VfGH G189/2019

VfGHG189/20193.10.2019

Ablehnung der Behandlung eines Individualantrags auf Aufhebung von Bestimmungen des Tabak- und Nichtraucherinnen- bzw NichtraucherschutzG; ausnahmsloses Rauchverbot in (Nacht-)Gastronomiebetrieben im Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers

Normen

B-VG Art140 Abs1 Z1 litc
TNRSG-Novelle 2019
Tabak- und Nichtraucherinnen- bzw NichtraucherschutzG §12 Abs1, §18 Abs15

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VFGH:2019:G189.2019

 

Spruch:

Die Behandlung des Antrages wird abgelehnt.

Begründung

Begründung

Der Verfassungsgerichtshof kann die Behandlung eines Antrages gemäß Art140 Abs1 Z1 litc B‑VG ablehnen, wenn er keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat (Art140 Abs1b B‑VG; vgl VfGH 24.2.2015, G13/2015).

Der Verfassungsgerichtshof hat sich in einem auf Antrag eingeleiteten Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes gemäß Art140 B‑VG auf die Erörterung der geltend gemachten Bedenken zu beschränken (vgl VfSlg 12.691/1991, 13.471/1993, 14.895/1997, 16.824/2003). Er hat sohin ausschließlich zu beurteilen, ob die angefochtene Bestimmung aus den in der Begründung des Antrages dargelegten Gründen verfassungswidrig ist (VfSlg 15.193/1998, 16.374/2001, 16.538/2002, 16.929/2003).

Der Antrag behauptet die Verfassungswidrigkeit der Z1 bis 4 der Tabak- und Nichtraucherinnen- bzw Nichtraucherschutzgesetz-Novelle BGBl I 66/2019, in eventu des §12 Abs1 Z4 und des §18 Abs15 Tabak- und Nichtraucherinnen- bzw Nichtraucherschutzgesetz – TNRSG idF BGBl I 66/2019. Mit diesen gesetzlichen Vorschriften wurde mit Wirkung ab 1. November 2019 ein ausnahmsloses Rauchverbot in Räumen der Gastronomie eingeführt.

Vor dem Hintergrund der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (vgl insbesondere VfSlg 18.895/2009, 19.541/2011; VfGH 18.6.2019, G150/2018 ua) lässt das Vorbringen des Antrages die behaupteten Verfassungswidrigkeiten als so wenig wahrscheinlich erkennen, dass er keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat:

Wie der Verfassungsgerichtshof in seiner Entscheidung vom 18. Juni 2019, G150/2018 ua, ausgeführt hat, ist "Rauchen von Tabakwaren […] ein gesellschaftliches Phänomen, das gesundheitsschädlich ist und auch andere Menschen gefährdet". Er ergänzte, dass die mit dem Passivrauchen einhergehenden Gesundheitsgefährdungen Regelungen wie die zuvor mit Bundesgesetz BGBl I 101/2015 erlassenen (das war eine Rechtslage, die der nunmehr angefochtenen entsprach) ohne Zweifel rechtfertigen. Bereits in VfSlg 19.541/2011 hat der Verfassungsgerichtshof ausgeführt, dass es mit Blick auf das Ziel des Schutzes der Gesundheit der Gäste und Arbeitnehmer von Gastronomiebetrieben ungeachtet des Umstandes, dass der Besuch dieser Betriebe durch Gäste freiwillig erfolgt, sachlich gerechtfertigt ist, wenn der Gesetzgeber ein im Wesentlichen allgemeines Rauchverbot in Räumen der Gastronomie vorsieht.

Zu den Ausnahmen, die vor der nunmehr angefochtenen Regelung bestanden, stellte der Verfassungsgerichtshof in der genannten Entscheidung vom 18. Juni 2019 fest, dass der Gesetzgeber durch den Gleichheitsgrundsatz nicht gehalten ist, das Rauchen in Gastronomiebetrieben ausnahmslos zu verbieten. Der dem Gesetzgeber von Verfassungs wegen zukommende Gestaltungsspielraum ermöglicht ihm, bei seiner Regelung zum Schutz der Arbeitnehmer in Gastronomiebetrieben vor den Beeinträchtigungen durch das Passivrauchen auch Interessen zu berücksichtigen, die diesem Schutzanliegen entgegenstehen. Dieser rechtspolitische Gestaltungsspielraum erlaubt dem Gesetzgeber aber auch, den vorhin umschriebenen öffentlichen und (verfassungs-)rechtlich geschützten individuellen Interessen umfassend zum Durchbruch zu verhelfen.

Die angefochtene Regelung greift auch nicht unverhältnismäßig in die rechtlich geschützten Interessen von Betreibern spezifischer Gastronomiebetriebe ein, nämlich solcher, die so gut wie ausschließlich nächtens von Erwachsenen und relativ kurz vor dem Erwachsenenalter befindlichen Jugendlichen aufgesucht werden (Nachtgastronomiebetriebe): Es ist dem Gesetzgeber nicht entgegenzutreten, wenn er den Gesundheitsschutz, insbesondere auch die Interessen von Arbeitnehmern, höher bewertet als die im Antrag geltend gemachten Interessen der Betreiber von Gastronomiebetrieben, wie insbesondere die allgemeine Handlungsfreiheit, die auf verschiedenen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten fußt, und das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Freiheit der Erwerbsbetätigung gemäß Art6 StGG. Es steht dem Gesetzgeber auch frei, Beeinträchtigungen von Nachbarn in Kauf zu nehmen, zumal gewerberechtliche Vorschriften (vgl §79 Abs1 bis 3 und §113 Abs5 GewO 1994) und allfällige zivilrechtliche Rechtsansprüche bestehen, die deren Schutz ermöglichen.

Demgemäß wurde beschlossen, von einer Behandlung des – nicht auf das Vorliegen sämtlicher Prozessvoraussetzungen hin geprüften – Antrages abzusehen (§19 Abs3 Z1 iVm §31 letzter Satz VfGG).

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