VfGH G196/2018

VfGHG196/201824.9.2018

Unzulässigkeit eines Parteiantrags auf Aufhebung einer Bestimmung der Exekutionsordnung mangels genauer und eindeutiger Bezeichnung der Gesetzesstelle; überdies Ausschluss von Parteianträgen "im Exekutionsverfahren" nach dem VfGG

Normen

B-VG Art140 Abs1 Z1 litd
VfGG §62a Abs1 Z9 idF BGBl I 92/2014

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VFGH:2018:G196.2018

 

Spruch:

I. Der Antrag gemäß Art140 Abs1 Z1 litd B‑VG wird zurückgewiesen.

II. Der Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe wird abgewiesen.

Begründung

Begründung

1. Der Antrag behauptet folgenden Sachverhalt: Mit Beschluss vom 6. Juni 2018 zu 18 E 1692/18f habe das Bezirksgericht Hernals den Einspruch der vor dem Verfassungsgerichtshof einschreitenden Partei gegen die Exekutionsbewilligung vom 17. Mai 2018 abgewiesen. Das Bezirksgericht Hernals habe die Entscheidung damit begründet, dass die Exekutionstitel im Anlassverfahren vollstreckbar seien und die bewilligte Exekution deckten und auch die Angaben im Exekutionsantrag mit jenen im Exekutionstitel übereinstimmten.

2. Gegen den genannten Beschluss vom 6. Juni 2018 erhob die Antragstellerin Rekurs und stellte gemäß Art140 Abs1 Z1 litd B‑VG den Antrag, "der Verfassungsgerichtshof möge den §35 Abs13 EO in seiner Gesamtheit", in eventu "§35 Abs13 EO in der Wortfolge '[…] und Rückstandsausweise' als verfassungswidrig aufheben" (ohne die Hervorhebung im Original) sowie die Verfahrenshilfe im Umfang sämtlicher Gebühren bewilligen.

In dem vorliegenden (Partei-)Antrag werden der Sache nach im Wesentlichen verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Bestimmung des §1 Abs13 EO geltend gemacht.

3. §1 Abs13 Exekutionsordnung (EO), RGBl. 79/1896 idF BGBl I 69/2014, lautet in seinem Zusammenhang:

"Execution aus inländischen Acten und Urkunden.

Executionstitel.

§. 1.

 

Executionstitel im Sinne des gegenwärtigen Gesetzes sind die nachfolgenden im Geltungsgebiete dieses Gesetzes errichteten Acte und Urkunden:

 

[…]

13. die über direkte Steuern, Gebühren und Sozialversicherungsbeiträge sowie über Landes-, Bezirks- und Gemeindezuschläge ausgefertigten, nach den darüber bestehenden Vorschriften vollstreckbaren Zahlungsaufträge und Rückstandsausweise;

[…]"

 

4. Der Antrag ist nicht zulässig.

Gemäß §62 Abs1 erster Satz VfGG muss ein Gesetzesprüfungsantrag das Begehren enthalten, das – nach Auffassung des Antragstellers verfassungswidrige – Gesetz seinem gesamten Inhalt nach oder in bestimmten Stellen aufzuheben.

Um das strenge Formerfordernis des ersten Satzes des §62 Abs1 VfGG zu erfüllen, muss – wie der Verfassungsgerichtshof bereits in zahlreichen Entscheidungen ausgeführt hat – die bekämpfte Gesetzesstelle genau und eindeutig bezeichnet werden. Es darf nicht offen bleiben, welche Gesetzesvorschrift oder welcher Teil einer Vorschrift nach Auffassung des Antragstellers tatsächlich aufgehoben werden soll (zB VfSlg 17.570/2005 mwN).

Diesem Erfordernis kommt der Antragsteller mit dem Begehren der Aufhebung des "§35 Abs13 EO in seiner Gesamtheit", in eventu "§35 Abs13 EO in der Wortfolge '[…] und Rückstandsausweise'" nicht nach. Die im Aufhebungsbegehren bezeichnete Bestimmung des §35 Abs13 EO ist in der Exekutionsordnung nicht enthalten. Damit ist unklar, welche Gesetzesvorschrift oder welchen Teil einer Vorschrift nach Auffassung des Antragstellers durch den Verfassungsgerichtshof aufgehoben werden soll. Es handelt sich dabei um einen inhaltlichen Mangel, weshalb ein Verbesserungsauftrag seitens des Verfassungsgerichthofes ausscheidet. Der Antrag ist sohin bereits aus diesem Grund zurückzuweisen (zB VfGH 2.7.2015, G16/2015).

5. Im Übrigen wäre der vorliegende Antrag selbst unter der Annahme eines tauglichen Anfechtungsbegehrens zurückzuweisen. Gemäß §62a Abs1 Z9 VfGG ist die Stellung eines Parteiantrags iSd Art140 Abs1 Z1 litd B‑VG im Exekutionsverfahren unzulässig. Der Verfassungsgerichtshof sprach mit VfSlg 20.060/2016 aus, dass die Wortfolge "im Exekutionsverfahren und" in §62a Abs1 Z9 VfGG idF BGBl I 92/2014 nicht als verfassungswidrig aufgehoben wird.

6. Bei diesem Ergebnis hat der Verfassungsgerichthof nicht zu prüfen, ob weitere Prozesshindernisse bestehen.

7. Da somit die von der Einschreiterin beabsichtigte Rechtsverfolgung vor dem Verfassungsgerichtshof als offenbar aussichtslos erscheint, muss ihr unter einem mit dem Antrag gemäß Art140 Abs1 Z1 litd B‑VG gestellter – nicht auf das Vorliegen sämtlicher Formerfordernisse geprüfter – Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe im Umfang sämtlicher Gebühren abgewiesen werden (§63 Abs1 ZPO iVm §35 VfGG).

8. Diese Beschlüsse konnten gemäß §19 Abs3 Z2 lita und lite VfGG sowie gemäß §19 Abs4 VfGG bzw §72 Abs1 ZPO iVm §35 Abs1 VfGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung gefasst werden.

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