Normen
B-VG Art140 Abs1 Z1 litc
UStG 1994 §6 Abs2, §28 Abs38 Z1
VfGG §7 Abs1
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VFGH:2020:G263.2019
Spruch:
Der Antrag wird zurückgewiesen.
Begründung
Begründung
I. Antrag
Gestützt auf Art140 Abs1 Z1 litc B‑VG, begehren die Antragstellerinnen,
"§6 Abs2 UStG 1994 und §28 Abs38 Z1 UStG 1994 […];
in eventu in §6 Abs2 UStG 1994 den siebten und achten Satz und §28 Abs38 Z1 dritter Satz UStG 1994 […];
in eventu in §6 Abs2 siebter Satz UStG 1994 die Wortfolge ', soweit der Leistungsempfänger das Grundstück oder einen baulich abgeschlossenen, selbständigen Teil des Grundstücks nahezu ausschließlich für Umsätze verwendet, die den Vorsteuerabzug nicht ausschließen' und §28 Abs38 Z1 dritter Satz UStG 1994 […];
in eventu in §28 Abs38 Z1 dritter Satz UStG 1994 in der Wendung '§3 Abs2 des Gesundheits- und Sozialbereich-Beihilfengesetzes' das Wort 'Abs2' […];
in eventu §6 Abs1 Z19 UStG 1994 […]"
als verfassungswidrig aufzuheben.
II. Rechtslage
Die maßgeblichen Bestimmungen lauten wie folgt (die im Hauptantrag angefochtenen Bestimmungen sind hervorgehoben):
1. §6 Bundesgesetz über die Besteuerung der Umsätze (Umsatzsteuergesetz 1994 – UStG 1994), BGBl 663/1994, idF BGBl I 62/2018:
"Steuerbefreiungen
§6. (1) Von den unter §1 Abs1 Z1 fallenden Umsätzen sind steuerfrei:
[…]
16. die Vermietung und Verpachtung von Grundstücken. Nicht befreit sind:
– die Vermietung (Nutzungsüberlassung) von Grundstücken für Wohnzwecke;
– die Vermietung und Verpachtung von Maschinen und sonstigen Vorrichtungen aller Art, die zu einer Betriebsanlage gehören, auch wenn sie wesentliche Bestandteile eines Grundstückes sind;
– die Beherbergung in eingerichteten Wohn- und Schlafräumen;
– die Vermietung (Nutzungsüberlassung) von Räumlichkeiten oder Plätzen für das Abstellen von Fahrzeugen aller Art;
– die Vermietung (Nutzungsüberlassung) von Grundstücken für Campingzwecke;
– die Vermietung von Grundstücken während eines ununterbrochenen Zeitraumes von nicht mehr als 14 Tagen (kurzfristige Vermietung), wenn der Unternehmer das Grundstück sonst nur zur Ausführung von Umsätzen, die den Vorsteuerabzug nicht ausschließen, für kurzfristige Vermietungen oder zur Befriedigung eines Wohnbedürfnisses verwendet;
[…]
18. die Umsätze der Kranken- und Pflegeanstalten, der Alters‑, Blinden- und Siechenheime sowie jener Anstalten, die eine Bewilligung als Kuranstalt oder Kureinrichtung nach den jeweils geltenden Rechtsvorschriften über natürliche Heilvorkommen und Kurorte besitzen, soweit sie von Körperschaften des öffentlichen Rechts bewirkt werden und es sich um Leistungen handelt, die unmittelbar mit der Kranken- oder Kurbehandlung oder unmittelbar mit der Betreuung der Pfleglinge im Zusammenhang stehen;
19. die Umsätze aus Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin, die im Rahmen der Tätigkeit als Arzt, Zahnarzt, Dentist, Psychotherapeut, Hebamme sowie als freiberuflich Tätiger im Sinne des §35 Abs1 Z1 in Verbindung mit §11 des Gesundheits- und Krankenpflegegesetzes, BGBl I Nr 108/1997, des §7 Abs1 in Verbindung mit §1 Z1 bis 7 des MTD-Gesetzes, BGBl Nr 460/1992 sowie §45 Z1 in Verbindung mit §29 des Medizinischer Masseur- und Heilmasseurgesetzes, BGBl I Nr 169/2002, durchgeführt werden; steuerfrei sind auch die sonstigen Leistungen von Gemeinschaften, deren Mitglieder Angehörige der oben bezeichneten Berufe sind, gegenüber ihren Mitgliedern, soweit diese Leistungen unmittelbar zur Ausführung der nach dieser Bestimmung steuerfreien Umsätze verwendet werden und soweit die Gemeinschaften von ihren Mitgliedern lediglich die genaue Erstattung des jeweiligen Anteils an den gemeinsamen Kosten fordern;
[…]
(2) Der Unternehmer kann eine gemäß §6 Abs1 Z8 lita steuerfreie Kreditgewährung, bei der er dem Leistungsempfänger den Preis für eine Lieferung oder sonstige Leistung kreditiert, sowie einen Umsatz, der nach §6 Abs1 Z9 lita, Z16 oder Z17 steuerfrei ist, als steuerpflichtig behandeln. Weiters kann der Unternehmer einen Umsatz im Zusammenhang mit Kreditkarten, der nach §6 Abs1 Z8 lith steuerfrei ist, als steuerpflichtig behandeln. Behandelt der Unternehmer die Kreditgewährung als steuerpflichtig, unterliegt sie dem Steuersatz, der für die Leistung anzuwenden ist, deren Leistungspreis kreditiert wird. Behandelt der Unternehmer einen Umsatz, der nach §6 Abs1 Z8 lith, Z9 lita, Z16 oder Z17 steuerfrei ist, als steuerpflichtig, unterliegt er dem Steuersatz nach §10 Abs1 bzw 4.
Behandelt ein Unternehmer einen nach §6 Abs1 Z9 lita steuerfreien Umsatz als steuerpflichtig, so kann eine bis dahin vom Vorsteuerabzug ausgeschlossene Steuer (§12 Abs3) oder eine zu berichtigende Vorsteuer (§12 Abs10 bis 12) frühestens für den Voranmeldungszeitraum abgezogen werden, in dem der Unternehmer den Umsatz als steuerpflichtig behandelt.
Der Verzicht auf die Steuerbefreiung gemäß §6 Abs1 Z9 lita ist bei der Lieferung von Grundstücken im Zwangsversteigerungsverfahren durch den Verpflichteten an den Ersteher (§19 Abs1b litc) nur zulässig, wenn er spätestens bis vierzehn Tage nach Bekanntgabe des Schätzwerts (§144 EO) dem Exekutionsgericht mitgeteilt wird.
Der Verzicht auf die Steuerbefreiung gemäß §6 Abs1 Z16 und Z17 ist nur zulässig, soweit der Leistungsempfänger das Grundstück oder einen baulich abgeschlossenen, selbständigen Teil des Grundstücks nahezu ausschließlich für Umsätze verwendet, die den Vorsteuerabzug nicht ausschließen. Der Unternehmer hat diese Voraussetzung nachzuweisen.
(3) […]"
2. §28 UStG 1994 idF BGBl I 22/2012:
"Allgemeine Übergangsvorschriften
§28. […]
(38) 1. §6 Abs2 letzter Unterabsatz in der Fassung des 1. Stabilitätsgesetzes 2012, BGBl I Nr 22/2012, ist hinsichtlich §6 Abs1 Z16 auf Miet- und Pachtverhältnisse anzuwenden, die nach dem 31. August 2012 beginnen, sofern mit der Errichtung des Gebäudes durch den Unternehmer nicht bereits vor dem 1. September 2012 begonnen wurde, sowie hinsichtlich §6 Abs1 Z17 auf Wohnungseigentum, das nach dem 31. August 2012 erworben wird. Als Beginn der Errichtung ist der Zeitpunkt zu verstehen, in dem bei vorliegender Baubewilligung mit der Bauausführung tatsächlich begonnen wird, also tatsächliche handwerkliche Baumaßnahmen erfolgen. §6 Abs2 letzter Unterabsatz in der Fassung des 1. Stabilitätsgesetzes 2012 ist nicht anzuwenden, wenn der Leistungsempfänger das Grundstück für Umsätze verwendet, die ihn zum Bezug einer Beihilfe nach §1, §2 oder §3 Abs2 des Gesundheits- und Sozialbereich-Beihilfengesetzes, BGBl Nr 746/1996, berechtigen.
2. […]"
3. §2 Bundesgesetz, mit dem Beihilfen im Gesundheits- und Sozialbereich geregelt werden (Gesundheits- und Sozialbereich-Beihilfengesetz – GSBG), BGBl 746/1996, idF BGBl I 62/2018:
"§2. (1) Kranken- und Kuranstalten einschließlich der eigenen Kranken- und Kuranstalten der Sozialversicherungsträger und der Krankenfürsorgeeinrichtungen, die nach §6 Abs1 Z18 und 25 UStG 1994 befreite Umsätze bewirken, haben einen Anspruch auf eine Beihilfe in Höhe der im Zusammenhang mit den befreiten Umsätzen stehenden, nach §12 Abs3 UStG 1994 nicht abziehbaren Vorsteuern, abzüglich 10% der Entgelte für nach §6 Abs1 Z18 oder 25 UStG 1994 befreite Umsätze, soweit sie nicht aus öffentlichen Mitteln stammen (Klassegelder, Entgelte für Privatpatienten). Eine Kürzung der Beihilfe im Ausmaß von 10% der nicht aus öffentlichen Mitteln stammenden Entgelte ist auch bei anderen befreiten Umsätzen vorzunehmen, für die zuvor nicht abzugsfähige Vorsteuern als Beihilfe in Anspruch genommen worden sind. Das Ausmaß der Kürzung wird bei steuerfreien Grundstücksumsätzen durch die Höhe der in den vorangegangenen 20 Jahren anteilig in Anspruch genommenen Beihilfen begrenzt. Die Beihilfe gilt in Fällen, in denen die Sachleistungskosten mit einem Landesfonds oder mit einem inländischen Sozialversicherungsträger verrechnet werden, als Teil der Mittel des jeweiligen Landesfonds oder inländischen Sozialversicherungsträgers.
(2) Die Regelung des Abs1 gilt auch für Unternehmer, die Lieferungen von menschlichem Blut (§6 Abs1 Z21 UStG 1994) oder Umsätze gemäß §6 Abs1 Z22 UStG 1994 bewirken, wobei Umsätze an Unternehmer, die nach §6 Abs1 Z18 und 25 UStG befreite Umsätze bewirken, nicht unter die Kürzungsbestimmungen des Abs1 fallen. Für die Höhe der Beihilfe können auch mit den befreiten Umsätzen in direkten Zusammenhang stehende Vorsteuern geltend gemacht werden, die in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union angefallen sind, dort weder geltend gemacht werden dürfen noch anderweitig ersetzt werden können, und die für die Beihilfe angerechnet würden, wenn die Vorsteuern in Österreich bewirkt worden wären. Der Bundesminister für Finanzen kann durch Verordnung festlegen, wie der Nachweis des Beihilfenanspruchs in diesen Fällen erbracht werden muss.
[…]"
4. §3 GSBG, BGBl 746/1996:
"§3. (1) Ärzte, Dentisten und sonstige Vertragspartner haben Anspruch auf einen Ausgleich, der sich nach den von den Sozialversicherungsträgern, den Krankenfürsorgeeinrichtungen und den von den Trägern des öffentlichen Fürsorgewesens gezahlten Entgelten für Leistungen im Sinne des §6 Abs1 Z19 UStG 1994 richtet.
(2) Alten‑, Behinderten- und Pflegeheime, die nach §6 Abs1 Z18 und 25 UStG 1994 befreite Umsätze bewirken, haben Anspruch auf einen Ausgleich, der sich nach den Entgelten von seiten der Träger des öffentlichen Fürsorgewesens richtet.
[…]"
III. Antragsvorbringen und Vorverfahren
1. Die Erstantragstellerin arbeitet als Ärztin für Allgemeinmedizin und betreibt ihre eigene Ordination, die sie in einem Bürohaus angemietet hat. Die Vermieterin (Liegenschaftseigentümerin) habe nicht zur Umsatzsteuer optiert und verrechne der Erstantragstellerin einen etwa 20% höheren Mietpreis, um den ihr entgehenden Vorsteuerverlust auszugleichen. Dieser Kostenaufschlag sei für die Erstantragstellerin "kostenwirksam". Die Zweitantragstellerin arbeitet ebenso als Ärztin für Allgemeinmedizin und befand sich im Zeitpunkt der Antragstellung auf der Suche nach passenden Ordinationsräumlichkeiten. Bei einem Objekt habe die Zweitantragstellerin eine Absage erhalten, weil der Vermieter nicht an Unternehmer vermiete, deren Umsätze steuerfrei sind.
1.1. Zur Begründung der Zulässigkeit des Antrags führen die Antragstellerinnen auf das Wesentliche zusammengefasst Folgendes aus:
1.1.1. Vor Inkrafttreten des 1. Stabilitätsgesetzes 2012, BGBl I 22/2012 habe jeder Vermieter bei der Vermietung und Verpachtung von Grundstücken (oder eines baulich abgeschlossenen, selbständigen Teil des Grundstücks) – selbst wenn der Mieter ein Arzt gewesen sei, der nur umsatzsteuerfreie Umsätze erwirtschafte – in die Steuerpflicht optieren können. Diese Option zur Steuerpflicht sei von wirtschaftlicher Bedeutung: Werde ein Gebäude errichtet, könne der Unternehmer die für die Errichtungskosten angefallene Vorsteuer mit seiner Umsatzsteuer ausgleichen bzw den Vorsteuerabzug dafür in Anspruch nehmen.
1.1.2. Mit Inkrafttreten des 1. Stabilitätsgesetzes 2012 sei es zur folgenden – für den dem Antrag zugrunde liegenden Sachverhalt maßgebenden – Änderung gekommen: Wenn der Vermieter bislang bei der Vermietung und Verpachtung von Grundstücken (oder eines baulich abgeschlossenen, selbständigen Teils des Grundstücks) in die Steuerpflicht optieren habe können, so sei diese Option zur Steuerpflicht seit Inkrafttreten des 1. Stabilitätsgesetzes 2012 nur noch eingeschränkt möglich. Eine Option zur Steuerpflicht sei nur zulässig, wenn die Vermietung bzw Verpachtung an einen Leistungsempfänger erfolge, der "nahezu ausschließlich steuerpflichtige Umsätze erwirtschafte". Im Ergebnis könne sohin ein Vermieter, der eine Ordination an einen Arzt vermiete, nie zur Steuerpflicht optieren. Dies deshalb, weil alle Umsätze eines Arztes unecht steuerbefreit seien und ein Arzt nicht in die Steuerpflicht optieren könne.
1.1.3. Die angefochtenen Bestimmungen griffen in die gesetzlich geschützten Interessen der Antragstellerinnen ein: Als Ärztinnen seien sie zur gewissenhaften Betreuung der von ihnen in ärztliche Beratung oder Behandlung übernommenen Gesunden und Kranken verpflichtet. Um diesen Vorgaben zu entsprechen, müssten sie passende Ordinationsräumlichkeiten anmieten. Die durch das 1. Stabilitätsgesetz 2012 geschaffene Rechtslage habe die Möglichkeiten für Ärzte auf dem "ohnehin eingeschränkten" Immobilienmarkt weiter eingeengt. Dabei handle es sich nicht um bloße faktische Reflexwirkungen: Die Frage, ob ein Vermieter zur Steuerpflicht optieren darf, knüpfe unmittelbar daran an, "welche Umsätze – nämlich steuerbare, 'unecht' oder 'echt' steuerbefreite – vom Mieter erwirtschaftet" würden (Hervorhebungen im Original). Die Umsätze, die von Mietern erwirtschaftet werden würden (bzw vielmehr die Frage, ob es sich um steuerbare oder steuerbefreite Umsätze handle), seien der unmittelbare Anknüpfungspunkt für die Anwendbarkeit der angefochtenen Bestimmungen. Der "sachliche Anwendungsbereich wird in dieser Form vom UStG 1994 determiniert – es ist mithin keine bloße 'faktische Reflexwirkung'" (Hervorhebungen im Original). Diese Bestimmungen bewirkten weiters unmittelbar, dass Ärzte, die ein Bestandsobjekt mieten möchten, entweder überhaupt kein Bestandsobjekt vermietet erhalten würden oder aber an sie ein Bestandsobjekt nur zu einem deutlich erhöhten Preis vermietet werde. Die Verfassungswidrigkeit der angefochtenen Bestimmungen könne einerseits durch eine Ausdehnung des Rechts auf "Option zur Steuerpflicht" beseitigt werden; andererseits könne die Verfassungswidrigkeit aber dadurch behoben werden, dass Umsätze, die von Ärzten erwirtschaftet werden würden, nicht unecht steuerbefreit seien. Es eigne sich "sowohl die 'echte' Steuerbefreiung (da sie ja das Recht auf Vorsteuerabzug nicht ausschließt) als auch eine Regelung, wonach Umsätze, die von Ärzten erwirtschaftet werden würden, steuerbar" seien.
1.1.4. Der Eingriff sei nach Art und Ausmaß hinreichend und eindeutig bestimmt. Ein Vermieter könne bei Vermietung oder Verpachtung eines Bestandsobjekts an einen Mieter, "dessen Umsätze 'unecht' steuerbefreit sind, nicht in die Steuerpflicht optieren". Den Antragstellerinnen sei auch kein anderer Weg zumutbar. Das Anstrengen eines Zivilprozesses gegen den Vermieter sei aus rechtlicher Sicht nicht möglich bzw nicht zumutbar (und zudem aussichtslos). Der Vermieter verrechne den Mietpreis auf Grund der unechten Steuerbefreiung netto. Ein Umsatzsteuerbetrag werde auf der Rechnung nicht ausgewiesen. Der erhöhte Mietpreis werde nicht unmittelbar aus dem Titel der Umsatzsteuer geltend gemacht, sondern, weil dieser erhöhte Mietpreis vertraglich vereinbart worden sei. Die mangelnde Möglichkeit zur Option in die Steuerpflicht bedinge deutlich höhere Mietpreise gegenüber Ärzten. Die umsatzsteuerrechtlichen Bestimmungen seien aber "nur" Kalkulationsgrundlage. Die Voraussetzungen für einen Schadenersatz- oder Bereicherungsanspruch (oder einen anderen gleichwertigen Titel) seien sohin nicht gegeben. Zudem seien Ärzte nicht zur Abgabe einer Umsatzsteuervoranmeldung verpflichtet.
1.2. In der Sache bringen die Antragstellerinnen zusammengefasst vor, sie seien in ihren verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz (Art7 B‑VG, Art2 StGG), auf Unversehrtheit des Eigentums (Art5 StGG, Art1 1. ZPEMRK) und auf Freiheit der Erwerbsausübung (Art6 StGG) verletzt.
1.2.1. Zur Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechts auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz führen die Antragstellerinnen sinngemäß aus, dass die angefochtenen Bestimmungen zu einer ungleichen Behandlung von Ärzten mit anderen Selbständigen führten, obwohl keine maßgeblichen Unterschiede im Tatsächlichen zwischen diesen zwei Gruppen bestünden. Ordinationsräume würden nicht anders genutzt werden als Büroräume anderer freiberuflich tätiger Unternehmer. An den gleichen Tatbestand – selbständige Tätigkeit – knüpfe der Gesetzgeber unterschiedliche Rechtsfolgen.
1.2.2. Zudem erkennen die Antragstellerinnen eine Ungleichbehandlung zwischen Ärzten und Kur- bzw Krankenanstalten. In §28 Abs38 Z1 UStG 1994 sei die Möglichkeit der Steueroption für den Vermieter vorgesehen, wenn der Mieter nach §1, §2 bzw §3 Abs2 GSBG einen Anspruch auf Beihilfe habe. Dies treffe auf Kur- und Krankenanstalten zu. Der Gesetzgeber habe es aber verabsäumt, die Option zur Steuerpflicht auch dann vorzusehen, wenn – wie für Ärzte und Dentisten – eine Beihilfe nach §3 Abs1 leg.cit. gewährt werde. Eine sachliche Rechtfertigung dafür bestehe nicht. Sowohl in Kur- und Krankenanstalten als auch von Ärzten würden Leistungen im Bereich des Gesundheits- und Sozialwesens erbracht, die im öffentlichen Interesse – im Aufrechterhalten der öffentlichen Gesundheit – liegen würden.
1.2.3. Zur behaupteten Verletzung der Grundrechte auf Freiheit der Erwerbsausübung sowie Unversehrtheit des Eigentums führen die Antragstellerinnen sinngemäß aus, dass die Einschränkung der Option zur Steuerpflicht auf nur Fälle zum Vorsteuerabzug berechtigter Mieter nicht im öffentlichen Interesse liege. Die fehlende Optionsmöglichkeit bei Vermietung an Ärzte komme – mit Blick auf die schwerwiegenden Folgen – einer Antrittsbeschränkung gleich.
2. Die Bundesregierung hat eine Äußerung erstattet, in der sie die Zurückweisung des Individualantrages begehrt, in eventu die Abweisung.
2.1. Zu den Prozessvoraussetzungen bringt die Bundesregierung zusammengefasst vor, dass es den Antragstellerinnen an rechtlicher Betroffenheit fehle. Die angefochtenen Bestimmungen richteten sich nicht an die Antragstellerinnen, sondern an die Vermieter, die Umsätze aus der Vermietung und Verpachtung von Grundstücken erwirtschaften. Dabei sei es nicht von Bedeutung, dass in den angefochtenen Bestimmungen an die Umsätze der Leistungsempfänger angeknüpft werde. Die von den Antragstellerinnen dargestellten Auswirkungen seien faktische Reflexwirkungen von an die Vermieter gerichteten Bestimmungen.
2.2. Zudem hätten die Antragstellerinnen es unterlassen konkret darzulegen, aus welchen Gründen den aufzuhebenden Normen die behauptete Verfassungswidrigkeit anzulasten sei. Die verfassungsrechtlichen Bedenken gegen §6 Abs1 Z19 sowie gegen §6 Abs2 erster bis sechster Satz UStG 1994 seien nicht bzw nur ungenügend dargelegt.
2.3. Zu den vorgebrachten Bedenken führt die Bundesregierung aus, dass weder die Tätigkeiten von Ärzten und anderen Selbstständigen noch jene von Kur- bzw Krankenanstalten genügend Gemeinsamkeiten aufweisen würden, um einen Anspruch auf Gleichbehandlung abzuleiten. Ärzte stünden in keinerlei Wettbewerbsverhältnis zu anderen steuerpflichtigen Selbstständigen wie zB Rechtsanwälten. Die Nichteinbeziehung von Beihilfeempfängern gemäß §3 Abs1 GSBG sei sachgerecht: Die Beihilfe stehe nämlich Ärzten unabhängig davon zu, ob Geschäftsräumlichkeiten angemietet werden würden oder die Praxis in eigenen Räumlichkeiten betrieben würde. Demgegenüber erhielten Kur- bzw Krankenanstalten nur dann eine Beihilfe iZm Mietentgelten, wenn sie auch tatsächlich Miete bezahlen müssten.
2.4. Zudem liege nach Ansicht der Bundesregierung keine Verletzung der Freiheit der Erwerbsausübung sowie der Unversehrtheit des Eigentums vor. Das öffentliche Interesse, das mit den angefochtenen Bestimmungen verfolgt werde, liege in der Sicherstellung einer größeren Steuergerechtigkeit sowie der Wahrung des Grundsatzes der Neutralität der Mehrwertsteuer (vgl dazu RV 1680 BlgNR 24. GP , 22).
IV. Erwägungen
1. Der Antrag ist unzulässig.
Voraussetzung der Antragslegitimation gemäß Art140 Abs1 Z1 litc B‑VG ist einerseits, dass der Antragsteller behauptet, unmittelbar durch das angefochtene Gesetz – im Hinblick auf dessen Verfassungswidrigkeit – in seinen Rechten verletzt worden zu sein, dann aber auch, dass das Gesetz für den Antragsteller tatsächlich, und zwar ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides wirksam geworden ist. Grundlegende Voraussetzung der Antragslegitimation ist also, dass das Gesetz in die Rechtssphäre des Antragstellers nachteilig eingreift und diese – im Falle seiner Verfassungswidrigkeit – verletzt.
Es ist darüber hinaus erforderlich, dass das Gesetz selbst tatsächlich in die Rechtssphäre des Antragstellers unmittelbar eingreift. Ein derartiger Eingriff ist nur dann anzunehmen, wenn dieser nach Art und Ausmaß durch das Gesetz selbst eindeutig bestimmt ist, wenn er die (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigt und wenn dem Antragsteller kein anderer zumutbarer Weg zur Abwehr des ‑ behaupteterweise – rechtswidrigen Eingriffes zur Verfügung steht (VfSlg 11.868/1988, 15.632/1999, 16.616/2002, 16.891/2003).
Die Grenzen der Aufhebung einer auf ihre Verfassungsmäßigkeit hin zu prüfenden Gesetzesbestimmung sind, wie der Verfassungsgerichtshof sowohl für von Amts wegen als auch für auf Antrag eingeleitete Gesetzesprüfungsverfahren schon wiederholt dargelegt hat (VfSlg 13.965/1994 mwN, 16.542/2002, 16.911/2003), notwendig so zu ziehen, dass einerseits der verbleibende Gesetzesteil nicht einen völlig veränderten Inhalt bekommt und dass andererseits die mit der aufzuhebenden Gesetzesstelle untrennbar zusammenhängenden Bestimmungen auch erfasst werden.
Dieser Grundposition folgend hat der Gerichtshof die Rechtsauffassung entwickelt, dass im Gesetzesprüfungsverfahren der Anfechtungsumfang der in Prüfung gezogenen Norm bei sonstiger Unzulässigkeit des Prüfungsantrages nicht zu eng gewählt werden darf (vgl zB VfSlg 8155/1977, 12.235/1989, 13.915/1994, 14.131/1995, 14.498/1996, 14.890/1997, 16.212/2001). Der Antragsteller hat all jene Normen anzufechten, welche für die Beurteilung der allfälligen Verfassungswidrigkeit der Rechtslage eine untrennbare Einheit bilden. Es ist dann Sache des Verfassungsgerichtshofes, darüber zu befinden, auf welche Weise eine solche Verfassungswidrigkeit – sollte der Verfassungsgerichtshof die Auffassung des Antragstellers teilen – beseitigt werden kann (VfSlg 16.756/2002, 19.496/2011, 19.972/2015).
Unzulässig ist der Antrag etwa dann, wenn der im Falle der Aufhebung im begehrten Umfang verbleibende Rest einer Gesetzesstelle als sprachlich unverständlicher Torso inhaltsleer und unanwendbar wäre (VfSlg 16.279/2001, 19.413/2011; VfGH 19.6.2015, G211/2014; 7.10.2015, G444/2015; 10.10.2016, G662/2015), der Umfang der zur Aufhebung beantragten Bestimmungen so abgesteckt ist, dass die angenommene Verfassungswidrigkeit durch die Aufhebung gar nicht beseitigt würde (vgl zB VfSlg 18.891/2009, 19.933/2014), oder durch die Aufhebung bloßer Teile einer Gesetzesvorschrift dieser ein völlig veränderter, dem Gesetzgeber überhaupt nicht mehr zusinnbarer Inhalt gegeben würde (VfSlg 18.839/2009, 19.841/2014, 19.972/2015; VfGH 15.10.2016, G339/2015).
Unter dem Aspekt einer nicht trennbaren Einheit in Prüfung zu ziehender Vorschriften ergibt sich ferner, dass ein Prozesshindernis auch dann vorliegt, wenn es auf Grund der Bindung an den gestellten Antrag zu einer in der Weise isolierten Aufhebung einer Bestimmung käme, dass Schwierigkeiten bezüglich der Anwendbarkeit der im Rechtsbestand verbleibenden Vorschriften entstünden, und zwar in der Weise, dass der Wegfall der angefochtenen (Teile einer) Gesetzesbestimmung den verbleibenden Rest unverständlich oder auch unanwendbar werden ließe. Letzteres liegt dann vor, wenn nicht mehr mit Bestimmtheit beurteilt werden konnte, ob ein der verbliebenen Vorschrift zu unterstellender Fall vorliegt (VfSlg 16.869/2003 mwN).
2. Die Antragstellerinnen begehren in ihrem Hauptantrag, §6 Abs2 und §28 Abs38 Z1 UStG 1994, und in den Eventualanträgen bestimmte Sätze und Wortfolgen dieser Bestimmungen oder die Vorschrift des §6 Abs1 Z19 UStG 1994 als verfassungswidrig aufzuheben. Vor dem Hintergrund der von den Antragstellerinnen dargelegten verfassungsrechtlichen Bedenken erweist sich der im Antrag gewählte Anfechtungsumfang als zu eng:
2.1. Gemäß §6 Abs1 Z16 UStG 1994 ist die Vermietung und Verpachtung von Grundstücken steuerfrei. Nicht befreit sind nach dieser Vorschrift die Nutzungsüberlassung zu Wohnzwecken, die Vermietung und Verpachtung von Maschinen und sonstigen Vorrichtungen aller Art, die zu einer Betriebsanlage gehören, die Beherbergung in eingerichteten Schlafräumen, die Nutzungsüberlassung von Räumlichkeiten oder Plätzen für das Abstellen von Fahrzeugen aller Art, die Vermietung von Grundstücken für Campingzwecke und – wenn der Unternehmer das Grundstück sonst nur zur Ausführung von Umsätzen verwendet, die den Vorsteuerabzug nicht ausschließen – die Vermietung von Grundstücken während eines ununterbrochenen Zeitraumes von nicht mehr als 14 Tagen (kurzfristige Vermietung).
2.2. Nach §6 Abs2 UStG 1994 kann ein Unternehmer einen Umsatz, der nach §6 Abs1 Z16 leg.cit. steuerfrei ist, als steuerpflichtig behandeln. Nach der mit dem 1. Stabilitätsgesetz 2012 eingeführten, als letzter Satz des §6 Abs2 leg.cit. aufgenommenen Regelung ist der Verzicht auf die Steuerbefreiung nur zulässig, soweit der Leistungsempfänger das Grundstück oder einen baulich abgeschlossenen, selbständigen Teil des Grundstücks nahezu ausschließlich für Umsätze verwendet, die den Vorsteuerabzug nicht ausschließen.
2.3. Diese Rechtslage ist im Wesentlichen unionsrechtlich grundgelegt: Gemäß Art135 Abs1 litl Richtlinie 2006/112/EG über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem, ABl. 2006 L 347, 1 (in Folge: MwStSystemRL) befreien die Mitgliedstaaten Umsätze aus Vermietung und Verpachtung von Grundstücken von der Umsatzsteuer, wobei Abs2 jene Umsätze anführt, die von der Befreiung ausgeschlossen sind. Dies sind die Gewährung von Unterkunft nach den gesetzlichen Bestimmungen des Hotelgewerbes oder in Sektoren mit ähnlichen Zielsetzungen, einschließlich der Vermietung in Ferienlagern oder auf Grundstücken, die als Campingplätze erschlossen sind, ferner die Vermietung von Plätzen für das Abstellen von Fahrzeugen, die Vermietung von auf Dauer eingebauten Vorrichtungen und Maschinen sowie die Vermietung von Schließfächern. Weiters bestimmt Abs2 allgemein, dass die Mitgliedstaaten weitere Ausnahmen von der Befreiung nach Abs1 litl vorsehen können.
2.4. Aus der Regelung des §6 Abs1 Z16 iVm §6 Abs2 UStG 1994 folgt, dass die Vermietung von Ordinationsräumlichkeiten an einen Arzt steuerfrei ist und der Vermieter keine Berechtigung hat, diesen Umsatz als steuerpflichtig zu behandeln, da die Umsätze aus Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin als Arzt gemäß §6 Abs1 Z19 UStG 1994 steuerfrei sind. Diesen Ausschluss der Optionsberechtigung hat der Gesetzgeber mit dem 1. Stabilitätsgesetz 2012 geschaffen, indem er die bis dahin ohne weitere Voraussetzungen mögliche Option des Vermieters zur Steuerpflicht in §6 Abs2 UStG 1994 auf Fälle eingeschränkt hat, in denen der Mieter das Mietobjekt nahezu ausschließlich für Zwecke nutzt, die den Vorsteuerabzug nicht ausschließen.
2.5. Die Antragstellerinnen begründen ihren Antrag im Wesentlichen damit, dass diese Rechtslage zu unsachlichen Differenzierungen in der umsatzsteuerlichen Behandlung von Ärzten und anderen Selbständigen, die mit ihren Tätigkeiten nicht unecht steuerbefreit seien, führe. Die Verfassungswidrigkeit der angefochtenen Bestimmungen könne dabei nach Auffassung der Antragstellerinnen einerseits durch Ausdehnung des Rechts auf Option zur Steuerpflicht, andererseits aber auch dadurch behoben werden, dass die Umsätze, die von Ärzten erwirtschaftet werden, nicht unecht steuerbefreit sind.
2.6. Eine von den Antragstellerinnen für verfassungsrechtlich gebotene Ausnahme von der Steuerbefreiung für Umsätze aus der Vermietung und Verpachtung von Grundstücken, wie sie Art135 Abs2 letzter Satz MwStSystemRL den Mitgliedstaaten eröffnet, kann aber nicht nur durch Ausdehnung der Option zur Steuerpflicht in §6 Abs2 UStG 1994 herbeigeführt werden. Neben der von den Antragstellerinnen erkannten Möglichkeit, in §28 Abs38 Z1 dritter Satz UStG 1994 in der Wendung "§3 Abs2 des Gesundheits- und Sozialbereich‑Beihilfengesetzes" die Wortfolge "Abs2" aufzuheben, ist überdies zu beachten, dass eine solche Ausnahme von der generellen Steuerbefreiung des §6 Abs1 Z16 UStG 1994 systematisch als Teil der Regelung des §6 Abs1 Z16 UStG 1994 selbst zu erkennen ist, zumal der Gesetzgeber in §6 Abs1 Z16 UStG 1994 nicht nur solche durch Art135 Abs2 MwStSystemRL vorgegebene Ausnahmen anordnet (vgl etwa §6 Abs1 Z16 letzter Teilstrich UStG 1994).
2.7. Vor diesem Hintergrund erweist sich der Anfechtungsumfang des Antrages insgesamt als zu eng gewählt und der Antrag ist daher schon aus diesem Grund zurückzuweisen.
3. Im Übrigen ist der Antrag auch deshalb unzulässig, weil sich die von den Antragstellerinnen behauptete rechtliche Betroffenheit als bloß faktische Reflexwirkung einer an den Vermieter gerichteten Bestimmung erweist:
3.1. Die Antragstellerinnen behaupten, dass jeder Arzt – um den Verpflichtungen des Ärztegesetzes entsprechen zu können – eine Räumlichkeit anmieten müsse, die sich generell als Ordinationsstätte eigne. Der für jeden Arzt "somit ohnehin eingeschränkte" Immobilienmarkt werde durch das 1. Stabilitätsgesetz 2012 "weiter eingeengt" und führe dazu, "dass an Ärzte entweder überhaupt nicht vermietet wird, oder aber, dass an Ärzte nur zu überhöhten Preisen – die deutlich (nämlich um rund 20%) über dem sonst verrechneten Preis liegen – vermietet wird […]".
3.2. Dem ist entgegenzuhalten, dass das Optionsrecht ein Gestaltungsrecht des Vermieters ist und der Mieter keinen zivilrechtlichen Anspruch auf Ausübung der Option durch den Vermieter hat (OGH 24.11.1998, 1 Ob 111/98z). Die angefochtenen Bestimmungen richten sich somit aber nicht an den Mieter. Adressaten der Regelungen sind ausschließlich Vermieter. Der Verfassungsgerichtshof verkennt dabei nicht, dass die von den Antragstellerinnen angefochtenen Bestimmungen unter Umständen die wirtschaftliche Position von Mietern, die nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt sind, beeinflussen können; dabei geht es aber nur um wirtschaftliche Reflexwirkungen der angefochtenen Bestimmungen (vgl VfSlg 16.186/2001, 19.583/2011).
V. Ergebnis
1. Der Antrag ist daher als unzulässig zurückzuweisen.
2. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
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