285/00 - strittig ist.

1.2. Aus Anlaß der bei ihm anhängigen Revisionsrekurse stellte der Oberste Gerichtshof gemäß Art89 Abs2 iVm Art140 B-VG die - zu G7/02, G15/02, G27/02, G29/02, G40/02, G41/02, G43/02, G44/02, G50/02, G51/02, G52/02, G58/02, G59/02, G64/02, G65/02, G66/02, G67/02, G72/02, G73/02, G74/02, G75/02, G78/02, G80/02, G81/02, G82/02 und G86/02 protokollierten - Anträge, §12a Familienlastenausgleichsgesetz 1967, idF BGBl. 646/1977, als verfassungswidrig aufzuheben.

1.3. Aus Anlaß eines bei ihm anhängigen Rekurses stellte das Landesgericht Feldkirch mit Beschluß vom 11. Jänner 2002 gemäß Art89 Abs2 iVm Art140 B-VG den - zu G55/02 protokollierten - Antrag, §12a Familienlastenausgleichsgesetz 1967, idF BGBl. 646/1977, als verfassungswidrig aufzuheben.

1.4. Aus Anlaß der bei ihm anhängigen Rekurse stellte das Landesgericht St. Pölten gemäß Art89 Abs2 iVm Art140 B-VG die - zu G56/02, G63/02, G68/02, G77/02 und G90/02 protokollierten - Anträge, §12a Familienlastenausgleichsgesetz 1967, idF BGBl. 646/1977, als verfassungswidrig aufzuheben.

1.5. Aus Anlaß der bei ihm anhängigen Rekurse stellte das Landesgericht Linz gemäß Art89 Abs2 iVm Art140 B-VG die - zu G88/02, G89/02, G107/02 und G114/02 protokollierten - Anträge, §12a Familienlastenausgleichsgesetz 1967, idF BGBl. 646/1977, als verfassungswidrig aufzuheben.

2. Zur Rechtslage:

§12a Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. 376, idF BGBl. 646/1977, lautet folgendermaßen:

"Die Familienbeihilfe gilt nicht als eigenes Einkommen des Kindes und mindert nicht dessen Unterhaltsanspruch."

Gemäß §2 Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (in der Folge: FLAG) haben Anspruch auf Familienbeihilfe Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, für minderjährige und - unter bestimmten Voraussetzungen - volljährige Kinder (Abs1). Anspruch hat grundsätzlich die Person, zu deren Haushalt das Kind gehört.

Nach §34 Abs7 EStG 1988 sind Unterhaltsleistungen für ein Kind einkommensteuerlich grundsätzlich durch die Familienbeihilfe sowie gegebenenfalls den Kinderabsetzbetrag abgegolten (Z1). Leistungen des gesetzlichen Unterhalts für ein nicht dem Haushalt zugehöriges Kind, für das weder der Steuerpflichtige noch sein mit ihm im gemeinsamen Haushalt lebender (Ehe)Partner Anspruch auf Familienbeihilfe hat, sind durch den Unterhaltsabsetzbetrag gemäß §33 Abs4 Z3 litb EStG 1988 abgegolten (§34 Abs7 Z2 leg.cit.).

3.1.1. In seinem zu G7/02 protokollierten Antrag faßt der Oberste Gerichtshof (in der Folge: OGH) einleitend das hg. Erkenntnis vom 27. Juni 2001, B1285/00, zusammen und zieht daraus den Schluß, daß die für die Unterhaltsbemessung zuständigen Zivilgerichte im Wege einer teleologischen Reduktion des §12a FLAG die dem haushaltsführenden Elternteil zukommende Familienbeihilfe in jenem Ausmaß auf die Unterhaltsleistung des geldunterhaltspflichtigen (und nicht haushaltszugehörigen) Elternteils anzurechnen hätten, das erforderlich sei, um - zusammen mit dem Unterhaltsabsetzbetrag - die Hälfte des geschuldeten Unterhalts von der Einkommensteuer freizustellen. Im Ergebnis führe dies zu einer Reduktion der Unterhaltsverpflichtung, die sich nach den der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes zugrunde liegenden Berechnungen bereits bei Unterhaltsverpflichtungen von S 40.000,-- jährlich und einem Einkommen des geldunterhaltspflichtigen Elternteils von unter S 200.000,-- jährlich auswirke, somit auch durchschnittliche Einkommen betreffe.

3.1.2. Ob die aus verfassungsrechtlichen Gründen vorgeschlagene teleologische Reduktion des §12a FLAG zulässig sei, richte sich nach den zivilrechtlichen Auslegungsgrundsätzen. Nach ständiger Rechtsprechung des OGH sei die Familienbeihilfe ihrem Wesen nach Betreuungshilfe, die die Pflege und Erziehung des Kindes als Zuschuß erleichtern und die mit der Betreuung verbundenen Mehrbelastungen zumindest zum Teil ausgleichen soll. Sie sei als Sozialbeihilfe des öffentlichen Rechts eine besondere Form der Drittzuwendung. Der Staat verfolge mit ihr einen doppelten Zweck: den Mindestunterhalt des Kindes zu gewährleisten und gleichzeitig die Eltern von ihrer Unterhaltspflicht zu entlasten. Auch die Materialien zu §12a FLAG, idF BGBl. 646/1977, machten deutlich, daß die Familienbeihilfe - im Unterschied zur Fassung des §12a FLAG vor dieser Novelle - zur Gänze dem Haushalt zukommen solle, in dem das Kind betreut werde und nicht jene Person zu entlasten habe, die zwar dem Kind zum Unterhalt verpflichtet sei, deren Haushalt es aber nicht teile. Die Familienbeihilfe gehöre demnach nicht zu den den Unterhaltsanspruch nach §140 Abs3 ABGB verringernden Einkünften. An dieser Auslegung sei in Anbetracht der klaren und eindeutigen Formulierung des §12a FLAG im Zusammenhang mit der in den Gesetzesmaterialien (RV 636 BlgNR, 14. GP, 11) zum Ausdruck kommenden Absicht des Gesetzgebers festzuhalten.

Nach Auffassung des OGH fehlen die Voraussetzungen für die vom Verfassungsgerichtshof angeregte ergänzende Rechtsfortbildung.

"Eine teleologische Reduktion des normativen Gehalts von §12a FLAG auf jenen Bereich, in dem die Familienbeihilfe nicht zum Ausgleich der überhöhten Steuerbelastung benötigt wird, ist danach mit den zivilrechtlichen Auslegungsgrundsätzen nicht im Einklang. Die teleologische Reduktion verschafft der 'ratio legis' nicht gegen einen engen, sondern gegen einen überschießend weiten Gesetzeswortlaut Durchsetzung. Die (verdeckte) Lücke besteht hier im Fehlen einer nach der 'ratio legis' notwendigen Ausnahmeregel. Vorausgesetzt ist stets der Nachweis, dass eine abstrakt umschriebene Fallgruppe von den Grundwerten oder Zwecken des Gesetzes entgegen seinem Wortlaut gar nicht getroffen wird und dass sie sich von den 'eigentlich gemeinten' Fallgruppen soweit unterscheidet, dass die Gleichbehandlung sachlich ungerechtfertigt und willkürlich wäre (Bydlinski in Rummel ABGB³ §7 Rz 7). Die teleologische Reduktion erfordert den klaren Nachweis des Gesetzeszwecks, an dem sich die (den Gesetzeswortlaut letztlich) korrigierende Auslegung orientieren soll ..."

Vom eindeutigen Willen des historischen Gesetzgebers wäre nur dann abzugehen, wenn dieser von bestimmten sozialen und wirtschaftlichen Gegebenheiten ausgegangen wäre, die sich seither geändert hätten, oder sein Wille in Widerspruch zu den Absichten des gegenwärtigen Gesetzgebers stünde und diese Ausdruck im positiven Recht gefunden hätten. Beides sei hier nach Ansicht des OGH nicht der Fall. Schon der Gesetzgeber des Jahres 1977 sei sich der Situation getrennt lebender Elternteile bewußt gewesen und habe gerade in diesem Bewußtsein die Familienbeihilfe jenem Haushalt ungeschmälert zugeordnet, der die Last der Betreuung trage. Auch die Auffassung von Zorn, Kindesunterhalt und Verfassungsrecht, SWK 2001, 1289 ff., wonach die Familienbeihilfe auch die Lasten des Geldunterhalts abgelten wolle, da die Familienbeihilfe mit steigendem Alter des Kindes zunehme, während sich die Betreuungslasten indirekt proportional verhielten, und spätestens seit Erhöhung der Familienbeihilfe durch das Budgetbegleitgesetz 1998 nicht mehr bezweifelt werden könne, daß der Gesetzgeber die Familienbeihilfe (auch) als Steuerrefundierung bzw. Negativsteuer ansehe, vermöge den OGH nicht zu überzeugen. Der für die gewünschte Reduktion erforderliche "Telos" sei nicht zu erkennen, da der Gesetzgeber auch anläßlich der Erhöhung der Familienbeihilfe durch das Budgetbegleitgesetz 1998 §12a FLAG nicht geändert habe.

Vielmehr sei der Regierungsvorlage zum Budgetbegleitgesetz 1998 zu entnehmen, daß auch der gegenwärtige Gesetzgeber die mangelnde Entlastung des haushaltsfremden, geldunterhaltspflichtigen Elternteils bewußt in Kauf nehme: Bei getrennt lebenden Ehegatten sei es "Sache privater Lebensgestaltung", daß ein Elternteil außerhalb des Kindeshaushalts lebe (RV 1099 BlgNR, 20. GP, 16).

3.1.3. Die vom Verfassungsgerichtshof vorgeschlagene teleologische Reduktion sei aber vor allem auch deshalb nicht vorzunehmen, weil die aus der Regelung des §12a FLAG auszunehmende Fallgruppe die Mehrheit aller Geldunterhaltspflichtigen umfasse (nämlich Geldunterhaltspflichtige ab einem Einkommen von unter S 200.000,-- und Unterhaltspflichten von mindestens S 40.000,-- jährlich) und damit nicht bloß "verdeckte" Ausnahmefälle betreffe, auf die eine sonst grundsätzlich anzuwendende Regelung ausnahmsweise nicht passe. Damit würde nicht eine zu weit gefaßte Regel auf den ihr nach dem Zweck des Gesetzes zukommenden Anwendungsbereich zurückgeführt, sondern eine Gesetzesänderung verwirklicht, was aber nicht Sache der Rechtsprechung, sondern Aufgabe des Gesetzgebers sei.

3.1.4. Bei der Entscheidung über das Rechtsmittel des geldunterhaltspflichtigen Vaters habe der OGH §12a FLAG anzuwenden, gegen dessen Anwendung nun - anders als in früheren Verfahren - aus dem Grund der Verfassungswidrigkeit Bedenken bestünden. Die - nach Ansicht des OGH - fehlende Möglichkeit, §12a FLAG im Sinn des Verfassungsgerichtshofs teleologisch zu reduzieren, führe zur Auslegung dieser Bestimmung im Sinn des Verständnisses der bisher ständigen Rechtsprechung. Somit verhindere §12a FLAG die verfassungsrechtlich gebotene, vom Gesetzgeber angestrebte und durch die Familienbeihilfe als Transferleistung auch erzielbare steuerliche Entlastung des geldunterhaltspflichtigen Elternteils. Er werde damit sowohl gegenüber Personen mit gleichem Einkommen aber ohne Geldunterhaltspflichten als auch gegenüber Unterhaltspflichtigen, deren Haushalt der Unterhaltsberechtigte angehört, und gegenüber jenem Elternteil schlechter gestellt, in dessen Haushalt das Kind betreut wird.

Auch der Verfassungsgerichtshof habe im Verfahren B1285/00 Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit des §12a FLAG im Hinblick auf die schon früher geforderte steuerliche Entlastung von Geldunterhaltspflichten erkennen lassen. Er habe §12a FLAG jedoch nicht (auch nicht von Amts wegen) aufheben können, weil dort ein Einkommensteuerbescheid bekämpft worden sei, wofür §12a FLAG nicht präjudiziell gewesen sei. Es werde nicht verkannt, daß der Verfassungsgerichtshof über bestimmt umschriebene Bedenken ob der Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes nur ein einziges Mal zu entscheiden habe. Der Verfassungsgerichtshof habe in dem hier in Rede stehenden Erkenntnis vom 27. Juni 2001, B1285/00, jedoch weder über einen Antrag auf Prüfung des §12a FLAG entschieden noch diese Bestimmung einer formellen amtswegigen Gesetzesprüfung unterzogen. Nach Ansicht des OGH stehe daher dieses Erkenntnis einer materiellen Entscheidung über den hier gestellten Gesetzesprüfungsantrag nicht entgegen.

3.2. Diese Ausführungen liegen - z.T. wortgleich, z.T. zusammengefaßt - auch allen anderen Anträgen des OGH zugrunde.

3.3.1. In den zu G51/02, G64/02, G78/02 und G82/02 protokollierten Anträgen weist der OGH eingangs zusätzlich darauf hin, daß bereits in dem zu 6 Ob 243/01f anhängigen Revisionsrekursverfahren der (zu G7/02 protokollierte) Antrag gestellt wurde, §12a FLAG offenkundig seinem ganzen Inhalt nach als verfassungswidrig aufzuheben. Eine nähere Begründung für den Umfang des Aufhebungsantrags fehlt aber auch hier.

3.3.2. In der Sache betont der OGH zusätzlich, daß die Divergenz zwischen OGH und Verfassungsgerichtshof bezüglich der Möglichkeit der teleologischen Reduktion des §12a FLAG durch das verfassungsgerichtliche Erkenntnis vom 27. Juni 2001, B1285/00, offenkundig geworden sei. Es sei jedoch nicht Aufgabe des OGH, über das in diesem Erkenntnis erzielte Ergebnis einer erforderlichen größeren steuerlichen Entlastung zu rechten. Der Auffassung des Verfassungsgerichtshofs, die erforderliche steuerliche Entlastung bestimmter Geldunterhaltsschuldner nicht unmittelbar im Steuerrecht zu verwirklichen, sondern mittelbar auf dem Weg über die Kürzung des privatrechtlichen Unterhaltsanspruchs des Kindes durch eine teilweise Anrechnung der Familienbeihilfe zu erreichen, sei allerdings nicht beizutreten. "Vor diesem Hintergrund kann aber das nach dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs vom 27.6.2001, Zl. B1285/00, verfassungsrechtlich offenkundig gebotene Ergebnis, die Verfassungsmäßigkeit des Systems der Besteuerung bestimmter Geldunterhaltspflichtiger auf dem Umweg über die Lösung einer zivilrechtlichen Vorfrage abseits des Steuerrechts zu bejahen, nur durch eine - letztlich dem Gesetzgeber vorbehaltene - Reform des §12a FLAG erreicht werden."

3.4. Im zu G73/02 protokollierten Antrag legt der OGH - bevor er die schon im Antrag G51/02 angeführten Argumente wiedergibt - dar, daß - entgegen der im verfassungsgerichtlichen Erkenntnis B1285/00 in Aussicht gestellten Möglichkeit und auch der vom Rekursgericht vertretenen Rechtsauffassung - im Unterhaltsbetrag keine Komponente enthalten sei, die auch den Entfall der Betreuungsleistung des nunmehrigen Geldunterhaltsschuldners berücksichtige. Aus dem Umstand, daß die Familienbeihilfe nicht (auch) den (bloß) geldunterhaltspflichtigen Elternteil entlasten solle, lasse sich als Gesetzeszweck nur ableiten, "dass der Staat mit der Familienbeihilfe einen finanziellen Beitrag zur teilweisen Abgeltung der Unterhaltspflicht des betreuungspflichtigen Elternteils leistet, nicht aber auch, dass es notwendig ist, dem geldunterhaltspflichtigen Elternteil eine ergänzende Unterhaltspflicht im Ausmaß seiner durch die Aufhebung der familiären Hausgemeinschaft entfallenen Betreuungsleistungen aufzuerlegen, die es dem nur allein betreuungspflichtigen Elternteil ermöglicht, sich von der persönlichen Unterhaltsschuld durch vermehrte Inanspruchnahme von Leistungen Dritter noch in weiterem Umfang zu befreien".

"Bei Bemessung der Geldunterhaltsansprüche der Kinder des Revisionsrekurswerbers an Hand des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofs vom 27.6.2001, B1285/00, wäre also die steuerliche Entlastung der jeweiligen Geldunterhaltspflicht nicht um eine Komponente als Abgeltung für den Entfall der Betreuungsleistung des Geldunterhaltsschuldners zu kürzen."

4. Der zu G55/02 protokollierte Antrag des Landesgerichts (in der Folge jeweils: LG) Feldkirch entspricht - in etwas verkürzter Form, wobei die detaillierte Begründung der fehlenden Möglichkeit einer teleologischen Reduktion des §12a FLAG weggelassen wurde - dem zu G7/02 protokollierten Antrag des OGH.

5.1. Das LG St. Pölten stellte fünf - übereinstimmende - Anträge auf Aufhebung des §12a FLAG, die zu G56/02, G63/02, G68/02, G77/02 und G90/02 protokolliert sind. Bevor es die Argumente des OGH (in dem zu G7/02 protokollierten Antrag) wiedergibt, stellt es allgemeine Überlegungen zur Familienbesteuerung an und faßt die wesentlichen Aussagen der einschlägigen Erkenntnisse VfSlg. 12.940/1991 und 14.992/1997 zusammen.

5.2. Zunächst bemerkt das LG St. Pölten, daß die Vorgangsweise, die Leistungen aufgrund des FLAG heranzuziehen, um dem verfassungsrechtlich gebotenen Ausgleich der steuerlichen Lasten im Vergleich zu nicht unterhaltspflichtigen Personen herzustellen, insoweit Bedenken hervorrufe, als jene Personen, denen die Ansprüche gemäß §2 FLAG zustehen, nicht notwendigerweise ident seien mit den Personen, die tatsächlich wirtschaftlich mit der Unterhaltsverpflichtung belastet seien. Es seien daher Konstellationen vorstellbar und auch in der Praxis gegeben, in denen der Elternteil, der die Familienbeihilfe bezieht, über kein oder ein äußerst geringes Einkommen verfüge, und daher keine oder nur geringfügige Einkommensteuer zu entrichten habe, während dem anderen Elternteil aufgrund seines höheren Einkommens eine deutlich höhere Steuerlast auferlegt sei, obwohl er faktisch für den gesamten finanziellen Aufwand der Familie aufzukommen habe. Dies widerspreche grundsätzlich dem - dem österreichischen Einkommensteuerrecht zugrundeliegenden - Grundsatz der Individualbesteuerung. Die im Steuerrecht angestellte "wirtschaftliche Betrachtungsweise", die letztlich dazu führe, daß die Einkommen aller Familienmitglieder "in einen Topf geworfen" würden und nicht für den einzelnen Steuerpflichtigen, sondern für die Gesamtfamilie die einkommensteuerrechtliche Entlastung durch Transferleistungen erzielt werde, begegne daher Bedenken. Dies umso mehr, wenn die Eltern nicht im gemeinsamen Haushalt lebten, da hier die Transferleistungen aufgrund des FLAG ausschließlich dem Elternteil zukämen, in dessen Haushalt das Kind betreut werde, während dem geldunterhaltspflichtigen Elternteil eine steuerliche Entlastung nur im Umfang des Unterhaltsabsetzbetrages gemäß §33 Abs4 Z3 litb EStG 1988 zukomme.

Diesem Problem habe der Verfassungsgerichtshof im Erkenntnis vom 27. Juni 2001, B1285/00, durch eine korrigierende Interpretation des §12a FLAG entgegen dessen Wortlaut auszuweichen versucht. Der Verfassungsgerichtshof vertrete in diesem Erkenntnis die Auffassung, daß die ordentlichen Gerichte bereits bei der Unterhaltsbemessung die steuerliche Entlastung entsprechend zu berücksichtigen hätten.

5.3. Weiter führt das LG St. Pölten - in dem zu G56/02 protokollierten Antrag - wörtlich folgendes aus:

"Die Unterhaltsbemessung ist jedoch für die vom Verfassungsgerichtshof zu entscheidende Frage, ob der steuerlichen Entlastung des unterhaltspflichtigen Einkommens durch den Steuergesetzgeber ausreichend Rechnung getragen wurde, lediglich eine Vorfrage. Anstatt der Frage, welche Konsequenzen eine bestimmte Unterhaltslast (Vorfrage) im Steuerrecht nach den Vorgaben des Verfassungsrechts haben muss, beantwortet der Verfassungsgerichtshof die Frage, welche (rückwirkenden) Konsequenzen das Steuerrecht bei der Unterhaltsbemessung hat.

Die Berücksichtigung steuerrechtlicher Aspekte hat grundsätzlich im dafür vorgesehenen Verwaltungsverfahren zu erfolgen. Eine Berücksichtigung durch die Zivilgerichte verstößt somit auch gegen den Grundsatz der Trennung von Justiz und Verwaltung. Dazu kommt, dass die Bemessungsgrundlage für die Ermittlung der Einkommensteuer nicht mit der Unterhaltsbemessungsgrundlage übereinstimmt. Letztere ist im Regelfall wesentlich breiter, werden doch etwa die Hälfte (auch) der steuerfreien Diäten, die Absetzung für Abnutzung (AfA), steuerbegünstigte Zulagen u.a. bei Ermittlung der Unterhaltsbemessungsgrundlage zur Bemessungsgrundlage für die Einkommensteuer hinzugerechnet. Die vom Verfassungsgerichtshof entwickelte Methode der Berechnung der Kürzung der Unterhaltsansprüche unterstellt (wenn mit einem Steuersatz von 40 % gerechnet wird) zudem, dass Unterhalt von den am höchsten besteuerten Einkommensteilen geleistet wird. Will man jene Einkommensteile, von denen Unterhalt zu leisten ist, im Ergebnis steuerfrei stellen, so genügte es wohl, die tatsächlich zu entrichtende Einkommensteuer der Summe aus Einkommensteuer und (breiterer) gesamter Unterhaltsbemessungsgrundlage gegenüberzustellen und so einen 'durchschnittlichen Steuersatz' zu ermitteln, mit dem die gesamte Unterhaltsbemessungsgrundlage tatsächlich belastet ist."

Die teilweise Anrechnung der Transferleistungen könnte auch eine Anhebung der "Luxusgrenze" zur Folge haben, da der maximale Bedarf des Kindes durch die Steuerlast des Geldunterhaltspflichtigen nicht berührt werde.

5.4. Über den Anspruch auf Transferleistungen werde in einem Verwaltungsverfahren abgesprochen, in dem das Kind keine Parteistellung habe. Hätte das Ergebnis eines derartigen Verwaltungsverfahrens unmittelbar Einfluß auf die Unterhaltsansprüche des Kindes, würde im Ergebnis über zivilrechtliche Ansprüche des Kindes in einem Verwaltungsverfahren abgesprochen werden, was eine Verletzung des Art6 EMRK darstellen würde.

5.5. Überdies berücksichtige das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs in keiner Weise die Bedarfssituation des Kindes, wobei es bei Zerschlagung der Familie als wirtschaftlicher Einheit tendenziell zu einer Erhöhung des Bedarfs komme. Die Konsequenz wäre, daß es bei getrennt lebenden Eltern zu einer Kürzung der Unterhaltsbeiträge bei zumindest gleich hohem oder sogar tendenziell höherem Bedarf des Kindes käme.

Weiters argumentiert das LG St. Pölten, daß auch die Staffelung der Unterhaltsabsetzbeträge zu Problemen führe: Da der Unterhaltsabsetzbetrag beim ersten (ältesten) Kind am geringsten sei, müßte bei diesem bei der Unterhaltsfestsetzung in stärkerem Maß eine steuerliche Entlastung erfolgen als beim zweiten oder jedem weiteren Kind. Dies führe aber zum "geradezu grotesken" Ergebnis, daß bei sonst völlig gleichen Anspruchsvoraussetzungen das erste Kind sich mit einem geringeren Unterhaltsbeitrag zufriedengeben müßte als das zweite und auch das zweite als das dritte oder jedes weitere Kind. Da darüber hinaus in der Regel das jüngste Kind aus der letzten, möglicherweise sogar noch aktuell aufrechten Beziehung stamme, ältere Kinder hingegen eher aus bereits früher aufgelösten Beziehungen, käme es dadurch schließlich auch zu einer "Schlechterstellung von Kindern aus früheren Beziehungen gegenüber Kindern aus jüngeren Beziehungen".

5.6. Auch treffe die Ansicht des Verfassungsgerichtshofs, daß der Unterhaltsanspruch bei aufrechter Haushaltsgemeinschaft nicht abweichend von getrennten Haushalten geregelt sei, nicht zu. Lebten Unterhaltsberechtigter und -pflichtiger im gemeinsamen Haushalt, sei Unterhalt von beiden unterhaltspflichtigen Eltern auch durch tatsächliche Betreuung zu leisten. Der getrennt lebende Unterhaltspflichtige habe dagegen Unterhalt im Regelfall ausschließlich in Geld zu leisten, wobei - weil sein Beitrag zur Betreuung des Kindes entfalle - durch diese Geldleistungen auch vermehrter Bedarf an "Fremdbetreuung" abzudecken sei. Es sei daher nicht zwingend, dem Gesetzgeber zu unterstellen, durch das System der Absetzbeträge in Verbindung mit der Transferleistung Familienbeihilfe die verfassungsrechtlich gebotene steuerliche Entlastung auch des getrennt lebenden Geldunterhaltspflichtigen herbeiführen zu wollen.

"Das Rekursgericht vermag daher dem vom Verfassungsgerichtshof eingeschlagenen Weg der Berücksichtigung von Unterhaltslasten im Steuerrecht - abgesehen von der Durchbrechung des Prinzips der Individualbesteuerung auch bei aufrechter Haushaltsgemeinschaft zwischen Unterhaltsberechtigtem und Unterhaltspflichtigem - für getrennt lebende Kinder und Geldunterhaltspflichtige keinesfalls zu folgen. Auf diese Fallgruppe passt das System der steuerlichen Entlastung durch die Transferleistung Familienbeihilfe nicht. Zumindest in diesen Fällen liegt - will man entgegen den Motiven des Gesetzgebers das 'Getrenntleben' weiterhin nicht als Sache privater Lebensgestaltung ansehen - die Verfassungswidrigkeit in §34 Abs7 Z2 EStG 1988. Die Anfechtung dieser Bestimmung ist dem Rekursgericht mangels Präjudizialität im Unterhaltsbemessungsverfahren nach der geltenden Rechtslage verwehrt."

6. Die zu G88/02, G89/02, G107/02 und G114/02 protokollierten Anträge des LG Linz verweisen jeweils vollinhaltlich auf den beigelegten - zu G7/02 protokollierten - Antrag des OGH.

7.1. Die Bundesregierung erstattete aufgrund ihres Beschlusses vom 19. März 2002 eine Äußerung, in der sie den Ausführungen des OGH (in dem zu G7/02 protokollierten Antrag) entgegentritt und den Antrag stellt, der Verfassungsgerichtshof wolle den Antrag auf Aufhebung des §12a des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, idF BGBl. 646/1977, abweisen. Für den Fall der Aufhebung stellt sie den Antrag, der Verfassungsgerichtshof wolle gemäß Art140 Abs5 B-VG für das Außerkrafttreten eine Frist von 18 Monaten bestimmen, um die erforderlichen legistischen Vorkehrungen zu ermöglichen.

7.2. Nach einleitender Darstellung der Argumente des OGH und einer kurzen Zusammenfassung des hg. Erkenntnisses vom 27. Juni 2001, B1285/00, legt die Bundesregierung ihre Ansicht dar, weshalb die angefochtene Bestimmung auch ohne Vornahme einer teleologischen Reduktion in verfassungsrechtlicher Sicht unbedenklich sei. Sowohl der Verfassungsgerichtshof als auch der OGH gingen bei ihren Überlegungen hinsichtlich einer verfassungsrechtlich gebotenen Gleichstellung von kindeshaushaltszugehörigen und nicht kindeshaushaltszugehörigen geldunterhaltsleistungsverpflichteten Elternteilen davon aus, daß kein Unterschied im Tatsächlichen vorliege und daher auch keine rechtliche Ungleichbehandlung erfolgen dürfe. Die Bundesregierung betont demgegenüber, daß Unterschiede im Tatsächlichen bestünden und daher eine Übertragung der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs zu §12a FLAG auf Fälle nicht haushaltszugehöriger Kinder aus gleichheitsrechtlichen Gründen nicht erforderlich sei. "Es macht eben 'im Tatsächlichen' einen Unterschied, ob die Eltern gemeinsam oder getrennt leben, da der getrennt lebende Elternteil seiner Unterhaltsverpflichtung in der Regel 'nur' durch eine entsprechende Geldleistung nachkommt, während der gemeinsam mit dem Kind in einem Haushalt lebende Elternteil dieses regelmäßig auch betreut, ihm Zeit widmet und ihm auf verschiedenste Weise auch 'Naturalunterhalt' leistet ..." In diesem Sinn normiere auch §140 Abs2 ABGB, daß der Elternteil, der den Haushalt führt, in dem er das Kind betreut, dadurch seinen (Unterhalts-)Beitrag leiste. Auf diesen zivilrechtlichen Aspekt, so die Bundesregierung, scheine der Verfassungsgerichtshof in seinem primär die steuerrechtliche Problematik ausleuchtenden Erkenntnis zu wenig Bezug zu nehmen.

Die Situation von haushaltszugehörigen Kindern und nicht haushaltszugehörigen Kindern sei daher im Tatsächlichen unterschiedlich, und somit sei - zumindest im Hinblick auf die Familienbeihilfe - eine unterschiedliche gesetzliche Regelung hinsichtlich der Partizipation an der Transferleistung Familienbeihilfe nicht verfassungswidrig.

"Nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes besteht im Hinblick auf das aus Art7 Abs1 B-VG erfließende verfassungsrechtliche Gebot einer differenzierenden Regelung wesentlich unterschiedlicher Sachverhalte ein gewisser Handlungsspielraum des Gesetzgebers. Da die rechtliche Ungleichbehandlung ihre Entsprechung im Faktischen hat und somit lediglich unterschiedliche Rechtsfolgen an unterschiedliche Lebenssachverhalte anknüpfen, erscheint die Bestimmung des §12a FLAG auch mit dem Gehalt, wie er dieser Bestimmung bis zum Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes zukam, nicht als gleichheitswidrig.

An dieser Einschätzung vermag auch der Umstand nichts zu ändern, dass es sicherlich getrennt lebende geldunterhaltspflichtige Elternteile gibt, die - in welcher Form immer - auch einen 'Naturalunterhalt' leisten. Der Gesetzgeber kann jedoch bei der Erlassung genereller Normen nicht auf jeden Einzelfall Rücksicht nehmen, er hat vielmehr von einer Durchschnittsbetrachtung auszugehen und auf den Regelfall abzustellen. Dass dabei im Einzelfall Härtefälle entstehen, macht eine Regelung noch nicht gleichheitswidrig ...

Es besteht somit nach diesem Verständnis kein Erfordernis, §12a FLAG teleologisch zu reduzieren."

7.3. Überdies bringt die Bundesregierung vor, daß die Prüfung der Frage, ob eine rechtliche Differenzierung mit tatsächlichen Unterschieden in einer Weise korrespondiere, die sachlich gerechtfertigt werden könne, nicht nur eine genaue Analyse und Gegenüberstellung jener zu vergleichender Sachverhalte erfordere, sondern daran anschließend auch die Entscheidung, ob eine Unterscheidung sachlich gerechtfertigt sei. Beide Elemente stellten Wertentscheidungen dar, wobei dem Gesetzgeber ein gewisser Gestaltungsspielraum zukomme. "Die Bundesregierung vertritt daher die Ansicht, dass gerade in einem Bereich, wo nicht nur zwischen Personen mit gleichem Einkommen, aber ohne Unterhaltspflichten bzw. mit Unterhaltspflichten, sondern auch zwischen Personen mit unterschiedlicher Höhe der Unterhaltsverpflichtung sowie haushaltszugehörigen Personen und nichthaushaltszugehörigen Personen zu vergleichen ist und diese durch die sehr eingeschränkte Möglichkeit einer Vergleichbarkeit gekennzeichnete Situation einer 'Gemengelage' einer verfassungskonformen Regelung zuzuführen ist, der dem Gesetzgeber eingeräumte Gestaltungsspielraum, sofern der Gesetzgeber davon innerhalb der verfassungsgesetzlich vorgegebenen Grenzen Gebrauch macht, nicht eingeschränkt werden sollte." Mit dem (teleologisch nicht reduzierten) §12a FLAG sei aber dieser Gestaltungsspielraum nicht verletzt worden.

7.4. In der Folge vertritt die Bundesregierung die Auffassung, daß die vom Verfassungsgerichtshof geforderte steuerliche Entlastung von besser verdienenden, getrennt lebenden geldunterhaltspflichtigen Elternteilen durch die ständige Unterhaltsjudikatur bereits gegenwärtig in einer gewissen Weise verwirklicht sei. Die Gerichte bemäßen den in Geld geschuldeten Unterhalt mit einem bestimmten Prozentsatz der Unterhaltsbemessungsgrundlage - das sei in der Regel das tatsächliche Nettoeinkommen - des unterhaltspflichtigen Elternteils. Schon in diesem Umstand liege eine den Anforderungen des verfassungsgerichtlichen Erkenntnisses B1285/00 Rechnung tragende Bedachtnahme auf die Steuerpflicht des Unterhaltsschuldners, weil eben die Steuerlast des Unterhaltspflichtigen vor der Unterhaltsbemessung in Abzug gebracht werde. Im Effekt bedeute dies, daß um so weniger Unterhalt zu bezahlen sei, je mehr Steuern der Unterhaltsschuldner zu entrichten habe. Um eine "Überalimentierung" zu vermeiden, benütze die Rechtsprechung überdies als Orientierungsgröße für Durchschnittsfälle den sog. "Regelbedarf", der auch für den sog. "Unterhaltsstop" (ca. das 2 1/2-fache des Regelbedarfs) herangezogen werde.

Die Bundesregierung gibt jedoch zu bedenken, daß die Regelbedarfssätze für die tatsächlichen Kinderkosten wenig Aussagekraft besäßen. Eine ökonometrische Analyse - die insbesondere auch die Aufwendungen für Miete, somit für Wohnung in Beziehung auf Kinder zum Gegenstand hatte - hätte ergeben, daß für ein Kind im Alter von 0 bis 10 Jahren S 3.900,-- bis S 11.700,--, gestaffelt nach monatlichen Haushaltsausgaben von S 15.000,-- bis S 39.000,--, ausgegeben worden seien (Stand: Juli 1998). Stelle man diesen Werten den für den Vergleichszeitpunkt gültigen Regelbedarf von S 3.270,-- gegenüber, zeige sich, daß letzterer Wert bereits bei niedrigsten Haushaltsausgaben hinter den tatsächlichen Kinderkosten nach der Kinderkostenanalyse zurückbleibe.

"Vergleicht man die von der ökonometrischen Analyse erzielten Prozentbeträge mit den von der Rechtsprechung bei der Unterhaltsbemessung angewandten Prozentbeträgen, so zeigt sich auch hier eine deutliche Bevorzugung der besserverdienenden Geldunterhaltsschuldner. Während die ökonometrische Analyse nachweist, dass der Anteil der Kinderkosten an den - betragsmäßig vom Einkommen abhängigen - Haushaltsausgaben nicht nur absolut, sondern auch prozentuell mit den Haushaltsausgaben steigt, verwendet die Judikatur bei der Unterhaltsbemessung auch bei höchsten Einkommen dieselben Prozentsätze. Dass die ökonometrische Analyse von Haushaltsausgaben ausgeht (während der Unterhalt in Prozentsätzen des Einkommens des Unterhaltspflichtigen bemessen wird), schmälert angesichts des Umstands, dass im Jahr 2000 in österreichischen Haushalten insgesamt 93,3 % des verfügbaren Einkommens in die Haushaltsausgaben flossen (Quelle: Statistik Austria, VGR-Revisionsstand: Herbst 2001), nicht deren Aussagekraft.

Somit erfahren auf Grund der Prinzipien der Unterhaltsbemessung - einheitliche Anwendung der Prozentsatzmethode (auch bei hohen Einkommen) und Einziehung einer Obergrenze durch den 2 1/2-fachen Regelbedarf - besserverdienende Unterhaltspflichtige bereits gegenwärtig eine finanzielle Entlastung. Eine darüber hinausgehende Begünstigung durch eine Übertragung der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes zu §12a FLAG bei haushaltszugehörigen Kindern auch auf nicht haushaltszugehörige Kinder würde zu einer verfassungswidrigen Begünstigung besserverdienender Geldunterhaltspflichtiger führen."

Überdies weist die Bundesregierung darauf hin, daß eine Kürzung der Unterhaltsbeiträge bei getrennt lebenden Eltern bei tendenziell höherem Bedarf zu einer gleichheitswidrigen Schlechterstellung von Kindern im Fall der Trennung ihrer Eltern führen würde. "Es wäre daher nicht sachgerecht, wenn der Unterhaltspflichtige aus Umständen, die 'Sache privater Lebensgestaltung' sind und auf die er Einfluss nehmen kann, eine Verminderung des Unterhaltsbeitrags ableiten könnte, während die Kinder eine Minderung ihres Unterhaltsanspruchs - ohne jegliche Möglichkeit einer Einflussnahme - hinnehmen müssten."

"Die vom Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 27. Juni 2001 vertretene teleologische Reduktion des §12a FLAG erscheint somit einerseits entbehrlich und führt andererseits zu einer rechtlichen Gleichbehandlung tatsächlich unterschiedlicher Sachverhalte."

7.5. Der Gesetzesprüfungsantrag des OGH mache allerdings deutlich, daß das vorerwähnte Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs die Unterhaltsrechtsprechung der Gerichte in Schwierigkeiten bringe. Das Erkenntnis führe letztlich dazu, daß unter Umständen in zahllosen Verfahren eine Herabsetzung der Unterhaltsbeiträge für Kinder - allenfalls rückwirkend auf drei Jahre - erwirkt werden könnte, ohne daß sich die für die Unterhaltsbemessung zivilrechtlich maßgebenden Umstände des Bedarfs auf der Seite des Kindes und der Leistungsfähigkeit auf der Seite des Verpflichteten geändert hätten. Überdies verlange das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs im Ergebnis, daß ordentliche Gerichte, die zur Entscheidung über zivilrechtliche Ansprüche berufen sind, dazu verhalten würden, über steuerliche Gesichtspunkte abzusprechen.

Dem Verfassungsgerichtshof sei nach Auffassung der Bundesregierung auch entgegenzuhalten, daß sich die Unterhaltsbemessung fundamental von der Steuerbemessung unterscheide. Im Unterhaltsrecht bestimme die Leistungsfähigkeit des Verpflichteten nicht allein den Umfang und den Grund der Zahlungspflicht; vielmehr komme es für die Unterhaltsbemessung auch entscheidend auf die nach den Lebensverhältnissen der Eltern angemessenen Bedürfnisse des Unterhaltsberechtigten an. Darüber hinaus werde die Leistungsfähigkeit im Unterhaltsrecht gänzlich anders als im Steuerrecht definiert, da bei ersterem vor allem der "Anspannungsgrundsatz" zur Anwendung gelange.

Die Rechtsprechung habe stets zwischen der Unterhalts- und der Steuerbemessung differenziert. Zwar orientiere sich die Bemessungsgrundlage bei unselbständig Erwerbstätigen am Nettoeinkommen des Verpflichteten, sonst würden aber die für die Steuerbemessung maßgeblichen Umstände bei der Unterhaltsfestsetzung weitgehend außer acht gelassen. Das unterhaltsrechlich relevante Einkommen sei die Summe aller dem Verpflichteten tatsächlich zufließenden Mittel. Dabei sei die Behandlung dieses Einkommens ohne Bedeutung für den unterhaltsrechtlichen Einkommensbegriff.

"Die Rechtsansicht des Verfassungsgerichtshofes, wonach die gesamte Steuerbelastung des Unterhaltsverpflichteten auch bei der Unterhaltsbemessung zu berücksichtigen sei und in einem - faktisch gesehen - Abzug von der Unterhaltsforderung des Kindes zum Ausdruck kommen müsse, greift nun in diese Trennung zwischen Steuer- und Unterhaltsbemessung ein. Sie führt im Verhältnis Unterhaltsberechtigter - Unterhaltsverpflichteter zur Berücksichtigung von sachfremden Erwägungen, nämlich der finanziellen Entlastung des Unterhaltspflichtigen aufgrund einer vom Verfassungsgerichtshof angenommenen verfassungsrechtlich vorgegebenen Grenze der zulässigen Steuerbelastung. Sie erscheint schließlich auch im Hinblick auf den Grundsatz des Unterhaltsrechts, wonach die Verpflichtungen des Unterhaltsschuldners nicht wegen der Leistungen Dritter reduziert werden können, bedenklich.

Es erscheint schließlich zweifelhaft, ob die vom Verfassungsgerichtshof geforderte Anrechnung der dem haushaltsführenden Elternteil zukommenden Familienbeihilfe auf die Unterhaltsleistung des geldunterhaltspflichtigen (und nicht haushaltszugehörigen) Elternteils das rechtlich adäquate Mittel zur Erzielung einer steuerlichen Entlastung bildet. Eine 'steuerliche Entlastung' auf Kosten des unterhaltsberechtigten Kindes wäre aber auch rechtspolitisch ein unerwünschtes Ergebnis."

8. In den zu G7/02, G41/02, G43/02, G58/02, G65/02, G74/02, G78/02 und G81/02 protokollierten Anträgen erstatteten die beteiligten Parteien Äußerungen, in denen sie sich den Anträgen des OGH auf Aufhebung des §12a FLAG anschlossen.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:

1. Die Anträge sind nur zum Teil zulässig.

1.1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs (z.B. VfSlg. 13.965/1994 mwN) ist der Umfang der vom Verfassungsgerichtshof zu prüfenden und im Fall ihrer Rechtswidrigkeit aufzuhebenden Bestimmung derart abzugrenzen, daß einerseits nicht mehr aus dem Rechtsbestand ausgeschieden wird, als Voraussetzung für den Anlaßfall ist, daß aber andererseits der verbleibende Teil keine Änderung seiner Bedeutung erfährt. Die Grenzen der Aufhebung einer in Prüfung stehenden Norm müssen so gezogen werden, daß einerseits der verbleibende Teil nicht einen völlig veränderten Inhalt bekommt und andererseits die mit der aufzuhebenden Stelle in untrennbarem Zusammenhang stehenden Bestimmungen auch erfaßt werden. Diese Rechtsprechung beruht auf dem Grundgedanken, daß im Normprüfungsverfahren nicht mehr aus dem Rechtsbestand ausgeschieden wird, als zur Bereinigung der Rechtslage unbedingt notwendig ist. Es sollen keine oder möglichst wenige Regelungen aufgehoben werden, gegen die sich die vorgebrachten Bedenken nicht richten.

Im übrigen hat der Gerichtshof in auf Antrag von Gerichten eingeleiteten Normprüfungsverfahren die Auffassung vertreten, daß er nicht berechtigt ist, durch seine Präjudizialitätsentscheidung das antragstellende Gericht an eine bestimmte Rechtsauslegung zu binden, weil er damit indirekt der Entscheidung dieses Gerichts in der Hauptsache vorgreifen würde. Gemäß der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs darf daher ein Antrag iSd Art140 B-VG nur dann wegen mangelnder Präjudizialität zurückgewiesen werden, wenn es offenkundig unrichtig (denkunmöglich) ist, daß die - angefochtene - Gesetzesbestimmung eine Voraussetzung der Entscheidung des antragstellenden Gerichts im Anlaßfall bildet (z.B. VfSlg. 9811/1983, 10.296/1984, 11.565/1987, 12.189/1989).

1.2. In den Revisionsrekursverfahren vor dem OGH bzw. den Rekursverfahren vor den anderen antragstellenden Gerichten ist jeweils die Herabsetzung der Geldunterhaltsverpflichtung von nicht im Kindeshaushalt lebenden Elternteilen im Hinblick auf die hg. Judikatur (vor allem das hg. Erkenntnis vom 27. Juni 2001, B1285/00) zur steuerlichen Berücksichtigung von Unterhaltsleistungen gegenüber Kindern strittig. Da es sich dabei um Unterhaltsbeträge in einer Höhe handelt, bei denen die verfassungsrechtlich gebotene steuerliche Entlastung auch nach den in der hg. Judikatur (vgl. VfSlg. 16.026/2000) entwickelten Maßstäben möglicherweise nicht allein durch die Gewährung des Unterhaltsabsetzbetrages erreicht werden kann, sondern hiezu auch Teile der Familienbeihilfe bzw. des Kinderabsetzbetrages herangezogen werden müßten, seitens der Untergerichte aber die Auffassung vertreten wird, daß einer solchen Anrechnung der Wortlaut des §12a FLAG entgegenstehe, geht der Verfassungsgerichtshof davon aus, daß der OGH und die anderen antragstellenden Gerichte die von ihnen angefochtene Bestimmung bei ihrer Entscheidung über den Revisionsrekurs bzw. Rekurs insoweit anzuwenden haben, als sie eine Anrechnung der Familienbeihilfe auf den Unterhalt verhindert. Der Verfassungsgerichtshof muß dabei nicht im einzelnen untersuchen, ob die hinreichende steuerliche Entlastung in den zugrundeliegenden Fällen durch eine Anrechnung bloß des Kinderabsetzbetrages erreicht werden könnte (einer solchen Anrechnung stünde der Wortlaut des §12a FLAG nicht entgegen; vgl. erneut die hg. Entscheidung vom 27. Juni 2001, B1285/00), da seitens der antragstellenden Gerichte denkmöglich die Auffassung vertreten werden könnte, daß das Anrechnungsverbot des §12a FLAG sich auch auf den mit der Familienbeihilfe inhaltlich und technisch verknüpften Kinderabsetzbetrag (§33 Abs4 Z3 EStG 1988) erstreckt.

1.3. Hingegen kann der Verfassungsgerichtshof nicht erkennen, daß der OGH bzw. die anderen antragstellenden Gerichte bei ihrer Entscheidung auch den ersten Halbsatz des §12a FLAG ("Die Familienbeihilfe gilt nicht als eigenes Einkommen des Kindes") anzuwenden hätten bzw. daß deren Aufhebung zur Bereinigung der Rechtslage erforderlich wäre.

Besondere Gründe für die Präjudizialität oder für die Verfassungswidrigkeit dieses Satzteiles werden weder vom OGH noch von den anderen antragstellenden Gerichten vorgebracht.

Der Verfassungsgerichtshof geht davon aus, daß mit der Anordnung des ersten Satzteiles des §12a FLAG lediglich erreicht werden soll, daß für jene Fälle, in denen an die Höhe des Kindeseinkommens etwa zivilrechtliche, sozialrechtliche oder steuerrechtliche Konsequenzen geknüpft sind, klargestellt wird, daß eine Einbeziehung der Familienbeihilfe bei der Ermittlung des maßgebenden Einkommensbetrages jedenfalls zu unterbleiben hat. Entfiele dieser Satzteil, so wäre diese eindeutige Aussage nicht mehr gegeben. Es müßte dann im Wege einer systematischen Interpretation des FLAG bzw. durch Interpretation der jeweiligen Normen geklärt werden, ob die Familienbeihilfe als Einkommensbestandteil des Kindes anzusehen ist oder nicht. Sollte man dabei etwa im Hinblick auf §140 Abs3 ABGB zu dem Ergebnis kommen, daß die Familienbeihilfe als eigenes Einkommen des Kindes anzusehen ist, das den Anspruch auf Unterhalt mindert, so hätte die Aufhebung des fraglichen Satzteiles zur Konsequenz, daß der Unterhaltsanspruch um den vollen Betrag der Familienbeihilfe zu kürzen wäre. Dieses Ergebnis würde den von den antragstellenden Gerichten vorgetragenen Bedenken keineswegs entsprechen. Es würde damit auch wesentlich mehr aus dem Rechtsbestand ausgeschieden werden, als aus der Sicht des Anlaßfalles erforderlich ist. Sollte man zum gegenteiligen Interpretationsresultat kommen (dem fraglichen Halbsatz somit nur deklarative Wirkung beimessen), dann wäre kein anderes Ergebnis erreicht als bei Beibehaltung dieses Satzteiles. Andererseits kann der Verfassungsgerichtshof nicht erkennen, daß die Aufrechterhaltung dieses Satzteiles (nach Aufhebung des zweiten Satzteiles) die auch von den antragstellenden Gerichten offenbar als verfassungskonform anerkannte (teilweise) Anrechnung der Familienbeihilfe auf den Unterhaltsanspruch behindern könnte oder geeignet wäre, das Ergebnis dieser Anrechnung zu verzerren oder zu unterlaufen, und insoweit Voraussetzung für die Entscheidung im Anlaßfall ist.

Da die beiden Satzteile auch keine untrennbare Einheit bilden, der erste Satzteil hingegen mit unverändertem Inhalt bestehen bleiben kann, ohne eine Bedeutungsänderung zu erfahren, waren die Anträge insoweit zurückzuweisen.

1.4. Den Anträgen steht - im zulässigen Umfang - auch nicht das Prozeßhindernis der entschiedenen Sache entgegen. Zwar hat der Verfassungsgerichtshof in seiner erwähnten Entscheidung vom 27. Juni 2001, B1285/00, zum Ausdruck gebracht, daß eine Regelung, die darauf hinausläuft, daß eine (auch nur teilweise) Anrechnung der Familienbeihilfe auf die Geldunterhaltsverpflichtung des nicht im gemeinsamen Haushalt lebenden Elternteiles ausgeschlossen ist, im Hinblick auf die hg. Vorjudikatur verfassungsrechtlich bedenklich wäre (weshalb er eine teleologische Reduktion des normativen Gehaltes des §12a FLAG vertreten hat). Er hat aber in dieser Entscheidung - worauf die antragstellenden Gerichte zu Recht hinweisen - nicht über die nunmehr von ihnen vorgetragenen Bedenken abgesprochen, weil die fragliche Bestimmung im damaligen Verfahren nicht präjudiziell war und von ihm gar nicht in Prüfung gezogen werden konnte.

Da auch die übrigen Prozeßvoraussetzungen vorliegen, sind die Gesetzesprüfungsanträge im oben angegebenen Ausmaß zulässig.

2. Die Anträge sind im zulässigen Umfang auch in der Sache berechtigt:

2.1. In seinem Erkenntnis vom 27. Juni 2001, B1285/00, hat der Verfassungsgerichtshof zur Frage der einkommensteuerlichen Berücksichtigung von Unterhaltslasten gegenüber Kindern im Falle getrennt lebender Eltern im Ergebnis folgende Auffassung vertreten:

Die nach der hg. Judikatur (insbesondere VfSlg. 12.940/1991 und 14.992/1997) verfassungsrechtlich gebotene einkommensteuerliche Entlastung des gegenüber Kindern zivilrechtlich unterhaltsverpflichteten Elternteiles (die nach der derzeitigen Rechtslage bei gemeinsamer Haushaltsführung in hinreichender Weise durch die sog. Transferleistungen - Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag - herbeigeführt wird; vgl. dazu VfSlg. 16.026/2000) muß auch im Falle getrennt lebender Eltern dem Grunde nach gewährleistet sein.

Weiters führt der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis B1285/00 wörtlich folgendes aus:

"Würde die Transferleistung wegen der getrennten Haushaltsführung zu keiner oder nur zu einer unzureichenden Entlastung des zum Geldunterhalt Verpflichteten führen, wäre das (entgegen der Begründung der Regierungsvorlage zum Budgetbegleitgesetz 1998) nicht durch eine private Lebensentscheidung oder die Verwirklichung eines persönlichen Risikos bedingt, sondern die Wirkung von allenfalls den Kindesunterhalt bei getrenntem Haushalt abweichend regelnden Vorschriften. Solche sind freilich nirgends zu sehen."

Die somit auch in Fällen getrennter Haushaltsführung erforderliche steuerliche Entlastung kann in diesen Fällen allerdings nicht im Steuerrecht und nicht im Zuge der Transferleistungen besorgt werden. Die den konkreten Verhältnissen gerecht werdende (im gemeinsamen Haushalt sich praktisch erübrigende) Zuordnung der Transferleistungen ist daher im Fall getrennter Haushaltsführung der Eltern eine Frage der Bemessung des Geldunterhaltes.

Weiters heißt es in B1285/00 wörtlich:

"Wenn der Gesetzgeber die Transferleistungen auch bei getrennten Haushalten grundsätzlich dem das Kind betreuenden Elternteil zukommen läßt und (in §12a FLAG) eine Anrechnung auf den Unterhalt verbietet, so muß das im Lichte der verfassungsrechtlich gebotenen steuerlichen Entlastung so verstanden werden, daß die für das Kind zu verwendenden Transferleistungen zwar in der Regel (soweit als möglich) den Unterhalt des Kindes fördern und nicht den Unterhaltspflichtigen entlasten sollen, daß aber der im Einzelfall doch nötige Ausgleich für die überhöhte Steuerbelastung ebensowenig behindert wird wie im gemeinsamen Haushalt. Zieht der Gesetzgeber nämlich die zunächst als bloße Förderung gedachten Transferleistungen angesichts der ihm durch die Verfassung auferlegten Schranken bei gehobenen Einkommen als Mittel zum verfassungsrechtlich gebotenen Ausgleich der überhöhten Steuerbelastung heran - und davon ist jedenfalls seit den auf die einschlägigen Entscheidungen des Verfassungsgerichtshofs folgenden Fassungen des Gesetzes auszugehen -, muß der normative Gehalt des §12a FLAG (der sich im übrigen - was die Praxis nicht zu beachten scheint - dem Wortlaut nach nur auf die Familienbeihilfe, nicht aber auf den gemeinsam mit ihr ausbezahlten Kinderabsetzbetrag bezieht) teleologisch auf jenen Bereich reduziert werden, in dem die Transferleistungen nicht zum Ausgleich der überhöhten Steuerbelastung benötigt werden. Diese Auffassung liegt, da §12a FLAG nicht zwischen getrennter und gemeinsamer Haushaltsführung unterscheidet, schon dem Erkenntnis B1340/00 zugrunde. Sie gilt unabhängig von der Art der Lebensführung der Eltern."

2.2. Der Verfassungsgerichtshof bleibt bei dieser Auffassung. Er sieht sich insbesondere durch die Ausführungen der Bundesregierung nicht veranlaßt, einen anderen Standpunkt einzunehmen.

Gewiß ist der Bundesregierung Recht zu geben, daß es "im Tatsächlichen" einen Unterschied macht, ob Eltern gemeinsam oder getrennt leben. Der Gerichtshof bezweifelt auch nicht, daß der allein erziehende Elternteil gerade durch das Ausscheiden des anderen Teiles aus dem gemeinsamen Haushalt im Durchschnitt der Fälle einer Mehrbelastung ausgesetzt ist. Diese Mehrbelastung wird einkommensteuerlich - und nur darum geht es hier - durch den Alleinerzieherabsetzbetrag berücksichtigt. Warum es die Mehrbelastung des alleinerziehenden Elternteiles aber rechtfertigen könnte, die durch die Geldunterhaltsleistung bedingte Minderung der Leistungsfähigkeit des getrennt lebenden Elternteiles nur in unzureichender Weise, nämlich durch den Unterhaltsabsetzbetrag, zu berücksichtigen, wird damit nicht dargetan und ist auch dem Gerichtshof nicht einsichtig. Unter dem Aspekt der Einkommensteuer ist vielmehr entscheidend, ob sich Gründe dafür finden lassen, daß die Beeinträchtigung der steuerlichen Leistungsfähigkeit des (Geld-)Unterhaltsverpflichteten, die bei gemeinsamer Haushaltsführung durch die Transferleistungen (derzeit im verfassungsrechtlich gebotenen Ausmaß; vgl. VfSlg. 16.026/2000) berücksichtigt wird, bei getrennter Haushaltsführung nur durch Gewährung des Unterhaltsabsetzbetrages, und damit regelmäßig in unzureichendem Ausmaß berücksichtigt wird, weil in diesen Fällen die Transferleistungen auch in jenem Ausmaß, in dem sie zum Ausgleich überhöhter Steuerbelastung gedacht sind, dem haushaltsführenden Partner zukommen. Solche Gründe hat der Gerichtshof in seiner Vorjudikatur nicht finden können. Das Vorbringen der Bundesregierung erschöpft sich in dem Hinweis, daß nach den Materialien zum Budgetbegleitgesetz 1998 (1099 BlgNR, 20. GP) die Unterhaltsbelastung gegenüber Kindern im Falle getrennt lebender Elternteile eine Frage der privaten Lebensgestaltung sei. Gerade diese Sicht hat der Verfassungsgerichtshof aber in seiner mehrfach zitierten Entscheidung vom 27. Juni 2001, B1285/00, nicht geteilt.

Der Gerichtshof kann auch nicht nachvollziehen, daß die steuerliche Entlastung von besser verdienenden geldunterhaltsverpflichteten Elternteilen bereits - wie die Bundesregierung meint - durch die zivilgerichtliche Unterhaltsjudikatur "in einer gewissen Weise verwirklicht ist". Es mag sein, daß im Fall aufrechter Haushaltsgemeinschaft die tatsächlich dem Kind zugute kommenden Haushaltsausgaben den zivilrechtlich geschuldeten Unterhalt im Durchschnitt der Fälle übersteigen und sich daher Kinder, die auf Geldunterhalt angewiesen sind, demgegenüber in einer ungünstigeren Position befinden. Der Gerichtshof hat aber auch bei aufrechter Haushaltsgemeinschaft stets nur jene Unterhaltsleistungen als steuerlich maßgebend erachtet, die dem zivilrechtlich geschuldeten Unterhalt entsprechen. Wenn die Bundesregierung in diesem Zusammenhang meint, durch die Prinzipien der Unterhaltsbemessung - einheitliche Anwendung der Prozentsatzmethode auch bei hohen Einkommen und Einziehung einer Obergrenze - würden schon derzeit besserverdienende Geldunterhaltspflichtige eine finanzielle Entlastung erfahren, so ist dies eine Frage der Unterhaltsbemessung, die in die Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte fällt und von diesen allenfalls korrigiert werden kann. Was daraus für die Frage der einkommensteuerlichen Berücksichtigung des gesetzlich geschuldeten Unterhaltes folgen soll, vermag der Gerichtshof nicht zu sehen.

Der Verfassungsgerichtshof bezweifelt auch nicht, daß sich die Grundsätze der Unterhaltsbemessung von denen der Einkommensteuerbemessung unterscheiden. Aber auch dann, wenn der Unterhaltsbemessung ein gänzlich anderer Einkommensbegriff zugrunde gelegt wird als der Einkommensteuerbemessung, kann nicht daran vorbeigegangen werden, daß die letztlich dem Kind geschuldete Unterhaltsleistung bei einer Steuer, deren Belastungskonzept die Erfassung der persönlichen Leistungsfähigkeit nach dem Prinzip der Individualbesteuerung zum Ziele hat, in ausreichender Weise steuermindernd berücksichtigt werden muß. Wenn der Gesetzgeber hiefür einen indirekten Weg gewählt hat und die steuerliche Mehrbelastung durch (erhöhte) Transferleistungen kompensiert - und dies ist der Weg, den der Gesetzgeber spätestens mit dem Budgetbegleitgesetz 1998, BGBl. I 79/1998, gegangen ist (vgl. dazu auch die Materialien, 1099 BlgNR, 20. GP, 16) -, so ist dies zwar nach der hg. Rechtsprechung nicht zu beanstanden; der Gesetzgeber hat damit aber auch in Kauf genommen, daß ein Teil dieser Transferleistungen in bestimmten Situationen und in unterschiedlicher Höhe nunmehr nicht für die Kinder bestimmt ist, sondern der steuerlichen Entlastung der Unterhaltsverpflichteten dient. Der Gerichtshof kann daher auch nicht die Auffassung teilen, daß die steuerliche Entlastung auf Kosten der Kinder erfolgt; für diese sind bei einer solchen Konzeption der steuerlichen Berücksichtigung von Unterhaltsbelastungen die (erhöhten) Transferzahlungen insoweit von vornherein nicht gedacht.

Wenn die Bundesregierung schließlich auf praktische Probleme bei der Neufestsetzung der Unterhaltsbeiträge hinweist, ist ihr zu entgegnen, daß diese Schwierigkeiten nicht zuletzt darauf beruhen, daß der Gesetzgeber sich dafür entschieden hat, die Familienbeihilfe sowohl zur Familienförderung als auch - und dies in einem auf dem Prinzip der Individualbesteuerung beruhenden Einkommensteuersystem - als Instrument steuerlicher Entlastung einzusetzen. Im übrigen sind, wie auch Zorn (SWK 2001, 1289 ff.) aufgezeigt hat, die praktischen Probleme der Anrechnung lösbar.

Der Verfassungsgerichtshof kann somit nicht die zentrale These der Bundesregierung teilen, eine Partizipation des Geldunterhaltsverpflichteten an der Familienbeihilfe sei verfassungsrechtlich nicht geboten, weshalb gegen §12a FLAG keine Bedenken bestünden.

2.3. Die antragstellenden Gerichte folgen offensichtlich im Ergebnis, wenn auch teilweise mit Einschränkungen, der auch dem hg. Erkenntnis vom 27. Juni 2001, B1285/00, zugrundeliegenden Auffassung, daß eine steuerliche Berücksichtigung der Kindern gegenüber bestehenden Unterhaltsverpflichtung auch bei getrennten Haushalten der Eltern verfassungsrechtlich geboten ist, daß die Transferleistungen im Prinzip für eine solche Entlastung geeignet sind und daß das verfassungsrechtlich gebotene Ergebnis durch eine (teilweise) Anrechnung der Transferleistungen auf die Unterhaltsverpflichtung erzielt werden kann. Sie sind aber - anders als der Verfassungsgerichtshof im zitierten Erkenntnis vom 27. Juni 2001, B1285/00 - der Meinung, daß §12a FLAG einer solchen - auch nur teilweisen - Anrechnung der Familienbeihilfe auf den Geldunterhaltsanspruch gegen den nicht haushaltszugehörigen Elternteil jedenfalls entgegenstehe, einer teleologischen Reduktion somit nicht zugänglich sei.

Wörtlich heißt es dazu etwa in dem zu G7/02 protokollierten Antrag des OGH: "Damit verhindert §12a FLAG die verfassungsrechtlich gebotene, vom Gesetzgeber angestrebte und durch die Familienbeihilfe als Transferleistung auch erzielbare steuerliche Entlastung des geldunterhaltspflichtigen Elternteils. Er wird damit sowohl gegenüber Personen mit gleichem Einkommen aber ohne Geldunterhaltspflichten als auch gegenüber Unterhaltspflichtigen, deren Haushalt der Unterhaltsberechtigte angehört, und gegenüber jenem Elternteil schlechter gestellt, in dessen Haushalt das Kind betreut wird ..."

Die Ungleichbehandlung in Relation zum haushaltsführenden Elternteil liege darin, daß die Transferleistungen nach den Bestimmungen des FLAG dem haushaltsführenden Elternteil allein zustünden, während der geldunterhaltspflichtige Vater nur den Unterhaltsabsetzbetrag geltend machen könne, ohne daß ein Teil dieser Transferleistungen angerechnet würde. In den anderen Anträgen werden inhaltlich und zum Teil wörtlich gleiche Bedenken vorgetragen.

Im Hinblick darauf ist das Anliegen der antragstellenden Gerichte offenbar so zu verstehen, daß diese mit ihren Anträgen keineswegs darauf abzielen, eine Kürzung des Unterhaltsanspruches um die volle Familienbeihilfe herbeizuführen, sondern daß es ihnen lediglich darum geht, die verfassungsrechtlich gebotene Anrechnung der Transferleistungen auf den Unterhalt zu ermöglichen, der - ihrer Meinung nach - der Wortlaut des §12a FLAG im Wege steht.

Im Ergebnis bedeutet dies, daß die antragstellenden Gerichte zwar die verfassungsrechtlichen Bedenken des Verfassungsgerichtshofs gegen das im Wortlaut des §12a FLAG zum Ausdruck kommende absolute Verbot einer Anrechnung der Familienbeihilfe auf den Unterhaltsanspruch von Kindern gegenüber getrennt lebenden Elternteilen teilen, jedoch - anders als der Verfassungsgerichtshof - keine Möglichkeit sehen, das verfassungskonforme Ergebnis (bloß) durch eine teleologische Reduktion des Wortlautes dieser Vorschrift zu erreichen.

2.4. Wenn die antragstellenden Gerichte in diesem Zusammenhang unter Berufung auf Bydlinski ausführen, daß die teleologische Reduktion der ratio legis nicht gegen einen engen, sondern gegen einen überschießend weiten Gesetzeswortlaut Durchsetzung verschaffe und daß die (verdeckte) Lücke im vorliegenden Fall im Fehlen einer nach der ratio legis notwendigen Ausnahmeregel bestehe, so kann der Verfassungsgerichtshof dem durchaus beistimmen. Ebenso tritt er den Argumenten bei, daß Voraussetzung einer teleologischen Reduktion stets der Nachweis sei, daß eine abstrakt umschriebene Fallgruppe von den Grundwerten oder Zwecken des Gesetzes entgegen seinem Wortlaut gar nicht getroffen werde und daß diese Fallgruppe sich von den eigentlich gemeinten Fallgruppen soweit unterscheiden müsse, daß die Gleichbehandlung sachlich ungerechtfertigt und willkürlich wäre. Er hat allerdings in seiner zitierten Entscheidung im Ergebnis die Auffassung vertreten, daß alle diese Voraussetzungen im hier zu beurteilenden Fall zutreffen: Wenn nämlich §12a FLAG eine Anrechnung der Familienbeihilfe auf den Unterhalt seinem Wortlaut nach generell ausschließt (obwohl eine teilweise Anrechnung verfassungsrechtlich geboten wäre), so ist der Gesetzeswortlaut überschießend; es fehlt gerade die nach der ratio legis des Einkommensteuergesetzes - die Familienbeihilfe soll nach der Absicht des Gesetzgebers grundsätzlich auch die Funktion der steuerlichen Entlastung der Unterhaltspflichtigen übernehmen - notwendige Ausnahmevorschrift. Daß aber jene Personengruppe, für die die Anrechnung gelten sollte (das sind die geldunterhaltspflichtigen Personen), sich nach den Grundwertungen des Gesetzes von jener Gruppe unterscheidet, für die eine Anrechnung nicht erforderlich ist (weil sie keine Geldunterhaltslasten zu tragen haben), haben die antragstellenden Gerichte selbst aufgezeigt, wenn sie diesbezüglich - wie oben dargelegt - eine verfassungsrechtlich bedenkliche Gleichbehandlung konstatieren.

Der Verfassungsgerichtshof kann auch nicht die Auffassung teilen, eine teleologische Reduktion komme vor allem deshalb nicht in Betracht, weil §12a FLAG die Mehrheit aller Geldunterhaltspflichtigen umfasse, so daß durch eine teleologische Reduktion nicht eine fehlende Ausnahmevorschrift ersetzt werde, sondern dem §12a FLAG der "Hauptanwendungsbereich" genommen werde. Selbst wenn man in diesem Zusammenhang nur Fälle getrennter Haushaltsführung betrachtet, ist - wie der Verfassungsgerichtshof in seiner Entscheidung vom 27. Juni 2001, B1285/00, dargelegt hat - eine Anrechnung der Familienbeihilfe nur dann und insoweit erforderlich, als überhaupt eine steuerliche Entlastung verfassungsrechtlich geboten ist und hiefür nicht bereits der Unterhaltsabsetzbetrag zusammen mit dem Kinderabsetzbetrag ausreicht (dessen Anrechnung durch §12a FLAG nicht behindert wird). Somit wird der Anwendungsbereich des §12a FLAG durch die vom Verfassungsgerichtshof vorgenommene Auslegung nur in Fällen höherer Einkommen und höherer Unterhaltsleistungen eingeschränkt, wobei sich im übrigen aus den in der Vorjudikatur angestellten Überlegungen ergibt, daß die Minderung des Unterhaltsanspruches durch die Anrechnung auch bei hohen Einkommen deutlich unter 20 vH liegt (vgl. dazu auch Zorn, SWK 2001, 1292 sowie dessen Beispiel auf S 1295).

2.5. Den antragstellenden Gerichten ist freilich dahin Recht zu geben, daß die der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs zu B1285/00 zugrunde liegende Wertung im FLAG selbst keinen Niederschlag gefunden hat. Dieses Gesetz beruht - wie die antragstellenden Gerichte in historischer Betrachtung zutreffend darlegen - seit der Novelle BGBl. 646/1977 auf dem Gedanken, daß die Familienbeihilfe dem Haushalt zukommen soll, in dem das Kind betreut wird, und nicht jene Person zu entlasten hat, die zwar dem Kind zum Unterhalt verpflichtet ist, deren Haushalt es aber nicht teilt (636 BlgNR, 14. GP, 11). Auch bei der Neuregelung der Familienbesteuerung im Budgetbegleitgesetz 1998, BGBl. I 79/1998, ist der Gesetzgeber im Hinblick auf getrennt lebende Elternteile davon ausgegangen, daß der Umstand, daß die zur Abgeltung der Unterhaltslasten vorgesehenen Transferleistungen nur deshalb nicht wirken, weil ein Elternteil außerhalb des Kindeshaushaltes lebt, eine Folge der privaten Lebensgestaltung sei und steuerlich daher nicht abgedeckt werden müsse (1099 BlgNR,

20. GP, 16; vgl. auch Barth, Ist die Familienbeihilfe bei der Unterhaltsbemessung zu berücksichtigen?, RZ 2001, 248 ff.).

Wenn der Verfassungsgerichtshof sich im wiederholt zitierten Erkenntnis B1285/00 dennoch dafür entschieden hat, §12a FLAG zur Erzielung eines verfassungskonformen Ergebnisses einschränkend zu interpretieren, so vor allem deswegen, weil er - wie der OGH zutreffend erkennt (vgl. oben I.3.1.4.) - im seinerzeitigen Beschwerdeverfahren aus Gründen der Präjudizialität gehindert war, diese Norm von Amts wegen in Prüfung zu ziehen, während auf der anderen Seite die amtswegige Prüfung und allfällige Aufhebung präjudizieller Vorschriften des EStG 1988 letztlich vermutlich zu dem Ergebnis geführt hätte, daß Kinderlasten bei getrennter Haushaltsführung steuer- und transferrechtlich insgesamt eine verfassungsrechtlich bedenkliche stärkere Berücksichtigung erfahren hätten als bei gemeinsamer Haushaltsführung. Da bei der Entscheidung zwischen einer teleologischen Reduktion, die den Wortlaut einer Norm im Hinblick auf den Gesetzeszweck einschränkend liest, um ein verfassungskonformes Ergebnis zu erreichen, und einer strikten Interpretation einer solchen Vorschrift, die dann logischerweise zum Ergebnis der Verfassungswidrigkeit der fraglichen Norm führen muß, notwendigerweise ein gewisser Beurteilungsspielraum besteht, schien es dem Verfassungsgerichtshof im Hinblick auf diese Umstände letztlich angebracht, die Erzielung eines verfassungskonformen Ergebnisses durch eine teleologische Reduktion des §12a FLAG zu ermöglichen. Dieser Weg hätte seiner Überzeugung nach die Zivilgerichte in die Lage versetzt, das im Einzelfall gebotene Ergebnis bei unveränderter Rechtslage herbeizuführen (vgl. dazu auch Zorn, SWK 2001, 1299). In der Tat ist ein Teil der zuständigen Gerichte diesen Weg gegangen (vgl. die Übersicht bei Zorn, aaO 1295).

Demgegenüber sehen sich einige Zivilgerichte aus methodischen Gründen nicht in der Lage, diesem Weg zu folgen, geben jedoch zu erkennen, daß sie - da die verfassungsrechtlichen Bedenken in der Sache geteilt werden - zum selben Ergebnis kämen, wenn die die Anrechnung hindernde Vorschrift des §12a FLAG beseitigt wäre (während die Bundesregierung ungeachtet des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofs das Hindernis als vom Gesetzgeber gewollt und sachlich gerechtfertigt verteidigt). Wenn aber das vom Verfassungsgerichtshof angestrebte Ziel der Herstellung eines verfassungsmäßigen Zustandes mit Hilfe der teleologischen Reduktion des §12a FLAG angesichts der bei den Zivilgerichten entstandenen Judikaturdivergenz nicht erreicht werden kann, hält es der Verfassungsgerichtshof in Wahrnehmung seiner Rechtsbereinigungsfunktion für geboten, den verfassungsmäßigen Zustand durch Aufhebung der Norm selbst herzustellen.

§12a FLAG sieht in seinem zweiten Halbsatz vor, daß die Familienbeihilfe den Unterhaltsanspruch des Kindes (generell) nicht mindert. Eine solche Regelung verhindert, daß die Familienbeihilfe auch insoweit, als sie zur Abgeltung steuerlicher Mehrbelastungen von Unterhaltspflichtigen bestimmt ist, demjenigen zugute kommt, der diese Unterhaltsbelastung tatsächlich trägt, obwohl die Berücksichtigung auch bei ihm verfassungsrechtlich geboten ist. Wie die antragstellenden Gerichte zutreffend ausführen, wird der Geldunterhaltspflichtige sowohl gegenüber Personen mit gleichem Einkommen aber ohne Geldunterhaltspflichten als auch gegenüber Unterhaltspflichtigen, deren Haushalt der Unterhaltsberechtigte angehört, schlechter gestellt, weil die teilweise zur Abgeltung steuerlicher Mehrbelastungen gedachte Familienbeihilfe ihm auch nicht in diesem Ausmaß auf seine Unterhaltsverpflichtung angerechnet wird.

Die Wortfolge "und mindert nicht dessen Unterhaltsanspruch" in §12a FLAG 1967, idF BGBl. 646/1977, war daher als verfassungswidrig aufzuheben.

2.6. Der Verfassungsgerichtshof geht dabei davon aus, daß die Aufhebung dieser Wortfolge keineswegs zur Folge hat, daß nunmehr die Familienbeihilfe stets zur Gänze dem geldunterhaltspflichtigen Elternteil zugute kommt, also zur Gänze auf dessen Unterhaltsverpflichtung anzurechnen ist (vgl. dazu schon oben II.1.3.). Es wird vielmehr der - auch von den antragstellenden Gerichten angeführte - Umstand zu berücksichtigen sein, daß es der Zweck der Neufassung des §12a FLAG durch BGBl. 646/1977 war (der in '2 Abs2 FLAG seinen deutlichen Niederschlag gefunden hat), die Familienbeihilfe grundsätzlich jenem Haushalt zukommen zu lassen, in dem das Kind betreut wird, so daß eine Anrechnung auf die Geldunterhaltsverpflichtung des nicht haushaltszugehörigen Elternteiles nur dann und insoweit in Betracht zu ziehen ist, als die Familienbeihilfe auf Grund der jüngeren Entwicklung der Familienbesteuerung die Funktion einer Abgeltung der steuerlichen Mehrbelastung von Unterhaltsverpflichteten zu übernehmen hat. Für das Ausmaß dieser Anrechnung enthält das Erkenntnis zu B1285/00 die maßgebenden Grundsätze.

III. Der Verfassungsgerichtshof sieht keine Veranlassung, dem Antrag der Bundesregierung zu folgen und eine Frist für das Außerkrafttreten der aufgehobenen Wortfolge zu bestimmen. Er geht davon aus, daß mit der Aufhebung des zweiten Halbsatzes in §12a FLAG für die Zivilgerichte kein Hindernis mehr besteht, im Fall entsprechend begründeter Herabsetzungsanträge die Familienbeihilfe im verfassungsrechtlich gebotenen Ausmaß auf die Unterhaltsverpflichtung des Geldunterhaltsverpflichteten anzurechnen (vgl. dazu oben II.2.6.). Zu diesem Vorgehen waren aber die Zivilgerichte schon nach dem hg. Erkenntnis zu B1285/00 berechtigt, sofern sie bereit waren, der (verfassungskonformen) Interpretation des Verfassungsgerichtshofs in diesem Erkenntnis zu folgen (wie dies - wie erwähnt - auch ein Teil der Gerichte tat). Eine Aufhebung unter Fristsetzung hätte somit das unbefriedigende Ergebnis zur Folge, daß jene Gerichte, die sich der Auffassung des Verfassungsgerichtshofs zu B1285/00 angeschlossen haben bzw. anzuschließen bereit sind, bereits auf der Basis dieser Entscheidung eine teilweise Anrechnung der Familienbeihilfe auf die Unterhaltsverpflichtung vornehmen (können), während jene, die eine verfassungskonforme Interpretation des §12a FLAG im Sinne dieses Erkenntnisses ablehnen, bis zum Ablauf der gesetzten Frist bzw. bis zu einer gesetzlichen Neuregelung eine solche Anrechnung unterlassen müßten. Da die Fristsetzung somit voraussichtlich die Judikaturdivergenz innerhalb der Zivilgerichte verlängern würde und die Grundsätze der gebotenen Anrechnung im Erkenntnis zu B1285/00 vorgezeichnet sind (s. dazu wiederum Zorn, aaO), besteht für eine Fristsetzung kein Anlaß. Es war vielmehr auszusprechen, daß die aufgehobene Wortfolge nicht mehr anzuwenden ist. Einer allfälligen gesetzlichen Regelung wird damit nicht vorgegriffen.

IV. 1. Der Ausspruch, daß die verfassungswidrige Bestimmung nicht mehr anzuwenden ist, stützt sich auf Art140 Abs7 zweiter Satz B-VG.

2. Der Ausspruch, daß frühere gesetzliche Bestimmungen nicht wieder in Wirksamkeit treten, beruht auf Art140 Abs6 erster Satz

B-VG.

3. Die Verpflichtung des Bundeskanzlers zur unverzüglichen Kundmachung der Aufhebung erfließt aus Art140 Abs5 erster Satz B-VG und §64 Abs2 VfGG.

4. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

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