VfGH G27/83

VfGHG27/831.7.1983

Stmk. Landesabgabenordnung; §153 Abs2 und 3 in der Stammfassung gleichheitswidrig

Normen

B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
Stmk LAO §153 Abs2
Stmk LAO §153 Abs3
B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
Stmk LAO §153 Abs2
Stmk LAO §153 Abs3

 

Spruch:

§153 Abs2 und 3 der Stmk. Landesabgabenordnung, LGBl. 158/1963, in der Fassung vor Inkrafttreten der Nov. vom 1. Feber 1983, LGBl. 34/1983, waren verfassungswidrig.

Die Gesetzesstellen sind nicht mehr anzuwenden.

Der Landeshauptmann von Stmk. ist zur unverzüglichen Kundmachung dieser Aussprüche im Landesgesetzblatt verpflichtet.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. Beim VfGH ist zu B254/79 das Verfahren über eine Beschwerde gegen einen Bescheid der Stmk. Landesregierung vom 4. Mai 1979 anhängig, der einer Vorstellung gegen den im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Gemeinderates von Spielfeld keine Folge gibt, womit dem Beschwerdefüher Getränkeabgabe samt Säumniszuschlag vorgeschrieben wurde, weil er die Selbstbemessung der Abgabe unterlassen hatte.

Aus Anlaß dieser Beschwerde sind beim VfGH Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit der Abs2 und 3 des §153 der Stmk. Landesabgabenordnung, LGBl. 158/1963 (StLAO), in der Stammfassung entstanden. Nach dieser Vorschrift hat die Behörde in den Fällen, in denen die Vorschriften die Selbstbemessung einer Abgabe durch den Abgabepflichtigen ohne behördliche Festsetzung der Abgabe zulassen, diese - nur - dann mit Bescheid festzusetzen, wenn der Abgabepflichtige die Einreichung der Erklärung unterläßt oder wenn sich die Erklärung als unvollständig oder die Selbstbemessung als zu niedrig erweist (Abs3), und auch der Abgabepflichtige kann nach Ablauf bestimmter Fristen die Erklärung nicht mehr berichtigen (Abs2).

Die Bestimmungen entsprechen im Wortlaut den Abs2 und 3 des §149 der Wr. Abgabenordnung, LGBl. 21/1962 (WAO) idF vor dem Inkrafttreten der Nov. LGBl. 28/1978, die der VfGH im Erk. VfSlg. 8726/1980 als verfassungswidrig aufgehoben hat, weil sie für jene Fälle, in denen der Abgabepflichtige nach Ablauf der bestimmten Fristen eine zu hohe Selbstbemessung feststellt oder in denen die Abgabenbehörde anläßlich einer Prüfung eine solche Feststellung macht, keine Möglichkeit einer richtigen Abgabenfestsetzung vorsahen und damit dem Gleichheitssatz widersprachen.

Der VfGH hat vorläufig angenommen, daß in dem bei ihm anhängigen Fall die Abgabenbehörden ihre Bescheide auf §153 StLAO gestützt haben und auch er Abs3 dieser Vorschrift bei seiner Entscheidung anzuwenden hat, und daß Abs2 mit Abs3 in derart engem Zusammenhang steht, daß dieser nicht isoliert gesehen werden kann. Er hat ferner angenommen, daß die Erwägungen, die zur Feststellung der Verfassungswidrigkeit des §149 Abs2 und 3 WAO geführt haben, auch hinsichtlich des §153 Abs2 und 3 StLAO zutreffen.

Die Stmk. Landesregierung wies in ihrer Äußerung darauf hin, daß der Landtag eine Vorlage auf Änderung des Gesetzes bereits beschlossen hat. In dem am 10. Juni ausgegebenen 12. Stück des Landesgesetzblattes ist das Gesetz vom 1. Feber 1983, mit dem die Stmk. Landesabgabenordnung geändert wird, inzwischen kundgemacht.

II. Das Gesetzesprüfungsverfahren ist zulässig.

Es ist nichts hervorgekommen, was Anlaß gäbe, an der Präjudizialität des §153 Abs3 StLAO zu zweifeln. Abs2 steht mit dieser Bestimmung aber in untrennbarem Zusammenhang, weil eine bloße Beseitigung des Abs3 im Hinblick auf die (beschränkte) Möglichkeit der Selbstberichtigung die Verfassungswidrigkeit der Bestimmung nicht beseitigen würde. Zur näheren Begründung genügt es, auf das die gleichartige Bestimmung der Tir. Landesabgabenordnung betreffende Erk. G28, 44/83 vom heutigen Tag zu verweisen.

III. Die Bedenken des VfGH treffen zu. Die in Prüfung gezogenen Gesetzesstellen waren gleichheitswidrig.

Das Verfahren hat nichts ergeben, was die Bedenken des VfGH zerstreuen könnte. §153 Abs2 und 3 StLAO in der Stammfassung sind ebenso so zu beurteilen wie §149 Abs2 und 3 WAO in der Fassung vor der Nov. LGBl. 28/1978 (vgl. VfSlg. 8726/1980). In ihrem Zusammenhalt treffen diese Bestimmungen eine ungerechtfertigte Differenzierung innerhalb der Gruppe jener Abgaben, deren Selbstbemessung zugelassen ist, wie auch im Verhältnis zu allen anderen Abgaben, bei deren Bemessung nach den Grundsätzen der Amtswegigkeit vorzugehen ist. Die Regelung widerspricht daher dem auch den Gesetzgeber bindenden Gleichheitsgebot.

Da die Regelung bereits außerkraft getreten ist, kann nur ihre Verfassungswidrigkeit festgestellt werden. Wie schon in dem die WAO betreffenden Vorerkenntnis hält es der Gerichtshof auch in diesem Fall für angebracht, die weitere Anwendung der verfassungswidrigen Regelung auszuschließen (Art140 Abs7 zweiter Satz B-VG).

Der Ausspruch über die Kundmachung stützt sich auf Art140 Abs5 zweiter Satz B-VG und §64 Abs2 VerfGG.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte