VfGH G24/11 ua

VfGHG24/11 ua6.10.2011

Keine Unsachlichkeit der im Nö Hundehaltegesetz festgelegten Vermutung eines erhöhten Gefährdungspotentials bestimmter Hunderassen und der daraus folgenden Leinen- und Beißkorbpflicht beim Führen eines Kampfhundes

Normen

B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
Nö HundehalteG §2 Abs2, §8 Abs4
B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
Nö HundehalteG §2 Abs2, §8 Abs4

 

Spruch:

Die Anträge werden abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. Sachverhalt, Antragsvorbringen und Vorverfahren

1. Beim Unabhängigen Verwaltungssenat im Land Niederösterreich (im Folgenden: UVS) sind Berufungsverfahren gegen drei Verwaltungsstrafbescheide der Bezirkshauptmannschaften Gänserndorf, Hollabrunn und Baden anhängig, mit denen über die Bescheidadressaten gemäß §10 Abs1 Z10 iVm §8 Abs4 NÖ Hundehaltegesetz eine Geldstrafe in Höhe von je 100 € (G24/11 und G45/11) bzw. 300 €

(G26/11) verhängt worden ist, weil sie einen Hund der Rasse Staffordshire Bullterrier (G24/11), Rottweiler (G26/11) oder Bullterrier (G45/11) - somit jeweils einen Hund mit erhöhtem Gefährdungspotential gemäß §2 Abs2 NÖ Hundehaltegesetz - an einem öffentlichen Ort im Ortsbereich nicht an der Leine und mit Maulkorb geführt haben.

2. Aus Anlass dieser Berufungsverfahren stellt der UVS beim Verfassungsgerichtshof die auf Art140 B-VG gestützten Anträge, folgende Ausdrücke im NÖ Hundehaltegesetz als verfassungswidrig aufzuheben:

a) zu G24/11:

b) zu G26/11:

c) zu G45/11:

3. Im Antrag zu G24/11 (sinngemäß ebenso in den Anträgen zu G26/11 und G45/11) führt der UVS zunächst zur Antragszulässigkeit aus, er habe im Hinblick darauf, dass der erstmitbeteiligten Partei ein Verstoß gegen §8 Abs4 NÖ Hundehaltegesetz insoweit zur Last gelegt wird, als sie einen zufolge §2 Abs2 leg.cit. unwiderleglich als gefährlich eingestuften Hund an einem öffentlichen Ort im Ortsgebiet nicht mit Leine und Maulkorb geführt habe, im anhängigen Berufungsverfahren die genannten Bestimmungen des NÖ Hundehaltegesetzes anzuwenden. Um seinen Bedenken Rechnung zu tragen, sei es erforderlich, §2 Abs2 NÖ Hundehaltegesetz hinsichtlich des Ausdrucks "Staffordshire Bullterrier" und/oder §8 Abs4 NÖ Hundehaltegesetz hinsichtlich des Ausdrucks "§2 und" aufzuheben.

In der Sache begründet der UVS seine verfassungsrechtlichen Bedenken im Verfahren G24/11 (und im Wesentlichen sinngemäß gleichlautend für Rottweiler im Verfahren G26/11 und für Bullterrier im Verfahren G45/11) wie folgt:

Aus dem NÖ Hundehaltegesetz "ergibt sich die - verwaltungsstrafbewehrte - Verpflichtung, Hunde an (näher definierten) öffentlichen Orten im Ortsbereich grundsätzlich entweder an der Leine oder mit Beißkorb zu führen. Handelt es sich beim fraglichen Tier um ein solches mit erhöhtem Gefährdungspotential (oder - hier nicht von Relevanz - um ein auffälliges Tier), so tritt an die Stelle dieser alternativen Verpflichtung eine kumulative. Als Hunde mit erhöhtem Gefährdungspotential definiert das Gesetz in §2 Abs1 leg.cit. in einem ersten Schritt solche, bei denen auf Grund ihrer wesensmäßig typischen Verhaltensweise, Zucht oder Ausbildung eine gesteigerte Aggressivität und Gefährlichkeit gegenüber Menschen und Tieren vermutet wird. Aufbauend auf diese allgemeine Regelung stellt Abs2 der genannten Bestimmung in einem weiteren Schritt die unwiderlegliche Vermutung auf, dass es sich bei Tieren bestimmter Rassen (bzw. Kreuzungen derselben untereinander) stets um Tiere mit erhöhtem Gefährdungspotential handelt. Zur ausschließlich an die Rasse anknüpfenden Zuordnung des Abs2 führen die Materialien (Antrag der Abgeordneten Bader u.a. vom 10.11.2009, Ltg.-412/A-1/30-2009, 4 f) aus:

'Die Bestimmung der potentiellen Gefährlichkeit eines Hundes allein auf Grund seiner Rasse ist zwar nach dem aktuellen Stand der einschlägigen Wissenschaft nicht unproblematisch. Nicht allein die genetische Veranlagung von Hunden einer bestimmten Rasse ist ausschlaggebend für die Gefährlichkeit eines Hundes ist [sic!], sondern vor allem falsche Behandlung, Ausbildung, Sozialisation oder sogar bestimmte Abrichteverfahren, die gerade darauf ausgerichtet sind, den Hund aggressiver zu machen, können zu einer erhöhten Gefährlichkeit eines Hundes führen - Tatsachen also, die durch den oder die jeweiligen Hundehalter verursacht sind. Dessen ungeachtet ist auch in der einschlägigen Wissenschaft nicht unbestritten, dass gewissen Hunden ein erhöhtes Gefährdungspotential immanent ist, das bei unsachgemäßer - bei manchen Hundehaltern gewünschter Ausbildung bzw. Abrichtung - zu Tage treten kann. Gerade bei bestimmten Rassen sind die daraus resultierenden Folgen oftmals unabschätzbar. In diesem Bewusstsein sollen aus den folgenden Gründen Hunde mit einem derart erhöhten Gefährdungspotential auf zwei Arten konkretisiert werden. Einerseits sollen bestimmte Rassen von Hunden schon im Gesetz selbst als Hunde mit erhöhtem Gefährdungspotential definiert werden. Die Nennung der in §2 genannten konkreten Rassen scheint insbesondere dadurch gerechtfertigt zu sein, da zu beobachten ist, dass gerade diese Rassen für unverantwortliche Züchter und Hundehalter insofern attraktiv sind, als gerade diese Hunde durch bestimmte Zuchtmethoden oder Ausbildungs- und Abrichteverfahren besonders häufig aggressiv und scharf gemacht werden und dadurch ein erhöhtes Gefährdungspotential aufweisen. Bei vielen der tragischen Verletzungen vor allem von Kindern waren Hunde gerade dieser Rassen beteiligt, die von den jeweiligen Hundehaltern im Einzelfall nicht beherrscht werden konnten oder nicht sach- und artgerecht gehalten wurden. Zudem sollen [richtig: soll] durch die Bestimmungen des NÖ Hundehaltegesetzes die Haltung derartiger Hunde nicht generell verboten werden, sondern an höhere Anforderungen geknüpft werden. Einen nahezu wortgleichen Katalog [richtig: Ein nahezu wortgleicher Katalog] der in §2 Abs2 genannten Hunde findet sich auch in Rechtsvorschriften anderer Mitgliedsstaaten der Europäischen Union. So bestimmt etwa §1 Abs1 der Verordnung der Bayerischen Staatsregierung vom 10. Juli 1992, GVBl 1992, S. 268, diese Hunderassen unwiderleglich als Kampfhunde.'

Der vorlegende Unabhängige Verwaltungssenat hegt - wie die erstmitbeteiligte Partei - das Bedenken, dass das Gesetz im angefochtenen Umfang gleichheitswidrig ist. Der in Art7 B-VG verankerte Gleichheitsgrundsatz verbietet nach ständiger Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes, wesentlich Ungleiches ohne sachliche Rechtfertigung gleich zu behandeln, aber auch, wesentlich Gleiches ohne sachliche Rechtfertigung ungleich zu behandeln (vgl. z.B. VfSlg. 13.725/1994; 16.653/2002). Freilich kann der Gesetzgeber bei seinen rechtspolitischen Überlegungen - ohne gegen den Gleichheitsgrundsatz zu verstoßen - auch von einer Durchschnittsbetrachtung ausgehen und auf den Regelfall abstellen. Der Umstand, dass eine - an sich sachliche - Regelung in Einzelfällen zu unbefriedigenden Ergebnissen und Härten führt, berührt die Sachlichkeit der Regelung grundsätzlich nicht (z.B. VfSlg. 9645/1983; 8457/1978). Gleichwohl wird ebenso aus Sachlichkeitserwägungen vielfach dafür Vorsorge zu treffen sein, in besonders berücksichtigungswürdigen Einzelfällen Ausnahmen von generellen Regelungen und damit (wenn auch nur ausnahmsweise) eine Einzelfallfallprüfung zu ermöglichen (z.B. VfSlg. 14.212/1995; 16.534/2002; 17.340/2004).

Stehen nun einer Durchschnittsbetrachtung dann keine Bedenken entgegen, wenn diese in entsprechenden wissenschaftlichen Untersuchungen ihre Grundlage findet, überschreitet der Gesetzgeber seinen Beurteilungsspielraum, wenn es an derartigen Grundlagen fehlt oder er sich der Ansicht der deutlichen Mehrheit der Sachverständigen verschließt (zur Bedeutung derartiger Expertenmeinungen vgl. VfSlg. 12.182/1989; Pöschl, Gleichheit vor dem Gesetz [2007] 243 f m. N., 473 ff). Der Beurteilung ist dabei jeweils der aktuelle Meinungsstand zugrunde zu legen, sodass von einer sachlichen Rechtfertigung insbesondere dann nicht (mehr) ausgegangen werden kann, wenn der Gesetzgeber seinen Überlegungen veraltete Erkenntnisse zugrunde legt (vgl. VfSlg. 11.048/1986; 16.678/2002; 18.093/2007).

Im konkreten Fall fußt die Differenzierung der Haltungsvoraussetzungen ausschließlich auf der Zugehörigkeit des Tieres zu einer bestimmten Rasse. Nicht nur, dass sich der in §2 Abs2 gewählte Ansatz von jenem abhebt, wie er sich in der allgemeinen Umschreibung des Abs1 wieder findet (dort stellt das Gesetz - wenn auch nicht kumulativ - auf weitere, die Gefährlichkeit begründende Momente ab), verweisen selbst die Materialien darauf, dass dieser Ansatz nach dem aktuellen Stand der einschlägigen Wissenschaft nicht unproblematisch ist. Mehr noch findet bzw. fand dieser Ansatz richtigerweise bereits im Zeitpunkt der Erlassung keine Deckung im (damals) aktuellen Stand der Wissenschaften. [...]

Gleichartig betonte auch das Bundesverfassungsgericht in seinem Erkenntnis vom 16.3.2004, 1 BvR 1778/01 (Rz 74 f; u.a. unter Berufung auf BVerwGE 116, 347), es herrsche Einigkeit darüber, dass nach dem (damaligen) wissenschaftlichen Erkenntnisstand allein aus der Zugehörigkeit eines bestimmten Hundes zu einer bestimmten Rasse nicht auf seine Gefährlichkeit geschlossen werden könne. Ob und in welchem Maße ein Hund für den Menschen zu einer Gefahr werden könne, hänge vielmehr von einer Vielzahl von Faktoren - neben bestimmten Zuchtmerkmalen etwa von dessen Erziehung, Ausbildung und Haltung, von situativen Einflüssen, vor allem aber von der Zuverlässigkeit und Sachkunde seines Halters - ab.

Aus dem Gesagten ergibt sich nach Ansicht des Unabhängigen Verwaltungssenats in einem ersten Schritt, dass es einer alleine an die Rassezugehörigkeit anknüpfenden Differenzierung an einer sachlichen Rechtfertigung mangelt. Zumal dieser Beurteilung immer der aktuelle Meinungsstand zugrunde zu legen ist, vermag richtigerweise auch aus dem Umstand nichts gewonnen zu werden, dass der Bayrische Verordnungsgeber 1992 und damit vor knapp 20 Jahren - auf Basis des damaligen Meinungsstandes - eine der hier interessierenden Bestimmung vergleichbare Regelung schuf (vgl. auch die in BVerfG 16.3.2004, 1 BvR 1778/01 [Rz 3] referierte frühere uneinheitliche Rechtsprechung in Deutschland).

Der Unabhängige Verwaltungssenat verkennt dabei mit Blick auf die weitere Argumentation des BVerfG (a.a.0, Rz 74 f), die sich inhaltlich auch in den Materialien zum NÖ Hundehaltegesetz wiederfindet, nicht, dass ein legitimer Anlass zum Handeln des Gesetzgebers auch dann gegeben sein kann, wenn das schädigende Ereignis das Zusammenwirken unterschiedlicher Faktoren voraussetzt, soweit diese mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zusammentreffen können. Konkret stellten - so das BVerfG unter Berufung auf wissenschaftliche Untersuchungen aus dem Jahr 2000 - bestimmte Hundegruppen wie insbesondere Staffordshire-Bullterrier im Hinblick auf angeborene Verhaltensbereitschaften ein Potential zur Erzeugung gefährlicher Hunde dar. Gleichwohl vermag richtigerweise (unabhängig davon, ob die dem Erkenntnis des BVerfG zugrunde gelegten Expertisen noch Aktualität für sich beanspruchen können) auch aus diesen Überlegungen für den vorliegenden Fall nichts gewonnen zu werden. Zwar wäre es dem Gesetzgeber aufgrund der im Erkenntnis relevierten Umstände nicht verwehrt, eine Vermutung der Gefährlichkeit bestimmter Hunderassen aufzustellen und deren Haltung zumindest zunächst erhöhten Anforderungen zu unterstellen. Allerdings geböte es die - einhellig betonte - Bedeutung der Erziehung bzw. der Haltungsumstände für die Gefährlichkeit des Tieres, entsprechende Möglichkeiten zu schaffen, etwa bei Nachweis einer bestimmten Ausbildung das einzelne Individuum aus der Gruppe der gefährlichen Tiere herauszulösen und eine Einzelfallprüfung - wie sie sich in §3 NÖ Hundehaltegesetz mit umgekehrtem Vorzeichen findet - zuzulassen. Zumal eine solche Möglichkeit nicht besteht, bleiben die gegen die angefochtenen Bestimmungen gehegten verfassungsrechtlichen Bedenken aufrecht."

4. Die NÖ Landesregierung erstattete in allen drei Verfahren Äußerungen, in denen sie beantragt, die Anträge des UVS als unbegründet abzuweisen. Sie bringt dazu im Wesentlichen vor:

4.1. zu G24/11:

"In der Begründung des Initiativantrages vom 10. November 2009, Ltg.-412/A-1/30-2009, wird zu §2 Folgendes ausgeführt:

'Gerade bei bestimmten Rassen sind die daraus resultierenden Folgen oftmals unabschätzbar. In diesem Bewusstsein sollen aus den folgenden Gründen Hunde mit einem derart erhöhten Gefährdungspotential auf zwei Arten konkretisiert werden. Einerseits sollen bestimmte Rassen von Hunden schon im Gesetz selbst als Hunde mit erhöhtem Gefährdungspotential definiert werden. Die Nennung der in §2 genannten konkreten Rassen scheint insbesondere dadurch gerechtfertigt zu sein, da zu beobachten ist, dass gerade diese Rassen für unverantwortliche Züchter und Hundehalter insofern attraktiv sind, als gerade diese Hunde durch bestimmte Zuchtmethoden oder Ausbildungs- und Abrichteverfahren besonders häufig aggressiv und scharf gemacht werden und dadurch ein erhöhtes Gefährdungspotential aufweisen. Bei vielen der tragischen Verletzungen vor allem von Kindern waren Hunde gerade dieser Rassen beteiligt, die von den jeweiligen Hundehaltern im Einzelfall nicht beherrscht werden konnten oder nicht sach- und artgerecht gehalten wurden. Zudem sollen [richtig: soll] durch die Bestimmungen des NÖ Hundehaltegesetzes die Haltung derartiger Hunde nicht generell verboten werden, sondern an höhere Anforderungen geknüpft werden. Einen nahezu wortgleichen Katalog [richtig: Ein nahezu wortgleicher Katalog] der in §2 Abs2 genannten Hunde findet sich auch in Rechtsvorschriften anderer Mitgliedsstaaten der Europäischen Union. So bestimmt etwa §1 Abs1 der Verordnung der Bayerischen Staatsregierung vom 10. Juli 1992, GVBI 1992, S. 268, diese Hunderassen unwiderleglich als Kampfhunde.'

Mit der Einstufung eines Hundes als 'Hund mit erhöhtem Gefährdungspotential' ist gemäß §8 Abs4 leg.cit. die Verpflichtung des Halters oder der Halterin verbunden, diesen Hund an den in §8 Abs2 leg.cit. angeführten öffentlichen Orten und Einrichtungen im Ortsbereich mit Maulkorb und Leine zu führen.

Dem gegenüber müssen nach §8 Abs3 leg.cit. Hunde, die kein erhöhtes Gefährdungspotential aufweisen, an den in §8 Abs2 leg.cit. angeführten öffentlichen Orten und Einrichtungen an der Leine oder mit Maulkorb geführt werden.

Die Auswirkungen der an der Hunderasse anknüpfenden Differenzierung liegen somit im gegebenen präjudiziellen Zusammenhang ausschließlich darin, dass Hunde mit erhöhtem Gefährdungspotential an bestimmten Orten mit Maulkorb und Leine, Hunde ohne erhöhtem Gefährdungspotential jedoch mit Maulkorb oder Leine zu führen sind.

Nach Ansicht der NÖ Landesregierung ist diese Regelung sehr wohl sachlich begründet und entspricht somit dem Gleichheitsgrundsatz (Art7 B-VG). Eine Verfassungswidrigkeit kann insbesondere aus folgenden Gründen nicht erblickt werden:

Bereits aus §1 des NÖ Hundehaltegesetzes geht hervor, dass das Gesetz dem Schutz von Menschen und Tieren vor Gefährdungen und unzumutbaren Belästigungen, die sich aus der Hundehaltung ergeben können, dient. Dies ist die Zielsetzung des NÖ Hundegesetzes. Im Besonderen zielt die in §8 Abs4 leg.cit. angeführte Verpflichtung, dass Hunde mit erhöhtem Gefährdungspotential immer mit Maulkorb geführt werden müssen, auf die Abwehr von Gefahren ab. Diese Maßnahme bezweckt somit auch die Vorbeugung eben dieser Gefahren. So wird in den Erläuterungen dazu klargestellt, dass die Verpflichtung, wonach Hunde immer mit Maulkorb geführt werden müssen, der 'Vermeidung potentieller Gefahren' dient. Im Übrigen können durch diese Maßnahme auch Menschen beruhigt werden.

Der Verfassungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 9. März 2011, G60/10, V80/10-13, entschieden, dass keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen gesetzliche Regelungen bestehen, mit denen die Zulässigkeit der Haltung von Tieren, von denen potenziell Gefahr für Leben und Gesundheit von Menschen (insbesondere auch Kindern) ausgeht, an die Bedingung geknüpft wird, dass ein Hundeführschein erforderlich ist. Der Gesetzgeber kann diese Bedingung für bestimmte Hunderassen vorsehen. Es besteht ein rechtspolitischer Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers in der Erreichung des zulässigen Zieles, dass die Haltung von Tieren in einer Weise durchzuführen ist, dass Menschen nicht gefährdet bzw. unzumutbar belästigt und fremde Sachen nicht beschädigt werden.

In diesem Erkenntnis ist der Verfassungsgerichtshof dem Verordnungsgeber bei der Aufnahme der Hunderasse 'American Staffordshire Terrier' in die Verordnung der Wiener Landesregierung über die Festlegung von hundeführscheinpflichtigen Hunden, LGBl. Nr. 33/2010, nicht entgegengetreten. Dazu wird ausgeführt, dass vor allem die Bissigkeit von Hunden ein relevantes Kriterium für die Gefährlichkeit der betreffenden Rasse für Menschen darstellt und dass sich die Aufnahme der Rasse 'American Staffordshire Terrier' in die Verordnung aus dem Umstand, dass im Jahr 2009 12 % aller Hundebisse in Wien von der Rasse verursacht worden sind, ergeben habe.

Die Rasse 'American Staffordshire Terrier' und die im gegenständlichen Verfahren bezogene Rasse 'Staffordshire Bullterrier' haben auf Grund ihrer Entstehung (Abstammung, Zuchtselektion) ein vergleichbares Gefährdungspotential."

Nach näheren Ausführungen über die Entstehung der Rasse "Staffordshire Bullterrier" als "Kampfhunde" weist die NÖ Landesregierung darauf hin, dass es in Niederösterreich immer wieder zu Unfällen mit Hunden der Rasse "Staffordshire Bullterrier" und dabei auch zu schweren Körperverletzungen komme. Der im Antrag des UVS enthaltene Hinweis auf die Entscheidung des deutschen Bundesverfassungsgerichts vom 16. März 2004, 1 BvR 1778/01, sei deswegen nicht zielführend, weil sich die Rechtslage in Deutschland wesentlich von jener nach dem NÖ Hundehaltegesetz unterscheide. Beim Urteil des Bundesverfassungsgerichts seien wesentlich stärkere Auswirkungen der Differenzierung zu beurteilen gewesen, wie Verbringungsverbote, Einfuhrbeschränkungen und Maßnahmen zur Verhinderung von Nachkommen. Im vorliegenden Verfahren nach dem NÖ Hundehaltegesetz seien bloß Auswirkungen betreffend das Halten von Hunden zu beurteilen.

4.2. zu G26/11:

Neben im Wesentlichen gleichartigen Ausführungen weist die NÖ Landesregierung in ihrer Stellungnahme im Verfahren zu G26/11 darauf hin, dass es in Niederösterreich immer wieder zu Zwischenfällen mit Hunden der Rasse "Rottweiler" komme:

"Folgende tödliche Zwischenfälle haben sich ereignet:

Folgende Zwischenfälle mit schweren Körperverletzungen haben sich ereignet:

4.3. Insgesamt geht die NÖ Landesregierung davon aus, dass die hier in Rede stehenden Hunderassen "Staffordshire Bullterrier", "Rottweiler" und "Bullterrier" über ein erhöhtes Gefährdungspotential verfügten. Der Gesetzgeber bewege sich innerhalb seines rechtspolitischen Gestaltungsspielraumes, wenn er für das Führen dieser Hunderassen an öffentlichen Orten und Einrichtungen im Ortsbereich einen Beißkorb- und Leinenzwang festlege.

5. Zu G24/11 erstattete der Berufungswerber im zugrundeliegenden Verwaltungsstrafverfahren vor dem UVS eine Äußerung als beteiligte Partei. Darin teilt er mit näherer Begründung die verfassungsrechtlichen Bedenken des UVS konkret im Hinblick auf die Hunderasse "Staffordshire Bullterrier". Insbesondere sei die Einstufung gewisser Hunde bloß aufgrund ihrer Rassenzugehörigkeit als "gefährliche" Hunde unsachlich. Auch bestehe gerade keine Korrelation zwischen der Häufigkeit von Bissvorfällen an Menschen und den in §2 Abs2 NÖ Hundehaltegesetz gelisteten Hunderassen. Es gehe weder aus dem Gesetz noch aus den Materialien hervor, weshalb zum Beispiel der Staffordshire Bullterrier im Gesetz gelistet sei und beispielsweise Schäferhund oder Dackel nicht genannt würden. Nicht erkennbar sei, weswegen etwa bei Schäferhunden die Bisskraft und die Bisshäufigkeit keine Rolle spielen sollen, obwohl diese, empirisch belegbar, einen signifikanten Anteil an Beißunfällen mit Menschen tragen würden.

II. Rechtslage

Die maßgeblichen Bestimmungen des NÖ Hundehaltegesetzes, LGBl. 4001, haben folgenden Wortlaut:

"§1

Allgemeine Anforderungen für das Halten von Hunden

(1) Wer einen Hund hält, muss die dafür erforderliche Eignung aufweisen und hat das Tier in einer Weise zu führen und zu verwahren, dass Menschen und Tiere nicht gefährdet oder unzumutbar belästigt werden können.

(2) [...]

§2

Hunde mit erhöhtem Gefährdungspotential

(1) Hunde mit erhöhtem Gefährdungspotential sind Hunde, bei denen auf Grund ihrer wesensmäßig typischen Verhaltensweise, Zucht oder Ausbildung eine gesteigerte Aggressivität und Gefährlichkeit gegenüber Menschen und Tieren vermutet wird.

(2) Bei Hunden folgender Rassen oder Kreuzungen sowie deren Kreuzungen untereinander oder mit anderen Hunden wird ein erhöhtes Gefährdungspotential stets vermutet:

o Bullterrier

o American Staffordshire Terrier

o Staffordshire Bullterrier

o Dogo Argentino

o Pit-Bull

o Bandog

o Rottweiler

o Tosa lnu

(3) Die Landesregierung kann durch Verordnung weitere Rassen oder Kreuzungen von Hunden bestimmen, bei denen aufgrund ihrer wesensmäßig typischen Verhaltensweise, Zucht oder Ausbildung eine gesteigerte Aggressivität und Gefährlichkeit gegenüber Menschen und Tieren vermutet wird.

(4) Bestehen bei Kreuzungen untereinander oder mit anderen Hunden Zweifel, ob der Hund unter die obigen Bestimmung [sic!] fällt, hat der Hundehalter ein Sachverständigen-Gutachten vorzulegen, aus dem unter Zugrundelegung von Zuordnungskriterien wie Erscheinungsbild, Wesen, Bewegungsablauf hervor zu gehen hat, dass der Hund nicht unter die obigen Bestimmungen fällt.

§3

Auffällige Hunde

[...]

§8

Führen von Hunden

[...]

(2) Wer einen Hund führt, muss die Exkremente des Hundes, welche dieser an öffentlichen Orten im Ortsbereich, das ist ein baulich oder funktional zusammenhängender Teil eines Siedlungsgebietes, sowie in öffentlichen Verkehrsmitteln, Schulen, Kinderbetreuungseinrichtungen, Parkanlagen, Einkaufszentren, Freizeit- und Vergnügungsparks, Stiegenhäusern und Zugängen zu Mehrfamilienhäusern und in gemeinschaftlich genutzten Teilen von Wohnhausanlagen hinterlassen hat, unverzüglich beseitigen und entsorgen.

(3) An den in Abs2 genannten Orten müssen Hunde an der Leine oder mit Maulkorb geführt werden.

(4) Hunde gemäß §2 und §3 sind an den in Abs2 genannten Orten immer mit Maulkorb und Leine zu führen.

§10

Verwaltungsübertretung

(1) Eine Verwaltungsübertretung begeht, wer

1. [...]

[...]

10. gegen die Bestimmung des §8 Abs4 verstößt.

(2) Verwaltungsübertretungen sind, sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet, von der Bezirksverwaltungsbehörde mit einer Geldstrafe bis zu € 10.000,- und im Fall der Uneinbringlichkeit mit einer Ersatzfreiheitsstrafe bis zu 4 Wochen, im Falle einer Bestrafung gemäß Abs1 Z. 2, 3 und 9 mit einer Geldstrafe bis zu € 7.000,- und im Fall der Uneinbringlichkeit mit einer Ersatzfreiheitsstrafe bis zu 3 Wochen zu bestrafen."

III. Erwägungen

Die Anträge sind zulässig, aber nicht begründet:

1. Prozessvoraussetzungen

Dass der UVS in den bei ihm anhängigen Verfahren die jeweils in Rede stehende Hunderassenbezeichnung in §2 Abs2

NÖ Hundehaltegesetz anzuwenden hat, ist nicht zweifelhaft geworden. Zur Beseitigung der behaupteten Verfassungswidrigkeit würde es genügen, die jeweils primär angefochtene Benennung der im Verfahren vor dem UVS konkret in Rede stehenden Hunderasse in §2 Abs2 NÖ Hundehaltegesetz - also die Bezeichnungen "Staffordshire Bullterrier", "Rottweiler" und "Bullterrier" - aus der genannten Bestimmung zu entfernen. Die vom UVS jeweils gestellten (Haupt-)Anträge sind also, da den Anträgen auch keine anderen Prozesshindernisse entgegenstehen, zulässig.

Bei diesem Ergebnis erübrigt es sich, auf die erkennbar nur für den Fall der Unzulässigkeit des jeweiligen Hauptantrags gestellten Eventualanträge des UVS näher einzugehen.

2. In der Sache

2.1. Der Verfassungsgerichtshof hat sich in einem auf Antrag eingeleiteten Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes gemäß Art140 B-VG auf die Erörterung der aufgeworfenen Bedenken zu beschränken (vgl. VfSlg. 12.691/1991, 13.471/1993, 14.895/1997, 16.824/2003). Er hat sohin ausschließlich zu beurteilen, ob die angefochtene Bestimmung aus den in der Begründung des Antrags dargelegten Gründen verfassungswidrig ist (VfSlg. 15.193/1998, 16.374/2001, 16.538/2002, 16.929/2003).

2.2. Aus §2 Abs2 iVm §8 Abs4 NÖ HundehalteG ergibt sich die - verwaltungsstrafbewehrte - Verpflichtung, Hunde der in den Anlassverfahren vor dem UVS jeweils in Rede stehenden Hunderassen an öffentlichen Orten im Ortsbereich immer mit Maulkorb und Leine zu führen. Damit unterscheidet sich diese Verpflichtung für die Halter von Hunden der in §2 Abs2 NÖ HundehalteG aufgezählten Rassen (oder von Personen, denen der Halter den Hund zum Führen überlassen hat) von derjenigen für Halter anderer (und auch nicht im Sinne des §3 NÖ HundehalteG "auffälliger") Hunde dahingehend, dass alle sonstigen Hunde an öffentlichen Orten im Ortsbereich nur entweder an der Leine oder mit Maulkorb geführt werden müssen (s. §8 Abs3 NÖ HundehalteG).

§8 Abs4 NÖ HundehalteG macht also die erhöhte Sorgfaltspflicht des Hundehalters beim Führen seines Hundes an öffentlichen Orten im Ortsbereich unter anderem davon abhängig, ob der Hund zu einer der im §2 Abs2 aufgezählten Hunderassen gehört. §2 Abs2 NÖ HundehalteG fasst dabei jene Hunderassen zusammen, die herkömmlich insbesondere aufgrund ihrer Zuchtgeschichte und ihrer (wenn auch in vielen Fällen historischen) Bestimmung nach als "Kampfhunde" bezeichnet werden. Für diese Hunde vermutet der Gesetzgeber generell ein erhöhtes Gefährdungspotential, an das er erhöhte Sorgfaltsanforderungen des Hundehalters (unter anderem und allein hier in Rede stehend) beim Führen des Hundes an öffentlichen Orten im Ortsbereich knüpft.

2.3. Gegen diese Regelung hegt der UVS das Bedenken der Gleichheitswidrigkeit: Es sei unzulässig, ein solches erhöhtes Gefährdungspotential und die daraus abgeleitete erhöhte Sorgfaltspflicht des Hundehalters ausschließlich aus der Zugehörigkeit des Tieres zu einer bestimmten Rasse abzuleiten. Ein solches genetisch bedingtes Gefährdungspotential sei wissenschaftlich nicht begründet. Eine Durchschnittsbetrachtung dürfe der Gesetzgeber nur anstellen, wenn diese in entsprechenden wissenschaftlichen Untersuchungen ihre Grundlage finde. Der Gesetzgeber überschreite seinen Beurteilungsspielraum, wenn es an derartigen Grundlagen fehle oder er sich der Ansicht der deutlichen Mehrheit der Sachverständigen verschließe. Im Hinblick auf eine Entscheidung des deutschen Bundesverfassungsgerichts (BVerfG 16.3.2004, 1 BvR 1778/01) und ein darin angesprochenes, aus angeborenen Verhaltensbereitschaften bestimmter Gruppen von Hunden folgendes Potential zur Erzeugung gefährlicher Hunde sieht der UVS den Gesetzgeber, so diese Überlegung noch Aktualität für sich beanspruchen könne, zwar nicht gehindert, allenfalls eine Vermutung der Gefährlichkeit bestimmter Hunderassen aufzustellen und an deren Haltung zunächst erhöhte Anforderungen zu stellen; allerdings geböte es die von Experten einhellig betonte Bedeutung der Erziehung bzw. der Haltungsumstände für die Gefährlichkeit des Tieres, Möglichkeiten zu schaffen, im Wege einer Einzelfallprüfung etwa eine bestimmte Ausbildung nachzuweisen und damit für das Halten (und Führen) eines konkreten Hundes die Vermutung des erhöhten Gefährdungspotentials widerlegen zu können.

2.4. Die im NÖ HundehalteG aufgestellten Anforderungen für das Halten von Hunden dienen ausweislich seines §1 Abs1 der Gewährleistung, "dass Menschen und Tiere nicht gefährdet oder unzumutbar belästigt werden." Schutzzweck des NÖ Hundehaltegesetzes ist also zum einen (und primär) die Sicherheit von Menschen (und Tieren), zum anderen aber auch die öffentliche Ordnung im Sinne eines gedeihlichen Miteinanders von Hundehaltern untereinander sowie mit ihren Mitmenschen. Dabei ist für den Verfassungsgerichtshof die vielfältige Bedeutung des Haltens von Hunden als Haustier für den Menschen ebenso unzweifelhaft wie der von allen Parteien des Verfahrens betonte Umstand, dass Verantwortung für das Verhalten des Hundes immer der Mensch trägt.

Wie sich aus den auch vom antragstellenden UVS ausführlich bezogenen Materialien zum NÖ HundehalteG (Antrag der Abgeordneten Bader ua. vom 10.11.2009, Ltg.-412/A-1/30-2009) ergibt, leitet der Gesetzgeber das "erhöhte Gefährdungspotential" der im §2 Abs2 NÖ HundehalteG genannten Hunderassen und die daran geknüpfte erhöhte Sorgfaltspflicht beim Führen dieser Hunde an öffentlichen Orten im Ortsbereich unter anderem auch daraus ab, "dass gerade diese Rassen für unverantwortliche Züchter und Hundehalter insofern attraktiv sind, als gerade diese Hunde durch bestimmte Zuchtmethoden oder Ausbildungs- und Abrichteverfahren besonders häufig aggressiv und scharf gemacht werden und dadurch ein erhöhtes Gefährdungspotential aufweisen. Bei vielen der tragischen Verletzungen vor allem von Kindern waren Hunde gerade dieser Rassen beteiligt, die von den jeweiligen Hundehaltern im Einzelfall nicht beherrscht werden konnten oder nicht sach- und artgerecht gehalten wurden." (Antrag Bader ua., aaO, S 4 f.)

Die im §8 Abs3 und Abs4 NÖ HundehalteG angesprochenen Sorgfaltspflichten des Hundehalters für das Führen von Hunden an öffentlichen Orten im Ortsbereich sind für die Zielsetzungen des NÖ Hundehaltegesetzes von wesentlicher Bedeutung. Es ist für die Sicherheit der Menschen, aber gerade auch für eine keine unzumutbaren Belästigungen anderer Menschen und Tiere bewirkende Nutzung von öffentlichen Orten im Ortsbereich durch Hundehalter nicht nur wichtig, dass die Hunde so geführt werden, dass Gefährdungen ausgeschlossen und unzumutbare Belästigungen hintangehalten sind; es ist gerade im Hinblick auf die in einem gedeihlichen Miteinander bestehende Ordnung und damit für das Hintanhalten unzumutbarer Belästigungen ebenso wesentlich, dass alle Menschen, die diese öffentlichen Orte nutzen, Vertrauen haben können, dass Hunde an diesen Orten in einer die Ziele des §1 Abs1 NÖ HundehalteG gewährleistenden Weise geführt werden.

Vor diesem Hintergrund ist es nicht unsachlich und überschreitet der Gesetzgeber den ihm zustehenden Gestaltungsspielraum nicht, wenn er für die in §2 Abs2 NÖ HundehalteG genannten, allgemein als "Kampfhunde" wahrgenommenen Hunderassen anordnet, dass sie an öffentlichen Orten im Ortsbereich mit Leine und Maulkorb geführt werden müssen. Angesichts der Zumutbarkeit der damit für den Hundehalter verbundenen Einschränkung und der Bedeutung des mit der Regelung verfolgten Ziels der Aufrechterhaltung der Sicherheit und Ordnung an öffentlichen Orten kann der Gesetzgeber schon aus diesem Grund dabei im Wege einer Durchschnittsbetrachtung (auch) darauf abstellen, dass die in §2 Abs2 NÖ HundehalteG genannten "Kampfhunde" von anderen Menschen typischerweise als solche mit erhöhtem Gefährdungspotential wahrgenommen werden und daher besondere Maßnahmen erforderlich sind, um diesen anderen Menschen Vertrauen in das sichere und keine unzumutbaren Belästigungen verursachende Führen solcher Hunde an öffentlichen Orten zu verschaffen. Wie die NÖ Landesregierung eben zu Recht hervorhebt, sollen und "können durch diese Maßnahme auch Menschen beruhigt werden."

Der Gesetzgeber ist durch das Sachlichkeitsgebot des Gleichheitsgrundsatzes schon aus diesem Grund und ungeachtet verwaltungsökonomischer Überlegungen nicht gehalten, diese Sorgfaltspflichten von einer individuellen Prüfung des einzelnen Hundehalters und seines Tieres abhängig zu machen.

Es kommt daher im vorliegenden Zusammenhang gar nicht mehr darauf an, dass der Schutz von Menschen auch weitergehende Maßnahmen beim Halten von Hunden mit entsprechendem Gefährdungspotential rechtfertigen könnte.

2.5. Die vom antragstellenden UVS vorgebrachten Bedenken, auf deren Erörterung sich der Verfassungsgerichtshof zu beschränken hat, treffen sohin nicht zu.

2.6. Zur Vermeidung von Missverständnissen und im Hinblick auf die Ausführungen der mitbeteiligten Partei im Verfahren G24/11 sieht sich der Verfassungsgerichtshof veranlasst, ergänzend anzumerken, dass im Hinblick auf die verfolgte Zielsetzung die in §2 Abs2 NÖ HundehalteG enthaltene Aufzählung von, allesamt eben als "Kampfhunde" wahrgenommenen Hunderassen auch an sich nicht unsachlich ist, weil diesen Hunderassen - wie der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 9. März 2011, G60/10, V80/10, für den "American Staffordshire Terrier" festgehalten hat - im Hinblick auf die Häufigkeit der Verursachung von Hundebissen eine relevante Bedeutung zukommt.

Es liegt im Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers, Hunde wie den Schäferhund - unabhängig von einer statistischen "Bisshäufigkeit" - nicht als "Kampfhunde" zu qualifizieren und es daher in größerem Maße der Ausübung der Sorgfaltspflicht durch den Halter des Schäferhundes zu überlassen, das Tier so zu führen, dass Menschen und Tiere nicht gefährdet oder unzumutbar belästigt werden können. Ebenso im gesetzgeberischen Gestaltungsspielraum liegt die damit verbundene Einschätzung, wie andere Menschen, die öffentliche Orte im Ortsbereich nutzen, das Gefährdungspotential von "Kampfhunden" einer- und Schäferhunden andererseits (typischerweise) bewerten. Der Gesetzgeber stuft nicht die Sorgfaltspflicht des Hundehalters je nach Hunderasse ab - diese Sorgfaltspflicht besteht vielmehr unabhängig von der konkreten Hunderasse in gleicher Weise -, sondern er schränkt nur die Entscheidung des Hundehalters, wie er diese Sorgfaltspflicht beim Führen des Hundes an öffentlichen Orten im Ortsbereich wahrnimmt, für "Kampfhunde" um ein - wie oben dargelegt nicht unverhältnismäßiges - Stück mehr ein (indem er generell Leinen- und Maulkorbpflicht beim Führen eines "Kampfhundes" anordnet, während der Halter des Schäferhundes entscheiden kann und muss, ob er die auch ihm durch §1 Abs1 NÖ HundehalteG uneingeschränkt auferlegte Verpflichtung durch eine oder nur durch beide der genannten Maßnahmen gewährleisten kann).

IV. Ergebnis und damit zusammenhängende Ausführungen

Die in sinngemäßer Anwendung der §§187 und 404 ZPO iVm §35 VfGG zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbundenen Anträge des UVS auf Aufhebung der Worte "Staffordshire Bullterrier", "Rottweiler" und "Bullterrier" in §2 Abs2 NÖ HundehalteG haben sich somit als unbegründet erwiesen und sind daher abzuweisen.

Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne vorangegangene mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

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