VfGH G283/2016 ua

VfGHG283/2016 ua13.12.2016

Keine Verfassungswidrigkeit der Bestimmungen über eine Sicherheitsleistung bzw den über einen Auftraggeber behördlich verhängten Zahlungsstopp des noch zu leistenden Werklohns wegen des begründeten Verdachts einer Verwaltungsübertretung durch den (ausländischen) Auftragnehmer (zB Unterentlohnung) und der Annahme der Unmöglichkeit der Strafverfolgung oder Strafvollstreckung; keine Verpflichtung des Auftraggebers zur Leistung der Sicherheit vor Fälligkeit des Werklohns; nur tatsächlich geschuldeter Werklohn von der Zahlungsverpflichtung betroffen; keine unmittelbare Haftung für die Verwaltungsstrafe des Auftragnehmers

Normen

B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
B-VG Art18
Arbeitsvertragsrechts-AnpassungsG §7l, §7m
StGG Art5

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VFGH:2016:G283.2016

 

Spruch:

Die Anträge werden abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe

I. Anträge

Mit den vorliegenden, auf Art140 Abs1 Z1 lita B‑VG gestützten Anträgen begehren das Landesverwaltungsgericht Steiermark und das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich, §7l letzter Satz sowie §7m Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz – AVRAG, idF BGBl I 113/2015, als verfassungswidrig aufzuheben.

II. Rechtslage

Die im vorliegenden Fall maßgebliche Rechtslage stellt sich wie folgt dar:

1. Beschäftigt ein Arbeitgeber ohne Sitz in Österreich, der nicht Mitglied einer kollektivvertragsfähigen Körperschaft in Österreich ist, einen Arbeitnehmer mit gewöhnlichem Arbeitsort in Österreich, so hat dieser Arbeitnehmer zwingend Anspruch zumindest auf jenes gesetzliche, durch Verordnung festgelegte oder kollektivvertragliche Entgelt, das am Arbeitsort vergleichbaren Arbeitnehmern von vergleichbaren Arbeitgebern gebührt (§7 des Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetzes [im Folgenden: AVRAG], BGBl 459/1993 idF BGBl I 113/2015).

2. §7b Abs8 und 7i AVRAG enthalten in diesem Zusammenhang verschiedene Strafbestimmungen. Die §§7l und 7m AVRAG knüpfen an den Fall an, dass der begründete Verdacht einer Verwaltungsübertretung nach den §§7b Abs8, 7i oder 7k Abs4 leg.cit. vorliegt und dass auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, dass die Strafverfolgung oder der Strafvollzug aus Gründen, die in der Person des Arbeitgebers (Auftragnehmer) oder in der Person des Überlassers liegen, unmöglich oder wesentlich erschwert sein wird.

3. Für diesen Fall sieht §7l AVRAG vor, dass die Organe der zuständigen Abgabenbehörden vom Arbeitgeber eine vorläufige Sicherheit bis zum Höchstmaß der angedrohten Geldstrafe festsetzen und einheben können. Die Organe der Abgabenbehörden können aber auch gemäß §7m Abs1 AVRAG dem Auftraggeber bzw. bei einer Überlassung dem Beschäftiger schriftlich auftragen, den noch zu leistenden Werklohn oder das noch zu leistende Überlassungsentgelt oder Teile davon nicht zu zahlen (Zahlungsstopp). Der vom Zahlungsstopp erfasste Betrag darf nicht höher sein als das Höchstmaß der angedrohten Geldstrafe. Leistet der Auftraggeber oder der Beschäftiger entgegen dem Zahlungsstopp den Werklohn oder das Überlassungsentgelt, gilt im Verfahren nach §7m Abs3 leg.cit. der Werklohn oder das Überlassungsentgelt als nicht geleistet. Die Organe der Abgabenbehörden sowie die Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse dürfen einen Zahlungsstopp nur dann auftragen, wenn eine vorläufige Sicherheit nach §7l leg.cit. nicht festgesetzt oder nicht eingehoben werden konnte.

4. In der Folge kann die Bezirksverwaltungsbehörde gemäß §7m Abs3 AVRAG dem Auftraggeber bzw. bei einer Überlassung dem Beschäftiger durch Bescheid auftragen, den noch zu leistenden Werklohn oder das noch zu leistende Überlassungsentgelt oder einen Teil davon als Sicherheit binnen einer angemessenen Frist zu erlegen.

5. Gegen die Bestimmungen über die Verhängung eines Zahlungsstopps in §7m AVRAG sowie gegen die damit in Zusammenhang stehende Bestimmung des §7l letzter Satz AVRAG richten sich die vorliegenden Anträge der Landesverwaltungsgerichte.

6. Die §§7l und 7m AVRAG, BGBl 459/1993 idF BGBl I 113/2015, lauten wie folgt (die jeweils angefochtenen Bestimmungen sind hervorgehoben):

"Vorläufige Sicherheit

 

§7l. Liegt der begründete Verdacht einer Verwaltungsübertretung nach den §§7b Abs8, 7i oder 7k Abs4 vor und ist auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen, dass die Strafverfolgung oder der Strafvollzug aus Gründen, die in der Person des Arbeitgebers oder der Arbeitgeberin (Auftragnehmer/in) oder in der Person des Überlassers oder der Überlasserin liegen, unmöglich oder wesentlich erschwert sein wird, sind die Organe der Abgabenbehörden ermächtigt, eine vorläufige Sicherheit bis zum Höchstmaß der angedrohten Geldstrafe festzusetzen und einzuheben. Soweit der Tätigkeitsbereich der Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse betroffen ist, ist diese über die Einhebung einer vorläufigen Sicherheit zu verständigen. Der/Die im §7b Abs1 Z4 genannte Beauftragte gilt als Vertreter/in des/der Arbeitgeber/in, falls dieser/diese oder ein von ihm/ihr bestellter Vertreter bei der Amtshandlung nicht anwesend ist. Auf nach dem ersten Satz eingehobene vorläufige Sicherheiten sind die §§37a Abs3 bis 5 und 50 Abs6 erster Satz und Abs8 VStG sinngemäß anzuwenden. Mit der Überweisung nach §7m Abs3 oder der Erlegung einer Sicherheit nach §7m Abs8 ist eine Beschlagnahme aufzuheben.

 

Sicherheitsleistung – Zahlungsstopp

 

§7m. (1) Liegt der begründete Verdacht einer Verwaltungsübertretung nach den §§7b Abs8, 7i oder 7k Abs4 vor und ist auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen, dass die Strafverfolgung oder der Strafvollzug aus Gründen, die in der Person des Arbeitgebers oder der Arbeitgeberin (Auftragnehmer/in) oder in der Person des Überlassers oder der Überlasserin liegen, unmöglich oder wesentlich erschwert sein wird, können die Organe der Abgabenbehörden in Verbindung mit den Erhebungen nach §7f sowie die Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse dem/der Auftraggeber/in, bei einer Überlassung dem/der Beschäftiger/in schriftlich auftragen, den noch zu leistenden Werklohn oder das noch zu leistende Überlassungsentgelt oder Teile davon nicht zu zahlen (Zahlungsstopp). §50 Abs6 erster Satz VStG findet sinngemäß Anwendung. Der Zahlungsstopp ist in jenem Ausmaß nicht wirksam, in dem der von ihm genannte Betrag höher ist als der noch zu leistende Werklohn oder das noch zu leistende Überlassungsentgelt. Der Zahlungsstopp darf nicht höher sein als das Höchstmaß der angedrohten Geldstrafe. Leistet der/die Auftraggeber/in oder der/die Beschäftiger/in entgegen dem Zahlungsstopp den Werklohn oder das Überlassungsentgelt, gilt im Verfahren nach Abs3 der Werklohn oder das Überlassungsentgelt als nicht geleistet. Die Organe der Abgabenbehörden sowie die Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse dürfen einen Zahlungsstopp nur dann auftragen, wenn eine vorläufige Sicherheit nach §7l nicht festgesetzt oder nicht eingehoben werden konnte. Leistet der/die Auftragnehmer/in oder der/die Überlasser/in die vorläufige Sicherheit nachträglich oder eine Sicherheit, ohne dass eine solche festgesetzt wurde, aus eigenem, ist der Zahlungsstopp von der Bezirksverwaltungsbehörde durch Bescheid aufzuheben; ein allfälliges Verfahren nach Abs3 ist einzustellen.

 

(2) Die Abgabenbehörden und die Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse haben nach Verhängung eines Zahlungstopps nach Abs1 binnen drei Arbeitstagen bei der Bezirksverwaltungsbehörde die Erlegung einer Sicherheit nach Abs3 zu beantragen, widrigenfalls der Zahlungsstopp außer Kraft tritt. Die Bezirksverwaltungsbehörde hat darüber innerhalb von zehn Arbeitstagen ab Einlangen des Antrages zu entscheiden, widrigenfalls der Zahlungsstopp außer Kraft tritt. In diesen Verfahren haben die im ersten Satz genannten Einrichtungen Parteistellung, soweit diese den Antrag auf Erlegung einer Sicherheit gestellt haben. Diese können gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde Beschwerde beim Verwaltungsgericht und gegen das Erkenntnis oder den Beschluss eines Verwaltungsgerichts Revision beim Verwaltungsgerichtshof erheben.

 

(3) Liegt der begründete Verdacht einer Verwaltungsübertretung nach den §§7b Abs8, 7i oder 7k Abs4 vor und ist auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen, dass die Strafverfolgung oder der Strafvollzug aus Gründen, die in der Person des Arbeitgebers oder der Arbeitgeberin (Auftragnehmer/in) oder in der Person des Überlassers oder der Überlasserin liegen, unmöglich oder wesentlich erschwert sein werde, kann die Bezirksverwaltungsbehörde dem/der Auftraggeber/in, bei einer Überlassung dem/der Beschäftiger/in durch Bescheid auftragen, den noch zu leistenden Werklohn oder das noch zu leistende Überlassungsentgelt oder einen Teil davon als Sicherheit binnen einer angemessenen Frist zu erlegen. Die §§37 und 37a VStG sind in diesen Fällen, sofern in dieser Bestimmung nichts anderes vorgesehen ist, nicht anzuwenden. Mit Erlassung eines Bescheides fällt der Zahlungsstopp weg.

 

(4) Als Werklohn oder als Überlassungsentgelt gilt das gesamte für die Erfüllung des Auftrages oder der Überlassung zu leistende Entgelt.

 

(5) Die Überweisung nach Abs3 wirkt für den/die Auftraggeber/in oder den/die Beschäftiger/in gegenüber dem/der Auftragnehmer/in oder dem/der Überlasser/in im Ausmaß der Überweisung schuldbefreiend.

 

(6) Die Sicherheitsleistung darf nicht höher sein als das Höchstmaß der angedrohten Geldstrafe. Der/die Auftraggeber/in oder der/die Beschäftiger/in ist verpflichtet, auf Anfrage der Bezirksverwaltungsbehörde die Höhe und Fälligkeit des Werklohnes oder des Überlassungsentgeltes bekannt zu geben. Können aus dem noch zu leistenden Werklohn oder Überlassungsentgelt die Sicherheitsleistung sowie der sich aus §67a ASVG und §82a EStG ergebende Haftungsbetrag nicht bedeckt werden, kann der/die Auftraggeber/in oder der/die Beschäftiger/in von seinem Recht zur Leistung des Werklohns an das Dienstleistungszentrum (§67c ASVG) jedenfalls Gebrauch machen.

 

(7) Beschwerden gegen Bescheide nach Abs3 haben keine aufschiebende Wirkung.

 

(8) Die Bezirksverwaltungsbehörde hat die Sicherheit für frei zu erklären, wenn das Verfahren eingestellt wird oder die gegen den/die Auftragnehmer/in oder den/die Überlasser/in verhängte Strafe vollzogen ist, oder nicht binnen eines Jahres der Verfall ausgesprochen wurde. In Verfahren nach §7i Abs5 findet der erste Satz Anwendung mit der Maßgabe, dass die Sicherheit für frei zu erklären ist, wenn nicht binnen zwei Jahren der Verfall ausgesprochen wurde. Die Sicherheit ist auch dann für frei zu erklären, wenn sie vom/von der Auftragnehmer/in oder dem/der Überlasser/in erlegt wird. Frei gewordene Sicherheiten sind an den/die Auftraggeber/in oder den/die Beschäftiger/in auszuzahlen.

 

(9) Die Bezirksverwaltungsbehörde hat die Sicherheit für verfallen zu erklären, sobald sich die Strafverfolgung des Auftragnehmers oder der Aufragnehmerin oder des Überlassers oder der Überlasserin oder der Vollzug der Strafe als unmöglich erweist. §17 VStG ist sinngemäß anzuwenden.

 

(10) Für die Verwertung verfallener Sicherheiten gilt §37 Abs6 VStG sinngemäß, wobei ein allfälliger Restbetrag an den/die Auftraggeber/in oder den/die Beschäftiger/in auszuzahlen ist."

 

7. §37 des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 (im Folgenden: VStG), BGBl 52/1991 idF BGBl I 33/2013, lautet:

"Sicherheitsleistung

 

§37. (1) Die Behörde kann dem Beschuldigten mit Bescheid auftragen, einen angemessenen Betrag als Sicherheit zu erlegen oder durch Pfandbestellung oder taugliche Bürgen, die sich als Zahler verpflichten, sicherzustellen,

1. wenn begründeter Verdacht besteht, dass sich der Beschuldigte der Strafverfolgung oder der Strafvollstreckung entziehen werde, oder

2. wenn andernfalls

a) die Strafverfolgung oder die Strafvollstreckung voraussichtlich nicht möglich wäre oder

b) die Strafverfolgung oder die Strafvollstreckung voraussichtlich einen Aufwand verursachen würde, der gemessen an der Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und der Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat unverhältnismäßig wäre.

 

(2) Die Sicherheit darf das Höchstmaß der angedrohten Geldstrafe nicht übersteigen. Für den Fall, daß die aufgetragene Sicherheitsleistung nicht unverzüglich erfolgt, kann die Behörde als Sicherheit verwertbare Sachen beschlagnahmen, die dem Anschein nach dem Beschuldigten gehören; ihr Wert soll die Höhe des zulässigen Betrages der Sicherheit nicht übersteigen.

 

(3) Die Beschwerde beim Verwaltungsgericht gegen einen Bescheid gemäß Abs1 oder 2 hat keine aufschiebende Wirkung.

 

(4) Die Sicherheit wird frei, wenn das Verfahren eingestellt wird oder die gegen den Beschuldigten verhängte Strafe vollzogen ist, oder nicht binnen zwölf Monaten der Verfall ausgesprochen wurde. Die als Sicherheit beschlagnahmte Sache wird auch frei, wenn vom Beschuldigten die aufgetragene Sicherheit in Geld erlegt oder sonst sichergestellt wird oder ein Dritter Rechte an der Sache glaubhaft macht.

 

(5) Die Sicherheit ist für verfallen zu erklären, sobald feststeht, dass die Strafverfolgung oder die Strafvollstreckung nicht möglich ist. §17 ist sinngemäß anzuwenden.

 

(6) Für die Verwertung verfallener Sachen gilt §18, wobei aus der verfallenen Sicherheit zunächst die allenfalls verhängte Geldstrafe und sodann die Kosten des Strafverfahrens sowie die Verwahrungs- und Verwertungskosten zu decken sind. Nach Abzug dieser Posten verbleibende Restbeträge sind dem Beschuldigten auszufolgen. Im Übrigen gelten für die Widmung der verfallenen Sicherheit dieselben Vorschriften wie für Geldstrafen."

 

III. Antragsvorbringen und Vorverfahren

1. Den Anträgen der bei den Landesverwaltungsgerichten anhängigen Verfahren liegen folgende Sachverhalte zugrunde:

Mitarbeiter der Finanzpolizei überprüften an näher bezeichneten Tagen in den Monaten Jänner, Februar, März, April, Mai, Juni, Juli, August und September des Jahres 2016 Arbeitnehmer von ausländischen (dh. nicht in Österreich ansässigen) Unternehmen, die mit Bauarbeiten an näher bezeichneten Örtlichkeiten im Bundesgebiet (dh. in Graz [G 283/2016], Steyr und Schwertberg [G 371/2016], Ardning, Graz und Lobming [G 376/2016], Leoben [G 400/2016], Graz [G 401/2016], Unterpremstätten, Riegersburg und Graz [G 406/2016], Graz, Feldbach und St. Margarethen an der Raab [G 411/2016], Ilz [G 417/2016], Graz, Kapfenberg, Bad Gleichenberg und Fürstenfeld [G 421/2016] sowie in Graz, Trieben und Ragnitz [G 432/2016]) beschäftigt waren. In allen Fällen wurden Anzeigen wegen des Verdachts von Verstößen gegen Bestimmungen des AVRAG erstattet, parallel dazu wurde nach der Verfügung eines Zahlungsstopps durch die Finanzpolizei gegenüber den inländischen Auftraggebern der ausländischen Unternehmen, also namentlich bezeichneten Bauunternehmen mit Sitz im Inland, der Erlag einer Sicherheit in jeweils näher bestimmter Höhe gemäß §7l AVRAG beantragt und in der Folge bescheidmäßig durch die zuständige Bezirksverwaltungsbehörde (dh. den Bürgermeister der Stadt Graz [G 283/2016], den Magistrat der Stadt Steyr und die BH Perg [G 371/2016], die BH Liezen, den Bürgermeister der Stadt Graz und die BH Voitsberg [G 376/2016], die BH Leoben [G 400/2016], den Bürgermeister der Stadt Graz [G 401/2016], die BH Graz-Umgebung, die BH Südoststeiermark und den Bürgermeister der Stadt Graz [G 406/2016], der Bürgermeister der Stadt Graz, die BH Südoststeiermark, die BH Leibnitz und die BH Weiz [G 411/2016], die BH Hartberg-Fürstenfeld [G 417/2016], den Bürgermeister der Stadt Graz, die BH Bruck-Mürzzuschlag, die BH Südoststeiermark und die BH Hartberg-Fürstenfeld [G 421/2016] sowie den Bürgermeister der Stadt Graz, die BH Liezen und die BH Leibnitz [G 432/2016]) aufgetragen. Eine vorläufige Sicherheit gemäß §7l AVRAG wurde nicht eingehoben. Gegen diese Bescheide erhoben die inländischen Auftraggeber der ausländischen Unternehmen Beschwerde.

2. Die beiden Landesverwaltungsgerichte legen die Bedenken, die sie zur Antragstellung beim Verfassungsgerichtshof bestimmt haben, in in wesentlichen Teilen ident formulierten Schriftsätzen wie folgt dar (nunmehr wörtlich aus dem Antrag im zu G283/2016 protokollierten Verfahren):

"III. Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit:

 

Das Landesverwaltungsgericht […] hegt gegen die gesetzlichen Regelungen des AVRAG, dessen Aufhebung es beantragt, Bedenken im Hinblick auf den Gleichheitsgrundsatz gemäß Art7 B‑VG, das Recht auf Eigentum gemäß Art5 StGG, Art1 1. ZPMRK und Art17 GRC sowie wegen Verstoßes gegen das Determinierungsgebot des Art18 Abs2 B‑VG und wegen eines Verstoßes gegen den Grundsatz der Unzulässigkeit von Strafen für fremdes Verhalten, welche wie folgt näher ausgeführt werden:

 

[...]

 

Bereits das AVRAG idF des LSDB-G, BGBI. 24/2011, sah in §7k die Auferlegung einer Sicherheitsleistung – damals noch ohne vorausgehenden Zahlungsstopp und eingeschränkt auf Verwaltungsstrafverfahren wegen des Verdachtes der Unterentlohnung – vor. Aus den Erläuternden Bemerkungen zum LSDB-G (1096 der Beilagen, XXIV. GP) folgt, dass diese Maßnahme 'in Anlehnung an §37 Abs1 zweiter Satz VStG' die Durchführung des Verwaltungsstrafverfahrens und den Vollzug einer Geldstrafe sicherstellen soll. Hintergrund dieser Regelung ist offensichtlich der Umstand, dass gut 90 % aller Verwaltungsstrafverfahren wegen des Verdachtes diverser Übertretungen des AVRAG einen Auslandsbezug aufweisen, da der im Falle einer grenzüberschreitenden Entsendung belangte ausländische Beschäftiger bzw. der im Fall einer grenzüberschreitenden Arbeitskräfteüberlassung belangte ausländische Überlasser seinen Wohnsitz und Firmensitz regelmäßig außerhalb des österreichischen Hoheitsgebietes hat und sich daraus vielfältige Probleme bei der Durchführung des Verwaltungsstrafverfahrens und insbesondere im Bereich der Strafvollstreckung (Zustellprobleme, Verständigungsprobleme, Schwierigkeiten beim Strafvollzug) ergeben. Mit dem ASRÄG 2014, BGBI. 94/2014, wurde der Anwendungsbereich auf Verwaltungsübertretungen nach den §§7b Abs8 und 7k Abs4 AVRAG ausgedehnt und das Institut des Zahlungsstopps eingeführt.

 

Die Bestimmung des §7m AVRAG unterscheidet sich in einem entscheidenden Punkt von der als Vorbild dienenden Regelung des §37 VStG: Normadressat von Zahlungsstopp und nachfolgender Sicherheitsleistung ist nämlich nicht der Beschuldigte der jeweils gegenständlichen Übertretungen des AVRAG, sondern ein unbeteiligter Dritter, nämlich der inländische Auftraggeber des jeweils belangten ausländischen Entsenders/Überlassers. Mit Erkenntnis vom 19.06.1998, G408/97 u.a., hat der Verfassungsgerichtshof die damalige Fassung des §28 Abs6 AuslBG mit der Begründung aufgehoben, dass die dort normierte Strafbarkeit des Auftraggebers (Generalunternehmers) wegen verbotener Ausländerbeschäftigung durch den Auftragnehmer (Beschäftiger) infolge Verstoßes gegen den Grundsatz der Unzulässigkeit von Strafen für fremdes Verhalten verfassungswidrig sei. Mit weiterem Erkenntnis vom 07.10.2002, G364/01 u.a., wurde auch die auf Grund dieser Aufhebung geschaffene Ersatzregelung des §28 Abs6 Z1 und 2 AuslBG idF BGBI. Nr 78/1997 neuerlich als verfassungswidrig aufgehoben. Dies mit der Begründung, dass die Ersatzregelung keine hinreichend konkrete Ausgestaltung der Verhaltenspflichten des Generalunternehmers enthalte und somit gegen das Sachlichkeitsgebot verstoße. Die zugrundeliegenden Fallkonstellationen, nämlich, dass der jeweilige Vertragspartner des unmittelbaren Täters – dort des AuslBG, hier des AVRAG – belangt wird, sind durchaus vergleichbar. Auch wenn die Sicherheitsleistung gemäß §7m AVRAG keine Verhängung einer Geldstrafe darstellt, sondern bloß der Sicherung des Verwaltungsstrafverfahrens dient, handelt es sich hier wie dort im Ergebnis um eine Haftung für fremdes Verschulden, weshalb die obigen Judikate des Verfassungsgerichtshofes zu §28 Abs6 AuslBG sinngemäß anwendbar erscheinen.

 

§7m Abs5 AVRAG sieht zwar vor, dass die Überweisung der Sicherheit gemäß Abs3 leg. cit. für den Auftraggeber oder den Beschäftiger gegenüber dem Auftragnehmer/Überlasser im Ausmaß der Überweisung schuldbefreiend wirkt. Dadurch soll sichergestellt werden, dass der Auftraggeber den ausstehenden Werklohn bzw. Teile desselben nicht zweimal leisten muss. Es erscheint aller-dings fraglich, ob der Auftraggeber/Beschäftiger durch diese Regelung tatsäch-lich ausreichend vor nachteiligen Folgen dieses doch weitgehenden behördlichen Eingriffs in die Abwicklung eines zivilrechtliehen Vertrages geschützt ist. Denkbar wäre etwa, dass der ausländische Beschäftiger/Überlasser, wenn der Auftragge-ber auf Grund der zwischenzeitig im behördlichen Auftrag erlegten Sicherheits-leistung die Zahlung des Werklohns bzw. der noch ausstehenden Teile desselben verweigert, dessen ungeachtet den fälligen Werklohn einklagt. ln diesem Fall müsste sich sein Vertragspartner auf ein aufwendiges und teures Zivilverfahren – mangels Gerichtsstandvereinbarung im zugrundeliegenden Vertrag gegebenen-falls sogar im Ausland gemäß §35 Abs2 IPR-Gesetz – einlassen, um dem Beschäftiger/Überlasser dort die Einrede des §7m Abs5 AVRAG entgegenhalten zu können. Möglich erscheint auch, dass der ausländische Überlasser/Entsender, wenn ihm auf Grund der Sicherheitsleistung die Bezahlung des Werklohns bzw. der noch aushaftenden Teile desselben verweigert wird, aus Protest darüber keine weiteren Leistungen mehr erbringt und seinem Vertragspartner daraus finanzielle Nachteile in Gestalt von Pönalforderungen seines eigenen Auftraggebers (Generalunternehmers), Kosten der Beauftragung von Ersatzfirmen oder dergleichen entstehen. Nicht vergessen werden darf auch, dass der Werklohn gemäß §1170 ABGB – wenn nichts Abweichendes vereinbart wurde – erst nach Vollendung des Werkes zu entrichten ist bzw. in der Praxis vereinbarungsgemäß Teilzahlungen oft erst nach Erbringung von Teilleistungen und damit nach erfolgter Vorausleistung durch den Werkvertragsnehmer fällig werden. Zumal die Bestimmung des §7m AVRAG bei der Beauftragung der Erlegung einer Sicherheit nur auf den 'noch zu leistenden Werklohn' und damit nicht auf die Fälligkeit des Werklohnes abstellt, werden häufig noch nicht fällige Teile des Werklohnes als Sicherheit zu erlegen sein. Wenn – was in der Praxis häufig vorkommt – Mängel auftreten steht dem Auftraggeber ein gesetzliches Zurückbehaltungsrecht zu (§471 ABGB) und er kann – um Druck auf den Werkvertragsnehmer auszuüben – die Werklohnzahlung bis zur ordnungsgemäßen Fertigstellung des Werkes verweigern und, falls der Werkvertragsnehmer dennoch keine Verbesserung leistet, ein anderes Unternehmen mit der Ersatzvornahme beauftragen und den zurückbehaltenen Werklohn für die Bezahlung dieses Unternehmens verwenden. Durch die Beauftragung der Erlegung einer Sicherheit wird dem unbeteiligten Auftraggeber diese Möglichkeit genommen und das Zurückbehaltungsrecht geht ins Leere. Der unbeteiligte Auftraggeber, dem eine Sicherheitsleistung aufgetragen wurde, läuft daher bei Nichtfertigstellung oder nicht ordnungsgemäßer Fertigstellung durch den Werkvertragsnehmer Gefahr, zusätzlich zum vereinbarten Werklohn die Kosten für die Fertigstellung des Werkes bzw. Mängelbehebungen tragen zu müssen.

 

Zusammenfassend folgt daraus, dass es sich bei der Sicherheitsleistung gemäß §7m AVRAG um einen weitreichenden behördlichen Eingriff in die Abwicklung eines zivilrechtlichen Vertrages zum Nachteil eines unbeteiligten Dritten handelt, welcher für diesen nicht unbeträchtliche wirtschaftliche Konsequenzen nach sich ziehen kann. Im Hinblick auf diese Folgen wäre zu erwarten, dass auch im Anwendungsbereich des AVRAG, ebenso wie im Bereich des VStG, wo die als Vorbild dienenden Regelungen des §37 und 37a VStG die Einhebung einer vorläufigen Sicherheit bzw. Sicherheitsleistung ausschließlich gegenüber dem Verdächtigen/Beschuldigten der jeweils gegenständlichen Verwaltungsübertretungen vorsehen, zur Sicherung des Strafverfahrens und des Strafvollzugs primär auf im Eigentum des Beschuldigten stehende Geldbeträge und/oder Wertgegen-stände zugegriffen wird. Aus dem Zusammenhalt der Regelungen des §7l und §7m AVRAG folgt jedoch das umgekehrte Prinzip. Gemäß §7l letzter Satz ist nämlich eine Beschlagnahme gemäß §7l AVRAG unter anderem mit der Über-weisung einer Sicherheitsleistung gemäß §7m Abs3 AVRAG aufzuheben. Daraus folgt im Ergebnis, dass primär auf den unbeteiligten Dritten zugegriffen wird und nicht auf den Beschuldigten selbst. Dieses Regelungskonzept hat in der Praxis dazu geführt, dass die vorläufige Sicherheit gemäß §7l AVRAG quasi zum toten Recht wurde und die für die Vollziehung dieser Bestimmung zuständigen Abgabenbehörden ausschließlich Zahlungsstopp und Sicherheitsleistung gemäß §7m AVRAG beantragen, da die vom Gesetzgeber gemäß §7l letzter Satz AVRAG offensichtlich nur als 'Zwischenmaßnahme' vorgesehene Einhebung einer vorläufigen Sicherheit, welche mit der Überweisung der Sicherheitsleistung gemäß §7m Abs3 AVRAG ohnedies wieder frei zu geben ist, als unnötiger Aufwand für die Abgabenbehörden und die in weiterer Folge mit der Vollziehung befassten Bezirksverwaltungsbehörden angesehen wird.

 

[…]

 

Dieses Regelungskonzept führt somit im Ergebnis dazu, dass die – mit Ausnahme des letzten Satzes – nach Auffassung des antragstellenden LVwG verfassungsrechtlich unbedenkliche Regelung des §7l AVRAG in der Praxis so gut wie nie zur Anwendung gelangt und nahezu ausschließlich ein unbeteiligter Dritter im Wege von Zahlungsstopp und Sicherheitsleistung gemäß §7m AVRAG belangt wird, ohne dass eine ausreichende sachliche Rechtfertigung gemäß Art7 B‑VG für diesen weitreichenden Eingriff in einen zivilrechtlichen Vertrag erkennbar wäre.

 

Angesichts der Eingriffsintensität wäre zu fordern, dass dem Gesetz zumindest die Voraussetzungen, unter denen die Verhängung eines Zahlungsstopps und in weiterer Folge die Einhebung einer Sicherheitsleistung zulässig sind, konkret zu entnehmen sind. Diesen Anforderungen werden die Regelungen des§7m Abs1 und 3 AVRAG jedoch nicht gerecht. Neben dem Vorliegen des begründeten Verdachts einer Verwaltungsübertretung wird als zusätzliche Voraussetzung lediglich verlangt, dass auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, dass die Strafverfolgung oder der Strafvollzug aus Gründen die in der Person des Auftraggebers oder der Arbeitgeberin (Arbeitnehmerin) oder in der Person des Überlassers oder der Überlasserin liegen, unmöglich oder wesentlich erschwert sein werden. Was der Gesetzgeber jedoch unter bestimmter Tatsache im gegebenen Zusammenhang verstanden wissen will, ist weder dem Gesetzestext noch den Erläuternden Bemerkungen zu entnehmen. Der Verweis in den Erläuternden Bemerkungen auf die als Vorbild dienende Bestimmung des §37 VStG trägt zur Klärung nichts bei, da §37 VStG nicht auf das Vorliegen bestimmter Tatsachen abstellt. Da der Gesetzgeber im gegebenen Zusammenhang ergänzend zur Vorbildregelung des §37 VStG auf das Vorliegen bestimmter Tatsachen abstellt, liegt die Vermutung nahe, dass hier an individuelle, sich aus dem konkreten Sachverhalt ergebende zusätzliche Voraussetzungen gedacht war, welche über den ohnedies regelmäßig vorliegenden Auslandsbezug hinausgehen. Eine solche Auslegung erscheint auch im Hinblick auf den Schutz des Normadressaten des §7m AVRAG, welcher ja zum Unterschied von §37 VStG nicht mit dem Beschuldigten identisch ist, durchaus schlüssig. Welche zusätzlichen Voraussetzungen dies sein sollen, erschließt sich allerdings dem Normanwender nicht und verstößt die gegenständliche Regelung somit auch gegen das aus Art18 Abs2 B‑VG erfließende Determinierungsgebot. Mangels jeglicher, sich zumindest aus den Erläuternden Bemerkungen ergebender Anhaltspunkte erscheint auch eine verfassungskonforme Interpretation des Begriffs 'bestimmte Tatsache' nicht möglich. ln diesem Zusammenhang sei darauf hingewiesen, dass vergleichbare gesetzliche Regelungen, welche ebenfalls auf das Vorliegen bestimmter Tatsachen abstellen, in aller Regel eine entsprechende Konkretisierung in Gestalt taxativ oder zumindest demonstrativ aufgezählter Beispielsfälle enthalten, so etwa §7 Abs3 FSG oder §53 Abs2 FPG.

 

Die bisherigen Erfahrungen, insbesondere die Häufigkeit der Anwendung der angefochtenen Bestimmung legen die Befürchtung nahe, dass dadurch grenz-überschreitende Kooperationen österreichischer Unternehmen mit Unternehmen aus anderen EU Staaten so erschwert werden, dass inländische Unternehmer angesichts der beschriebenen Haftungsrisiken vom Abschluss derartiger Verträge überhaupt Abstand nehmen. Diese Konsequenz erscheint im Hinblick auf das in Art56 AEUV verankerte Prinzip des uneingeschränkten grenzüberschreitenden Dienstleistungsverkehrs bedenklich. Die angefochtene Bestimmung, welche ausschließlich der Sicherung des Verwaltungsstrafverfahrens, insbesondere der Einbringlichkeit der in Verwaltungsstrafverfahren wegen Übertretungen des AVRAG gegenüber dem ausländischen Täter /Unternehmen verhängten Verwaltungsstrafen dient, gehört zweifellos nicht zu jenen Maßnahmen, zu deren Umsetzung Österreich gemäß Art3 der Entsenderichtlinie RL 96/71/EG in Verbindung mit den Erwägungsgründen der Richtlinie verpflichtet ist. Im Gegenteil: Zumindest in jenen Fällen, in denen sich die Durchführung des Strafverfahrens oder der Strafvollzug endgültig als unmöglich erweist und daher die Sicherheit gemäß §7m Abs9 AVRAG für verfallen erklärt wird, bleibt der wahre Täter gänzlich unbehelligt und entstehen ausschließlich dessen inländischem Vertragspartner als unbeteiligtem Dritten die beschriebenen Nachteile. Diese überschießende, die Dienstleistungsfreiheit beeinträchtigende Umsetzung der Entsenderichtlinie führt letztlich zu einer sachlich nicht gerechtfertigten lnländerdiskriminierung.

 

Weiters wird auf die Unverletzlichkeit des Eigentums gemäß Art5 StGG, 1. ZPEMRK und Art17 GRC hingewiesen. Durch den Eingriff in das Eigentum eines unbeteiligten Dritten wird nicht nur in Art5 StGG und Art1 des 1. ZPEMRK eingegriffen. Die GRC verbürgt in ihrem Art17 in unmittelbarem Zusammenhang mit der Garantie der 'unternehmerischen Freiheit' jeder Person das Recht, ihr rechtmäßig erworbenes Eigentum zu besitzen, zu nutzen, darüber zu verfügen und es zu vererben. Niemandem darf sein Eigentum entzogen werden, es sei denn aus Gründen des öffentlichen Interesses in den Fällen und unter den Bedingungen, die in einem Gesetz vorgesehen sind. Für den Verlust des Eigentums steht eine angemessene Entschädigung zu. Soweit es für das Wohl der Allgemeinheit erforderlich ist, kann die Nutzung des Eigentums zwar gesetzlich geregelt werden. Im gegenständlichen Anlassfall wird die Nutzung des Eigentums aber jedenfalls zumindest für einen gewissen Zeitraum einem unbeteiligten Dritten unmöglich gemacht, obwohl dies für das Wohl der Allgemeinheit nicht zwingend erforderlich ist bzw. gelindere Mittel, insbesondere die konsequente Einhebung einer vorläufigen Sicherheit gemäß §7l AVRAG durch Beschlagnahme am Kontrollort vorhandener verwertbarer Sachen (Firmenfahrzeuge, Material, Maschinen,.) zu Gebote stünden. Gerade bei höheren Beträgen stellt der Erlag einer Sicherheitsleistung einen die individuelle Gestaltungsmöglichkeit von Unternehmern stark einschränkenden Eingriff dar. Der Erlag einer Sicherheitsleistung kann schließlich auch zu nicht vorhersehbaren Liquiditätsschwierigkeiten führen und sich wie oben ausgeführt als wirtschaftlich nachteilig erweisen. Der Wesensgehalt des Art5 StGG wäre durch den Erlag einer Sicherheitsleistung nach §7m AVRAG jedenfalls nicht mehr gegeben.

 

[…]"

 

3. Die Bundesregierung hat in dem zu G283/2016 protokollierten Verfahren eine Äußerung erstattet, in der sie den in diesem Antrag erhobenen Bedenken wie folgt entgegentritt:

"1.1. Zum Bedenken betreffend Strafen für fremdes Verhalten:

 

[…]

 

Die Bundesregierung weist zunächst darauf hin, dass die Rechtslage, die den beiden vom antragstellenden Verwaltungsgericht bezogenen Erkenntnissen des Verfassungsgerichtshofes zu Grunde lag, sich von der hier maßgeblichen wesentlich unterscheidet: Dort war nämlich vorgesehen, dass – vereinfacht gesagt – 'neben' einem Arbeitgeber, der einen Ausländer illegal beschäftigte, auch der Generalunternehmer zu bestrafen war, der dem Arbeitgeber einen Auftrag erteilt hatte (nach der Rechtslage, die dem jüngeren Erkenntnis zu Grunde lag, bestand zusätzlich die Strafbarkeitsvoraussetzung, dass der Generalunternehmer die Einhaltung des AuslBG mit dem Arbeitgeber nicht vereinbart hatte, zumutbare Kontrollen unterließ oder die Verletzung des AuslBG geduldet hatte). Im älteren Erkenntnis erachtete es der Verfassungsgerichtshof als unzulässig, den Generalunternehmer für ein Verhalten zu bestrafen, das von ihm einerseits nicht zu verschulden war; andererseits sah das Gesetz keine entsprechenden Verpflichtungen des Generalunternehmers vor. Im jüngeren Fall waren zwar entsprechende Verpflichtungen des Generalunternehmers vorgesehen, deren Einhaltung der Verfassungsgerichtshof jedoch als nicht zumutbar erachtete, weil sie unverhältnismäßig waren. Der Verfassungsgerichtshof erachtete es allerdings nicht schlechthin als verfassungsrechtlich unzulässig, dem Generalunternehmer sanktionsbewehrte Verpflichtungen aufzuerlegen, die sich auf das Verhalten seines Vertragspartners beziehen.

 

Aus diesen vom antragstellenden Verwaltungsgericht zitierten Erkenntnissen des Verfassungsgerichtshofes können für das gegenständliche Verfahren jedoch keine Schlüsse gezogen werden, da die angefochtenen Bestimmungen keine Strafbarkeit des Auftraggebers für das Verhalten des Arbeitgebers/Überlassers vorsehen. Hier scheint viel eher eine Ähnlichkeit mit jenen Fällen gegeben zu sein, in denen der Verfassungsgerichtshof die Verfassungsmäßigkeit der Haftung für das Verhalten Dritter zu beurteilen hatte; zwischen der Auferlegung einer Strafe und der Haftung für eine fremde Strafe ist jedoch zu unterscheiden (siehe Mayr, Haftung für Abgabenverbindlichkeiten Dritter, ÖZW 2001, 102 [113]).

 

Die Haftung für eine fremde Strafe ist – anders als die Auferlegung einer Strafe für fremdes Verhalten – an jenen verfassungsrechtlichen Vorgaben zu messen, die für die Haftung für Dritte allgemein gelten. Nach der Judikatur des Verfas-sungsgerichtshofes ist eine solche Haftung dann zulässig, wenn zwischen dem Verhalten des Dritten und dem Haftungspflichtigen ein bestimmtes rechtliches Naheverhältnis besteht und die Höhe der Haftung nicht – unter Berücksichtigung dieses Naheverhältnisses – unverhältnismäßig ist (siehe auch Mayer, Die Haftung für Rechtspflichten anderer bei der Bekämpfung von Sozialbetrug aus verfassungsrechtlicher Sicht, FS Benn-Ibler, 241 [243 ff]).

 

Am Maßstab dieser Judikatur könnten schon das öffentliches Interesse, das an der Vermeidung von Lohn- und Sozialdumping besteht, und das Vertragsverhältnis, das zwischen dem Auftraggeber und dem Arbeitgeber/Überlasser besteht, eine 'Haftung' des Auftraggebers für Verpflichtungen des Arbeitgebers/Überlassers rechtfertigen (siehe etwa VfSlg 11.921/1988 zur grundsätzlichen Zulässigkeit der Haftung des Verpächters für Abgabenschulden des Pächters).

 

Die hier gegenständliche Sicherheitsleistung unterscheidet sich jedoch von den bisher vom Verfassungsgerichtshof zu beurteilenden Haftungsregelungen, da die Sicherheitsleistung des Auftraggebers nicht nur mit dem Höchstmaß der ange-drohten Geldstrafe begrenzt ist, sondern auch nur auf den 'noch zu leistenden Werklohn' oder das 'noch zu leistende Überlassungsentgelt' gerichtet ist, also auf Forderungen des Arbeitgebers/Überlassers gegenüber dem Auftraggeber, die aus einer vertraglichen Einigung zwischen diesen entstehen. Bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise ist im gegenständlichen Fall nicht einmal eine 'Haftung' (aus eigenem Vermögen) für das Verhalten Dritter vorgesehen. Die Bedenken des antragstellenden Verwaltungsgerichts sind daher unbegründet.

 

1.2. Zu den Bedenken betreffend einen Eingriff in die Abwicklung eines Vertra-ges:

 

Zwar habe die Sicherheitsleistung des Auftraggebers gegenüber dem Arbeitge-ber/Überlasser schuldbefreiende Wirkung, das antragstellende Verwaltungsge-richt hegt jedoch das Bedenken, dass der Auftraggeber nicht 'ausreichend vor nachteiligen Folgen dieses doch weitgehenden behördlichen Eingriffs in die Abwicklung eines zivilrechtlichen Vertrages geschützt ist'. Es wäre nämlich denkbar, dass der Arbeitgeber/Überlasser den zur Sicherheitsleistung verpflichteten Auftraggeber auf Zahlung des Werklohns/Überlassungsentgelts –gegebenenfalls sogar im Ausland – klagt, obwohl die Forderung von Gesetzes wegen erloschen ist; des Weiteren könnte der Arbeitgeber/Überlasser 'aus Protest' die Erbringung weiterer Leistungen verweigern, was zu finanziellen Nachteilen für den Auftraggeber führen würde.

 

Nach Ansicht der Bundesregierung ist auch dieses Argument nicht geeignet, die Sachlichkeit der angefochtenen Bestimmungen in Frage zu stellen, da das Gesetz den Arbeitgeber/Überlasser nicht zu dem vom antragstellenden Verwaltungsge-richt aufgezeigten Verhalten verpflichtet, einen entsprechenden Anreiz schafft oder auf sonstige Weise verhält. Eine potentielle, vom Gesetz nicht indizierte und rechtlich aussichtslose Handlung des Arbeitgebers/Überlassers, die für den Auftraggeber nachteilig sein könnte, vermag die Verfassungswidrigkeit der angefochtenen Bestimmungen jedenfalls nicht zu bewirken.

 

Deshalb ist es auch irrelevant, ob ein allfälliges zivilgerichtliches Verfahren betreffend den nicht mehr zu leistenden Werklohn (das nicht mehr zu leistende Überlassungsentgelt) im Ausland durchzuführen ist. Die Bundesregierung be-merkt hierzu allerdings, dass auf Grund der Verordnung (EG) Nr 1215/2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen – grundsätzlich – eine Zuständigkeit innerstaatlicher Gerichte gegeben wäre.

 

Das antragstellende Verwaltungsgericht vermeint weiters, dass die Sicherheits-leistung, 'häufig noch nicht fällige Teile des Werklohnes' betreffe, da sie sich auf den 'noch zu leistenden Werklohn' (bzw. das noch zu leistende Überlassungsent-gelt) und nicht auf den fälligen Werklohn (bzw. das fällige Überlassungsentgelt) beziehe.

 

Gemäß §7m Abs3 AVRAG kann die Behörde den Auftraggeber auffordern, die Sicherheit binnen einer angemessenen Frist zu erlegen. Aus dem Zusammenhalt mit §7m Abs6 AVRAG, wonach die Sicherheitsleistung nicht höher sein darf als das Höchstmaß der angedrohten Geldstrafe und der Auftraggeber dazu verpflichtet ist, der Behörde die Höhe und Fälligkeit des Werklohns/Überlassungsentgelts bekannt zu geben, ergibt sich, dass unter einem 'noch zu leistenden Werklohn' (bzw. Überlassungsentgelt) ein fälliger Werklohn zu verstehen ist. Wenn aber Voraussetzung der Vorschreibung einer Sicherheitsleistung die Fälligkeit der Forderungen des Arbeitgebers/Überlassers ist, können die vom antragstellenden Verwaltungsgericht aufgezeigten vermeintlichen Nachteile für den Auftraggeber nicht entstehen.

 

1.3. Zu den Bedenken betreffend die primäre Sicherheitsleistung durch den Auftraggeber:

 

Das antragstellende Verwaltungsgericht erachtet die angefochtenen Bestimmun-gen auch deshalb als unsachlich, da 'zu erwarten' wäre, dass Sicherungsmaß-nahmen primär gegenüber dem Beschuldigten einer Verwaltungsübertretung – also dem Arbeitgeber/Überlasser – und nicht dessen Vertragspartner – dem Auftraggeber – ergriffen werden.

 

Das antragstellende Verwaltungsgericht verkennt offenbar die Rechtslage: Wie eingangs dargestellt (siehe oben I.4.6.), sehen die §§7l und 7m AVRAG gerade vor, dass der Auftraggeber nur dann zu einer Sicherheitsleistung verpflichtet werden kann, wenn die Einhebung eines Geldbetrages als vorläufige Sicherheit beim Arbeitgeber/Überlasser nicht möglich ist. Im Übrigen richtet sich auch die Sicherheitsleistung bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise gegen den Arbeitgeber/Überlasser, da sie sich ausschließlich auf fällige Forderungen des Arbeitgebers/Überlassers bezieht.

 

Selbst für den hypothetischen Fall, dass die Möglichkeit der Einhebung einer vorläufigen Sicherheit beim Arbeitgeber/Überlasser 'in der Praxis … quasi zum toten Recht wurde', weil die Behörden von dieser Sicherungsmaßnahme keinen Gebrauch machen würden, ist dem zu entgegnen, dass dieses Argument keine Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der angefochtenen Bestimmungen auf-kommen lässt, sondern dass es darauf abzielt, die Rechtmäßigkeit der Vollziehung in Frage zu stellen. Diese ist aber nicht Gegenstand des Verfahrens gemäß Art140 Abs1 B‑VG.

 

1.4. Zu den Bedenken im Hinblick auf das Legalitätsprinzip:

 

Das antragstellende Verwaltungsgericht hegt überdies das Bedenken, §7m AVRAG sei entgegen Art18 Abs2 B‑VG (gemeint wohl: Art18 Abs1 B‑VG) zu unbestimmt, da dem Gesetz die Voraussetzungen der Anordnung eines Zahlungsstopps und der Einhebung einer Sicherheitsleistung nicht konkret zu entnehmen seien. Insbesondere sei unklar, was unter 'bestimmten Tatsachen' zu verstehen sei, auf Grund deren anzunehmen ist, dass die Strafverfolgung oder der Strafvollzug aus Gründen, die in der Person des Arbeitgebers/Überlassers liegen, unmöglich oder wesentlich erschwert sein wird. Auch aus den Erläuterungen gehe nicht hervor, was unter diesen 'bestimmten Tatsachen' zu verstehen sei; zwar würden die Erläuterungen zu §7m auf §37 VStG verweisen, dieser Hinweis trage zur Klärung jedoch nichts bei, da §37 VStG, der die Erhebung einer Sicherheitsleistung beim Beschuldigten vorsieht, 'nicht auf das Vorliegen bestimmter Tatsachen abstellt'.

 

Die Bundesregierung weist zunächst darauf hin, dass in §37 VStG in dem Zeit-punkt, in dem die Sicherheitsleistung gemäß §7m AVRAG eingeführt wurde, das Tatbestandsmerkmal der 'bestimmten Tatsachen' sehr wohl enthalten war. Ungeachtet dessen kommt diesem Tatbestandsmerkmal nur eine untergeordnete Rolle zu: Voraussetzung der Verhängung einer Sicherheitsleistung ist der Grund zur Annahme, dass die Strafverfolgung oder der Strafvollzug aus bestimmten Gründen unmöglich oder wesentlich erschwert sein werde. Dass die Behörde zu dieser Annahme nur auf Grund 'bestimmter Tatsachen' gelangen soll, bedeutet nach dem allgemeinen Sprachgebrauch (vgl. auch Wiederin, Einführung in das Sicherheitspolizeirecht [1998] Rz. 233), dass die konkrete Situation (und nicht bloß gedachte Umstände) für diese Annahme maßgeblich ist.

 

1.5. Zu den unionsrechtlichen Bedenken:

 

1.5.1. Die 'Häufigkeit der Anwendung der angefochtenen Bestimmung' legen nach Ansicht des antragstellenden Verwaltungsgerichts auch 'die Befürchtung nahe', dass grenzüberschreitende Unternehmenstätigkeit erschwert werde, was im Hinblick auf die Dienstleistungsfreiheit gemäß Art56 AEUV bedenklich sei und zu einer Inländerdiskriminierung führen könne.

 

1.5.2. Dazu ist zunächst zu bemerken, dass das Unionsrecht grundsätzlich nicht Maßstab im Gesetzesprüfungsverfahren gemäß Art140 Abs1 B‑VG ist.

 

1.5.3. Nach Ansicht der Bundesregierung ist aber auch eine verfassungsrechtlich relevante Inländerdiskriminierung, die Folge einer allfälligen Unionsrechtswidrigkeit sein könnte, ausgeschlossen, da die angefochtenen Bestimmungen mit dem Unionsrecht in Einklang stehen.

 

Es ist nämlich mit der Dienstleistungsfreiheit vereinbar, unlauteren Wettbewerb – wie ihn eine Unterentlohnung darstellt – zu verhindern. Da die von der Unter-entlohnung betroffenen Arbeitnehmer ihre zivilrechtlichen Ansprüche entweder gar nicht kennen oder diese häufig nicht (gerichtlich) geltend machen, ist eine behördliche Lohnkontrolle einschließlich effektiver Bestimmungen zur Sicherung von Verwaltungsstrafen und Strafvollstreckung für den Fall von Verstößen gegen die Pflicht zur Einhaltung des Lohnniveaus oder für den Fall von Verstößen gegen Bestimmungen der Lohnkontrolle erforderlich und dient damit nachgerade der Sicherstellung der Dienstleistungsfreiheit.

 

Im Übrigen wäre eine Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit aber durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt: Als einen solchen zwingenden Grund des Allgemeininteresses hat der Europäische Gerichtshof den sozialen Schutz der Arbeitnehmer angesehen (vgl. etwa RS C–369/96, Arblade, Randnr. 80), worunter auch Maßnahmen zu verstehen sind, die den Schutz der Arbeitnehmer des Empfangsstaates gegen etwaiges Lohn- und Sozialdumping zum Ziel haben (vgl. etwa RS C–438/05, Viking Line, Randnr. 78 und 79; RS C‑341/05, Laval, Randnr. 103 bis 105). Zu den zwingenden Gründen des Allgemeininteresses zählen nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes weiters das Bemühen, Störungen auf dem Arbeitsmarkt des Empfangsstaates zu verhindern und der Schutz der im Empfangsstaat ansässigen Unternehmen gegen unlauteren Wettbewerb (vgl. RS C–60/03, Wolff/Müller, Randnr. 35 und 41; RS C–490/04, Kommission/Deutschland, Randnr. 70).

 

Beschränkungen der Dienstleistungsfreiheit müssen die Erreichung des verfolg-ten Ziels gewährleisten und dem Verhältnismäßigkeitsprinzip entsprechen. Auch diese Voraussetzungen sind gegeben: Die Sicherheitsleistung durch den Auftrag-geber gemäß §7m AVRAG sichert – da sie gegenüber dem Arbeitgeber/Überlasser schuldbefreiend und damit wirtschaftlich negativ wirkt – das Strafverfahren. Auf Grund ihrer Subsidiarität gegenüber der vorläufigen Sicher-heit gemäß §7l AVRAG, ihrer Beschränkung auf fällige Forderungen des Arbeit-gebers/Überlassers und ihrer schuldbefreienden Wirkung stellt sie auch das gelindeste Mittel zur Erreichung ihres Ziels dar.

 

1.5.4. Im Übrigen weist die Bundesregierung nochmals darauf hin, dass es unrichtig ist, dass 'ausschließlich' dem Auftraggeber als 'unbeteiligtem Dritten' Nachteile entstehen, wie auch der Beschuldigte nicht 'unbehelligt' bleibt, da seine Forderungen in der Höhe der Sicherheitsleistung erlöschen.

 

1.6. Zu den Bedenken im Hinblick auf die Eigentumsfreiheit:

 

Nach Ansicht des antragstellenden Verwaltungsgerichts würden die angefochtenen Bestimmungen auch gegen die Eigentumsfreiheit verstoßen, da die Vor-schreibung einer Sicherheitsleistung die Dispositionsmöglichkeiten des Auftrag-gebers beschränke und nicht das gelindeste Mittel zur Zielerreichung darstelle.

 

Dem ist zu entgegnen, dass sich die Sicherheitsleistung nur auf fällige Forderungen des Arbeitgebers/Überlassers bezieht, hinsichtlich deren 'individuelle Gestaltungsmöglichkeiten' des Auftraggebers gerade nicht bestehen.

 

Ein gelinderes Mittel zur Zielerreichung wird vom antragstellenden Verwaltungs-gericht nicht aufgezeigt und ist für die Bundesregierung auch nicht ersichtlich. Sofern das antragstellende Verwaltungsgericht die Forderung erhebt, dass auch eine bereits erfolgte Beschlagnahme von Sachen einer Sicherheitsleistung gemäß §7m AVRAG entgegenstehen sollte, verweist die Bundesregierung auf das unter I.4.6. Gesagte.

 

[...]"

 

4. Zwei vor dem beim Landesverwaltungsgericht Steiermark beschwerdeführenden Parteien haben in dem zu G283/2016 protokollierten Verfahren Äußerungen erstattet, in der sie sich den Bedenken des antragstellenden Landesverwaltungsgerichts anschließen.

IV. Erwägungen

Der Verfassungsgerichtshof hat über die in sinngemäßer Anwendung von §187 und §404 ZPO iVm §35 Abs1 VfGG zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbundenen Anträge erwogen:

1. Zur Zulässigkeit der Anträge

1.1. Der Verfassungsgerichtshof ist nicht berechtigt, durch seine Präjudizialitätsentscheidung das antragstellende Gericht an eine bestimmte Rechtsauslegung zu binden, weil er damit indirekt der Entscheidung dieses Gerichtes in der Hauptsache vorgreifen würde. Gemäß der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes darf daher ein Antrag iSd Art139 Abs1 Z1 B‑VG bzw. des Art140 Abs1 Z1 lita B‑VG nur dann wegen mangelnder Präjudizialität zurückgewiesen werden, wenn es offenkundig unrichtig (denkunmöglich) ist, dass die – angefochtene – generelle Norm eine Voraussetzung der Entscheidung des antragstellenden Gerichtes im Anlassfall bildet (vgl. etwa VfSlg 10.640/1985, 12.189/1989, 15.237/1998, 16.245/2001 und 16.927/2003).

1.2. Es ist nichts hervorgekommen, was an der Präjudizialität der angefochtenen Gesetzesbestimmungen zweifeln ließe. Auch von Seiten der Bundesregierung wurden zu dem zu G283/2016 protokollierten Antrag keine Einwände gegen die Zulässigkeit erhoben. Da auch sonst keine Prozesshindernisse hervorgekommen sind, erweisen sich die Anträge als zulässig.

2. In der Sache

2.1. Der Verfassungsgerichtshof hat sich in einem auf Antrag eingeleiteten Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes gemäß Art140 B‑VG auf die Erörterung der aufgeworfenen Fragen zu beschränken (vgl. VfSlg 12.691/1991, 13.471/1993, 14.895/1997, 16.824/2003). Er hat sohin ausschließlich zu beurteilen, ob die angefochtene Bestimmung aus den in der Begründung des Antrages dargelegten Gründen verfassungswidrig ist (VfSlg 15.193/1998, 16.374/2001, 16.538/2002, 16.929/2003).

2.2. Die Anträge sind nicht begründet.

2.2.1. Die antragstellenden Gerichte machen zunächst unter Hinweis auf VfSlg 16.662/2002 geltend, §7m AVRAG sei – ungeachtet der für den Auftraggeber schuldbefreienden Wirkung der erlegten Sicherheitsleistung gemäß §7m Abs3 und 5 leg.cit. – verfassungswidrig, weil "fraglich" erscheine, ob der Auftraggeber durch diese Regelung tatsächlich ausreichend vor nachteiligen Folgen dieses "doch weitgehenden behördlichen Eingriffs in die Abwicklung eines zivilrechtlichen Vertrages" geschützt sei. Eine nach Erlag drohende Klage durch den Auftragnehmer und die Verwicklung in ein damit verbundenes "aufwendiges und teures Zivilverfahren [...] gegebenenfalls sogar im Ausland gemäß §35 Abs2 IPR‑Gesetz" wird als mögliches Beispiel angeführt. Auch sei es möglich, dass der Auftragnehmer "aus Protest darüber" keine weiteren Leistungen mehr erbringe. Auch sei der Werklohn nach §1170 ABGB erst nach Vollendung des Werks zu entrichten, wobei in der Praxis "vereinbarungsgemäß Teilzahlungen oft erst nach Erbringung von Teilleistungen und damit nach erfolgter Vorausleistung durch den Werkvertragsnehmer fällig werden". §7m AVRAG stelle nicht auf die Fälligkeit des Werklohns ab. Ein gesetzliches Zurückbehaltungsrecht im Falle von Mängeln würde dem Auftraggeber genommen.

2.2.2. Damit zeigen die antragstellenden Landesverwaltungsgerichte keine Verfassungswidrigkeit der angefochtenen Bestimmung auf:

2.2.2.1. Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass das von den Landesverwaltungsgerichten für belastend gehaltene Prozessieren im Ausland nicht Folge der angefochtenen Norm ist. Selbst wenn der Auftragnehmer den Auftraggeber ungeachtet des behördlich verhängten Zahlungsstopps und eines rechtskräftigen Auftrages zur Sicherheitsleistung – und daher missbräuchlich – in einen Zivilprozess verwickeln sollte, könnte das nicht der angefochtenen Norm angelastet werden. Ein solches Vorgehen des Auftragnehmers führt auch nicht zwangsweise zu einem aufwendigen und kostspieligen Verfahren, da der Auftraggeber jederzeit in der Lage ist, seine schuldbefreiende Zahlung und den ihr zugrunde liegenden öffentlich-rechtlichen Titel urkundlich nachzuweisen.

2.2.2.2. Dem Auftraggeber wird aber auch keine Zahlungsverpflichtung auferlegt, die sich gegenüber dem Auftragnehmer nicht bereits aus dem Zivilrecht ergibt: Entgegen der Auffassung der Landesverwaltungsgerichte ist der Auftraggeber nämlich nicht verpflichtet, die Sicherheitsleistung vor Fälligkeit des Werklohns zu leisten. Wie das Zusammenspiel von "Zahlungsstopp" in §7m Abs1 leg.cit. und der daran anknüpfenden Verpflichtung zur "Sicherheitsleistung" an die Behörde aus dem "noch zu leistenden Werklohn" gemäß §7m Abs3 leg. cit. zeigt, geht es bei der Zahlungsverpflichtung im Rahmen der Sicherheitsleistung immer nur um jenen Werklohn (oder um Teile desselben), den der Auftraggeber tatsächlich bereits schuldet. Es gibt weder im Gesetz noch in den Materialien einen Anhaltspunkt dafür, dass der Gesetzgeber dem Auftraggeber jeglichen Schutz habe entziehen wollen, den ihm das Werkvertragsrecht gegenüber dem Auftragnehmer bietet. Der Auftraggeber ist vielmehr nach Erlassung eines Zahlungsstopps durch die Organe der Abgabenbehörden gemäß §7m Abs1 AVRAG sowie nach Erlassung des – von diesen Behörden sodann bei sonstigem Außerkrafttreten des Zahlungsstopps – gemäß §7m Abs2 AVRAG binnen drei Arbeitstagen zu beantragenden Bescheides über die Sicherheitsleistung nach §7m Abs3 leg.cit. nicht anders gestellt, als er es im Falle einer Pfändung der Forderung des Auftragnehmers gegen den Auftraggeber durch Dritte mittels Erlassung eines Zahlungsverbotes ("Drittverbot") an den Auftraggeber und Überweisung der Forderung zur Einziehung an den Gläubiger gemäß §294 EO wäre.

2.2.2.3. Da der Auftraggeber somit lediglich mit dem dem Auftragnehmer geschuldeten Werklohn in Anspruch genommen werden kann, haftet er entgegen der Auffassung der Landesverwaltungsgerichte auch nicht unmittelbar für die Verwaltungsstrafe des Auftragnehmers. Es ist daher die Parallele verfehlt, welche die antragstellenden Landesverwaltungsgerichte zu Fällen ziehen, in denen es der Verfassungsgerichtshof als verfassungswidrig erklärt hat, wenn Auftraggeber mit dem eigenen Vermögen ohne zureichenden sachlichen Grund für das Verschulden Dritter in Anspruch genommen werden konnten (wie in VfSlg 16.662/2002).

2.2.2.4. Der Verfassungsgerichtshof teilt angesichts des Sachzusammenhangs, in der die Regelung des §7m AVRAG steht, ebenso wenig die Meinung der antragstellenden Landesverwaltungsgerichte, es würde das Tatbestandserfordernis, dass "auf Grund bestimmter Tatsachen" anzunehmen ist, dass die Strafverfolgung oder Strafvollstreckung unmöglich oder erschwert sein wird, dem Determinierungsgebot des Art18 B‑VG widersprechen. Ungeachtet dessen, dass der Gesetzgeber von der Normierung von Beispielsfällen abgesehen hat, reicht zur Beurteilung dieser Frage auf Grund des gegebenen Sachzusammenhangs vielmehr die Erfahrung des täglichen Lebens aus.

2.2.2.5. Der Umstand, dass von der Anordnung einer Sicherheitsleistung durch den Auftragnehmer und Dienstgeber der nicht ordnungsgemäß entlohnten Arbeitnehmer gemäß §7l AVRAG nach den Behauptungen der antragstellenden Landesverwaltungsgerichte kaum Gebrauch gemacht wird, macht die Regelung des §7m AVRAG ebenso wenig verfassungswidrig. Dies gilt auch dann, wenn man davon ausginge, dass zur Sicherstellung nach §7l AVRAG geeignetes Vermögen des Auftragnehmers im Einzelfall zur Verfügung stünde. Ob die Außerachtlassung von ausreichenden Sicherstellungsmöglichkeiten nach §7l AVRAG durch die Abgabenbehörde einer Maßnahme nach §7m Abs1 und 3 AVRAG entgegensteht, muss in diesem Verfahren ebenso wenig untersucht werden wie die von den vorlegenden Landesverwaltungsgerichten – gegebenenfalls nach Einholung einer Vorabentscheidung durch den Gerichtshof der Europäischen Union gemäß Art267 AEUV – zu klärende Frage, ob §7m AVRAG dem Unionsrecht widerspricht, da es sich in beiden Fällen allenfalls um Probleme der Gesetzmäßigkeit des Vollzuges handelt, nicht aber um Fragen der Verfassungsmäßigkeit der Norm.

V. Ergebnis

1. Die von den antragstellenden Landesverwaltungsgerichten ob der Verfassungsmäßigkeit von §7l letzter Satz sowie §7m AVRAG, idF BGBl I 113/2015, erhobenen Bedenken treffen nicht zu. Die Anträge sind daher abzuweisen.

2. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

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