Normen
B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
B-VG Art140 Abs1 / Präjudizialität
ASGG §58
B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
B-VG Art140 Abs1 / Präjudizialität
ASGG §58
Spruch:
Der Antrag wird abgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
1.1. Das Oberlandesgericht Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen stellt den Antrag, den ersten Satz des §58 Abs1 Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz (ASGG), BGBl. Nr. 104/1985, als verfassungswidrig aufzuheben.
1.2. §58 des Arbeits- und Sozialgerichtsgesetzes, BGBl. Nr. 104/1985, - der angefochtene erste Satz des Abs1 ist hervorgehoben - lautet:
"Kostenersatz und Gebühren
§58. (1) In Rechtsstreitigkeiten nach §50 Abs2 steht einer Partei ein Kostenersatzanspruch an die andere nur im Verfahren vor dem Obersten Gerichtshof zu. In besonderen Feststellungsverfahren nach §54 Abs2 steht keiner Partei ein Kostenersatzanspruch an die andere zu.
(2) Die Parteien haben die den fachkundigen Laienrichtern nach §32 ausgezahlten Beträge nicht zu ersetzen."
1.3. Im Antrag des Oberlandesgerichtes Wien wird ausgeführt:
Das Landesgericht Eisenstadt als Arbeits- und Sozialgericht habe einer Klage wegen Anfechtung einer Kündigung gemäß §105 ArbVG stattgegeben; der dagegen erhobenen Berufung der beklagten Partei habe das anfechtende Gericht - nach Beweiswiederholung - mit Urteil vom 11. September 1992 stattgegeben und das Klagebegehren, die Kündigung für unwirksam zu erklären, abgewiesen. Die anwaltlich vertretene beklagte Partei habe in erster und zweiter Instanz Kosten nach dem Rechtsanwaltstarif verzeichnet. Das anfechtende Gericht habe über diesen Antrag abzusprechen, dabei die angefochtene Bestimmung anzuwenden und für den Fall ihrer Verfassungskonformität das Kostenersatzbegehren zurückzuweisen. Die Möglichkeit, daß in einem weiteren Rechtsmittelverfahren die Entscheidung des anfechtenden Gerichtes abgeändert werden könnte, ändere nichts daran, daß von ihm derzeit die angefochtene Bestimmung anzuwenden sei.
Die Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit des ersten Satzes des §58 Abs1 ASGG werden wie folgt dargelegt:
"Die gegen die Verfassungsmäßigkeit dieser Gesetzesstelle sprechenden Bedenken ergeben sich aus dem Gleichheitsgrundsatz des Art7 B-VG. Im streitigen Verfahren besteht für den Kostenersatzanspruch das - nur von wenigen Ausnahmen (§§44, 48 ZPO) durchbrochene Erfolgsprinzip (§41 ZPO iVm §50 ZPO). Diese wenigen Ausnahmen (§§44, 48 ZPO) tragen dem Verschuldensprinzip Rechnung und lassen sich aus diesem rechtfertigen; hingegen bestehen sonst keine Ausnahmen danach, wie etwa früher über diverse, sodann dem streitigen Verfahren zugewiesene Rechtssachen entschieden wurde.
Im Ausschußbericht zum ASGG (527 BlG Nr.16.GP) wird zu §58 Abs1 ASGG lediglich angeführt, diese Regelung komme dem alten Rechtszustand am nächsten, weil in Einigungsamtssachen nur im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof ein Kostenersatzanspruch bestanden habe. Der zweite Satz sei systemgerecht, weil dieses Verfahren nach den Grundsätzen des außerstreitigen Verfahrens zu führen sei (Feststellungsverfahren gemäß §54 Abs2 ASGG). Dies lädt geradezu zum Umkehrschluß ein, daß die Regelung des ersten Satzes sich nicht auf die Systemgerechtigkeit, sondern nur auf einen früheren Rechtszustand berufen könne.
Wenn in sämtlichen streitigen Verfahren der Obsiegende Kostenersatz auch für die erste und zweite Instanz erhält, so läßt sich durch den Hinweis auf die frühere Rechtslage die Unterscheidung nicht rechtfertigen, daß dies in den Arbeitsrechtssachen nach §50 Abs2 ASGG anders sein sollte.
Eine sozialpolitische Rechtfertigung in dem Sinn, der um seinen Arbeitsplatz kämpfende Arbeitnehmer solle von Kosten entlastet werden, kann den Unterschied gleichfalls nicht rechtfertigen, weil der Arbeitnehmer mit gleich großer Wahrscheinlichkeit von dieser Kostennorm belastet, aber auch begünstigt sein kann. Gerade dieser aleatorische Charakter, daß hinsichtlich der zu erwartenden Kostenentscheidung eine Prognose über den Verfahrensausgang nur schwer möglich ist, verbietet die Berufung auf soziale Gesichtspunkte, die dann auch zum Nachteil des Arbeitnehmers ausschlagen können. Sachgerecht wäre aus sozialen Gründen eine mäßige Bewertung für Kostenersatzansprüche, nicht aber ein von den Zufälligkeiten des Verfahrensausganges abhängiges Vorgehen.
Die obsiegende Partei muß sich hinsichtlich der Kosten der ersten und zweiten Instanz als ohne hinreichenden Grund 'enteignet' fühlen (vgl. Art5 StGG).
Da für die Verschiedenbehandlung der Kostenersatzforderungen in streitigen Verfahren, ob diese in einem Verfahren nach §50 Abs2 ASGG oder in einer anderen Arbeitsrechtssache oder auch allgemeinen Zivilrechtssache erging, ein Grund nicht erkennbar ist, bestehen insbesondere unter dem Gesichtspunkt des Art7 B-VG Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit der angefochtenen Norm. Die den Bereich der Rechtsgeschichte angehörende Verteilung der Rechtssachen zwischen dem Arbeitsgerichtsverfahren und dem Verwaltungsverfahren (Anfechtung beim Einigungsamt), kann dies nicht rechtfertigen, zumal die Zuweisung, insbesondere des Kündigungsanfechtungsverfahrens zu den Einigungsämtern denselben Bedenken begegnete, wie diejenigen, die zur Aufhebung des §8 Abs3 Behinderteneinstellungsgesetz aus dem Grunde des Art6 MRK führten (BGBl. Nr. 104/1992).
Eine Sonderregelung, wie die einen Kostenzuspruch ablehnende Verfahrensregelung des §15c Abs7 MSchG bzw. §8 Abs7 EKUG, ist durch den summarischen Charakter eines derartigen Verfahrens, in dem keine besonderen Kosten auflaufen, weil es besonders rasch und unter weitgehendem Ausschluß eines Rechtsmittels (wie das frühere Bagatellverfahren) ablaufen soll, zu erklären, sowie dadurch, daß es sich um einen dem außerstreitigen Verfahren angenäherten Regelungsstreit handelt (vgl. etwa §§833ff ABGB). Vergleichbare Überlegungen sind aber für die verfassungsrechtlich bedenkliche Bestimmung des §58 Abs1 erster Satz ASGG nicht anwendbar. Es handelt sich um Rechtsgestaltungsklagen, die sich im Verfahrensaufwand in nichts von dem sonstigen Streitverfahren unterscheiden, Rechtsmittel sind uneingeschränkt zulässig.
Für die unsystematische (Umkehrschluß zum Ausschußbericht zum zweiten Satz) historische Reminiszenz läßt sich keine die Ungleichbehandlung rechtfertigende Begründung auffinden."
2.1. Die Bundesregierung hat eine Äußerung erstattet, in der sie begehrt, den Antrag mangels Präjudizialität zurückzuweisen, in eventu auszusprechen, daß §58 Abs1 erster Satz ASGG nicht als verfassungswidrig aufgehoben wird.
Hiezu wird im wesentlichen dargelegt:
2.1.1. Zur Zulässigkeit:
Das antragstellende Gericht habe über die bei ihm anhängig gemachte Berufung das Urteil gefällt, bevor es am selben Tag den Beschluß auf Antragsstellung nach Art89 und 140 Abs1 B-VG gefaßt habe. Nach der Urteilsfällung hätte es jedoch die angefochtene Bestimmung nicht mehr anzuwenden gehabt, da nach §52 ZPO, der auch in Arbeits- und Sozialrechtssachen anzuwenden sei, in jedem (schriftlichen) Urteil, das eine Streitsache für die Instanz vollständig erledige, auch über die Verpflichtung zum Kostenersatz zu entscheiden sei. Dies ergebe sich sowohl aus dem Wortlaut des Gesetzes als auch aus dem Grundsatz der Akzessorietät einer Kostenentscheidung. Das anfechtende Gericht könne auch wegen der Voraussetzung der fristgebundenen Antragstellung für ein Ergänzungsurteil (§423 ZPO) die Kostenentscheidung nicht mehr "nachtragen". Eine andere Interpretation sei nicht denkmöglich, da ansonsten ein Oberlandesgericht - trotz eines abändernden oder aufhebenden Urteiles des Obersten Gerichtshofes - unanfechtbare Kosten zusprechen könne; §519 ZPO sehe nämlich wegen der Denkunmöglichkeit derartiger Beschlüsse eine Anfechtungsmöglicheit nicht vor.
Der Zulässigkeit der Antragstellung stehe somit offenkundig entgegen, daß das anfechtende Gericht zur Anfechtung nicht mehr legitimiert sei.
2.1.2. Zu den vorgebrachten Bedenken:
"A. Zur behaupteten Verletzung des Gleichheitssatzes:
1. Vorüberlegungen
Einleitend sei festgehalten, daß das Kostenersatzrecht im wesentlichen als Regelung des Verhältnisses einander gleichgestellter Streitparteien zu verstehen ist, also deren Rechts- und Risikosphären voneinander abgrenzt. Es handelt sich hier nicht um den Schutz der Rechtssphäre des einzelnen gegenüber staatlichen Eingriffen, sondern um die Abgrenzung der Rechtssphären zweier gleichgestellter Privatrechttssubjekte voneinander.
2. Zusammenhang mit dem materiellen Recht
Verfahrensrechtliche Regelungen sind stets in engem Konnex mit dem zugrundeliegenden materiellen Recht zu sehen. Dies wird schon auf verfassungsrechtlicher Ebene etwa dadurch deutlich, daß das Verfahrensrecht als Annexmaterie verstanden wird; es gilt in besonderem Maße für Kostenersatzregelungen, die das Risiko der Tragung des Aufwandes zur Klärung einer unklaren Rechtslage oder eines Sachverhalts und jenes der Rechtsdurchsetzung regeln (vgl. etwa auch §74 Abs2 AVG, der ausdrücklich auf die jeweiligen materiellen Gesetze verweist). Im übrigen bedeutet auch das im Bereich der ZPO für den Kostenersatz hauptsächlich bestimmende Erfolgsprinzip nicht anderes, als daß die Kostenersatzpflicht grundsätzlich unabhängig vom Verhalten der betroffenen Partei im Verfahren (Verschulden, Rechtswidrigkeit usw.) der materiellen Rechtslage (Risikoverteilung) folgen soll.
Der Ausschluß oder die Anordnung von Kostenersatzansprüchen wird sohin vom Gesetzgeber nicht allein unter verfahrensrechtlichen Gesichtspunkten getroffen, sondern folgt aus dem Zusammenhang mit den jeweiligen materiellrechtlichen Regelungen. Besonders gilt dies in jenen Fällen, in denen - unabhängig von der Ausgestaltung des Verfahrens (vgl. etwa zur Kündigungsanfechtung Schima, Streitigkeiten aus der Betriebsverfassung und ASGG, JBl. 1989, 348) - eine Mitwirkung der Parteien am Verfahren und der ihr damit entstehende Aufwand (Kosten) fast immer erforderlich sind.
Der engen Verbindung zwischen den zu klärenden materiellrechtlichen Ansprüchen und der Ausgestaltung etwa der Parteienrechte im Verfahrensrecht (vgl. etwa VfSlg. 11766/1988), aber auch der von Kostentragungsregelungen (vgl. VfSlg. 11564/1987 zur Kostenregelung im Berggesetz, VfSlg. 11301/1987 zu §75 KFG und §74 AVG) wurde auch vom Verfassungsgerichtshof stets Rechnung getragen.
Der bloße Umstand, daß in ein und demselben Gesetz für einen Bereich Ausnahmebestimmungen geschaffen oder die Regelungen anderer Gesetze nur teilweise rezipiert werden, besagt somit nichts zu der Frage, ob mit einer gegebenen Regelung ein bestimmtes Ordnungssystem verlassen wurde.
3. Vergleichbarkeit von Verfahrensarten mit unterschiedlichen Kostersatzregelungen
Das Betriebsverfassungsrecht hebt sich von den Rechtsstreitigkeiten des Individualarbeitsrechts in seiner Grundstruktur deutlich ab, da es in betriebsverfassungsrechtlichen Rechtsstreitigkeiten im Regelfall nicht um die Geltendmachung individueller materieller Ansprüche, sondern um Fragen der Organisation der Belegschaft oder der Durchsetzung ihrer Mitwirkungsbefugnisse gegen den Betriebsinhaber geht.
Es sind deshalb für die Verfahren nach §50 Abs2 ASGG - neben der Regelung des §58 Abs1 erster Satz ASGG - noch weitere verfahrensrechtliche 'Sondervorschriften' im ASGG vorgesehen; das ASGG selbst enthält wieder zahlreiche Verfahrensbesonderheiten gegenüber der ZPO. Während indes im Verhältnis zwischen dem ASGG einerseits und der ZPO sowie der JN andererseits gesetzestechnisch die Regelungstechnik eines eigenen Verfahrensgesetzes unter Anordnung der subsidiären Geltung u.a. von ZPO und JN gewählt wurde, wurde das Verhältnis der Verfahren nach dem §50 Abs1 und dem §50 Abs2 ASGG oder etwa jenes der Arbeitsrechtssachen und der Sozialrechtssachen gesetzestechnisch anders ausgestaltet. Dies kann jedoch für die verfassungsrechtliche Beurteilung keinen Unterschied machen, da die wesentliche Gewichtung in der unterschiedlichen materiellrechtlichen Ausgestaltung der Ansprüche liegt.
Aus den bisherigen Erwägungen folgt aber, daß ein Vergleich verschiedener Verfahrenssysteme nur unter besonderen Voraussetzungen (Gründe 'exzeptionellen Gewichts' - VfSlg. 11795/1988) zulässig, hingegen im Regelfall nur die Sachlichkeit der Regelung an sich zu beurteilen ist (vgl. etwa VfSlg. 10367/1985); eine Verzahnung wie etwa im Verhältnis des Verfahrens des Verwaltungsgerichtshofs und des Verfassungsgerichtshofs, die letztlich zur Aufhebung des §46 Abs1 VwGG 1985 führte (vgl. VfSlg. 10367/1985), besteht hier nicht.
Es besteht auch kein allgemeiner privatrechtlicher Grundsatz (wobei die Frage der Einordnung des Betriebsverfassungsrechts in das Privatrecht hier offengelassen werden kann), der einen Kostenersatz geböte, da auch in verschiedenen anderen Rechtsbereichen des Zivilrechts kein Kostenersatz vorgesehen ist; dies gilt insbesondere grundsätzlich für das Außerstreitverfahren (vgl. zur eingeschränkten Möglichkeit der Wiederaufnahme im Bereich des Strafrechts VfSlg. 11865/1988).
Die vom antragstellenden Gericht bemängelte Bezugnahme auf die historischen Vorläufer der verfahrensrechtlichen Kostenersatzregelung des §58 Abs1 ASGG im Ausschußbericht 527 BlgNR
16. GP (vgl. im übrigen auch Machacek, Struktur und Funktion der Sozialgerichtsbarkeit, in FS Floretta, 760) läßt sich nach Auffassung der Bundesregierung keineswegs so deuten, daß es keine andere sachliche Begründung für die in Prüfung gezogene Regelung gebe; vielmehr ist darauf zu verweisen, daß für die sachliche Rechtfertigung einer derartigen Regelung weniger die verfahrensrechtliche Ausgestaltung als die materiellrechtliche Grundlage der Ansprüche entscheidend ist. Die materiellrechtlichen Ansprüche des Betriebsverfassungsrechts haben sich jedoch mit der Einführung des ASGG nicht verändert. Da sich auch der verfahrensrechtliche Aufwand, den die jeweilige Partei zu tragen hat, durch die verfahrensrechtlichen Änderungen des ASGG nur in gewissen Kostenberechnungsvorschriften, nicht jedoch in seiner Grundstruktur geändert hat (vgl. zum 'Antragsprinzip' in diesem Bereich auch im AVG etwa Schima, JBl. 1989, 348), sah der Ausschuß offenbar keine Veranlassung, den beibehaltenen Kostentragungsgrundsatz zu problematisieren.
4. Besonderheiten der betriebsverfassungsrechtlichen Rechtsstreitigkeiten
Im einzelnen lassen sich folgende für den Bereich des Kostenersatzrechts maßgebliche Besonderheiten der betriebsverfassungsrechtlichen Rechtsstreitigkeiten nach §50 Abs2 ASGG gegenüber Individualrechtsstreitigkeiten, aber auch gegenüber sonstigen Zivilrechtsstreitigkeiten darstellen:
4.1. Das Betriebsverfassungsrecht, dessen Regelungen im wesentlichen den vom §50 Abs2 ASGG erfaßten Rechtsstreitigkeiten zugrundeliegen, wird zwar überwiegend dem Privatrecht zugeordnet. Es kann aber auch nicht übersehen werden, daß gerade im Bereich des Organisationsrechts des Betriebsverfassungsrechts der absolut zwingende Charakter dieser Rechtsvorschriften seine Begründung darin findet, daß es sich hier um Vorschriften handelt, an deren Einhaltung ein öffentliches Interesse besteht (vgl. etwa Jabornegg in FS Strasser, 375, im Zusammenhang auch Schima in JBl. 1989, 349). Trotz der Zuordnung zum Privatrecht ergibt sich aus den verschiedenen Besonderheiten des Betriebsverfassungsrechts dessen Nähe zum öffentlichen Recht; hiefür seien beispielsweise genannt:
der überwiegend zweiseitig zwingende Charakter des Betriebsverfassungsrechts, die Normierung eines 'Zwangsverbands' sowie die Schaffung einer 'demokratisch legitimierten' Organisationsstruktur, die als Teil der 'Wirtschaftsverfassung' auch etwa im Rahmen von Betriebsvereinbarungen rechtserzeugende Funktionen hat, sodaß schon deshalb an der Funktionsfähigkeit dieser Strukturen ein besonderes öffentliches Interesse besteht; dieser Charakter wird auch dadurch unterstrichen, daß teilweise die mangelnde Einhaltung von Bestimmungen des Betriebsverfassungsrechts nicht nur zivilrechtlich, sondern auch verwaltungsstrafrechtlich sanktioniert ist.
Die Nähe zum öffentlichen Recht bedeutet aber für die Kostenersatzregelung:
Es ist als ein im wesentlichen Bereich sachlich bedeutsamer Unterschied anzusehen (vgl. VfSlg. 11190/1986), daß es im Hinblick auf die oben skizzierten öffentlichen Interessen erforderlich ist, die Abklärung strittiger Rechtsfragen durch einen vom Kostendruck (weitgehend) befreiten Zugang zu den Gerichten zu erleichtern.
Das gegebene öffentliche Interesse legt aber zumindest nahe, daß ein Rechtsuchender nicht durch die Gefahr, die von ihm schwer einzuschätzenden und kaum beeinflußbaren Kosten seines Gegners tragen zu müssen, von der Anrufung des Gerichts abgehalten werden soll.
Darüber hinaus ist in den dem öffentlichen Recht zuzuordnenden und damit den Arbeitsrechtssachen nach §50 Abs2 ASGG nahestehenden Verfahrenssystemen ein Kostenersatz zumeist nicht vorgesehen (vgl. etwa §74 AVG), weil die Mitwirkung an der Abklärung und Durchsetzung dieser Ansprüche und der damit verbundene Aufwand eben nicht individuelle zivilrechtliche Ansprüche zum Gegenstand haben, die in dem Kostenersatzanspruch fortwirken.
Beispielsweise sei darauf hingewiesen, daß nicht einsichtig wäre, warum ein Arbeitnehmer, der eine Betriebsratswahl anficht, weil er meint, daß der zugrundegelegte Betriebsbegriff nicht dem Gesetz entspricht, im Falle des Prozeßverlustes die Prozeßkosten (des Betriebsrats) zu tragen hätte, wiewohl die Feststellung einer dem Gesetz entsprechenden Betriebsstruktur im Interesse aller - auch künftig eintretender - Arbeitnehmer liegt. Von Bedeutung ist auch, daß in Prozessen dieser oder ähnlicher Art im Hinblick auf deren Wirkung für die gesamte Belegschaft durch zahlreiche Nebeninterventionen ein diesem Gedanken nicht entsprechender Kostendruck erzeugt werden könnte.
Schließlich ist das besondere öffentliche Interesse an einer möglichst unproblematischen Abklärung der Rechtsfragen in diesem Rechtsbereich auch daran erkennbar, daß das Gerichtsgebührengesetz für solche Rechtsstreitigkeiten (in denen es im Regelfall nicht um finanzielle Ansprüche geht), die Entrichtung einer Gerichtsgebühr nicht vorsieht (§16 Z1 lita iVM TP1 Anm. 6 des Gerichtsgebührengesetzes).
4.2. Bei der Beurteilung der sachlichen Rechtfertigung des Fehlens eines Kostenersatzanspruchs in erster und zweiter Instanz ist auch zu beachten, daß es sich hier im Regelfall um Prozeßparteien handelt, die auf Dauer im Betrieb im Sinne eines Interessenausgleichs zum Wohl der Arbeitnehmer und des Betriebs (§39 Abs1 ArbVG) zusammenwirken sollen. Vor dem Hintergrund dieser Konstellation ist etwa auch die Haltung des historischen Gesetzgebers des Gesetzes über die Errichtung von Einigungsämtern und über kollektive Arbeitsverträge, StGBl. Nr.16/1920, zu verstehen, wonach es bei allen Streitigkeiten zwischen Betriebsrat und Betriebsinhaber viel wichtiger ist, 'einen beiden Teilen genehmen Mittelweg zu finden, als eine, wenn auch gerechte und dem Buchstaben des Gesetzes entsprechende Entscheidung zu fällen, die bei jenem, der im Unrecht ist, den Stachel gekränkten Rechtsbewußtseins zurückläßt' (RV zum genannten Gesetz, 401 BlgKNV). Dieses Hindernis für ein konstruktives Zusammenarbeiten würde durch eine (allgemeine) Kostenersatzregelung noch verstärkt. Auch in anderen Regelungsbereichen, in denen ein dauerhaftes Zusammenwirken der 'Streitparteien' nach der Bereinigung der Rechtsstreitigkeit erforderlich ist, legt der Gesetzgeber besonderes Gewicht darauf, daß dieses Zusammenwirken nicht durch die Art der Bereinigung der Streitigkeiten beeinträchtigt wird. Zu diesem Zweck sieht er häufig von der Normierung von Kostenersatzansprüchen ab (vgl. etwa §26 WEG, aber auch die gemäß §833 Satz 2 ABGB im außerstreitigen Vefahren zu entscheidenden Fragen im Bereich der Miteigentumsgemeinschaft sowie §4 Abs2 litj des Vereinsgesetzes 1950).
4.3. Weiters ist es für das Betriebsverfassungsrecht kennzeichnend, daß es sich in weiten Bereichen nicht um typische Rechtsstreitigkeiten, sondern (inhaltlich) eher um Regelungsstreitigkeiten handelt. Dies trifft insbesondere für jenen Bereich zu, der die Mitwirkung der Belegschaft an der Willensbildung bei betrieblichen Entscheidungen umfaßt, da hier vom Gesetz nur Zielvorgaben und Rahmenbedingungen festgesetzt werden.
Als ein wesentlicher Gesichtspunkt für den im Rahmen des Kostenersatzrechts zu findenden Interessenausgleich ist weiters anzusehen, ob sich die unterliegende Prozeßpartei gegen eine bereits klar festgelegte Rechtslage verhalten hat - dies wird wohl ein Indiz für ein Kostenersatzrecht im Sinne einer Erfolgshaftung sein (ZPO) - oder ob der von der zu beurteilenden Rechtsmaterie erfaßte Regelungsbereich so komplex ist, daß er während des Verfahrens erst umfangreich erhoben oder gar gestaltet werden muß. Hier finden sich dann kaum Gründe, den Aufwand des Verfahrens nur der unterliegenden Partei zuzurechnen, da dieser im Hinblick auf die geringere Vorhersehbarkeit des Prozeßergebnisses auch weniger ein 'Vorwurf' wegen ihres Prozeßverhaltens gemacht werden kann. Das Betriebsverfassungsrecht ist nun, wie oben beispielsweise dargestellt, diesem zweiten Bereich zuzuordnen.
Im übrigen ist auch darauf hinzuweisen, daß hier die Rechtslage im wesentlichen ausschließlich durch das Gesetz und nicht durch privatautonome Vereinbarungen vorgegeben wird und daher der unterliegenden Partei Unklarheiten auch insofern weniger zugerechnet werden können, als sie kaum die Möglichkeit hat, im Rahmen ihrer Privatautonomie auf eine klare Gestaltung der Rechtslage hinzuwirken.
4.4. Ziel des Betriebsverfassungsrechts ist ein Interessenausgleich zum Wohl der Arbeitnehmer und des Betriebs (§39 Abs1 ArbVG). Insgesamt dient dem Betriebsverfassungsrecht der Betriebsbegriff als Grundlage, der eine organisatorische Einheit voraussetzt, die in ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit sowohl für die vom Betriebsrat etwa erzielbaren Verhandlungsergebnisse oder erfolgreichen Kündigungsanfechtungen ebenso maßgeblich ist wie für das vom Betriebsinhaber erzielbare Betriebsergebnis. Deshalb ist es durchaus gerechtfertigt, auch im Rahmen des Prozeßkostenrechts davon auszugehen, daß diese Einheit (Interessengemeinschaft) insgesamt den Aufwand zur Abklärung der Rechtsstreitigkeiten zu tragen hat und damit die an dieser Einheit beteiligten Interessengruppen ihren Beitrag im Sinne des Interessenausgleichs leisten sollen. Leichtfertiges und mutwilliges Prozessieren wird ohnehin durch die Bestimmung des §408 ZPO sanktioniert, wonach das Gericht die unterliegende Partei, die offenbar mutwillig den Prozeß geführt hat, zu einem Entschädigungsbetrag verurteilen kann.
Im übrigen wird §58 Abs1 ASGG im Sinne einer verfassungskonformen Interpretation dahingehend auszulegen sein, daß durch diese Bestimmung Schadenersatzansprüche für Prozeßkosten (vgl. etwa F. Bydlinski, Schadenersatz wegen materiell rechtswidriger Verfahrenshandlungen, JBl. 1986, 626 ff) nicht ausgeschlossen werden.
4.5. Weiters ist zu beachten, daß dem im Rahmen der betriebsverfassungsrechtlichen Streitigkeiten häufig als Partei auftretenden Betriebsrat sowie den übrigen Organen der Belegschaft nach dem §53 Abs1 ASGG zwar die Parteifähigkeit eingeräumt ist, daß diese Organe aber - ebenso wie die Belegschaft - als Ganzes weder eine Rechtsubjektivität noch eine Vermögensfähigkeit besitzen (vgl. OGH 10.9.1991, WBl. 1992, 29). Nur der Betriebsratsfonds ist ein eigenständiger Vermögensträger. Dessen Budgetierung durch die Betriebsratsumlage ist jedoch nicht zwingend vorgesehen, sondern hängt von einer entsprechenden Beschlußfassung der Betriebs(gruppen)versammlung ab (§73 Abs2 ArbVG). Daraus ergibt sich, daß schon die praktische Durchsetzung zumindest erheblicher Kostenersatzansprüche auf große Probleme stieße.
Darüber hinaus bestünde die Gefahr, daß die Belegschaftsorgane davon Abstand nehmen, für die Belegschaft, insbesondere aber auch für einzelne Arbeitnehmer (etwa durch eine Kündigungsanfechtung) wesentliche Streitfragen zu klären, sollten die Belegschaftsorgane nicht nur mit den eigenen, sondern auch mit den für sie kaum vorhersehbaren Prozeßkosten der Gegenseite rechnen müssen. Hiebei ist auch zu berücksichtigen, daß den Belegschaftsorganen als solchen kein Anspruch auf einen Rechtsschutz nach §7 Arbeiterkammergesetz 1992 zusteht (vgl. in diesem Zusammenhang auch die offenbar nur auf Kündigungsanfechtungen Bezug nehmenden Ausführungen von Eypeltauer, ecolex 1992, 254 f). Gerade dies widerspricht aber den Grundstrukturen des kollektiven Arbeitsrechts, das als Ergänzung des Individualarbeitsrechts zum Ausgleich der angenommenen strukturellen wirtschaftlichen Unterlegenheit des Arbeitnehmers auf kollektiver Ebene gleichwertige Verhandlungspartner vorsehen will.
Die Ausführungen des Oberlandesgerichts Wien zum 'aleatorischen Charakter' des Fehlens einer Kostenersatzregelung treffen zwar insoweit zu, als natürlich bei - hier aber erschwert vorhersehbarem - Obsiegen auch dem Belegschaftsorgan ein Kostenersatz zustehen würde, jedoch in dem Fehlen einer Kostenersatzregelung eben der Vorteil gesehen werden kann, daß die Kosten eines Prozesses berechenbarer sind; dies insbesondere noch dadurch, daß in erster Instanz überhaupt kein Vertretungszwang besteht und in zweiter Instanz die Vertretung durch qualifizierte Vertreter im Sinne des §40 Abs1 Z2 ASGG möglich ist, sodaß für den Vertretenen im Regelfall keine Kosten entstehen.
In diesem Zusammenhang sei schließlich auch darauf hingewiesen, daß das Aufwandersatzgesetz (BGBl. Nr. 28/1993) einen Aufwandersatzanspruch für gesetzliche Interessenvertretungen und freiwillige kollektivvertragsfähige Berufvereinigungen auch nur für Verfahren nach dem §50 Abs1 ASGG vorsieht.
4.6. Als Eigentümlichkeit des Betriebsverfassungsrechts ist weiters festzuhalten, daß aufgrund der Besonderheit der dort geschützten Interessen für verschiedene Rechtsgestaltungen ein gerichtliches Urteil erforderlich ist, etwa bei der Aufhebung einer Wahl gemäß §59 ArbVG. Hier ist auch dann, wenn die beklagte Partei den Rechtsstandpunkt der klagenden Partei teilt, jedoch etwa aus grundsätzlichen Überlegungen nicht den formellen Weg des Rücktritts wählen will, ein gerichtliches Verfahren und ein Urteil erforderlich. Es kann jedoch als ein unter dem Gesichtspunkt des Kostenersatzes wesentlicher Aspekt angesehen werden, daß ein Kostenersatz zwischen diesen Parteien nicht stattfinden soll, wenn das Gesetz die Mitwirkung des Gerichts oder einer Behörde vorsieht, obwohl die daran beteiligten Parteien keine unterschiedlichen Rechtsstandpunkte haben.
4.7. Häufig ist bei betriebsverfassungsrechtlichen Rechtsstreitigkeiten festzustellen, daß sich die Interessenlage während des Prozesses ändert, etwa weil der die Kündigung anfechtende Arbeitnehmer mittlerweile doch einen anderen Arbeitsplatz gefunden hat. Es schiene nun nicht zielführend, den Arbeitnehmer durch eine Kostenersatzregelung dazu zu zwingen, den Prozeß - möglicherweise im Hinblick auf die Maßgeblichkeit der 'Prognoseentscheidung' für die Beurteilung der Beeinträchtigung 'wesentlicher Interessen' i.S. des §105 Abs3 Z1 ArbVG erfolgreich - weiterzuführen, nur um nachteiligen Kostenfolgen zu begegnen.
4.8. Auch ist zu berücksichtigen, daß Veränderungen während des Prozesses eintreten können, die von einer Prozeßpartei weder verschuldet noch beeinflußbar sind (Kündigung), jedoch deren Klagslegitimation (etwa bei einer Wahlanfechtung) durch Ausscheiden aus dem Betrieb beseitigen. Dies zeigt, daß hier nicht individuelle, sonder kollektive Interessen durchgesetzt werden sollen.
4.9. Aus rechtsvergleichender Sicht kann noch erwähnt werden,
daß auch nach dem deutschen Arbeitsgerichtsgesetz in
Streitigkeiten aus dem Betriebsverfassungsgesetz ein Kostenersatz
für diese Art von Verfahren nicht vorgesehen ist (vgl. §12a iVm
§2a Arbeitsgerichtsgesetz und im weiteren Zusammenhang auch etwa
§70 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs der Europäischen
Gemeinschaften) und im übrigen auch für andere
Arbeitsrechtsstreitigkeiten in erster Instanz stark eingeschränkt
ist.
4.10. Es kann also abschließend zu diesem Bereich festgehalten werden, daß es selbst bei Vornahme eines 'Systemvergleichs' auf Grund der für Kostenersatzregelungen im allgemeinen maßgeblichen Aspekte im Zusammenhalt mit den Besonderheiten des Betriebsverfassungsrechts (s. die obigen Ausführungen zu 4.1. bis 4.9.) gerechtfertigt ist, für Betriebsverfassungsstreitigkeiten keinen Kostenersatz vorzusehen.
5. Sachliche Rechtfertigung der Regelung des §58 Abs1 erster Satz ASGG innerhalb des Ordnungssystems
Sollten die Ausführungen des Oberlandesgerichts Wien, 'zum um seinen Arbeitsplatz kämpfenden Arbeitnehmer' dahin verstanden werden, daß innerhalb des Betriebsverfassungsrechts für Kündigungsanfechtungen, Entlassungsanfechtungen und dergleichen eine eigene Kostenersatzregelung vorzusehen oder der §58 Abs1 erster Satz ASGG enger zu fassen wäre, so sei darauf hingewiesen, daß sich der Verfassungsgerichtshof in zwei grundsätzlichen Erkenntnissen mit der Einordnung des Kündigungsschutzes in das System des Betriebsverfassungsrechts befaßt hat (VfSlg. 10297/1984 und 10344/1985). Danach ist davon auszugehen, daß auch für den Bereich des Kostenersatzes die Interessen der gesamten Belegschaft im Ausgleich mit den Interessen des Betriebsinhabers zu berücksichtigen sind. Weiters ist zu bedenken, daß sich die Einordnung des Kündigungsschutzes in das dem öffentlichen Recht immerhin nahestehenden Betriebsverfassungsrecht nicht nur in dem Sperrecht des Betriebsrats ausdrückt, sondern in den gesamten Voraussetzungen für diesen Kündigungsschutz, wie etwa im Vorliegen eines betriebsratspflichtigen Betriebs, dem Zutreffen des betriebsverfassungsrechtlichen Arbeitnehmerbegriffs des §36 ArbVG u. a.
6. Ergebnis:
Die vom antragstellenden Gericht angenommene Verletzung des Gleichheitssatzes liegt somit nach Auffassung der Bundesregierung nicht vor.
B. Zur allfälligen Verletzung des Eigentumsrechts:
Eine 'Enteignung', wie sie vom antragstellenden Gericht andeutungsweise gesehen wird, kann durch die Regelung des §58 Abs1 erster Satz ASGG keinesfalls erfolgen, da damit keine wesentlichen Teile des Eigentumsrechts entzogen werden, sondern lediglich von der Einräumung eines Anspruchs abgesehen wird. Es liegt somit gar kein Eigentumseingriff vor. Im übrigen wurden Kostenersatzansprüche stets als öffentlich-rechtlich qualifiziert, sodaß auch aus diesem Grund kein Eingriff ins Eigentum gegeben sein kann (vgl. etwa VfSlg. 12180/1989, oder zum Kostenersatz im öffentlich-rechtlichen Bebauungsrecht VfSlg. 9781/1983). Schließlich kann der vermeintliche Eigentumseingriff durch öffentliche Interssen, wie sie oben unter A 4.1. bis 4.8. dargestellt wurden, gerechtfertigt werden.
Nach Auffassung der Bundesregierung liegt daher auch keine Verletzung des verfassungsgesetzlich geschützten Eigentumsrechts vor, sodaß die Bedenken gegen die angefochtene Bestimmung insgesamt als unbegründet erscheinen."
2.2. Auch die Klägerin des Anlaßverfahrens hat als Beteiligte im Gesetzesprüfungsverfahren eine Äußerung erstattet, in der sie dem Antrag des OLG entgegentritt.
3. Zur Rechtslage:
§58 des Arbeits- und Sozialgerichtsgesetzes, BGBl. Nr. 140/1985, findet sich im II. Abschnitt des dritten Hauptstückes des ASGG unter der Überschrift "Arbeitsrechtssachen". In §49 wird zunächst als "Grundsatz" festgelegt, daß für Arbeitsrechtssachen neben den Regelungen des I. Abschnittes des dritten Hauptstückes des ASGG die Besonderheiten des II. Abschnittes gelten. In §50 wird sodann zwischen bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten und Streitigkeiten über Rechte oder Rechtsverhältnisse, die sich aus dem II. Teil des Arbeitsverfassungsgesetzes (ArbVG), BGBl. Nr. 22/1974, ergeben, unterschieden. Der II. Teil des ArbVG regelt die "Betriebsverfassung", insbesondere das Organisationsrecht und die Befugnisse der Arbeitnehmerschaft; darunter fällt auch die Anfechtung von Kündigungen und Entlassungen.
Die angefochtene Regelung, wonach ein Kostenersatzanspruch für die Verfahren in erster und zweiter Instanz ausgeschlossen wird, betrifft Rechtsstreitigkeiten nach dem II. Teil des ArbVG.
Demgegenüber gelten für Rechtsstreitigkeiten, wie sie in §50 Abs1 ASGG aufgezählt sind - das sind bürgerliche Rechtsstreitigkeiten insbesondere zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern sowie Streitigkeiten zwischen Arbeitnehmern im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis - die Kostenersatzbestimmungen der ZPO.
4. Der Verfassungsgerichtshof hat zur Zulässigkeit des Antrages erwogen:
Gemäß der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes ist ein Gericht zur Stellung eines Antrages im Sinne des Art139 bzw. 140 B-VG dann legitimiert, wenn die - angefochtene - Norm denkmöglicherweise eine Voraussetzung der Entscheidung im Anlaßbeschwerdefall bildet (vgl. zB VfSlg. 9284/1981, 10311/1984).
Die Bundesregierung bekämpft die Zulässigkeit des Antrages aus der Ansicht, daß das antragstellende Gericht im Zeitpunkt der Fassung des Unterbrechungsbeschlusses dazu nicht mehr legitimiert war und daß das Gericht nun auch nicht mehr berechtigt wäre, einen Kostenbeschluß zu fassen. Dies wird darauf gestützt, daß weder die Zivilprozeßordnung noch das ASGG eine Regelung vorsehen, wonach ein Gericht, das in einer Sache ein Urteil schriftlich fällt, die Kostenentscheidung einer späteren Beschlußfassung vorbehalten könne; den Vorbehalt der Kostenfestsetzung kenne die ZPO nur nach §44 Abs2 im Falle einer Urteilsverkündung. Ist aber die Kostenentscheidung in einem schriftlichem Urteil offen geblieben, so könne ein Ergänzungsurteil oder ein ergänzender Beschluß ohne hierauf abzielenden Antrag der Prozeßpartei nicht mehr gefällt werden. Die für einen solchen Antrag nach §423 ZPO vorgesehene Frist sei aber längst verstrichen. Die Bundesregierung hält es daher für denkunmöglich, daß das anfechtende Gericht die bekämpfte Bestimmung noch anwenden könnte.
Der Verfassungsgerichtshof kann unter den besonderen Umständen des vorliegenden Falles diese Auffassung nicht teilen:
Das anfechtende Gericht hat nach Schluß der mündlichen Berufungsverhandlung am 11. September 1992 zunächst den Beschluß gefaßt, die Kostenentscheidung vorzubehalten sowie das Verfahren insoweit gemäß §89 Abs2 B-VG zu unterbrechen und beim Verfassungsgerichtshof gemäß §62 Abs1 VerfGG die Aufhebung des ersten Satzes des §58 Abs1 ASGG zu beantragen.
Dieser Beschluß wurde den Parteien des Verfahrens in dem sodann ergangenen schriftlichen Berufungsurteil bekanntgegeben.
Unter dem Aspekt der Antragstellung und des Prüfungsbeschlusses war das Gericht offenbar der Auffassung, daß es die Hauptsache trennen und die Kostenentscheidung erst nach Beendigung des Verfahrens vor dem Verfassungsgerichtshof treffen könne. Es ist nicht Sache des Verfassungsgerichtshofes zu prüfen, ob das antragstellende Gericht rechtsrichtig zu einer solchen prozessualen Vorgangsweise schreiten durfte. Die Ansicht der Bundesregierung, daß das anfechtende Gericht die bekämpfte Bestimmung gar nicht mehr werde anwenden können, weil mit der Zustellung des Berufungsurteiles weder von Amts wegen noch über Antrag eine Entscheidung im Kostenpunkt ergehen könnte, ist aber nicht zwingend. Die Vorgangsweise des antragstellenden Gerichtes ist jedenfalls denkmöglich.
Das Gesetzesprüfungsverfahren ist - da auch die sonstigen Prozeßvoraussetzungen vorliegen - somit zulässig.
5. Der Verfassungsgerichtshof hat in der Sache selbst erwogen:
5.1. Der Verfassungsgerichtshof hält zunächst fest, daß er sich im Normprüfungsverfahren auf die Erörterung der aufgeworfenen Bedenken zu beschränken hat (vgl. zu Gesetzesprüfungsverfahren VfSlg. 8253/1978, 9185/1981, 9287/1981, 9911/1983).
Da zur Unterschiedlichkeit der Kostenregelung im Verfahren erster und zweiter Instanz und im Verfahren vor dem Obersten Gerichtshof keine Bedenken vorgebracht wurden, war auf diese Frage somit schon deshalb nicht einzugehen.
Das antragstellende Gericht macht geltend, daß "für die Verschiedenbehandlung der Kostenersatzforderungen in streitigen Verfahren, ob diese in einem Verfahren nach §50 Abs2 ASGG oder in einer anderen Arbeitsrechtssache oder auch allgemeinen Zivilrechtssache erging, ein Grund nicht erkennbar ist", sodaß Bedenken unter dem Gesichtspunkt des Art7 B-VG bestünden und sich die obsiegende Partei hinsichtlich der Kosten der ersten und zweiten Instanz als ohne hinreichenden Grund "enteignet" (Art5 StGG) fühlen müsse. Der Vorwurf des antragstellenden Gerichtes geht also dahin, daß die angefochtene Regelung verfassungswidrig sei, weil sie für Rechtsstreitigkeiten nach dem II. Teil des ArbVG für die Verfahren erster und zweiter Instanz eine Kostenersatzverpflichtung ausschließt.
5.2. Der Verfassungsgerichtshof ist nicht dieser Ansicht. Zunächst ist auf die Entstehungsgeschichte des ASGG, auf den Bericht des Justizausschusses (527 BlgNR XVI. GP) und die umfangreiche Literatur (Kuderna, Bemerkungen zur geplanten Reform der Sozialgerichtsbarkeit, ÖRZ 1981, 10; Fasching, Die verfahrensrechtlichen Probleme der Regierungsvorlage 1982 für ein Bundesgesetz über die Sozialgerichtsbarkeit, DRdA 1983, 229; Schrank, Die wichtigsten Neuerungen im Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, RdW 1985, 111; Machacek, Die Evolution der Arbeits- und Sozialgerichtsbarkeit, FS Strasser, 649) hinzuweisen, wo das Besondere der Arbeits- und Sozialrechtsstreitigkeiten und ihre Unterschiedlichkeiten dargelegt werden. Wie die Erläuterungen zur Regierungsvorlage (7 BlgNR XVI. GP) darlegen, sollen für alle Verfahren nach dem ASGG "grundsätzlich die für die ordentliche Gerichtsbarkeit geltenden Organisations- und Verfahrensbestimmungen gelten, wobei selbstverständlich materienbedingte Sonderbestimmungen vorgesehen werden".
Mit diesen Erläuterungen zur Regierungsvorlage bringt der Gesetzgeber zum Ausdruck, daß er ungeachtet des Bestrebens, für Arbeits- und Sozialrechtsangelegenheiten ein einheitliches Verfahren im Rahmen der ordentlichen Gerichtsbarkeit zu schaffen, davon ausging, daß die historisch vorgefundenen Unterschiede von bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern sowie Arbeitnehmern untereinander einerseits und Streitigkeiten aus der Betriebsverfassung andererseits als Ausdruck von Unterschiedlichkeiten für die jeweiligen Regelungsbereiche beachtlich seien, sodaß ihnen auch im ASGG nach sachlichen Gesichtspunkten Rechnung zu tragen sei.
Die Bundesregierung verweist dazu mit Recht darauf, daß verfahrensrechtliche Bestimmungen mit dem zugrundeliegenden materiellen Recht in einem engen Kontext stehen und daß die Anordnung von Sonderbestimmungen, die im ASGG getroffen werden, nicht allein unter verfahrensrechtlichen Gesichtspunkten gesehen werden dürfe. Anknüpfungspunkt des Gesetzes seien in der Regierungsvorlage ausgebreitete Überlegungen, die jedenfalls in vertretbarer Weise Unterschieden im Tatsächlichen, die zwischen bürgerlichen Streitigkeiten und Rechtsstreitigkeiten der Betriebsverfassung bestehen, Rechnung tragen sollen.
Wenn das ASGG nicht nur zwischen Arbeitsrechtssachen (§§49 - 63) und Sozialrechtssachen (§§64 - 91), sondern auch zwischen Arbeitsrechtssachen, denen bürgerliche Rechtsstreitigkeiten zugrunde liegen (§50 Abs1) und Arbeitsrechtssachen nach dem II. Teil des ArbVG 1974, also Streitigkeiten aus der Betriebsverfassung (§50 Abs2 ASGG) unterscheidet, wird damit tatsächlich auf unterschiedliche Lebenssachverhalte Bezug genommen, die dem materiellen Recht zugrunde liegen. Während Rechtsstreitigkeiten zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern sowie zwischen Arbeitnehmern untereinander individualrechtlichen Charakter aufweisen, haben Rechtsstreitigkeiten aus der Betriebsverfassung einen starken kollektiv-rechtlichen Bezug. Das ASGG läßt deutlich erkennen, daß trotz des Einbaus in die ordentliche Gerichtsbarkeit der Gesetzgeber den Besonderheiten des Arbeits- und Sozialrechts, aber auch des Arbeits- und Betriebsverfassungsrechts, Rechnung tragen wollte. Einerseits sollten also die bewährten Verfahrensnormen der ZPO - die während der Vorarbeiten zum ASGG 1983 sogar novelliert worden waren - im Interesse eines verbesserten "Zugangs zum Recht" (siehe Erläuterungen zur RV 7 BlgNR XVI. GP S 25) in das ASGG Eingang finden, um sie für Arbeits- und Sozialrechtsstreitigkeiten nutzbar zu machen. Andererseits aber sollten durch Sonderbestimmungen Regelungen, die für die einzelnen Materien - Arbeitsrecht/Betriebsverfassungsrecht/Sozialrecht - als adäquat und aufgrund von bei den bisher maßgeblichen Verfahren gewonnenen Erfahrungen als sachdienlich erkannt wurden, Berücksichtigung finden.
Die Bundesregierung verweist hiezu insbesondere auf die besondere Interessenlage bei betriebsverfassungsrechtlichen Rechtsstreitigkeiten und beruft sich auf die Eigentümlichkeiten solcher Verfahren, die dadurch mitbestimmt werden, daß Veränderungen selbst während des Prozesses eintreten können, die von einer Prozeßpartei weder verschuldet noch beeinflußbar sind, sodaß "selbst bei Vornahme eines 'Systemvergleichs' aufgrund der für Kostenersatzregelungen im allgemeinen maßgeblichen Aspekte, im Zusammenhalt mit den Besonderheiten des Betriebsverfassungsrechtes ... gerechtfertigt ist, für Betriebsverfassungsstreitigkeiten keinen Kostenersatz vorzusehen". Auch der Schlichtungscharakter, der Verfahren über Betriebsverfassungsstreitigkeiten in hohem Maß zukommt, weist in die gleiche Richtung.
Vor dem Hintergrund der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes zu Unterschiedlichkeiten in verschiedenen Verfahren treffen die vom antragstellenden Gericht aufgeworfenen Bedenken nicht zu:
Der Verfassungsgerichtshof hat wiederholt zum Ausdruck gebracht, daß zwischen verschiedenen Verfahren differenzierende Regelungen zulässig sind (vgl. hiezu VfSlg. 10367/1985). Wie in der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes weiters wiederholt dargelegt wurde (vgl. VfSlg. 10084/1984, 11795/1988), sind unterschiedliche verfahrensrechtliche Regelungen unter dem Aspekt des Art7 Abs1 B-VG bloß insoweit zueinander in Vergleich zu bringen, als dem Gesetzgeber - in bestimmten Fragen - aus ganz besonderen Gründen auszuschließende Abweichungen (exzeptionellen Gewichts) verwehrt bleiben (vgl. hiezu auch VfSlg. 8017/1977).
Aber auch der Umstand, daß betriebsverfassungsrechtliche Streitigkeiten in unterschiedlicher Form auftreten, spricht nicht gegen die angegriffene Bestimmung; hat nämlich der Gesetzgeber das Bedürfnis nach Einheitlichkeit der Verfahren des Betriebsverfassungsrechts höher bewertet als das Interesse nach gleichartiger Behandlung von zivilrechtlichen Streitigkeiten, so ist das keineswegs unsachlich (vgl. VfSlg. 9875/1983).
Der Verfassungsgerichtshof kann dem Gesetzgeber nicht entgegentreten, wenn er es - rechtspolitisch - für richtig hielt, für Betriebsverfassungsstreitigkeiten eine Kostenersatzverpflichtung in arbeits- und sozialgerichtlichen Verfahren erster und zweiter Instanz auszuschließen. Weder aus der Sicht des Gleichheitssatzes noch unter Aspekten des Art5 StGG (ein Eigentumseingriff liegt offenkundig nicht vor) sieht sich der Verfassungsgerichtshof berechtigt, der angefochtenen Regelung entgegenzutreten.
Dem Antrag war somit keine Folge zu geben.
5.3 Die begehrten Kosten werden der Beteiligten nicht zugesprochen, da ein Kostenersatz im Verfahren nach den §§62 bis 65 VerfGG nicht vorgesehen ist. Vielmehr ist es - wie der Verfassungsgerichtshof bereits wiederholt ausgesprochen hat - in auf Antrag eines Gerichtes eingeleiteten Normenprüfungsverfahren Aufgabe des antragstellenden Gerichtes, über allfällige Kostenersatzansprüche nach den für sein Verfahren geltenden Vorschriften zu erkennen (vgl. VfSlg. 10832/1986 mit weiteren Rechtsprechungsnachweisen).
6. Dies konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung entschieden werden.
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