Normen
B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
B-VG Art140 Abs1 / Prüfungsmaßstab
B-VG Art140 Abs3 erster Satz
B-VG Art140 Abs5
GrEStG 1955 §20 Abs1 Z1 und Z2
GrEStG 1955 §20 Abs6
B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
B-VG Art140 Abs1 / Prüfungsmaßstab
B-VG Art140 Abs3 erster Satz
B-VG Art140 Abs5
GrEStG 1955 §20 Abs1 Z1 und Z2
GrEStG 1955 §20 Abs6
Spruch:
§20 Abs6 des Grunderwerbsteuergesetzes, BGBl. 140/1955, idF der Nov. BGBl. 277/1969, wird als verfassungswidrig aufgehoben.
Frühere Bestimmungen treten nicht wieder in Wirksamkeit.
Die aufgehobene Bestimmung ist auch in jener Rechtssache nicht mehr anzuwenden, die dem beim VfGH zu G125/86 anhängigen Verfahren zugrunde liegt.
Der Bundeskanzler ist zur unverzüglichen Kundmachung dieser Aussprüche im BGBl. verpflichtet.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Nach §20 Abs1 GrunderwerbsteuerG idF BGBl. 277/1969 wird die Steuer auf Antrag nicht festgesetzt,
"1. wenn der Erwerbsvorgang innerhalb von zwei Jahren seit der Entstehung der Steuerschuld durch Vereinbarung, durch Ausübung eines vorbehaltenen Rücktrittsrechtes oder eines Wiederkaufsrechtes rückgängig gemacht wird,
2. wenn der Erwerbsvorgang auf Grund eines Rechtsanspruches rückgängig gemacht wird, weil die Vertragsbestimmungen nicht erfüllt werden,
3. wenn das Rechtsgeschäft, das den Anspruch auf Übereignung begründen sollte, ungültig ist und das wirtschaftliche Ergebnis des ungültigen Rechtsgeschäftes beseitigt wird."
Ähnliches bestimmt Abs2 für den Fall, daß zur Rückgängigmachung ein neuer grunderwerbsteuerpflichtiger Erwerbsvorgang erforderlich ist; Abs3 sieht für den Fall der Herabsetzung der Gegenleistung eine Herabsetzung der Steuer vor und Abs4 ermöglicht auch die Abänderung bereits festgesetzter Steuern. Abs6 bestimmt sodann:
"Die Vorschriften der Abs1 bis 4 gelten nur, wenn beim rückgängig gemachten Erwerbsvorgang oder bei dem dem Rückerwerb vorausgegangenen Erwerbsvorgang oder bei dem Erwerbsvorgang, für den die Gegenleistung herabgesetzt wurde, die Steuerschuldner ihrer Offenlegungs- und Wahrheitspflicht rechtzeitig nachgekommen sind."
2. Der in Wien wohnhafte Bf. zu B957/84 hat einen am 22. Juni 1981 abgeschlossenen Kaufvertrag über die Liegenschaft EZ ..., KG Feldkirch, in Vorarlberg am 22. Juli 1981 dem Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern in Wien unter Vorlage von Kopien des Anbot- und des Annahmeschreibens angezeigt. Dieses Amt hat die Anzeige an das zuständige Finanzamt Feldkirch weitergeleitet, das mit Bescheid vom 4. November 1981 die Grunderwerbsteuer mit 100992 S festsetzte.
Am 30. April 1983 beantragte der Bf. unter Hinweis auf §20 Abs1 Z1 GrEStG die Nichtfestsetzung der Grunderwerbsteuer mit dem Beisatz, darin liege kein Präjudiz für den Prozeß auf Einhaltung des Vertrages. Diesem Antrag gab das Finanzamt Feldkirch mangels Vorliegens einer Vereinbarung über die Rückgängigmachung des Erwerbsvorganges nicht Folge. In seiner Berufung gegen den ablehnenden Bescheid führte der Bf. aus, die Verkäuferin wolle den Vertrag nicht erfüllen und habe die Liegenschaft anderweitig verkauft und schon bücherlich übergeben.
Der Berufungsbescheid der Finanzlandesdirektion für Vorarlberg beurteilt das Begehren nach §20 Abs1 Z2 GrEStG und weist die Berufung ab, weil die Steuerschuldner ihrer Offenlegungs- und Wahrheitspflicht nicht rechtzeitig nachgekommen seien (§20 Abs6 GrEStG): Die Anzeige sei erst nach Ablauf der 14-tägigen Frist beim unzuständigen Finanzamt, ohne Verwendung des amtlichen Vordruckes und nicht in 4-facher Ausfertigung erstattet worden.
3. Aus Anlaß des Verfahrens über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der VfGH von Amts wegen die Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des §20 Abs6 GrEStG beschlossen.
Der Gerichtshof ging vorläufig davon aus, daß die Beschwerde zulässig ist und er bei ihrer Beurteilung §20 Abs1 Z2 und Abs6 GrEStG anzuwenden hätte. Er hatte gegen Abs6 jedoch das Bedenken, daß diese Bestimmung iVm. Abs1 Z2 gegen das verfassungsrechtliche Gleichheitsgebot verstößt:
"In seiner bisherigen Rechtsprechung hat der Gerichtshof §20 Abs6 GrEStG aus dem Blickwinkel der Fallgruppe des Abs1 Z1 wiederholt die verfassungsrechtliche Unbedenklichkeit bescheinigt (VfSlg. 7322/1974 und 9054/1981). Er hält auch daran fest, daß keine Verfassungsbestimmung den Gesetzgeber zwingt, die vereinbarte oder vorbehaltene - und darum immer beiderseits freiwillige - Rückgängigmachung eines grunderwerbsteuerpflichtigen Vorganges (insbesondere die Rückveräußerung) unter allen Umständen zum Anlaß einer Aufhebung der eingetretenen Steuerpflicht zu machen. Es ist daher auch nicht unsachlich, wenn er eine solche Begünstigung von der genauen Erfüllung der Offenlegungs- und Wahrheitspflicht abhängig macht.
Aus dem Blickwinkel der im vorliegenden Beschwerdefall anwendbaren Z2 des Abs1 bestehen indessen Zweifel an der Sachlichkeit einer derart einschneidenden Regelung. Es scheint, daß das Konzept des Abs6 bei dieser Fallgruppe darauf hinausläuft, den enttäuschten Partner des Vertragsbrüchigen, dem das bürgerliche Recht das weitere Zuhalten des Vertrages nicht zumutet und die einseitige Lösung des Verhältnisses erlaubt, über den unvermeidlichen Nachteil des Fehlschlages seiner Erwerbsabsicht hinaus auch noch der Belastung mit einer nicht unerheblichen Gebühr für den fehlgeschlagenen Vertrag auszusetzen. Die Unangemessenheit dieser Rechtsfolge wird besonders deutlich, wenn man in Betracht zieht, daß die Verletzung der Offenlegungs- und Wahrheitspflicht häufig gerade dem auch insoweit vertragsbrüchigen Partner zur Last fällt, der die Anzeige zu besorgen übernommen hat, mangels Vermögens dann aber auch im Rückgriffsweg nicht zur Verantwortung gezogen werden kann.
Vor dem Hintergrund der jüngsten Rechtsprechung zu den Folgen verspäteter oder unterlassener Gebührenanzeigen (G42/85 ua. vom 29. Juni 1985 und G146 - 149/85 vom 9. Oktober 1985) scheint es, daß auch der hier vorgesehene Verlust der Möglichkeit der Nichtfestsetzung der Steuer für den Fall, daß die Ausführung des Erwerbsvorganges wegen Nichterfüllung von Vertragsbestimmungen unterbleibt, eine überschießende (exzessive) Reaktion auf die Unterlassung der Abgabepflichtigen ist, die den rechtspolitischen Spielraum des Gesetzgebers überschreitet und gegen das dem Gleichheitssatz innewohnende Gebot der Sachlichkeit verstößt."
4. Die Bundesregierung verteidigt die Verfassungsmäßigkeit des
Gesetzes. Zu Unrecht unterstelle der Prüfungsbeschluß dem §20 Abs6
bei der Fallgruppe des Abs1 Z2 GrEStG das Konzept einer zusätzlichen
Belastung "des enttäuschten Partners des Vertragsbrüchigen ... mit
einer nicht unerheblichen Gebühr für den fehlgeschlagenen Vertrag":
"(1.) ... Nach Ansicht der Bundesregierung könnte ... dem §20 Abs6
GrEStG dieses Konzept tatsächlich nur dann unterstellt werden, wenn nach den Bestimmungen des Grunderwerbsteuergesetzes, also kraft Gesetzes immer der 'enttäuschte' Vertragspartner der Steuerschuldner wäre, dem die Abgabenbehörde daher die Grunderwerbsteuer vorzuschreiben hätte, und wenn auch von Gesetzes wegen immer der andere, 'enttäuschende' Vertragspartner die Anzeige des grunderwerbsteuerpflichtigen Erwerbsvorganges zu besorgen hätte.
Dabei läßt die hier im Hinblick auf das vom Verfassungsgerichtshof angenommene Konzept des §20 Abs6 GrEStG konstruierte Rechtslage im Interesse einer wohl zulässigen Vereinfachung noch außer acht, daß der VfGH offensichtlich davon ausgeht, es müsse einerseits immer ein Verschulden des 'enttäuschenden' Vertragspartners vorliegen (arg.: 'des Vertragsbrüchigen') und andererseits der 'enttäuschte'
Vertragspartner immer der Erwerber des Grundstücks sein (arg.: 'seiner Erwerbsabsicht'). Es steht aber wohl außer Zweifel, daß auch diese Annahmen nur im Falle entsprechender ausdrücklicher gesetzlicher Bestimmungen zutreffen würden.
2. Aus dem Grunderwerbsteuergesetz 1955 ergibt sich jedoch eine von der unter Pkt. 1 konstruierten Rechtslage völlig verschiedene, tatsächlich geltende Rechtslage:
Gemäß dem im prüfungsgegenständlichen Zusammenhang relevanten §17 Z4 GrEStG sind zunächst die am Erwerbsvorgang beteiligten Personen Steuerschuldner und als solche im Sinne des §6 BAO Gesamtschuldner. Gemäß §18 Abs2 GrEStG sind diese Personen auch zur Vorlage der Abgabenerklärung über den steuerpflichtigen Erwerbsvorgang binnen zwei Wochen nach seiner Verwirklichung zur ungeteilten Hand verpflichtet. Welchem Steuerschuldner nun die Abgabenbehörde die Grunderwerbsteuer tatsächlich vorschreibt, liegt in ihrem Ermessen, wobei dem von der Abgabenbehörde zur Leistung herangezogenen Steuerschuldner gemäß §896 ABGB ein entsprechender Regreßanspruch zusteht. Unbeschadet ihrer gesetzlichen Verpflichtungen haben es die am Erwerbsvorgang beteiligten Personen jedoch in der Hand, das Innenverhältnis nach Belieben zu gestalten, so auch ihre (gegenseitigen) Rechte und Pflichten im Zusammenhang mit der Grunderwerbsteuer zu vereinbaren. Es steht ihnen also durchaus frei, etwa vertraglich zu vereinbaren, wer die Steuer zu tragen und wer die Anzeige des steuerpflichtigen Erwerbsvorganges zu besorgen hat, jedoch vermögen derartige vertragliche Vereinbarungen an den gesetzlichen Verpflichtungen gemäß den §§17 und 18 GrEStG keinesfalls etwa zu ändern! (Vgl. zu diesen Ausführungen insbesondere das Erkenntnis des VfGH vom 7. März 1984, B399/82 ua.)
3. Vor dem Hintergrund dieser sich aus dem Grunderwerbsteuergesetz 1955 ergebenden tatsächlichen Rechtslage kann jedoch die unter Pkt. 1 umschriebene Annahme des Verfassungsgerichtshofes nicht als Konzept des §20 Abs6 GrEStG bezeichnet werden, da sie nur für die ganz spezifische Fallkonstellation zutrifft,
* daß die Grunderwerbsteuer vom 'enttäuschten' Vertragspartner - aufgrund der Vorschreibung durch die Abgabenbehörde zur Gänze oder aufgrund eines Regreßanspruches seines Vertragspartners in entsprechender Höhe - getragen wird,
* daß auch der 'enttäuschte' Vertragspartner - unabhängig von einer diesbezüglich allenfalls getroffenen vertraglichen Vereinbarung zu Lasten seines Vertragspartners - seiner gesetzlichen Anzeigepflicht nicht nachkommt,
* daß den Vertragspartner des 'enttäuschten' Vertragspartners ein Verschulden an der Nichterfüllung der Vertragsbestimmungen trifft,
* daß der im Hinblick auf die Nichterfüllung der Vertragsbestimmungen, etwa auch seiner vertraglich vereinbarten Anzeigepflicht, vertragsbrüchige Partner mangels Vermögens vom 'enttäuschten' Vertragspartner 'auch im Rückgriffsweg nicht zur Verantwortung gezogen werden kann' und schließlich
* daß es sich bei dem 'enttäuschten' Vertragspartner um den Erwerber des Grundstücks handelt.
Nach Ansicht der Bundesregierung kann nun dieser - dem vom VfGH angenommenen 'Konzept des Abs6' des §20 GrEStG offenbar zugrunde liegende - Fall keinesfalls als der von der in Prüfung gezogenen Regelung erfaßte Durchschnittsfall qualifiziert oder auch nur als 'vom System der Regelung mitgedacht' angesehen werden (vgl. dazu etwa das Erk. des VfGH vom 14. Dezember 1983, G34/83). Ganz abgesehen davon, daß die im vorliegenden Zusammenhang relevanten, durch die §§17 Z4 und 18 Abs2 GrEStG normierten gesetzlichen Verpflichtungen - wie bereits ausgeführt - alle am Erwerbsvorgang beteiligten Personen unabhängig von anderslautenden vertraglichen Vereinbarungen in gleicher Weise treffen, darf doch nicht übersehen werden, daß etwa zahlreiche Fälle denkbar sind, die zwar unter §20 Abs1 Z2 GrEStG zu subsumieren sind, in denen jedoch - wie etwa bei objektivem Verzug oder im Falle der Gewährleistung bei wesentlichem unbehebbarem Mangel - keinen der Vertragspartner ein Verschulden an der Nichterfüllung der Vertragsbestimmungen trifft. Wie gerade der gegenständliche Anlaßfall zeigt, muß auch keinesfalls immer der Erwerber des Grundstücks der durch die Nichterfüllung der Vertragsbestimmungen betroffene, 'enttäuschte' Vertragspartner sein:
Im Anlaßfall war der beschwerdeführende Erwerber nicht nur der Vertragsbrüchige, sondern auch derjenige, der seiner gesetzlichen Anzeigepflicht nicht fristgerecht nachgekommen ist. Damit beweist aber gerade der Anlaßfall die Vielfalt der möglichen, von §20 Abs1 Z2 GrEStG erfaßten Fallkonstellationen.
4. Diese - hier nur ansatzweise aufgezeigte - mögliche Vielfalt der von §20 Abs1 Z2 GrEStG erfaßten Fälle zeigt nach Ansicht der Bundesregierung, daß das vom Gesetzgeber bei der Normierung dieser Bestimmung im Zusammenhang mit §20 Abs6 verfolgte Konzept ein anderes als das vom VfGH angenommene gewesen ist. Der Grunderwerbsteuergesetzgeber wollte nämlich schon bei Einräumung der Begünstigung der Aufhebung eingetretener Steuerpflicht durch §20 Abs1 Z2 GrEStG alle im ABGB gesetzlich vorgesehenen Fälle der möglichen Vertragsauflösung berücksichtigen, ohne auf die näheren Umstände im Einzelfall abzustellen. Folgerichtig und ganz im Sinne dieses Konzeptes hat er die Voraussetzung für die Gewährung der Begünstigung, nämlich die genaue Erfüllung der Wahrheits- und Offenlegungspflicht, für die durch die Z2 des §20 Abs1 leg. cit. erfaßten Fälle auch ohne Berücksichtigung der Umstände im Einzelfall normiert. In Kenntnis der großen Vielfalt der Fälle, in denen der Erwerbsvorgang wegen Nichterfüllung der Vertragsbestimmungen aufgrund eines Rechtsanspruches rückgängig gemacht werden kann, hat also der Gesetzgeber bei der Normierung der Begünstigung sowie des Erfordernisses der rechtzeitigen Erfüllung der Wahrheits- und Offenlegungspflicht aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung und -ökonomie eine vergröbernde Regelung getroffen. Wie aber der VfGH selbst wiederholt ausgesprochen hat, rechtfertigen Gründe der Verwaltungsvereinfachung und -ökonomie eine solche vergröbernde Regelung (vgl. dazu etwa VfSlg. 7010/73, 7082/73, 7359/74 und 9645/83 sowie die Erk. vom 25. Feber 1984, B249/80, vom 27. September 1984, G38/82 ua., und vom 15. Juni 1985, B84, 85/84)."
In weiterer Folge weist die Bundesregierung auf die Möglichkeit hin, daß der "enttäuschte" Vertragspartner im Wege des Schadenersatzes die bezahlte Grunderwerbsteuer zurückfordern könne (wobei die Insolvenz des Vertragsbrüchigen zu den Unsicherheiten zähle, die jeder am Geschäftsleben Teilnehmende hinnehmen müsse). Vertragliche Vereinbarungen über die Erfüllung der Anzeigepflicht gingen eben auf Risiko des "Enttäuschten".
Im übrigen unterscheide sich der Fall von den Gebührenfällen. Es werde
"... nicht eine zusätzliche Geldleistung in der vollen Höhe der Abgabe und ohne Berücksichtigung der Entschuldbarkeit der Versäumnis vorgeschrieben, um die Einhaltung gebührenrechtlicher Vorschriften wirksam zu sichern, sondern eine Begünstigung gewährt, die an eine ganz bestimmte Voraussetzung geknüpft ist. Bei den in §20 Abs1 Z1 und Z2 GrEStG geregelten Fällen handelt es sich deshalb um eine abgabenrechtliche Begünstigung, weil der grunderwerbsteuerrelevante Tatbestand jedenfalls verwirklicht worden ist und auch durch die nachträgliche Rückgängigmachung des Rechtsgeschäftes nicht mehr beseitigt werden kann. Nach Ansicht der Bundesregierung kann es nicht als unsachlich angesehen werden, an eine solche verfassungsrechtlich nicht gebotene abgabenrechtliche Begünstigung in jedem Fall - also nicht nur dann, wenn die Rückgängigmachung des Rechtsgeschäftes eine beiderseits freiwillige ist - das Erfordernis zu knüpfen, daß der Abgabepflichtige der gesetzlichen Offenlegungs- und Wahrheitspflicht entsprochen hat, die überdies - im Regelfall zeitlich vor und unabhängig von Ereignissen, die nach Vertragsabschluß zur Rückgängigmachung des Rechtsgeschäftes wegen Nichterfüllung der Vertragsbestimmungen führen - grundsätzlich alle am Erwerbsvorgang beteiligten Personen trifft."
II. Das Verfahren ist zulässig. Es ist nichts hervorgekommen, was Zweifel an der Zulässigkeit der Anlaßbeschwerde oder an der Präjudizialität der in Prüfung gezogenen Bestimmung erweckt hätte.
III. Die im Prüfungsbeschluß geäußerten Bedenken treffen auch zu. §20 Abs6 GrEStG verstößt gegen den Gleichheitssatz.
Es ist offenkundig, daß §20 Abs6 GrEStG den enttäuschten Partner des Vertragsbrüchigen, dem das bürgerliche Recht das weitere Zuhalten des Vertrages nicht zumutet und die einseitige Lösung des Verhältnisses erlaubt, über den unvermeidlichen Nachteil des Fehlschlages seiner Erwerbsabsicht hinaus auch noch mit einer nicht unerheblichen Steuer für den fehlgeschlagenen Vertrag belastet, wenn keiner der Vertragspartner rechtzeitig der Offenlegungs- und Wahrheitspflicht nachgekommen ist. Das ist ein sachlich nicht zu rechtfertigendes Ergebnis. Die Einwände der Bundesregierung schlagen dem gegenüber nicht durch.
1. Sie mißverstehen die Bedenken des Gerichtshofs zunächst dahin, als würde dem Gesetz unterstellt, gerade jenen enttäuschten Vertragsteil treffen zu wollen, dessen vertragsbrüchiger Partner nach der Vereinbarung die Anzeige des grunderwerbsteuerpflichtigen Vorganges zu besorgen gehabt hätte, und werfen dem Prüfungsbeschluß sodann zu Unrecht vor, stets ein Verschulden des Vertragsbrüchigen anzunehmen und davon auszugehen, daß leidtragend immer der Grundstückserwerber sei.
Der Gerichtshof hat ausdrücklich festgehalten, daß er das Konzept des §20 Abs6 GrEStG, die Rückgängigmachung eines grunderwerbsteuerpflichtigen Vorganges (insbesondere die Rückveräußerung) nur dann als Aufhebung der bereits eingetretenen Steuerpflicht wirken zu lassen, wenn die Offenlegungs- und Wahrheitspflicht genau erfüllt ist, nach wie vor für verfassungsrechtlich unbedenklich hält. Seine Bedenken gehen nur dahin, daß dieses Konzept in einer bestimmten Fallgruppe, nämlich der Z2 des Abs1, "darauf hinausläuft", den enttäuschten Partner des Vertragsbrüchigen über diese Enttäuschung hinaus auch noch der Belastung mit einer Abgabe auszusetzen. Der Gerichtshof hat seine Bedenken nirgends dahin formuliert, daß es dem Gesetzgeber etwa gerade auf dieses Ergebnis angekommen sei. Die Gleichheitswidrigkeit eines Gesetzes ist ja nicht erst die Sanktion einer (bösen) Absicht des Gesetzgebers, sondern schon die Folge der unsachlichen Wirkung des Gesetzgebungsaktes. Den Bedenken des Gerichtshofs kann nicht damit begegnet werden, daß die in Rede stehende Z2 des §20 Abs1 auch Fälle umschließt, in denen das als unsachlich verdächtige Ergebnis nicht eintritt. Sie sind begründet, wenn aufgezeigt werden kann, daß der (vom Gerichtshof kurz als Vertragsbruch bezeichnete) Fall der Nichterfüllung einer Vertragsbestimmung durch den anderen Teil innerhalb der in Rede stehenden Z2 nicht bloß einen Härtefall darstellt.
Nun ist aber offenkundig der Vertragsbruch durch den anderen Teil geradezu ein Regelfall der Z2 und er verliert diesen Charakter auch dann nicht, wenn man (aus dem Blickwinkel des Anlaßfalles) nur auf den Grundstückserwerber sieht. Diese Konstellation ist jedenfalls mitgedacht. Aus der Sicht eines durch den Erwerber enttäuschten Veräußerers könnte die Regelung übrigens um nichts eher gerechtfertigt werden. Wie die Bundesregierung nämlich zu Recht betont, trifft die Grunderwerbsteuer alle am Erwerbsvorgang beteiligten Personen, also auch denjenigen, dessen Veräußerungsabsicht wegen Vertragsbruches des Erwerbers fehlgeschlagen ist.
Von schuldhaftem Vertragsbruch ist im Prüfungsbeschluß nicht die Rede. Zieht man allerdings in Betracht, daß nach §1298 ABGB den Entlastungsbeweis zu erbringen hat, wer vorgibt, an der Erfüllung seiner vertragsmäßigen Verbindlichkeiten ohne sein Verschulden verhindert worden zu sein, kann die durch den Vertragspartner verschuldete Rückabwicklung des Erwerbsvorganges keineswegs als seltener Fall eingestuft werden. Er braucht deshalb bei Würdigung der Auswirkungen der in Prüfung stehenden Vorschrift ebensowenig außer Betracht zu bleiben wie der im Prüfungsbeschluß aufgezeigte Fall, daß der Vertragsbrüchige auch die Anzeige unterläßt, die zu besorgen er übernommen hat. Alle diese Fälle illustrieren die Folgen einer Regelung, die ausschließlich an die (objektive) Verletzung der Offenlegungs- und Wahrheitspflicht anknüpft.
2. Die Bundesregierung erhebt schließlich den Einwand, die Steuerpflicht rückgängig gemachter Erwerbsvorgänge bezwecke gar nicht die Sicherung der Einhaltung steuerrechtlicher Vorschriften, sondern stelle eine Begünstigung dar, die an eine ganz bestimmte Voraussetzung geknüpft sei; insbesondere sei in den Fällen der Z1 und Z2 des §20 Abs1 GrEStG der steuerpflichtige Tatbestand immer schon verwirklicht worden. Dieser Einschätzung kann der VfGH nicht folgen. Geht man von einem gesetzestreuen Steuerpflichtigen aus, so verfügt §20 GrEStG doch die grundsätzliche Steuerfreiheit rückgängig gemachter Erwerbsvorgänge. Das entspricht auch der materiellen Zielsetzung des Grunderwerbsteuergesetzes, den Grundstücksverkehr und nicht bloße (zu Verträgen verdichtete) Absichten zu besteuern. Ist der Erwerbsvorgang fehlgeschlagen und wird er wieder rückgängig gemacht, erweist sich seine vorgängige Besteuerung eben als unbegründet. Die Fortdauer der Steuerpflicht trotz Rücknahme des Erwerbsvorganges wegen unzureichender Erfüllung der Offenlegungs- und Wahrheitspflicht ist somit nichts als eine Sanktion für diese Unterlassung. Übertrüge man das Konzept des §20 Abs6 GrEStG auf die von §9 GebG vor dessen Aufhebung (durch die schon im Prüfungsbeschluß genannten Erk. G42/85 ua., G146 - 149/85 und das jüngst ergangene Erk. G8 - 11/86 vom 8. März 1986) geregelte Frage, würde ihm eine Regelung entsprechen, bei der ein hoher Gebührensatz sich bei rechtzeitiger Erfüllung der Anzeigepflicht bzw. Gebührenentrichtung - als "Begünstigung" des Pünktlichen - auf die Hälfte ermäßigt. Nichts anderes war aber im Ergebnis die Wirkung der Bestimmung, nach der sich der einfache Gebührensatz bei nicht rechtzeitiger Erfüllung der genannten Pflichten verdoppelte.
Nimmt man den Regelfall, so mag sich die Aufrechterhaltung der Grunderwerbsteuerpflicht gerade noch rechtfertigen lassen, wenn der Erwerbsvorgang einvernehmlich oder aufgrund einer vertraglich eingeräumten (freien) Rücktrittsmöglichkeit oder eines Wiederkaufsrechtes rückgängig gemacht wird (§20 Abs1 Z1). Vorgänge dieser Art kommen nämlich einer kurzfristigen Aufeinanderfolge mehrerer Erwerbsvorgänge so nahe, daß der Gesetzgeber sie steuerpflichtig lassen oder ihre Steuerfreiheit wenigstens von der genauen Pflichterfüllung abhängig machen darf. Der für diese Frage unwesentliche Unterschied zwischen Aufhebungsvertrag, vereinbartem Rücktritt und Wiederkauf kann insoweit außer Betracht bleiben. Für die typischen Fälle der Rückgängigmachung des steuerpflichtigen Tatbestandes wegen Nichterfüllung von Vertragsbestimmungen (§20 Abs1 Z2) läßt sich dergleichen aber nicht sagen.
Es ist wohl einzuräumen, daß die Parteien in der Absicht, den Erwerbsvorgang rückgängig zu machen, die Nichterfüllung von Vertragsbestimmungen auch bloß vortäuschen können. Auf solche Täuschungen dürfte der Gesetzgeber aber die Norm nicht abstellen. Er muß vielmehr davon ausgehen, daß die Nichterfüllung von Vertragsbestimmungen ein Umstand ist, der den geplanten Erwerbsvorgang ohne Zutun des anderen Teils scheitern läßt. Hat der Steuerpflichtige sich solcherart den Fehlschlag des beabsichtigten Geschäftes nicht selbst zuzuschreiben, so fehlt es an einem Grund, die - nicht notwendig schuldhafte - Verletzung der Offenlegungs- und Wahrheitspflicht mit einer Steuer auf den fehlgeschlagenen Vorgang zu ahnden. Die durch §20 Abs6 normierte Steuerpflicht ist insoweit tatsächlich eine überschießende (exzessive) Reaktion auf die Unterlassung des Abgabepflichtigen, die den rechtspolitischen Spielraum des Gesetzgebers überschreitet und - wie die aufgehobenen Teile des §9 GebG - gegen das dem Gleichheitssatz innewohnende Gebot der Sachlichkeit verstößt.
Die Regelung ist daher als verfassungswidrig aufzuheben.
Der Prüfungsbeschluß bemerkt abschließend, es werde noch zu erörtern sein, ob sich der Gerichtshof allenfalls mit einer teilweisen Aufhebung der in Prüfung gezogenen Vorschrift begnügen könne. Die Bundesregierung spricht sich für eine Aufhebung bloß der Worte "beim rückgängig gemachten Erwerbsvorgang oder" aus. Das Verfahren hat indessen keinen Weg aufgezeigt, der verhindern könnte, daß durch die Aufhebung auch verfassungsrechtlich unbedenkliche Anwendungsfälle aus dem Rechtsbestand ausscheiden. Die in Prüfung gezogene Vorschrift ist ferner so gefaßt, daß die Aufhebung bloßer Teile einen mißverständlichen Text übriglassen würde. Es wäre nämlich nach Aufhebung der genannten Worte nicht mehr klar, welche Tatbestände der verbleibende Teil noch erfaßt. Die Aufhebung hat sich daher auf den ganzen in Prüfung gezogenen Absatz zu erstrecken.
IV. Von einer Fristsetzung hat der Gerichtshof abgesehen, weil er sich von der Notwendigkeit der Besteuerung rückgängig gemachter Erwerbsvorgänge für die Zeit bis zu einer allfälligen Neuregelung insgesamt nicht überzeugen konnte. Die übrigen Aussprüche stützen sich auf Art140 Abs5 und 6 B-VG und §64 VerfGG.
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