VfGH G175/94

VfGHG175/942.10.1995

Zurückweisung eines Antrags des Verwaltungsgerichtshofes auf Aufhebung einer Bestimmung einer Gemeindeordnung betreffs den Ausschluß der aufschiebenden Wirkung von Vorstellungen mangels Präjudizialität; materielle Klaglosstellung im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof durch Aufhebung des Abgabenbescheides durch die Gemeindeaufsichtsbehörde trotz nicht erfolgter Aufhebung des verfahrensrechtlichen Bescheides über den Ausschluß der aufschiebenden Wirkung

Normen

B-VG Art140 Abs1 / Präjudizialität
VwGG §33
Sbg GdO 1976 §63 Abs4 litd
B-VG Art140 Abs1 / Präjudizialität
VwGG §33
Sbg GdO 1976 §63 Abs4 litd

 

Spruch:

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung

I. 1.a) Der Verwaltungsgerichtshof stellt - mit näherer Begründung - aus Anlaß des bei ihm zu Zl. 93/17/0386 anhängigen Beschwerdeverfahrens mit Beschluß vom 29. April 1994, Zl. A9/94, gemäß Art140 Abs1 B-VG an den Verfassungsgerichtshof den Antrag, §63 Abs4 litd der Salzburger Gemeindeordnung 1976, Wiederverlautbarungskundmachung der Salzburger Landesregierung LGBl. Nr. 56, (im folgenden: Sbg. GdO 1976), als verfassungswidrig aufzuheben.

b) Die angefochtene landesgesetzliche Bestimmung lautet:

"Die Vorstellung hat keine aufschiebende Wirkung. Wenn von dem Aufschub des Bescheides, gegen den die Vorstellung erhoben wurde, kein erheblicher Nachteil zu besorgen ist oder wenn mit dessen Vollzug für die Partei, die Vorstellung erhoben hat, ein unwiederbringlicher Nachteil verbunden wäre, kann die Aufsichtsbehörde auf Antrag der Partei aussprechen, daß der Vorstellung aufschiebende Wirkung zukommt. Auf Grund eines solchen Ausspruches hat die Gemeinde den Vollzug des Bescheides aufzuschieben und die hiezu erforderlichen Verfügungen zu treffen."

c) Der Sachverhalt, welcher dem beim Verwaltungsgerichtshof anhängigen Beschwerdeverfahren zugrundeliegt, wird im Antrag des Verwaltungsgerichtshofes wie folgt geschildert:

aa) Mit Bescheid vom 2. August 1993 wies die Gemeindevorstehung der Gemeinde Badgastein die Berufung der Beschwerdeführer gegen die Vorschreibung von Gemeindeabgaben in Höhe von insgesamt S 133.964,90 ab.

bb) Die Beschwerdeführer erhoben Vorstellung und verbanden damit einen Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung.

Mit Bescheid vom 22. September 1993 wies die Salzburger Landesregierung den Antrag der Beschwerdeführer, der Vorstellung die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, gemäß §63 Abs4 litd Sbg. GdO 1976 ab. Der Bescheid wird der Sache nach damit begründet, daß im Zusammenhang mit Geldleistungsverpflichtungen dem Gebot, den Aufschiebungsantrag zu konkretisieren, nur dann Genüge getan werde, wenn die Vorstellungswerber ihre Ertrags- und Vermögenslage durch konkrete - tunlichst ziffernmäßige - Angaben glaubhaft dartäten. Die Wendung, daß durch den Aufschub bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die gegenständliche Vorstellung die Einbringlichkeit der Abgabe nicht gefährdet werde, genüge diesem Konkretisierungsgebot nicht.

cc) Gegen diesen Bescheid wendet sich die Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend gemacht wird. Nach der Beschwerdebegründung sei mit der Landesabgabenordnungs-Novelle 1987 im §156a der Salzburger Landesabgabenordnung auch die Möglichkeit der Aussetzung gesetzlich normiert worden. Dort werde nicht vorausgesetzt, daß die sofortige Entrichtung eine Härte darstelle; andererseits sei bezüglich der Gefährdung der Einbringung ein weniger strenger Maßstab anzulegen. Es werde nämlich auf die Gefährdung der Einbringlichkeit nicht Bedacht genommen, sondern lediglich vorausgesetzt, daß das Verhalten des Antragstellers nicht auf eine Gefährdung der Einbringlichkeit gerichtet sein dürfe. Die Novellierung der Salzburger Landesabgabenordnung bedinge, daß auch die im Vorstellungsverfahren zuständige Behörde dieser Rechtsänderung Rechnung zu tragen habe. Sohin seien die Kriterien für die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung nach §63 Abs4 litd Sbg. GdO 1976 der Änderung der unterinstanzlichen Verfahrensvorschriften anzupassen; diese Gesetzesstelle müsse dahingehend interpretiert werden, daß auch bereits bei Vorliegen der Aussetzungsvoraussetzungen die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung der Vorstellung in Betracht komme.

dd) Die belangte Behörde erstattete im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof eine Gegenschrift, in der sie beantragte, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen. Gleichzeitig legte sie einen Bescheid der Salzburger Landesregierung vom 3. Februar 1994 vor, mit welchem der Vorstellung der Beschwerdeführer in Angelegenheit der in Rede stehenden Gemeindeabgaben gemäß §63 Abs4 Sbg. GdO 1976 Folge gegeben und der Bescheid der Gemeindevorstehung der mitbeteiligten Gemeinde vom 2. August 1993 aufgehoben wurde.

Die Beschwerdeführer erstatteten dem Verwaltungsgerichtshof gegenüber eine Replik. Nach Ansicht der Beschwerdeführer sei durch den Bescheid der Salzburger Landesregierung vom 3. Februar 1994 die Gegenstandslosigkeit des angefochtenen Bescheides vom 22. September 1993 betreffend den Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung eingetreten. Mangels bescheidmäßig vorgeschriebener Abgaben erachteten sich die Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid nicht mehr als beschwert. "Faktisch" sei Klaglosstellung im Sinne des §33 Abs1 VwGG erfolgt. Infolgedessen sei davon auszugehen, daß gemäß §47 in Verbindung mit §56 VwGG den Beschwerdeführern Kostenersatz wie im Falle des Obsiegens zustehe. Es werde beantragt, diese Kosten zuzusprechen.

2. Der Verwaltungsgerichtshof vertritt in seinem Antrag die Meinung, daß sich die Rechtsstellung der bei ihm beschwerdeführenden Parteien nicht ändern würde, gleichgültig ob er den bei ihm angefochtenen Bescheid (betreffend die Nichtzuerkennung der aufschiebenden Wirkung der Vorstellung) aufheben oder nicht aufheben würde. Er fährt sodann fort:

"Diese rechtliche Beurteilung geht von der durch §63 Abs4 litd Sbg. GdO 1976 geschaffenen Verfahrensrechtslage aus. Nach dieser Bestimmung hat die Vorstellung keine aufschiebende Wirkung; allerdings kann die Vorstellungsbehörde unter bestimmten gesetzlichen Voraussetzungen aussprechen, daß der Vorstellung aufschiebende Wirkung zukommt.

Anders als etwa bei einem Aussetzungsantrag nach §156a der Salzburger Landesabgabenordnung, LGBl. Nr. 58/1963 in der Fassung LGBl. Nr. 18/1987 (im folgenden: Sbg. LAO), sind nach der Sbg. GdO 1976 weder mit der Vorstellung noch mit einem Aufschiebungsantrag bestimmte ex-lege eintretende Folgen verbunden (vgl. im Gegensatz dazu beim Aussetzungsantrag etwa die Hemmung der Einbringung gemäß §173 Abs6 LAO und die Hinausschiebung des Eintrittes der Verpflichtung zur Entrichtung eines Säumniszuschlages gemäß §161 Abs4 LAO; siehe dazu ferner das zu §160a WAO ergangene hg. Erkenntnis vom 24. September 1993, Zl. 93/17/0055, unter Bezugnahme auf das hg. Erkenntnis vom 10. Dezember 1991, Zl. 91/14/0164, ergangen zu §212a BAO). Während in den eben genannten Fällen mit der Berufungsentscheidung nicht notwendig die Gegenstandslosigkeit eines Beschwerdeverfahrens gegen die Versagung der Aussetzung eintritt (man denke an verhängte Säumniszuschläge), ist bei der verfahrensrechtlichen Gestaltung des §63 Abs4 litd Sbg. GdO 1976 nicht erkennbar, daß eine Aufhebung des angefochtenen Bescheides betreffend die Nichtzuerkennung der aufschiebenden Wirkung eine Veränderung (Verbesserung) der Rechtsstellung der Beschwerdeführer bewirken würde.

Die Annahme der Gegenstandslosigkeit der Verwaltungsgerichtshofbeschwerde hängt daher von der Ausgestaltung des konkreten Rechtsschutzverfahrens ab und beruht im Beschwerdefall auf §63 Abs4 litd Sbg. GdO 1976. Diese Bestimmung ist daher vom Verwaltungsgerichtshof im Sinne der Art89 Abs2 und 135 Abs4 B-VG anzuwenden; sie ist präjudiziell."

3. Die Salzburger Landesregierung (Sbg. LReg.) erstattete aufgrund des kollegial gefaßten Beschlusses vom 7. September 1994 im vorliegenden Verfahren über den Antrag des Verwaltungsgerichtshofes eine Äußerung, in der sie mit ausführlicher Begründung begehrt, den Antrag als unzulässig zurückzuweisen oder als unbegründet abzuweisen.

Ihr Zurückweisungsbegehren begründet die Landesregierung damit, daß dem Verwaltungsgerichtshof die Antragslegitimation fehle; sie führt dazu u.a. aus:

"Zusammenfassend wird die Auffassung vertreten, daß das Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof durch den Wegfall des ihm zugrundeliegenden Bescheides (über die Nichtzuerkennung der aufschiebenden Wirkung einer Vorstellung durch Aufhebung des so bekämpften Bescheides!) unzulässig geworden und einzustellen ist. Der Verwaltungsgerichtshof ist mit einem derart fruchtlos gewordenen Verfahren nicht weiter belastet. Für das auf Antrag eines Gerichtes eingeleitete verfassungsgerichtliche Gesetzesprüfungsverfahren kann die angefochtene Bestimmung daher nicht mehr präjudiziell sein. Die Präjudizialität setzt voraus, daß das zugrundeliegende Verfahren zulässig ist. Sie fehlt bei einem aus formellen Gründen einzustellenden Verfahren. Der Antrag des VwGH, §63 Abs4 litd SGO 1976 als verfassungswidrig aufzuheben, ist daher mangels Antragslegitimation unzulässig und vom Verfassungsgerichtshof zurückzuweisen, wenn nicht der Verwaltungsgerichtshof noch gemäß §62 Abs4 VfGG nach Einstellung seines Verfahrens den Gesetzesprüfungsantrag zurückzieht."

II. Der Verfassungsgerichtshof hat zur Zulässigkeit des Antrages erwogen:

1. Der Verfassungsgerichtshof ist nicht berechtigt, durch seine Präjudizialitätsentscheidung das antragstellende Gericht an eine bestimmte Rechtsauslegung zu binden, weil er damit indirekt der Entscheidung dieses Gerichtes in der Hauptsache vorgreifen würde. Gemäß der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes darf daher ein Antrag iS des Art140 B-VG bzw. des Art139 B-VG nur dann wegen mangelnder Präjudizialität zurückgewiesen werden, wenn es denkunmöglich ist, daß die - angefochtene - generelle Norm eine Voraussetzung der Entscheidung des antragstellenden Gerichtes im Anlaßfall bildet (zB VfSlg. 7999/1977, 9811/1983, 10296/1984, 11565/1987, 12189/1989, 13582/1993).

2. Ein solcher Fall liegt hier vor:

Dem §33 Abs1 VwGG zufolge hat der Verwaltungsgerichtshof ein bei ihm anhängiges Verfahren als gegenstandslos zu erklären und das Verfahren einzustellen, wenn der Beschwerdeführer klaglos gestellt wurde.

Der Verwaltungsgerichtshof geht nun davon aus, daß er bei Entscheidung darüber, ob die Beschwerdeführer klaglos gestellt wurden und ob er daher das bei ihm anhängige Beschwerdeverfahren einzustellen habe, §63 Abs4 litd Sbg. GdO 1976 anzuwenden hätte.

Diese Annahme trifft nicht zu:

Beschwerdegegenstand des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens ist zwar lediglich der Bescheid der Landesregierung, mit dem der Antrag der Beschwerdeführer, ihrer gegen einen Gemeindeabgabenbescheid gerichteten Vorstellung die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, abgewiesen wurde; nicht dieser Bescheid wurde nach Beschwerdeerhebung von der Behörde aufgehoben, sondern der Gemeindeabgabenbescheid (s.o. Pkt. I.1.c.dd). Dem Verwaltungsgerichtshof ist also insofern beizupflichten, daß damit nicht formelle Klaglosstellung eingetreten ist.

Durch die Aufhebung des Gemeindeabgabenbescheides ist aber Klaglosstellung im materiellen Sinn erfolgt. Dieser Ansicht ist auch der antragstellende Verwaltungsgerichtshof. Er meint jedoch, er habe, um zu diesem Ergebnis zu gelangen, den angefochtenen §63 Abs4 litd Sbg. GdO anzuwenden.

Der Verfassungsgerichtshof tritt dieser Meinung nicht bei. Es ist nämlich undenkbar, daß nach Wegfall des eine Abgabe vorschreibenden Bescheides die Entscheidung über die aufschiebende Wirkung noch irgendwelche Rechtsfolgen nach sich ziehen kann; vielmehr ist auch in Ansehung der zuletzt genannten Entscheidung jedenfalls die Beschwer entfallen. Das vom Verwaltungsgerichtshof angenommene Ergebnis, er habe das bei ihm anhängige Beschwerdeverfahren wegen materieller Klaglosstellung einzustellen, wird also unabhängig davon erzielt, ob die bekämpfte Gesetzesstelle überhaupt der Rechtsordnung angehört oder nicht, und unabhängig davon, welchen Inhalt jene Norm hat, die die Rechtsfolgen eines Antrages auf aufschiebende Wirkung (hinsichtlich der Vorstellung gegen den die Abgabe vorschreibenden Bescheid) regelt.

Hiedurch unterscheidet sich die bekämpfte Vorschrift von jenen Gesetzesstellen, die im Antrag des Verwaltungsgerichtshofes (s.o. I.2) zum (versuchten) Nachweis für seinen Standpunkt angeführt werden. Diese Bestimmungen sehen nämlich - anders als §63 Abs4 litd Sbg. GdO 1976 - bestimmte ex lege eintretende Folgen vor.

Der Antrag des Verwaltungsgerichtshofes war sohin mangels Präjudizialität der bekämpften Gesetzesvorschrift als unzulässig zurückzuweisen.

3. Dieser Beschluß konnte gemäß §19 Abs3 Z2 lite VerfGG in nichtöffentlicher Sitzung gefaßt werden.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte