VfGH G237/97

VfGHG237/971.12.1998

Zurückweisung des Individualantrags auf Aufhebung einer Bestimmung des TabakmonopolG 1996 betreffend Normierung einer Bedarfsprüfung für neu zu errichtende Trafiken infolge Zumutbarkeit des ordentlichen Rechtsweges

Normen

B-VG Art140 Abs1 / Individualantrag
TabakmonopolG 1996 §24 Abs1
TabakmonopolG 1996 §34 Abs1
B-VG Art140 Abs1 / Individualantrag
TabakmonopolG 1996 §24 Abs1
TabakmonopolG 1996 §34 Abs1

 

Spruch:

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung

I. 1. Gestützt auf Art140 B-VG begehrt die Antragstellerin, §24 Abs1 Tabakmonopolgesetz 1996, BGBl. Nr. 830/1995, in eventu die Worte "dringender" und "und eine nicht zumutbare Schmälerung des Ertrages benachbarter Tabaktrafiken ausgeschlossen erscheint" in §24 Abs1 Tabakmonopolgesetz 1996 als verfassungswidrig aufzuheben und ihr den Ersatz der aufgelaufenen Kosten zuzusprechen. Die genannte Bestimmung verstoße gegen das Grundrecht auf Erwerbsfreiheit und gegen den Gleichheitssatz.

2. Die angefochtene Bestimmung lautet:

"§24 (1) Eine Tabaktrafik darf an einem Standort, an dem bisher noch kein solches Geschäft bestand, nur dann errichtet werden, wenn hiefür ein dringender Bedarf besteht und eine nicht zumutbare Schmälerung des Ertrages benachbarter Tabaktrafiken ausgeschlossen erscheint."

3. Die Antragstellerin begründet ihre Antragslegitimation wie folgt:

3.1. Die Antragstellerin habe als Betreiberin eines Lebensmittelmarktes mit Schreiben vom 12.3.1996 bei der Monopolverwaltungsstelle für Tirol der Austria Tabak die Ausstellung einer Verschleißbefugnis für Tabakwaren beantragt. Die betreffende Monopolverwaltungsstelle habe das Ansuchen mangels eines Bedarfes im Sinne des §24 Tabakmonopolgesetz 1996 und, in einem weiteren ablehnenden Schreiben, mit Argumenten des Existenzschutzes bestehender Trafiken abgewiesen.

3.2. Die in §24 Abs1 Tabakmonopolgesetz 1996 normierte Bedarfsprüfung greife als Voraussetzung für den Antritt der Erwerbstätigkeit unmittelbar und aktuell in ihre Erwerbsfreiheit und damit ihre Rechtssphäre ein, da aufgrund dieser die Monopolverwaltung keinen Bestellungsvertrag mit ihr schließe.

3.3. Die Beschreitung eines anderen Rechtsweges sei der Antragstellerin unzumutbar. Die Erwirkung eines Bescheides sei aufgrund der privatrechtlichen Natur des Rechtsverhältnisses zwischen der Monopolverwaltung und dem zu bestellenden Tabaktrafikanten nicht möglich; die Beschreitung des ordentlichen Rechtsweges mittels Klage auf Annahme des Anbotes beim ordentlichen Gericht sei zwar möglich, aber unzumutbar. Die Antragstellerin verweist auf verfassungsgerichtliche Rechtsprechung, derzufolge die Führung eines aufwendigen Wettbewerbsprozesses zum Zweck, verfassungsrechtliche Bedenken gegen ein Gesetz an den Verfassungsgerichthof herantragen zu können, unzumutbar sei. Im vorliegenden Fall sei daher ein Zivilverfahren mit sicherem negativen Ausgang, das nur deshalb angestrengt würde, um eine Gesetzesanfechtung durch ein Gericht zu ermöglichen, ebenfalls unzumutbar.

4. Die Bundesregierung erstattete eine Äußerung, in der sie auch zur Antragslegitimation Stellung nimmt.

4.1. Der Antragstellerin stehe ein zumutbarer Rechtsweg zur Verfügung, ihre verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die bekämpfte Norm geltend zu machen. Bei der Besetzung einer neu zu errichtenden Tabakverkaufsstelle, für die gemäß §25 Abs7 Z5 leg.cit. die Ausschreibung entfallen könne, könne nach dem Regelungssystem des Tabakmonopolgesetzes 1996 im Fall der negativen Beurteilung der Voraussetzungen des §24 Abs1 Tabakmonopolgesetz 1996 durch die Monopolverwaltung GmbH in einem Verfahren vor den ordentlichen Gerichten auf Abschluß eines Bestellungsvertrages geklagt werden. Die Bestellung eines Tabaktrafikanten sei ein Akt des Privatrechtes. Dieser Zivilrechtsweg sei nach der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes (unter Hinweis auf VfSlg. 14458/1996) zumutbar, wobei es auf die materiellen Erfolgschancen nicht ankomme.

Dies räume selbst die Antragstellerin ein, die im übrigen sogar vom Vorliegen eines Bedarfes ausginge. Demnach wäre eine Klage auf Abschluß eines Bestellungsvertrages nicht einmal von vornherein aussichtslos.

4.2. Mangels Antragslegitimation sei daher der Individualantrag der Antragstellerin als unzulässig zurückzuweisen.

II. Über die Zulässigkeit des Individualantrages gemäß Art140 B-VG hat der Verfassungsgerichtshof erwogen:

1. Der Verfassungsgerichtshof hat seit dem Beschluß VfSlg. 8009/1977 in ständiger Rechtsprechung den Standpunkt vertreten, die Antragslegitimation nach Art140 Abs1 B-VG setze voraus, daß durch die bekämpfte Bestimmung die (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigt werden müssen und daß der durch Art140 Abs1 B-VG dem einzelnen eingeräumte Rechtsbehelf dazu bestimmt ist, Rechtsschutz gegen rechtswidrige generelle Normen nur insoweit zu gewähren, als ein anderer zumutbarer Weg hiefür nicht zur Verfügung steht (zB VfSlg. 11402/1987, 11684/1988; VfGH 27.9.1994, G215/94).

2.1. §34 Abs1 Tabakmonopolgesetz 1996 lautet:

"Die Monopolverwaltung GmbH hat den gemäß §32 oder §33 bestimmten Bewerber durch zivilrechtlichen Vertrag zum Tabaktrafikanten zu bestellen."

2.2. Der Verfassungsgerichtshof geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, daß die Vergabe einer Verschleißbefugnis ein Akt des Privatrechtes ist (vgl. VfSlg. 3413/1958, 6591/1971, 12114/1989).

3.1. Die Beschreitung des Zivilrechtsweges steht der Antragstellerin grundsätzlich offen. Sie hat, wie sie in ihrem Antrag auch zugesteht, die Möglichkeit, gegen die Monopolverwaltung GmbH eine Klage auf Abschluß eines Bestellungsvertrages einzubringen und nach einer allfälligen Abweisung des Klagebegehrens bereits im Rechtsmittel gegen die erstinstanzliche Entscheidung ihre verfassungsrechtlichen Bedenken mit der Anregung auf Stellung eines Gesetzesprüfungsantrages zu unterbreiten. Gemäß Art89 Abs2 zweiter Satz B-VG wäre dieses Gericht zur Stellung eines Gesetzesprüfungsantrages an den Verfassungsgerichtshof verpflichtet.

Daß der Antragsteller diesfalls seine Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit der Rechtsvorschrift nicht unmittelbar beim Verfassungsgerichtshof vorbringen kann, vermag an der Zumutbarkeit dieses Verfahrensweges nichts zu ändern (so VfSlg. 14458/1996). Der Verfassungsgerichtshof hat bereits wiederholt ausgesprochen (VfSlg. 8552/1979, 9285/1981, 9394/1982, 10592/1985, 14458/1996), daß es nicht auf die materiellen Erfolgschancen des dem Antragsteller zur Verfügung stehenden Rechtsweges ankommt, sondern darauf, daß im Zuge eines derartigen Verfahrens Gelegenheit besteht, die vom Antragsteller angenommenen verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Gesetzesbestimmung an den Verfassungsgerichtshof heranzutragen.

3.2. Auch ist ein derartiges Verfahren nicht mit dem im Erkenntnis VfSlg. 12379/1990 als unzumutbar erkannten Rechtsweg, wie die Antragstellerin behauptet, vergleichbar. Im Erkenntnis VfSlg. 12379/1990 wurde der zivilrechtliche Rechtsweg aufgrund der Tatsache, daß erst die Übertretung einer Verbotsnorm den Rechtsweg eröffnete, als unzumutbar bewertet. Der Verfassungsgerichtshof geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, daß es einem Normunterworfenen nicht zumutbar ist, eine verbotene Handlung zu setzen, um sich in einem gegen ihn eingeleiteten Verfahren mit der Behauptung zur Wehr zu setzen, daß die Verbotsnorm verfassungswidrig sei (zB VfGH 5.10.1988, G197/87, 148/88; VfSlg. 12379/1990).

Dies ist hier nicht der Fall. Der zivilgerichtliche Rechtsweg hängt nicht von der Übertretung einer Verbotsnorm ab. Die Beschreitung des zivilgerichtlichen Rechtsweges ist der Antragstellerin daher zumutbar.

4. Der Antrag war daher zurückzuweisen.

5. Dieser Beschluß konnte gemäß §19 Abs3 Z2 lite VerfGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung ergehen.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte