VfGH G36/2017

VfGHG36/201714.6.2017

Neuerliche Zurückweisung des Individualantrags auf Aufhebung näher bezeichneter Bestimmungen des GesundheitstelematikG 2012 betreffend die Speicherung von Gesundheitsdaten im ELGA-System angesichts pauschal vorgetragener Bedenken

Normen

B-VG Art140 Abs1 Z1 litc
GesundheitstelematikG 2012 §13, §20, §21, §27
VfGG §62 Abs1

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VFGH:2017:G36.2017

 

Spruch:

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung

I. Antrag und Vorverfahren

1. Der Antragsteller, ein Facharzt für Frauenheilkunde und Geburtshilfe, begehrt mit seinem auf Art140 Abs1 Z1 litc B‑VG gestützten Antrag, §13 Abs2, §13 Abs3 Z4, §13 Abs7, §20 Abs1, Abs2, den ersten Satz des Abs3, Abs4, Abs5, §21 Abs2 sowie §27 Abs3 erster Satz Gesundheitstelematikgesetz 2012‑GTelG 2012, BGBl I 111/2012, als verfassungswidrig aufzuheben.

2. In seinem Antrag zur Anfechtung von Bestimmungen des Gesundheitstelematikgesetzes gibt der Antragsteller in Abschnitt B die angefochtenen Gesetzesbestimmungen und in Abschnitt C ihren Inhalt zusammengefasst wieder. Er führt in diesem Abschnitt u.a. aus (Wiedergabe ohne die Hervorhebungen im Original):

"Speicherung / Vernetzung / Verwendung / Zugriff:

 

(11) Durch die Speicherpflicht und die Vernetzung der gespeicherten Gesundheitsdaten, wie vom GTeIG 2012 in den angefochtenen Bestimmungen (§§13 Abs3, 20 Abs2, 21) angeordnet und näher geregelt, wird – ohne Hinzutreten einer gerichtlichen oder im Instanzenzug bekämpfbaren Entscheidung – in das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht des Antragstellers auf Datenschutz eingegriffen:

 

(12) Mit dem Inkrafttreten des GTeIG 2012 verlor der Antragsteller sein Selbstbestimmungsrecht hinsichtlich seiner Gesundheitsdaten. Bisher konnte er die Speicherung und den Zugriff auf gespeicherte Gesundheitsdaten im Rahmen seiner vertraglichen Beziehung mit Arzt bzw. Krankenanstalt vor dem Hintergrund der gesetzlichen Schweigepflicht (privat-) autonom regeln, er konnte im Einzelfall entscheiden, wem er die Speicherung, Weitergabe, Verarbeitung und Einsicht in seine Gesundheitsdaten gestattet. Mit Inkrafttreten des GTeIG 2012 wurde diese dem §1 DSG und dem Art8 MRK entsprechende Rechtsstellung auf den Kopf gestellt, weil das GTeIG 2012 die Speicherung durch Gesundheitsdiensteanbieter (siehe §§13 Abs3, 20, 21) und eine Vernetzung jener Speicher anordnet, auf welchen die Gesundheitsdaten des Antragstellers gespeichert werden, und weil es über diese Vernetzung allen ELGA-Anwendern den Zugriff auf die Gesundheitsdaten ermöglicht, diese überdies verpflichtet, diese Daten zu verwenden und einzusehen (§13 Abs7).

 

Zustimmung zur Datenspeicherung- und Weitergabe:

 

(13) Aus dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs B1369/11 vom 11.10.2013 ergibt sich, dass schutzwürdige Daten nur dann weitergegeben werden dürfen, wenn eine Zustimmung vorliegt. Nur ganz ausnahmsweise und nur unter Berufung auf konkrete, lebenswichtige Interessen dürfen derartige Daten ohne Zustimmung weitergegeben werden.

 

(14) Das GTeIG 2012 ordnet aber im Gegensatz dazu generell die Zurverfügungstellung aller Gesundheitsdaten ohne Zustimmung der Patienten an, ohne dass lebenswichtige Interessen der Patienten dadurch geschützt werden und auch ohne dass die Weitergabe auf eine Weitergabe an eine der rechtsstaatlichen Kontrolle unterliegenden Behörde beschränkt wird.

 

Verwendung der Gesundheitsdaten:

 

(15) Die verpflichtend angeordnete Speicherung und Verwendung, die Einsichtspflicht, die Weitergabe und Bearbeitung und Zugriffsmöglichkeiten bewirken einen dem Grundrecht auf Datenschutz widersprechenden Eingriff in die verfassungsgesetzlich geschützte Datenautonomie des Antragstellers.

 

(16) Die Eingriffe in die verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte des Antragstellers liegen in dem gesetzlich angeordneten Verlust des Selbstbestimmungrechtes hinsichtlich der Speicherung, Weitergabe, Einsicht und Verwendung seiner Gesundheitsdaten. Er ist über seine Gesundheitsdaten nicht mehr verfügungsberechtigt. Der Antragsteller kann nun weder über die Frage, ob überhaupt eine elektronische Speicherung ganz oder teilweise vorzunehmen ist, entscheiden, noch wo und mit welchen technischen und rechtlichen Sicherheitsvorkehrungen gespeichert wird, welchen Personen diese Daten weitergegeben werden dürfen noch welche weitere Bearbeitungen, Zugriffe und Einsichten welchen Personen ganz oder teilweise erlaubt werden.

 

(17) Die Speicher-, Weitergabe- und Verwendungspflicht, wie sie in den oben zitierten, angefochtenen Gesetzesstellen zwingend normiert sind, wären dann nicht als – verfassungswidrige – Eingriffe in die durch §1 DSG und durch Art8 MRK geschützte Rechtsstellung des Antragstellers zu qualifizieren, wenn vor jedem derartigen Eingriff die ausdrückliche Zustimmung des Patienten eingeholt werden müsste. Dies ist aber nicht der Fall, die Ausnahmebestimmungen über das Opt-Out (§15) und laut §16 schützen nicht die Datenherrschaft des Antragstellers und missachten das verfassungsrechtliche Gebot, bei Vorliegen eines den Eingriff rechtfertigenden öffentlichen Interesses nur den gelindesten zur Verfügung stehenden Eingriff zu gestatten.

 

(18) Die Verwendung der zwingend elektronisch zu speichernden Gesundheitsdaten ist 'nur' durch einen eingeschränkten Personenkreis – von sicher mehr als 100.000 Personen – zulässig (§14 GTeIG 2012). Dieser Personenkreis (inkl. Verwaltung und Pflege) ist so groß, dass in Wahrheit keine Beschränkung normiert ist.

 

(19) Die weiteren normierten Einschränkungen sind datenschutzrechtlich gänzlich unzureichend:

 

(20) Die in dieser Gesetzesstelle normierten Ausnahmen (§14 Abs2 Z1a‑1c GTeIG 2012) sind auch deswegen viel zu weitgehend, weil sie der 'Verwaltung von Gesundheitsdiensten' Zugriff auf die personenbezogenen Gesundheitsdaten des Antragstellers erlauben.

 

Nicht 'personenbezogene' Verwendung erlaubt:

 

(21) Außerdem erlaubt §14 Abs2 GTeIG 2012 jeden Zugriff, jede Verwendung und Verarbeitung sowie jede Speicherung von Gesundheitsdaten, sofern diese nicht 'personenbezogen' erfolgt:

 

(22) Dies bedeutet, dass Gesundheitsdaten des Antragstellers gespeichert, weitergegeben, verwendet und verarbeitet werden dürfen, sofern nur – als erster Schritt – der Name des Antragstellers gelöscht wird, damit seine Gesundheitsdaten nicht mehr als 'personenbezogen' erscheinen.

 

(23) §14 Abs3 ändert daran nichts: Das darin normierte Verbot betrifft nur 'ELGA-Gesundheitsdaten'. Gemäß §2 Z1 sind derartige 'Gesundheitsdaten' im Sinn des GTeIG 2012 nur personenbezogene Daten. Dasselbe ergibt sich aus der gesetzlichen Definition des Begriffs 'ELGA-Gesundheitsdaten' in §2 Z9.

 

(24) Es genügt daher, ELGA-Gesundheitsdaten zu speichern, diese zu bearbeiten (kopieren), den Namen des Patienten zu löschen und schon sind alle ursprünglich als ELGA Gesundheitsdaten erfassten, nur bei der ersten Speicherung personenbezogenen Daten frei verwendbar."

 

3. In der Folge enthält der Antrag einen Überblick über die Judikatur des Verfassungsgerichtshofes zum Datenschutzgesetz und führt aus, dass in die Rechtsstellung des Antragsstellers als Eigentümer seiner Ordination eingegriffen werde und dass die angefochtenen Bestimmungen ihn als Facharzt mit hohen Investitionskosten wesentlich belasteten.

4. Unter der Überschrift "Aufhebungsgründe wegen Verfassungswidrigkeit" führt der Antragsteller Folgendes aus:

"Verletzung von §1 DSG, Art8 EMRK

 

(104) Ein Eingriff in die durch das Grundrecht des §1 DSG 2000 geschützte Datenautonomie eines Patienten ist, wie sich aus dem Verweis ergibt, nur dann zulässig, wenn ein öffentliches Interesse im Sinn des Art8 MRK besteht. Was unter einem derartigen öffentlichen Interesse zu verstehen ist, ist an dieser Stelle der MRK definiert.

 

(105) Ganz allgemein nennt Artikel 8 MRK u.a. den 'Schutz der Gesundheit' als ein einen Eingriff in das geschützte Privatleben rechtfertigendes Rechtsgut.

 

(106) Der Eingriff in den Bereich der Privatsphäre ist aber nur dann zulässig, wenn er der Abwehr von Gefahren für die Gesundheit dient, etwa der Eindämmung der Ausbreitung von Seuchen oder anderen gesundheitlichen Gefahren.

 

(107) Finanzielle Erwägungen im Zusammenhang mit dem Wunsch, Einsparungen im Gesundheitswesen vorzunehmen, rechtfertigen einen Eingriff in das verfassungsgesetzlich geschützte Recht auf Datenschutz für sich alleine ebenso wenig wie einen Eingriff in das Recht auf Privatsphäre gemäß Artikel 8 MRK."

 

5. Der Antrag enthält danach Ausführungen zur Frage von Patientenrechten und budgetären Vorteilen oder Einsparungen durch die Elektronische Gesundheitsakte. Der Antragsteller führt insbesondere aus, dass die opt-out Regelungen, die zwar die angefochtenen Bestimmungen einschränkten, nicht das gelindeste Mittel für einen zulässigen Eingriff in das Recht auf Datenschutz seien und dass überdies jedenfalls verfassungsrechtlich unzulässige Eingriffe in das Recht auf Eigentum und auf Erwerbsausübungsfreiheit vorliegen würden. Zur behaupteten Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechts auf Datenschutz bringt der Antragsteller in der "Zusammenfassung" des Antrags schließlich Folgendes vor:

 

"(199) Es fehlt an dem verfassungsrechtlich zwingend vorausgesetzten öffentlichen Interesse für den Eingriff in den Datenschutz hinsichtlich der besonders zu schützenden Gesundheitsdaten.

 

(200) Aber selbst wenn ein öffentliches Interesse an der Schaffung des elektronischen Gesundheitsakts bestünde, hätte der Gesetzgeber das gelindeste Mittel des Eingriffs in das Grundrecht wählen und die Freiwilligkeit der Speicherung, der Weitergabe, der Verwendung und des Zugriffs normieren müssen, statt das grundsätzlich bestehende Zustimmungserfordernis für die Speicherung, Verarbeitung und Verwendung von besonders zu schützende[n] Gesundheitsdaten zu beseitigen.

 

(201) In datenschutzrechtlicher Hinsicht gilt wieder: Sowohl durch die eingeräumten Rechte (§13 Abs2, §21) als auch durch die Speicher-, Weitergabe- und durch die Verwendungspflicht, wie in §13 Abs3, §20 und §13 Abs7 geregelt, wird die Verfügungsberechtigung jedes Patienten hinsichtlich seiner besonders sensiblen Gesundheitsdaten beseitigt. Weder die Speicherung noch die Weitergabe (in die Verweisregister) noch die Verwendung erfordern nach dem System des Gesetzes, hier nach §13 Abs2, Abs3 und Abs7 sowie gem. §§20 und 21, die ausdrückliche, konkrete und selbstbestimmte Zustimmung des Patienten. Der Gesetzgeber ordnete in diesen verfassungswidrigen Bestimmungen im Gegensatz zu §1 DSG 2000 an, dass ohne Rücksicht auf eine Zustimmung oder Verweigerung Gesundheitsdiensteanbieter verpflichtet sind, die Gesundheitsdaten elektronisch zu speichern, die Zugangsdaten in den Verweisregistern zu speichern und diese einem im Vorhinein unbestimmten Personenkreis an Gesundheitsdiensteanbietern und deren Verwaltung weiterzugeben. Außerdem wird jeder Gesundheitsdiensteanbieter nicht bloß berechtigt, sondern verpflichtet, in die Gesundheitsdaten Einsicht zu nehmen und diese zu verwenden, und zwar gleichgültig, ob der Patient dazu seine Zustimmung erklärt hat oder nicht.

 

(202) Dass das Opt‑Out diesen Eingriff in das verfassungsgesetzlich geschützte Recht auf Datenschutz nicht beseitigen kann, wurde bereits ausgeführt. Im Zusammenhang mit §13 Abs2, Abs3 und Abs7 sowie mit §20 wird im Besonderen darauf hingewiesen, dass diese Form des Widerspruchs nur die Löschung der Zugangsdaten beseitigt, sodass die Daten durch andere Gesundheitsdiensteanbieter, nach Wirksamwerden des Widerspruchs, nicht aufgefunden und daher nicht verwendet werden können. Dies ändert jedoch nichts daran, dass die Daten, welche vor dem Wirksamwerden eines Widerspruchs erfasst wurden, dennoch gespeichert werden mussten und gespeichert werden müssen, die Rechte gem. §13 Abs2 und gem. §21 Abs2 bleiben bestehen, auch wenn ein Widerspruch gültig erklärt wurde.

 

(203) Verwiesen wird daher auf die Ausführungen oben, in denen dargestellt wird, dass das System des Opt-Out, wenn man überhaupt von einem überwiegenden öffentlichen Interesse im Sinn des Artikel 8 MRK ausginge, keineswegs das gelindeste Mittel zur Erreichung des angeblich wichtigen öffentlichen Interesses (der umfassenden Sammlung aller Gesundheitsdaten?) darstellt.

 

(204) Die Bundesregierung überschätzt bei Verteidigung der angefochtenen Bestimmungen die Macht des Gesetzgebers, der zwar missbräuchliche Verwendungen durch Dritte gesetzlich verbieten und unter Strafe stellen kann, den tatsächlichen Missbrauch aber nie wirksam unterbinden wird können. Das Grundrecht auf Datenschutz verpflichtet aber den Gesetzgeber, die vom Schutzbereich umfassten Daten der einzelnen Bürger nicht nur durch jedenfalls im Ausland unvollziehbare und unkontrollierbare gesetzliche Bestimmungen mit Worten zu schützen, sondern die Daten effektiv d.h. unter Beachtung der Gefahren, die technisch bestehen und vom Gesetzgeber sorgfältig zu berücksichtigen sind, vor missbräuchlicher Verwendung, Weitergabe oder Einsicht zu bewahren.

 

(205) Das Gesetz verletzt daher mit den angefochtenen Bestimmungen den dem Grundrecht auf Datenschutz zentral zu Grunde liegenden Schutzgedanken, dass die besonders schützenswerten Gesundheitsdaten (§4 Z2 DSG 2000) von keiner Behörde ohne Einhaltung der gesetzlichen Voraussetzungen und auch nicht von privaten Personen, die vom Dateninhaber dazu nicht legitimiert sind, gespeichert, weitergegeben, verwendet oder eingesehen werden dürfen.

 

(206) Die angefochtenen Bestimmungen bewirken das Gegenteil des Datenschutzes, weil sie diesen zu Lasten des Patienten und zugunsten der Speicherungs-, Weitergabe- und Einsichtspflicht von unbekannten Dritten aufheben."

 

6. Zur behaupteten Verletzung des Grundrechts auf Schutz des Eigentums führt der Antragsteller aus:

"Verletzung des Grundrechts auf Schutz des Eigentums

Auswirkungen der Speicher- und Einsichtspflicht:

 

(207) Dem Antragsteller als Facharzt für Frauenheilkunde entsteht durch die Speicher- und Einsichtspflicht ein erheblicher zeitlicher Mehraufwand, damit Produktivitätsverlust und folglich ein Gewinnentgang.

 

(208) Die ihn treffende Kostenbelastung im Hinblick auf die Anschaffung und den Betrieb von Hard- und Software sowie zur Schaffung der Speicherkapazität sind zwangsläufige vom Gesetzgeber normierte Folgen der angefochtenen Bestimmungen. Die Belastungen sind schwerwiegend.

 

(209) Der Antragsteller hat die Kosten für die Anschaffung von Speicherkapazität und für die Umstellung von Hard- und Software zu tragen. Verwiesen wird auf die Ausführungen oben.

 

(210) Diese Kosten sind nicht vernachlässigbar gering. Sie wären nicht notwendig und würden nicht anfallen, wenn die angefochtenen Bestimmungen nicht zwingend die Schaffung dieser IT Infrastruktur vorschreiben würden.

 

(211) Im Ordinationsbetrieb des Antragstellers müssen Schulungszeiten für die neue Infrastruktur in die Kalkulation der Kosten der Herstellung der vom Gesetz vorausgesetzten IT Infrastruktur einkalkuliert werden.

 

(212) Hinzu kommen die voraussichtlichen Kosten für den Speicher, für die Anschaffung und Aufrechterhaltung der Datenleitung sowie für die Wartung der Hard- und Software. Hierzu wird auf die Ausführungen oben verwiesen.

 

(213) Gegen die in §13 Abs2 und 3 sowie in §20 angeordnete Speicherpflicht spricht aus verfassungsrechtlicher Sicht die Tatsache, dass die – angeblich (§13 Abs1) im öffentlichen Interesse gelegenen – Speicherpflichten jeden Gesundheitsdiensteanbieter im niedergelassenen Bereich dazu verpflichten, die Ordinationen durch Schaffung geeigneter Speicherkapazitäten, also durch die genannten Investitionen i[m] IT-Bereich, aufzurüsten. Wenn diese Interessen tatsächlich im öffentlichen Interesse liegen und tatsächlich der elektronische Gesundheitsakt ein wichtiges öffentliches Interesse (§13 Abs1) erfüllt, lässt sich kein sachlicher Grund dafür ausmachen, die Gesundheitsdiensteanbieter mit den finanziellen Folgen der Realisierung des elektronischen Gesundheitsakts (der ja im eigentlich privaten Interesse der Patienten liegt) in ihren Ordinationen derart und derart einseitig zu belasten.

 

(214) Die Belastungen bestehen, wie schon oben ausgeführt, nicht nur aus den Investitionskosten, die notwendig sind, um die Speicherpflicht erfüllen zu können. Der Vorgang der Speicherung selbst belastet die Ordinationszeiten, ohne dass für diese Mehrzeiten ein entsprechendes Honorar dem Arzt ausbezahlt wird. Das Gesetz sieht keine Entschädigung oder wie auch immer geartete Kompensation der Gesundheitsdiensteanbieter für diese erhebliche Mehrbelastung des Ordinationsbetriebs und die damit zwingend einhergehenden Einkommenseinbußen vor.

 

(215) Noch mehr gilt dies für die Einsichtspflicht: Die Erfüllung dieser Einsichtspflicht, wie sie in §13 Abs7 normiert ist, setzt die Anschaffung geeigneter IT Hard- und Software voraus. Die Kosten hat mangels entsprechender Kompensationsregelung im Gesetz der Gesundheitsdiensteanbieter selbst zu tragen, was angesichts des angeblichen öffentlichen Interesses am Aufbau des elektronischen Gesundheitsakts und dessen Verwendung sachlich nicht zu rechtfertigen ist; in Wahrheit werden damit die Kosten und Gewinnausfälle von den Patienten, Kassen, Errichtern und Betreibern auf die Gesundheitsdiensteanbieter überwälzt.

 

(216) Die Einsicht in den elektronischen Gesundheitsakt wird dem Antragsteller noch dadurch erschwert, dass ungeprüft sämtliche Gesundheitsdaten, wie im Gesetz definiert, gespeichert werden müssen und dass keine Suchfunktion vorgesehen ist. Je mehr Gesundheitsdaten über einen Patienten vorliegen – diese sind im PDF-Format zu speichern – desto länger dauert die Einsicht, ohne dass aus den gespeicherten Gesundheitsdaten insbesondere dann, wenn diese länger zurückliegen oder andere Fachgebiete betreffen, Erkenntnisse gewonnen werden können, die ihm bei seiner Diagnose und Therapieratschlägen helfen.

 

(217) Wegen der durch die Einsicht verlängerten Behandlungszeiten jedes einzelnen Patienten in der Ordination sinkt die Anzahl an Patienten, die pro Ordinationsstunde behandelt werden können. Der Produktivitätsverlust ist eine direkte Folge der Einsichtspflicht, die der Gesetzgeber mit der Normierung der Einsichtspflicht angeordnet hat.

 

(218) Daraus folgt weiters zwingend, dass der Ertrag pro Ordinationsstunde, mit welchem ein Arzt oder Facharzt kalkulieren muss, ebenso extrem sinkt. Für die Patienten bedeutet dies eine Verlängerung der Wartezeiten.

 

(219) Ebenso wenig ist es sachlich zu vertreten, dass Gesundheitsdiensteanbieter durch die Verwendungspflicht, welche den Ordinationsbetrieb zeitlich erheblich aufhält und die Ordinationszeit pro Patient erheblich verlängert, keinen Ausgleich für den Einnahmeausfall erhalten sollen, obwohl es klar auf der Hand liegt, dass die Einsicht in den elektronischen Gesundheitsakt, eine erhebliche Zeitverzögerung jeder Behandlung jedes einzelnen Patienten herbeiführt.

 

(220) Auch in diesem Zusammenhang ist sachlich nicht zu rechtfertigen, dass Gesundheitsdiensteanbieter für die Wahrnehmung dieses angeblich so wichtigen öffentlichen Interesses im Sinn des §13 Abs1 nicht entschädigt werden, sondern dass ihnen zur Erfüllung dieses vermeintlichen öffentlichen Interesses die Belastungen durch Investitionskosten und Einnahmenentfall (Produktionsverlust) aufgebürdet werden.

 

(221) Im Gegenteil: Der Gesetzgeber ordnete in §24 Abs1 an, dass die Nutzung der dort genannten ELGA-Komponenten zur Ermittlung der ELGA‑Gesundheitsdaten unentgeltlich sein muss.

 

Inadäquate und unverhältnismäßige Belastung:

 

(222) Die damit bewirkte Überwälzung dieser Belastungen auf Ärzte und Fachärzte ist durch kein öffentliches Interesse gerechtfertigt und auch nicht verhältnismäßig. Die finanziellen Belastungen, welche mit der Umsetzung des Gesetzes von den Ärzten zu tragen sind, stellen eine inadäquate Belastung des Antragstellers dar.

 

(223) Es gibt nun tatsächlich kein öffentliches Interesse und keinen sachlichen Grund, welcher diese Eigentumsrechtseingriffe (die nicht bloß unbedeutende Nebenwirkungen de[s] GTeIG 2012 sind) rechtfertigt.

 

(224) Selbst wenn man davon ausgeht, dass ein vom Verfassungsgerichtshof nicht überprüfbares Interesse an der Verwirklichung des politischen Ziels der Datensammlung besteht, gibt es keine sachlich tragfähige Begründung dafür, warum Ärzte diese Kosten und die weiteren finanziellen Belastungen im öffentlichen Interesse der (angeblichen) Verbesserung der Gesundheitsversorgung der Patienten allein zu tragen haben.

 

(225) Außerdem: In erster Linie besteht ein immer privates Interesse der Patienten an ihrer Gesundheitsversorgung. Die Belastungen durch die angefochtenen Bestimmungen sollen (angeblich) zum Vorteil der Patienten normiert worden sein. Daraus folgt aber, dass ELGA Gesundheitsdiensteanbieter zum (angeblichen) Vorteil der (privaten) Interessen der Patienten einseitig (und ohne tatsächlich bestehende[s] öffentliches Interesse) belastet werden, dass also der Eigentumseingriff inadäquat ist und nicht gerechtfertigt werden kann.

 

(226) Es ist verfassungswidrig und widerspricht dem Eigentumsrechtsschutz, dem Antragsteller (und den Ärzten und Fachärzten) diese Belastungen im – vermeintlichen – Interesse der Patienten einseitig aufzubürden (s. VfGH G100/05 vom 25.4.2006).

 

(227) Diese Bestimmungen verletzen den Antragsteller daher in seinem verfassungsgesetzlich gewährleisten Recht auf Eigentum und auf Erwerbsausübungsfreiheit."

 

7. Die behauptete Verletzung des Grundrechts auf Freiheit der Erwerbsausübung wird folgendermaßen begründet:

"Verletzung des Grundrechts auf Freiheit der Erwerbsausübung

 

(228) Das zum Eigentumsrechtsschutz Ausgeführte gilt gleichermaßen für die Bedenken des Antragstellers hinsichtlich der Verletzung des Grundrechts auf Erwerbsausübungsfreiheit.

 

(229) Auch dieses verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht steht unter Gesetzesvorbehalt. Die Einschränkungen, namentlich die Kostenbelastungen und die Produktivitäts- und Ertragseinbußen, welche der Antragsteller als Facharzt tragen bzw. erleiden wird müssen, sind vor dem Hintergrund des nicht bestehenden öffentlichen Interesses an der Schaffung der Datensammlung gravierend und inadäquat.

 

(230) Es gibt keinen sachlichen Grund (auch nicht im Sinn des Art7 B‑VG) dafür, den Antragsteller als Facharzt mit diesen Kosten bzw. den Folgen des Produktivitätsverlusts zu belasten, durch die Schaffung der Speicherungs-, Einsichts- und Verwendungspflichten den Ertrag der Ordination tiefgreifend zu reduzieren und in sein Recht auf selbstbestimmte Führung seiner Facharztordination einzugreifen.

 

(231) Auch vor dem Hintergrund dieses verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechts erweisen sich daher die Anträge als berechtigt."

 

8. Ausschließlich zu der Bestimmung des §27 Abs3 erster Satz GTelG enthält der Antrag in Abschnitt D – außer der neuerlichen Wiedergabe der Bestimmung – konkret zugeordnete Ausführungen zur direkten Betroffenheit des Antragstellers als Facharzt und als Patient und zur behaupteten Verletzung des Art18 B‑VG.

9. Im abschließenden Antrag auf Aufhebung der angefochtenen Bestimmungen werden diese unter Abschnitt E neuerlich wörtlich wiedergegeben.

10. Die Bundesregierung erstattete eine Äußerung, in der sie beantragt, den Antrag als unzulässig zurückzuweisen, in eventu auszusprechen, dass die angefochtenen Bestimmungen nicht als verfassungswidrig aufgehoben werden. Zu den Prozessvoraussetzungen führt die Bundesregierung ua. Folgendes aus:

"2. Zur Darlegung der Bedenken:

 

2.1. Gemäß §62 Abs1 zweiter Satz VfGG hat der Antrag, ein Gesetz als verfassungswidrig aufzuheben, die gegen die Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes sprechenden Bedenken im Einzelnen darzulegen. Dieses Erfordernis ist nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes nur dann erfüllt, wenn die Gründe der behaupteten Verfassungswidrigkeit — in überprüfbarer Art— präzise ausgebreitet werden, dh. dem Antrag mit hinreichender Deutlichkeit zu entnehmen ist, mit welcher Verfassungsbestimmung die bekämpfte Gesetzesstelle in Widerspruch stehen soll und welche Gründe für diese Annahme sprechen (vgl. VfSlg 11.150/1986, 11.888/1988, 13.710/1994, 13.851/1994 und 14.802/1997). Es ist nicht Aufgabe des Verfassungsgerichtshofes, pauschal vorgetragene Bedenken einzelnen Bestimmungen zuzuordnen und so — gleichsam stellvertretend — das Vorbringen für den Antragsteller zu präzisieren (vgl. VfSlg 17.099/2003, 17.102/2004, mwN).

 

2.2. Wie der Verfassungsgerichtshof in seinem Beschluss vom 13. Oktober 2016, G330/2015, zum Antrag desselben Antragstellers ausgesprochen hat, genügt es den Anforderungen des §62 Abs1 VfGG nicht, wenn ein Antragsteller, der seine verfassungsrechtlichen Bedenken gleichzeitig in seiner Eigenschaft als Arzt und als Patient geltend macht, bei einem derart komplexen Antrag keine genaue Zuordnung vornimmt, in welcher Eigenschaft bezogen auf welche Bestimmungen er welche verfassungsrechtlichen Bedenken geltend macht (vgl. Rz 53 des oz. Beschlusses).

 

2.3. Nach Auffassung der Bundesregierung genügt auch der vorliegende Antrag, der im Wesentlichen jenem im Verfahren zu G330/2015 entspricht, diesen Anforderungen nicht. So führt der Antragsteller — wie auch schon in seinem Antrag im Verfahren zu G330/2015 — nicht konkret aus, welche der angefochtenen Bestimmungen ihn in seiner Eigenschaft als Arzt und welche ihn in seiner Eigenschaft als Patient im Einzelnen beschweren. Zwar unterscheidet der Antrag bei der Darstellung des behaupteten Rechtseingriffs teilweise zwischen den Eigenschaften als Patient einerseits (S. 10 ff) und als Arzt andererseits (S. 17 ff). Eine konkrete Zuordnung der verfassungsrechtlichen Bedenken zu den angefochtenen Bestimmungen je nach Eigenschaft als Patient oder Arzt unterbleibt jedoch. Wäre der Antragsteller etwa nur in einer seiner Eigenschaften unmittelbar betroffen und der Antrag daher nur in dieser Eigenschaft grundsätzlich zulässig, so wäre es aufgrund des vorliegenden Antrags nicht möglich, konkrete Bedenken konkreten Bestimmungen zuzuordnen, da (ausgenommen hinsichtlich §27 Abs3 1. Satz GTeIG 2012) offen bleibt, welche Bestimmungen der Antragsteller als Arzt und welche er als Patient bekämpft.

 

Nach Auffassung der Bundesregierung genügt der Antrag den Anforderungen des §62 Abs1 VfGG daher nicht."

 

II. Rechtslage

Die angefochtenen Bestimmungen des Bundesgesetzes betreffend Datensicherheitsmaßnahmen bei der Verwendung elektronischer Gesundheitsdaten (Gesundheitstelematikgesetz 2012 – GTelG 2012), BGBl I 111/2012 idF BGBl I 83/2013, lauten:

"4. Abschnitt

Elektronische Gesundheitsakte (ELGA)

Allgemeine Bestimmungen zur Elektronischen Gesundheitsakte

 

§13. (1) …

 

(2) ELGA-Gesundheitsdiensteanbieter haben zur Erfüllung der in §14 Abs2 genannten Zwecke das Recht, ELGA-Gesundheitsdaten in ELGA zu speichern und unter Berücksichtigung der jeweiligen Berufspflichten (z. B. §49 Abs1 ÄrzteG 1998; §10 Apothekenbetriebsordnung 2005, BGBl II Nr 65/2005) zu ermitteln, sofern in diesem Bundesgesetz nichts Anderes, etwa durch die Ausübung von ELGA-Teilnehmer/innen/rechten gemäß §16, festgelegt ist.

 

(3) Zur Sicherstellung der in Abs1 genannten Ziele sind in ELGA frühestens ab den in §27 Abs2 bis 6 genannten Zeitpunkten und spätestens ab dem Zeitpunkt gemäß §28 Abs2 Z4 zu speichern:

1.  …

2. …

3. …

4. Medikationsdaten (§2 Z9 litb), insoweit sich diese auf Handelsname bzw. Wirkstoff beziehen, durch Angehörige des ärztlichen Berufes (§2 Z10 lita) bei der Verordnung,

5. …

6. ….

 

(4) …

 

(5) …

 

(6) …

 

(7) Ist aus Gründen, die nicht vom ELGA-Gesundheitsdiensteanbieter verschuldet sind, im konkreten Einzelfall eine Verwendung von ELGA technisch nicht möglich oder ist durch den mit der Suche verbundenen Zeitaufwand das Leben oder die Gesundheit des ELGA-Teilnehmers/der ELGA-Teilnehmerin ernstlich gefährdet, ist der ELGA-Gesundheitsdiensteanbieter nicht verpflichtet, ELGA-Gesundheitsdaten im Wege von ELGA zu ermitteln.

 

[…]

 

Speicherung von ELGA-Gesundheitsdaten

 

§20. (1) Sofern sich aus den §§15 Abs2 und 16 Abs2 Z2 nichts anderes ergibt, haben ELGA-Gesundheitsdienstanbieter ELGA-Gesundheitsdaten in gemäß §28 Abs2 Z5 geeigneten Datenspeichern, die sich im Gebiet der Europäischen Union befinden müssen, zu speichern (§13 Abs3). Bereits gespeicherte ELGA-Gesundheitsdaten dürfen nicht geändert werden. Treten Umstände hervor, die eine maßgebliche Änderung des Behandlungsverlaufs bedingen können, ist zusätzlich eine aktualisierte Version zu speichern. Auftraggeber für die Speicherung ist der jeweilige ELGA-Gesundheitsdiensteanbieter.

 

(2) Sofern sich aus den §§15 Abs2 und 16 Abs2 Z2 nichts Anderes ergibt, haben ELGA-Gesundheitsdienstanbieter in Verweisregistern, die sich im Gebiet der Europäischen Union befinden müssen, zu speichern (§13 Abs3). Dies gilt nicht in Fällen in denen ELGA-Teilnehmer/innen der Aufnahme von Verweisen widersprochen haben. Auftraggeber für die Speicherung ist der jeweilige ELGA-Gesundheitsdiensteanbieter.

 

(3) ELGA-Gesundheitsdaten sowie elektronische Verweise darauf sind dezentral für zehn Jahre, ungeachtet anderer gesetzlicher Dokumentationsverpflichtungen, zu speichern.[…]

 

(4) Abweichend von den Abs2 und 3 sind Medikationsdaten gemäß §2 Z9 litb

1. ohne Aufnahme elektronischer Verweise zentral in ELGA zu speichern sowie

2. ein Jahr ab Abgabe von dem für den technischen Betrieb Verantwortlichen automatisch zu löschen.

 

(5) Elektronische Verweise sind automatisch zu erstellen und haben zu enthalten:

1. Daten, die sich auf den/die ELGA-Teilnehmer/in beziehen:

a) das bPK-GH des ELGA-Teilnehmers/der ELGA-Teilnehmerin oder

b) lokale Patient/inn/en-Kennungen,

2. Daten, die sich auf den ELGA-Gesundheitsdiensteanbieter beziehen:

a) die eindeutige Kennung des ELGA-Gesundheitsdiensteanbieters, der für die Aufnahme der ELGA-Gesundheitsdaten verantwortlich ist,

b) die natürliche Person, die die ELGA-Gesundheitsdaten in ELGA gespeichert hat,

3. Daten, die sich auf die ELGA-Gesundheitsdaten beziehen:

a) den Speicherort der ELGA-Gesundheitsdaten,

b) die eindeutige Kennung der ELGA-Gesundheitsdaten,

c) Datum und Zeitpunkt der Erstellung der ELGA-Gesundheitsdaten,

d) den Hinweis auf allenfalls frühere Versionen dieser ELGA-Gesundheitsdaten,

e) sofern vorhanden, einen strukturierten Hinweis auf die medizinische Bezeichnung der ELGA-Gesundheitsdaten sowie

f) Datum und Zeitpunkt, an dem der elektronische Verweis auf ELGA‑Gesundheitsdaten in ein Verweisregister aufgenommen wurde.

 

Berechtigungssystem

 

§21. (1) …

 

(2) Aufgrund der generellen Zugriffsberechtigungen, die festlegen, welche standardmäßigen Zugriffe zulässig sind, dürfen:

1. Angehörige des ärztlichen Berufes (§2 Z10 lita) auf alle ELGA‑Gesundheitsdaten (§2 Z9),

2. Angehörige des zahnärztlichen Berufes (§2 Z10 litb) auf ELGA‑Gesundheitsdaten gemäß §2 Z9 lita und b,

3. Apotheken (§2 Z10 litc) auf Medikationsdaten gemäß §2 Z9 litb,

4. Krankenanstalten (§2 Z10 litd) auf alle ELGA-Gesundheitsdaten (§2 Z9),

5. Einrichtungen der Pflege (§2 Z10 lite) auf alle ELGA-Gesundheitsdaten (§2 Z9),

6. Vertreter/innen gemäß §14 Abs2 Z2 litb auf alle ELGA-Gesundheitsdaten (§2 Z9) sowie

7. Mitarbeiter/innen der ELGA-Ombudsstelle auf alle ELGA-Gesundheitsdaten (§2 Z9)

zugreifen.

 

(3) …

 

[…]

 

Übergangsbestimmungen

 

§27. (1) …

 

(2) …

 

(3) Sofern nicht eine Verordnung gemäß §28 Abs2 Z4 einen späteren Zeitpunkt bestimmt, gilt ab 1. Juli 2016 §13 Abs3 für

1. Apotheken gemäß §1 des Apothekengesetzes,

2. freiberuflich tätige Ärzte und Ärztinnen,

3. Gruppenpraxen sowie

4. selbstständige Ambulatorien gemäß §3a KAKuG,

soweit die Nutzung der ELGA-Komponenten (§24) zur Verwendung von ELGA‑Gesundheitsdaten technisch möglich ist. […]"

 

III. Zulässigkeit

1. Der Antrag ist unzulässig.

2. Gemäß Art140 Abs1 Z1 litc B‐VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über die Verfassungswidrigkeit von Gesetzen auf Antrag einer Person, die unmittelbar durch diese Verfassungswidrigkeit in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, wenn das Gesetz ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides für diese Person wirksam geworden ist.

Voraussetzung der Antragslegitimation gemäß Art140 Abs1 Z1 litc B‑VG ist einerseits, dass der Antragsteller behauptet, unmittelbar durch das angefochtene Gesetz – im Hinblick auf dessen Verfassungswidrigkeit – in seinen Rechten verletzt worden zu sein, dann aber auch, dass das Gesetz für den Antragsteller tatsächlich, und zwar ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides wirksam geworden ist. Grundlegende Voraussetzung der Antragslegitimation ist, dass das Gesetz in die Rechtssphäre des Antragstellers nachteilig eingreift und diese – im Falle seiner Verfassungswidrigkeit – verletzt.

3. Gemäß §62 Abs1 erster Satz VfGG muss ein Gesetzesprüfungsantrag das Begehren enthalten, das – nach Auffassung des Antragstellers verfassungswidrige – Gesetz seinem gesamten Inhalt oder in bestimmten Stellen aufzuheben. Um das strenge Formerfordernis des ersten Satzes des §62 Abs1 VfGG zu erfüllen, muss – wie der Verfassungsgerichtshof in vielen Beschlüssen (zB VfSlg 11.888/1988, 12.062/1989, 12.263/1990, 14.040/1995, 14.634/1996) entschieden hat – die bekämpfte Gesetzesstelle genau und eindeutig bezeichnet werden. Es darf nicht offen bleiben, welche Gesetzesvorschrift oder welcher Teil einer Vorschrift nach Auffassung des Antragstellers tatsächlich aufgehoben werden soll.

4. Zur Darlegung von Bedenken gegen bestimmte Stellen des Gesetzes iSd §62 Abs1 VfGG reicht es nicht aus, pauschal "auf die … dargestellten verfassungsrechtlichen Bedenken" hinzuweisen (vgl. VfGH 2.3.2015, G140/2014, G159/2014). Wenn – wie im vorliegenden Fall – mehrere Bedenken vorgetragen werden und verschiedene Gesetzesstellen bzw. Verordnungen bekämpft werden, ist es auch Sache des Antragstellers, die jeweiligen Bedenken den verschiedenen Aufhebungsbegehren zuzuordnen (vgl. VfGH 5.3.2014, G79/2013 ua.). Wie der Verfassungsgerichtshof im Beschluss G330/2016 vom 13.10.2016 betreffend den Antragsteller bereits ausgeführt hat, muss dem Antrag mit hinreichender Deutlichkeit entnehmbar sein, zu welcher Rechtsvorschrift die zur Aufhebung beantragte Norm in Widerspruch stehen soll und welche Gründe für diese These sprechen (VfSlg 14.802/1997, 17.752/2006, 19.938/2014). Im Beschluss G330/2016 vom 13.10.2016 hat der Verfassungsgerichtshof weiters auch ausgeführt, dass ein komplexer Antrag wie der in jenem Fall vorliegende eine genaue Zuordnung enthalten müsse, in welcher Eigenschaft, also als Patient oder als Arzt, die jeweilige Bestimmung angefochten wird, und den Antrag zurückgewiesen, da es der Antragsteller unterlassen hatte, die notwendige Zuordnung der Bedenken unter Darlegung seiner Eigenschaft als antragstellender Arzt oder Patient vorzunehmen.

5. Auch der vorliegende Antrag enthält eine wiederholte Auflistung von angefochtenen Bestimmungen unter Einfügung von – wenn auch über mehrere Seiten – pauschal vorgetragenen Bedenken ob ihrer Verfassungsmäßigkeit. Dies entspricht nicht dem Erfordernis des §62 Abs1 VfGG, die jeweiligen Bedenken den verschiedenen Aufhebungsbegehren zuzuordnen.

6. Der Antrag erweist sich sohin insgesamt als unzulässig.

IV. Ergebnis

1. Der Antrag ist daher zurückzuweisen.

2. Dies konnte gemäß §19 Abs4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte