Normen
B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
B-VG Art11 Abs2
B-VG Art18 Abs1
AVG §64 Abs1, Abs2
Stmk BauG §41 Abs5
B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
B-VG Art11 Abs2
B-VG Art18 Abs1
AVG §64 Abs1, Abs2
Stmk BauG §41 Abs5
Spruch:
Der Antrag wird abgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Der Verwaltungsgerichtshof beantragt (Zl. A2003/14-1) in
dem beim Verfassungsgerichtshof zu G214/03 protokollierten Verfahren gemäß Art89 Abs2 und 140 Abs1 B-VG, der Verfassungsgerichtshof wolle in §41 Abs5 des Steiermärkischen Baugesetzes vom 4. April 1995, LGBl. Nr. 59/1995, die Wortfolge "1 und" als verfassungswidrig aufheben.
2. §41 Steiermärkisches Baugesetz, LGBl. Nr. 59/1995 idF LGBl. Nr. 78/2003 (in der Folge: Stmk BauG) lautet (§41 Abs5 steht in der Stammfassung LGBl. Nr. 59/1995 in Geltung; die angefochtene Wortfolge ist hervorgehoben):
"§41
Baueinstellung und Beseitigungsauftrag
(1) Die Behörde hat die Baueinstellung zu verfügen, wenn Vorhaben gegen Bestimmungen dieses Gesetzes verstoßen, insbesondere wenn
- 1. bewilligungspflichtige Vorhaben ohne Bewilligung,
- 2. anzeigepflichtige Vorhaben ohne Genehmigung im Sinne des §33 Abs6 oder
3. baubewilligungsfreie Vorhaben nicht im Sinne dieses Gesetzes
ausgeführt werden.
(2) Werden unzulässige Bauarbeiten trotz verfügter Baueinstellung fortgesetzt, kann die Baubehörde die Baustelle versiegeln oder absperren und die auf der Baustelle vorhandenen Baustoffe, Bauteile, Geräte, Maschinen und Bauhilfsmittel in amtlichen Gewahrsam bringen.
(3) Die Behörde hat hinsichtlich vorschriftswidriger baulicher Anlagen einen Beseitigungsauftrag zu erlassen. Der Auftrag ist ungeachtet eines Antrages auf nachträgliche Erteilung einer Baubewilligung oder einer Anzeige gemäß §33 Abs1 zu erteilen.
(4) Die Behörde hat die Unterlassung der vorschriftswidrigen Nutzung aufzutragen, wenn eine bewilligungspflichtige Änderung des Verwendungszweckes von baulichen Anlagen oder Teilen derselben ohne Bewilligung vorgenommen wurde; Abs3 zweiter Satz gilt sinngemäß.
(5) Berufungen gegen Bescheide nach Abs1 und 4 haben keine aufschiebende Wirkung.
(6) Den Nachbarn steht das Recht auf Erlassung eines baupolizeilichen Auftrages zu, wenn die Bauarbeiten, die baulichen Anlagen oder sonstigen Maßnahmen im Sinne der Abs1, 3 und 4 ihre Rechte (§26 Abs1) verletzen."
3.1. Zur Präjudizialität der angefochtenen Bestimmung führt der Verwaltungsgerichtshof aus, bei ihm sei zu Zl. 2003/06/0062 ein Bescheid der Berufungskommission der Landeshauptstadt Graz vom 24. Februar 2003 angefochten, mit welchem gegenüber dem Beschwerdeführer gemäß §66 Abs4 AVG iVm §41 Abs1 Stmk BauG ua. die Einstellung näher bezeichneter Bauarbeiten auf dem Grundstück Nr. 1013, EZ 372, KG Geidorf, verfügt und seinem Antrag, seiner Berufung gegen den Bescheid der Behörde erster Instanz die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, keine Folge gegeben worden sei.
Weiters weist der Verwaltungsgerichtshof zur Darlegung der Präjudizialität auf einen Beschluss des Verfassungsgerichtshofes vom 20. Juni 2003, G57/03, hin, mit dem ein vom Beschwerdeführer beim Verfassungsgerichtshof gestellter Individualantrag auf Aufhebung der genannten Wortfolge in §41 Abs5 Stmk BauG zurückgewiesen worden war, da die Berufungskommission der Stadt Graz die vom Antragsteller bekämpfte Norm nach Ansicht des Verfassungsgerichtshofes bei der Beurteilung des ihr vorliegenden Antrages auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung im Berufungsbescheid vom 24. Februar 2003 denkmöglicherweise angewendet hatte und dem Antragsteller damit die Möglichkeit offen gestanden wäre, seine Bedenken gegen die bekämpfte Norm durch Bekämpfen des genannten Bescheides an den Verfassungsgerichtshof heranzutragen. Aus den sich aus dem genannten Zurückweisungsbeschluss ergebenden Erwägungen des Verfassungsgerichtshofes schließt der Verwaltungsgerichtshof, dass die Präjudizialität der angefochtenen Gesetzesstelle im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof nicht verneint werden könne.
3.2. Seine Bedenken gegen die bekämpfte Wortfolge in §41 Abs5 Stmk BauG legt der Verwaltungsgerichtshof wie folgt dar:
"[...] Der Verfassungsgerichtshof geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, der Sinn des rechtsstaatlichen Prinzips liege darin, dass alle Akte staatlicher Organe im Gesetz und mittelbar letzten Endes in der Verfassung begründet sein müssen und ein System von Rechtsschutzeinrichtungen die Gewähr dafür bietet, dass nur solche Akte in ihrer rechtlichen Existenz als dauernd gesichert erscheinen, die in Übereinstimmung mit den sie bedingenden Akten höherer Stufe erlassen wurden. Es gehe nicht an, den Rechtsschutzsuchenden generell einseitig mit allen Folgen einer potenziell rechtswidrigen behördlichen Entscheidung solange zu belasten, bis sein Rechtsschutzgesuch endgültig erledigt ist. Zu berücksichtigen seien in diesem Zusammenhang allerdings nicht nur seine Position, sondern auch Zweck und Inhalt der Regelung, ferner die Interessen Dritter sowie schließlich das öffentliche Interesse. Der Gesetzgeber habe unter diesen Gegebenheiten einen Ausgleich zu schaffen, wobei aber dem Grundsatz der faktischen Effizienz eines Rechtsbehelfs der Vorrang zukomme und dessen Einschränkung nur aus sachlich gebotenen (nach den meisten der angeführten Erkenntnisse auch: triftigen) Gründen zulässig sei; auf welche Weise dieser Ausgleich vom Gesetzgeber vorgenommen werden müsse, ließe sich nicht allgemein sagen (VfSlg. 11.196/1986, 12.683/1991, 13.305/1992, 14.671/1996, 15.218/1998, 15.511/1999, 16.245/2002).
Die angefochtene Gesetzesstelle dürfte im Widerspruch zum rechtsstaatlichen Prinzip in diesem Sinne stehen. Sie sieht nämlich vor, dass Berufungen gegen Bescheide, mit denen nach §41 Abs1 die Baueinstellung verfügt wurde, ohne jede Ausnahme keine aufschiebende Wirkung zukommen soll. Sachliche und triftige Gründe im Sinne der angeführten Rechtsprechung sind hiefür nicht zu erkennen. Auch den Gesetzesmaterialien (vgl. die Regierungsvorlage, Beilage Nr. 97 zu den stenografischen Berichten des Steiermärkischen Landtags, XII. Gesetzgebungsperiode, 1994, Einl.-Zahl 992/1, und den Bericht des Ausschusses für Bau-, Wohnbau und Raumordnung, Beilage Nr. 132 zu den stenografischen Berichten des Steiermärkischen Landtags, XII. Gesetzgebungsperiode, 1995, Einl.-Zahl 992/5) lassen sich solche Gründe nicht entnehmen. Selbst bei Annahme eines öffentlichen Interesses an einer raschen und effektiven Unterbindung der Errichtung von vorschriftswidrigen baulichen Anlagen im Interesse der Hintanhaltung der Verschleuderung von Volksvermögen und der Vermeidung fehlgeleiteter Aufwendungen für Bauvorhaben, die sich auch nach Ausschöpfung aller Rechtsmittel als vorschriftswidrig erweisen, ist nicht zu ersehen, aus welchen sachlich gebotenen und triftigen Gründen der Grundsatz der faktischen Effizienz einer gegen einen Baueinstellungsauftrag nach dem Steiermärkischen Baugesetz gerichteten Berufung stets und ohne jede Ausnahme verneint werden muss. Dies ist insbesondere angesichts des Umstandes augenscheinlich, dass ein Baueinstellungsauftrag nach §41 Abs1 Steiermärkisches Baugesetz nach dem Gesetzeswortlaut in jedem Fall der Ausführung von Bauvorhaben, die dem Steiermärkischen Baugesetz widersprechen, zu erlassen, und der Behörde hier kein Ermessen eingeräumt ist. Die angefochtene Regelung hat auch zur Konsequenz, dass auch bloße Sicherungsmaßnahmen zur Sicherung des Bestandes eines bereits begonnenen Bauvorhabens schon in einem Zeitraum unzulässig sind, in dem das Rechtsschutzgesuch gegen den Baueinstellungsauftrag noch gar nicht erledigt ist.
[...] Gemäß Art11 Abs2 B-VG werden, soweit ein Bedürfnis nach Erlassung einheitlicher Vorschriften als vorhanden erachtet wird, das Verwaltungsverfahren, die allgemeinen Bestimmungen des Verwaltungsstrafrechtes, das Verwaltungsstrafverfahren und die Verwaltungsvollstreckung auch in den Angelegenheiten, in denen die Gesetzgebung den Ländern zusteht, insbesondere auch in den Angelegenheiten des Abgabenwesens, durch Bundesgesetz geregelt; abweichende Regelungen können in den die einzelnen Gebiete der Verwaltung regelnden Bundes- oder Landesgesetzen nur dann getroffen werden, wenn sie zur Regelung des Gegenstandes erforderlich sind. Von dieser 'Bedarfsgesetzgebungskompetenz' hat der Bund durch Erlassung der Verwaltungsverfahrensgesetze, ua. des AVG, Gebrauch gemacht. Gemäß §64 Abs1 AVG haben rechtzeitig eingebrachte Berufungen aufschiebende Wirkung. Nach Abs2 dieser Gesetzesstelle kann die Behörde die aufschiebende Wirkung ausschließen, wenn die vorzeitige Vollstreckung im Interesse einer Partei oder des öffentlichen Wohles wegen Gefahr im Verzug dringend geboten ist. Ein solcher Ausspruch ist tunlichst schon in den über die Hauptsache ergehenden Bescheid aufzunehmen.
Die angefochtene Gesetzesstelle stellt im Sinne des Art11 Abs2 B-VG von diesen Anordnungen des AVG auch eine abweichende Regelung derart dar, dass einer Berufung gegen eine gemäß §41 Abs1 Stmk BauG verfügte Baueinstellung in jedem Fall kraft Gesetzes keine aufschiebende Wirkung zukommt und der Bescheid, obwohl noch nicht rechtskräftig, durchsetzbar wird. Im Sinne der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (vgl. VfSlg. 8945/1980, S 251 f) greift diese Regelung also in den normativen Bereich des §64 Abs1 und 2 AVG ein. Der Verfassungsgerichtshof hat in dem genannten Erkenntnis auch die Auffassung vertreten, zur Auslegung des Wortes 'erforderlich' in Art11 Abs2 B-VG könne auf seine bisherige Rechtsprechung zu dem in dieser Hinsicht wortgleichen Art15 Abs9 B-VG derart zurückgegriffen werden, dass abweichende Regelungen nur dann als erforderlich anzusehen sind, wenn sie für die Regelung des Gegenstandes unerlässlich sind (vgl. VfSlg. 558/1926, 1809/1949, 6343/1970, 8945/1980, 8989/1980, 10.097/1984, 13.322/1992, 13.838/1994, 14.374/1995).
Der Verwaltungsgerichtshof hat nun das weitere Bedenken, dass die angefochtene Regelung im Lichte dieser Rechtsprechung nicht als erforderlich angesehen werden kann. Jedenfalls ist ihm nicht erkennbar, dass es im Sinne der dargelegten Rechtsprechung für die Regelung der Baueinstellung unerlässlich wäre, die aufschiebende Wirkung einer Berufung gegen eine solche Maßnahme schon kraft Gesetzes ausnahmslos auszuschließen. Dies auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass den Gesetzesmaterialien zum Steiermärkischen Baugesetz keinerlei Anhaltspunkte für eine solche Unerlässlichkeit zu entnehmen sind.
Es dürfte auch auszuschließen sein, dass hier jene Überlegungen zutreffen, die der Verfassungsgerichtshof in dem schon zitierten Erkenntnis VfSlg. 8945/1980 (S 252 f.) aus dem Fehlen von Übergangsvorschriften zu dem durch die B-VG-Novelle 1974, BGBl. 444, neu gefassten Art11 Abs2 B-VG angestellt hat, dass nämlich der Verfassungsgesetzgeber in den von ihm vorgefundenen einfachgesetzlichen Rechtsbestand bloß im geringstmöglichen Ausmaß einzugreifen beabsichtigte und daher vorher bestandenen - abweichenden - landesgesetzlichen Rechtsvorschriften durch das Inkrafttreten der genannten B-VG-Novelle nicht derogiert wurde, diese folglich weiterhin dem Rechtsbestand angehören (vgl. in diesem Zusammenhang auch VfGH 11.3.1994, B966/93, B1089/93). Die angefochtene Gesetzesstelle ist nämlich am 1. September 1995 in Kraft getreten (§120 Stmk BauG), in den davor geltenden Vorschriften fand sich eine gleichartige Regelung nicht.
[...] Die angefochtene Gesetzesstelle erscheint auch im Hinblick auf den in Art2 StGG und Art7 B-VG zu Grunde gelegten verfassungsrechtlichen Gleichheitssatz bedenklich. Dem Verwaltungsgerichtshof ist nämlich - ebenso wenig wie dem Beschwerdeführer - kein sachlicher Grund dafür ersichtlich, dass einerseits auf Grund der angefochtenen Gesetzesstelle Berufungen gegen Baueinstellungsaufträge gemäß §41 Abs1 und 5 Steiermärkisches Baugesetz keine aufschiebende Wirkung zukommen soll, hingegen dann, wenn das vorschriftswidrige Bauvorhaben vollendet, und an Stelle eines Baueinstellungsauftrages ein Beseitigungsauftrag gemäß §41 Abs3 Steiermärkisches Baugesetz zu erlassen ist, der dagegen erhobenen Berufung im Grunde des §64 Abs1 AVG sehr wohl die aufschiebende Wirkung zukommen soll und derart demjenigen, der vorschriftswidrige Bauvorhaben nur rasch genug durchführt, im Berufungsverfahren eine privilegierte Stellung eingeräumt wird.
[...]"
4. Die Steiermärkische Landesregierung erstattete eine Äußerung, in der sie die Abweisung des Antrages beantragt und den Bedenken des Verwaltungsgerichtshofes Folgendes entgegensetzt:
"[...]
Vor Schaffung des §41 Abs5 des Stmk. Baugesetzes im Jahre 1995 war in der Praxis zu beobachten, dass gegen Baueinstellungsaufträge regelmäßig - insbesondere auch bei offensichtlicher Aussichtslosigkeit des Rechtsmittels -, sozusagen 'automatisch', also nahezu in jedem Fall Berufung (oft mit Scheinargumenten) in der Absicht erhoben wurde, um während der Dauer des Berufungsverfahrens die konsenslosen Bauarbeiten zügig durchführen zu können.
In der Praxis zeigte sich, dass die Bauvorhaben, wenn sie nicht rechtzeitig gestoppt werden können, in der Zeit, bis die Berufungsentscheidung ergeht, soweit fortschreiten können, dass eine nachträgliche Beseitigung nicht nur mit unverhältnismäßig hohem Aufwand verbunden ist, sondern vielmehr faktisch problematisch, oft nahezu unmöglich ist.
Darüberhinaus dient der Ausschluss der aufschiebenden Wirkung auch den Nachbarn, denen das Recht auf Erlassung eines baupolizeilichen Auftrages zusteht (vgl. §45 Abs6). Auch deren Interessen müssen in diesem Zusammenhang gewahrt werden. Insbesondere wird auch bei jenen konsenslosen Bauarbeiten, bei denen aus dem Grunde einer Nachbarrechtsverletzung (§26 Abs1 Stmk. Baugesetz) eine nachträgliche Baubewilligung für das Bauvorhaben nicht erteilt werden kann, ein besserer faktischer Schutz des jeweiligen Nachbarrechtes, z. B. des Rechtes auf Einhaltung des Grenzabstandes, gewährleistet, wenn gerade begonnene Bauarbeiten eingestellt bzw. effektiv unterbunden werden, was besonders durch die Ausschließung der aufschiebenden Wirkung der Berufung erreicht wird.
In jenen Fällen, bei denen eine nachträgliche Baubewilligung nicht erteilt werden kann, führt dies überdies zu fehlgeleiteten Aufwendungen, die im Ergebnis eine Verschleuderung von Volksvermögen bedeuten.
Der Gesetzgeber musste also eine Abwägung treffen zwischen dem Zuwarten-Müssen durch den Bauwerber und dem öffentlichen Interesse an einer raschen und effektiven Unterbindung der Errichtung von vorschriftswidrigen baulichen Anlagen. Unter Berücksichtigung der obengenannten Gesichtspunkte ist die Steiermärkische Landesregierung der Auffassung, dass die getroffene Abwägung nachvollziehbar und die Regelung des §41 Abs5 BauG sachlich geboten ist.
Gerade unter dem Aspekt des 'Geboten sein' erscheint §41 Abs5 des Stmk. Baugesetzes auch im Sinne des Art11 Abs2 B-VG als erforderlich.
Schließlich werden auch die Bedenken hinsichtlich des verfassungsrechtlichen Gleichheitssatzes nicht gesehen. Beim Baueinstellungsauftrag wird - ähnlich wie beim Unterlassungsauftrag gem. §41 Abs4 des Stmk. Baugesetzes - bloß verlangt, rechtswidrige Bauarbeiten zu unterlassen, was für den Bescheidadressaten als zumutbar zu beurteilen ist. Anders beim Beseitigungsauftrag, der aktives Tun zum Gegenstand hat, wäre bei einer ex-lege Ausschließung der aufschiebenden Wirkung der Berufung die Gefahr eines irreversiblen Schadenseintrittes im Falle eines vorzeitigen Vollstreckungsverfahrens gegeben, wenn das Bauvorhaben nachträglich genehmigt werden kann. Diesem Gesichtspunkt trägt auch die ständige Rechtsprechung des VwGH Rechnung, wonach ein (rechtskräftiger) Beseitigungsauftrag so lange nicht vollstreckt werden darf, so lange nicht über ein Ansuchen um nachträgliche Erteilung der Baubewilligung rechtskräftig im Sinne einer Abweisung oder Zurückweisung abgesprochen ist.
Es erscheint bzw. erschien daher sachlich gerechtfertigt und im Sinne der angeführten Judikaturlinie des VwGH konsequent, beim Beseitigungsauftrag (§41 Abs3 Stmk. Baugesetz) die aufschiebende Wirkung einer Berufung ex-lege nicht auszuschließen.
[...]"
II. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:
1. Zur Präjudizialität:
Die Steiermärkische Landesregierung tritt den Ausführungen des Verwaltungsgerichtshofes hinsichtlich der Präjudizialität der angefochtenen Gesetzesbestimmung nicht entgegen; auch der Verfassungsgerichtshof geht im vorliegenden Fall davon aus, dass der Verwaltungsgerichtshof die bekämpfte Bestimmung in dem oben unter I.3.1. genannten Beschwerdeverfahren bei Überprüfung des Bescheides der Berufungskommission der Landeshauptstadt Graz vom 24. Februar 2003 anzuwenden hat. Da auch die übrigen Prozessvoraussetzungen vorliegen, ist der Antrag zulässig.
2. Der Antrag ist jedoch nicht begründet:
2.1. Zum Bedenken hinsichtlich der Übereinstimmung der bekämpften Regelung mit dem Rechtsstaatsprinzip:
Der Verwaltungsgerichtshof beruft sich in diesem Punkt auf die im wesentlichen mit dem Erkenntnis VfSlg. 11.196/1986 beginnende Judikatur des Verfassungsgerichtshofes, wonach Rechtsschutzeinrichtungen ein bestimmtes Mindestmaß an faktischer Effizienz für den Rechtsschutzwerber aufweisen müssen und es nicht angeht, den Rechtsschutzsuchenden generell einseitig mit allen Folgen einer potentiell rechtswidrigen behördlichen Entscheidung so lange zu belasten, bis sein Rechtsschutzgesuch endgültig erledigt ist. Zum Begriff der "faktischen Effizienz" sprach der Gerichtshof in diesem Zusammenhang aus, unter "Effizienz" allein könnte unter Umständen bloß das letzten Endes bewirkte Erreichen einer Entscheidung rechtsrichtigen Inhaltes durch das Ergreifen von Rechtsbehelfen verstanden werden, nicht aber auch die mitgemeinte Umsetzung einer solchen Entscheidung im Tatsachenbereich. "Schutz" als Teilaspekt des Ausdrucks "Rechtsschutz" sei auf den Rechtsunterworfenen bezogen und meine nicht zuletzt die - rechtzeitige - Wahrung und Gewährleistung einer faktischen Position, weshalb Rechtsschutzeinrichtungen diesen Zweck notwendig in sich schlössen. Zu berücksichtigen seien in diesem Zusammenhang jedoch nicht nur die Position des Rechtsschutzwerbers, sondern auch Zweck und Inhalt der Regelung, ferner die Interessen Dritter sowie das öffentliche Interesse. Der Gesetzgeber habe unter diesen Gegebenheiten einen Ausgleich zu schaffen, wobei aber dem Grundsatz der faktischen Effizienz eines Rechtsbehelfes der Vorrang zukäme und dessen Einschränkung nur aus sachlich gebotenen, triftigen Gründen zulässig sei; auf welche Weise dieser Ausgleich vom Gesetzgeber vorgenommen werden müsse, lasse sich - wie der Gerichtshof aus den vorstehenden Ausführungen folgerte - nicht allgemein sagen.
Wie der Verfassungsgerichtshof wiederholt erkannt hat, beziehen sich diese Grundsätze auf alle Arten behördlicher Verfahren (vgl. z.B. VfSlg. 12.683/1991 zu §61 Abs1 Z2 ASGG; VfSlg. 13.003/1992 und 13.305/1992 zu §412 ASVG; 14.374/1995 zu §17 Abs3 und §27 Abs3 zweiter Satz FrG; 14.671/1996 zu §198 NÖ AO; 15.511/1999 zu §56 AlVG).
In den dieser Judikatur zugrunde liegenden Fällen zwingt der sofortige Vollzug eines allenfalls rechtswidrigen Bescheides der Behörde den Betroffenen zu einem aktiven Handeln (z.B. aus dem Bundesgebiet auszureisen), zur Zahlung eines Geldbetrages (z.B. zur Entrichtung einer Abgabe bzw. einer Beitragsleistung), oder erkennt ihm eine bisher erbrachte Leistung (z.B. auf Bezug der Notstandshilfe) ab. Die ex-lege Aberkennung der aufschiebenden Wirkung würde bewirken, dass ein - allenfalls rechtswidriger - behördlicher Auftrag und damit die einseitige Belastung des Betroffenen, die bis zur Existenzgefährdung reichen kann, so lange aufrecht bleibt, bis über die Berufung entschieden ist. In diesen Fällen kommt dem Grundsatz der faktischen Effizienz eines Rechtsbehelfes im Hinblick auf den Eingriff in die Rechtssphäre des Betroffenen der Vorrang zu, was einen generellen Ausschluss der aufschiebenden Wirkung einer Berufung verfassungswidrig macht.
§41 Abs1 Stmk BauG sieht - unter demonstrativer Aufzählung einiger näher umschriebener Tatbestände - für den Fall des Verstoßes eines Bauvorhabens gegen die Bestimmungen dieses Gesetzes die grundsätzliche Pflicht der Baubehörde zur Erlassung eines Baueinstellungsauftrages vor. Wie der Verwaltungsgerichtshof zutreffend ausführt, räumt die Regelung der Behörde dabei bei Vorliegen der Voraussetzungen keinen Ermessensspielraum hinsichtlich der Verfügung oder Nicht-Verfügung einer Baueinstellung ein.
Der vom Baurechtsgesetzgeber verfolgte Zweck der hier angefochtenen Regelung über den ex-lege-Ausschluss der aufschiebenden Wirkung einer dagegen gerichteten Berufung liegt nun offenkundig darin, die Fortsetzung eines vom Bauherrn herbeigeführten rechtswidrigen Verhaltens effektiv zu unterbinden. Dabei unterscheidet sich die Regelung schon aufgrund ihrer Zielrichtung von anderen, vom Gerichtshof als verfassungswidrig erkannten, Regelungen über den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung von Rechtsmitteln:
Während es dort durchwegs um Fälle ging, bei denen der Bescheid- bzw. Urteilsspruch faktisch dieselbe Wirkung entfaltet, ob er nun unmittelbar nach seiner Erlassung, oder durch eine aufschiebende Wirkung eines dagegen erhobenen Rechtsmittels erst nach Ende des Rechtsmittelverfahrens durchsetzbar wird, kann bei einem Baueinstellungsauftrag gerade die generelle Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung einer allfälligen Berufung dazu führen, dass der Bauherr sein einmal begonnenes, von der Baubehörde als rechtswidrig beurteiltes Verhalten so lange fortsetzen kann, bis über seine Berufung entschieden ist.
Dem Gesetzgeber kann daher nicht entgegengetreten werden, wenn er davon ausgeht, dass ein nicht sofort vollstreckbarer Baueinstellungsbescheid in einer Vielzahl von Fällen dazu führen kann, dass das von der Behörde als rechtswidrig beurteilte Verhalten des konsenslosen oder konsenswidrigen Bauens zum Zeitpunkt der Zustellung der Berufungsentscheidung bereits abgeschlossen ist.
Wenn §41 Abs6 Stmk BauG darüber hinaus für bestimmte Fälle ein Nachbarrecht auf Erlassung eines baupolizeilichen Auftrages einräumt, so ist das schutzwürdige Interesse des Nachbarn an der wirksamen Unterbindung eines von der Behörde als rechtswidrig beurteilten Bauvorhabens in den vom Gesetzgeber vorzunehmenden Interessenausgleich ebenfalls mit einzubeziehen.
Die Entscheidung, dass dem öffentlichen Interesse am effektiven Unterbinden der Fortsetzung eines rechtswidrigen Verhaltens jedenfalls der Vorrang gegenüber der Effektivität des Rechtsbehelfes zukommt, und der daraus abgeleitete ausnahmslose Ausschluss der aufschiebenden Wirkung der Berufung liegen im vorliegenden Zusammenhang im rechtspolitischen Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers; die Regelung durfte in der vorliegenden Fallkonstellation zur Belastung des Rechtsunterworfenen mit dem vorläufigen Rechtsschutzrisiko führen. Freilich wird - wie die Landesregierung ebenfalls zutreffend ausführt - die Position des Rechtsschutzsuchenden durch den sofortigen Vollzug des Baueinstellungsbescheides insofern nicht wesentlich belastet, als dieser nicht - wie z.B. ein Beseitigungs- oder Wiederherstellungsauftrag - ein aktives Tun, sondern nur die vorläufige Unterlassung weiterer Bauarbeiten verlangt, was nach Ansicht des Gerichtshofes in diesem Zusammenhang ungeachtet des durch die Baueinstellung in Einzelfällen möglichen Entstehens wirtschaftlicher Nachteile zumutbar ist.
Sollten im öffentlichen Interesse gelegene Sicherungsmaßnahmen erforderlich sein, so ist deren Anordnung Bestandteil des Baueinstellungsbescheides. Schließlich hätte die Baubehörde die erforderlichen Sicherungsmaßnahmen gemäß §42 Stmk BauG ("Bei Gefahr im Verzug kann die Behörde ohne weiteres Verfahren die erforderlichen Verfügungen und Sicherungsmaßnahmen auf Gefahr und Kosten des Eigentümers (jedes Miteigentümers) einer baulichen Anlage an Ort und Stelle anordnen und sofort vollstrecken lassen [...]") anzuordnen und sofort vollstrecken zu lassen; die Durchsetzung des Baueinstellungsbescheides ist nicht ohne Bedachtnahme auf allenfalls erforderliche Sicherungsmaßnahmen zulässig.
Hinsichtlich ausschließlich im privaten Interesse des Bauherrn erforderlicher "Sicherungsmaßnahmen" ist dieser auf eine hiefür allenfalls bestehende Bewilligungs- bzw. Anzeigepflicht nach den Bestimmungen des Stmk BauG zu verweisen.
Aus all dem folgt, dass das Bedenken des Verwaltungsgerichtshofes hinsichtlich eines Verstoßes der bekämpften Regelung gegen das rechtsstaatliche Prinzip nicht begründet ist.
2.2. Zum Bedenken hinsichtlich des Verstoßes der angefochtenen Regelung gegen Art11 Abs2 B-VG:
Der Verwaltungsgerichtshof hegt zu diesem Punkt zusammengefasst das Bedenken, es sei im Sinne der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes zur Frage der "Erforderlichkeit" einer vom AVG abweichenden Regelung gemäß Art11 Abs2 B-VG bzw. der Rechtsprechung zum in dieser Hinsicht wortgleichen Art15 Abs9 B-VG für die Regelung der Baueinstellung nach dem Stmk BauG nicht unerlässlich, die aufschiebende Wirkung einer Berufung gegen eine solche Maßnahme bereits kraft Gesetzes auszuschließen.
Wie bereits oben unter Pkt. II.2.1. ausführlich dargestellt, besteht das Wesen der baupolizeilichen Maßnahme der Baueinstellung in der Verhinderung der Fortsetzung eines vom Bauherrn herbeigeführten von der Behörde als rechtswidrig beurteilten Verhaltens. Richtet sich die Frage der aufschiebenden Wirkung der Berufung gegen einen Baueinstellungsauftrag nach den allgemeinen Regeln des AVG (vgl. §64 Abs1 leg. cit.: "Rechtzeitig eingebrachte Berufungen haben aufschiebende Wirkung"), so ist nach der vom Steiermärkischen Baugesetzgeber vorgenommenen Beurteilung im vorliegenden Zusammenhang allgemein damit zu rechnen, dass §41 Abs1 Stmk BauG dadurch insofern ausgehöhlt wird, als ein - wenn auch dann im Rechtsmittelverfahren bestätigter - Baueinstellungsauftrag im Nachhinein wegen zwischenzeitlicher Vollendung des - wenn auch widerrechtlich errichteten - Baues ins Leere geht.
Der Gerichtshof übersieht dabei auch nicht §64 Abs2 AVG ("Die Behörde kann die aufschiebende Wirkung ausschließen, wenn die vorzeitige Vollstreckung im Interesse einer Partei oder des öffentlichen Wohles wegen Gefahr im Verzug dringend geboten ist […]"), welcher es der Behörde in die Hand gibt, die aufschiebende Wirkung einer Berufung im Einzelfall bescheidmäßig auszuschließen. Nach obigen Ausführungen zum Zweck der Baueinstellung erscheint dem Gerichtshof dieses Mittel jedoch insofern nicht zielführend zu sein, als ein möglicher Ausschluss der aufschiebenden Wirkung einer Berufung nach dieser Bestimmung auf das Vorliegen von Gefahr im Verzug beschränkt ist.
Der vom Gesetzgeber - zulässigerweise (siehe oben Pkt. II. 2.1.) - verfolgte Zweck einer effektiven Baueinstellung macht daher zusammengefasst eine vom AVG abweichende Regelung der aufschiebenden Wirkung im Rechtsmittelverfahren unerlässlich; die angefochtene Bestimmung ist sohin als "zur Regelung des Gegenstandes erforderlich" i. S. des Art11 Abs2 B-VG anzusehen.
2.3. Schließlich bringt der Verwaltungsgerichtshof gegen die angefochtene Bestimmung auch Bedenken im Hinblick auf das Gleichheitsgebot vor. Er führt dazu aus, es sei ihm kein sachlicher Grund dafür ersichtlich, dass Berufungen gegen Baueinstellungsaufträge keine aufschiebende Wirkung zukommen solle, während Berufungen gegen Beseitigungsaufträge nach §41 Abs3 Stmk BauG aufschiebende Wirkung hätten; dies führe zu einer privilegierten Stellung desjenigen im Berufungsverfahren, der vorschriftswidrige Bauvorhaben nur rasch genug durchführe.
Dem ist zu erwidern: Auch wenn dem Baueinstellungsauftrag und dem Beseitigungsauftrag gemeinsam ist, dass es sich in beiden Fällen um eine Maßnahme der örtlichen Baupolizei handelt, so sind doch sowohl der unterschiedliche Regelungscharakter, als auch die schon in ihrer Intensität unterschiedliche Auswirkung der beiden Verfügungen auf die Rechtssphäre des Betroffenen zu berücksichtigen: Während die Baueinstellung, wie bereits oben mehrfach erwähnt, dem wirksamen Unterbinden eines noch andauernden Vorganges dienen soll, dessen Fortsetzung während des Rechtsmittelverfahrens die Anordnung der Baueinstellung an sich ins Leere laufen zu lassen droht, besteht in der Wirkung des Beseitigungsauftrages - abgesehen vom Fall der Gefahr im Verzug - kein wesentlicher Unterschied, ob dieser bereits nach Erlassung der erstinstanzlichen Verfügung, oder erst nach Abschluss des Berufungsverfahrens vollstreckbar wird. Vor allem aber auch im Zusammenhang mit den unterschiedlichen Auswirkungen der beiden Verfügungen auf die Rechtssphäre des Bescheidadressaten ist eine Differenzierung hinsichtlich der Frage des Ausschlusses der aufschiebenden Wirkung der Berufung sachlich gerechtfertigt: Während, wie auch die Steiermärkische Landesregierung richtig ausführt, der Baueinstellungsauftrag eine bloße Unterlassung der Fortführung von Arbeiten anordnet, welche im Falle einer im Nachhinein festgestellten rechtswidrigen behördlichen Entscheidung wieder aufgenommen werden können, erscheint der Eingriff in die Rechte des Betroffenen im Falle des Beseitigungsauftrages weitaus gravierender; würde hier doch ein Ausschluss der aufschiebenden Wirkung der Berufung kraft Gesetzes die Gefahr eines erheblichen Vermögensschadens für den Bauherrn in dem Fall mit sich bringen, in dem die Beseitigung eines Bauwerkes vorzeitig vollstreckt wird, sich nach Abschluss des Rechtsmittelverfahrens jedoch seine Genehmigungsfähigkeit ergeben sollte.
Aus den dargelegten Erwägungen kann der Verfassungsgerichtshof in der angefochtenen Regelung daher auch keinen Verstoß gegen den Gleichheitssatz sehen.
2.4. Da unter dem Blickwinkel der vom Verwaltungsgerichtshof vorgebrachten Gründe insgesamt keine Bedenken gegen die angefochtene Bestimmung des Stmk BauG entstanden sind, war dem Antrag keine Folge zu geben.
2.5. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)