VfGH G141/99 ua

VfGHG141/99 ua15.3.2000

Zulässigkeit von Individualanträgen auf Aufhebung von Bestimmungen des EStG 1988 betreffend die Verpflichtung von Kreditinstituten zur Einbehaltung und Abfuhr der Spekulationsertragsteuer wegen aktueller Betroffenheit bereits vor dem eigentlichen Anwendungszeitpunkt durch die Notwendigkeit umfangreicher Vorbereitungen; keine sachliche Rechtfertigung der Verpflichtung zur Steuerabfuhr außerhalb der Effektengeschäfte mangels Verfügbarkeit der für die Abfuhr erforderlichen Daten und/oder der für die Steuerentrichtung in Betracht kommenden finanziellen Mittel für das Kreditinstitut; keine Fristsetzung im Hinblick auf die Legisvakanz

Normen

B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
B-VG Art140 Abs1 / Individualantrag
B-VG Art140 Abs1 / Prüfungsumfang
B-VG Art140 Abs5 / Fristsetzung
EStG §30 Abs8
B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
B-VG Art140 Abs1 / Individualantrag
B-VG Art140 Abs1 / Prüfungsumfang
B-VG Art140 Abs5 / Fristsetzung
EStG §30 Abs8

 

Spruch:

I. 1.a) In §30 Abs8 Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 idF BGBl. Nr. I 106/1999, werden Z7 erster und dritter Satz sowie im zweiten Satz das Wort "anderen", Z8 erster Satz sowie im zweiten Satz das Wort "anderen" und Z9 als verfassungswidrig aufgehoben.

b) Frühere gesetzliche Bestimmungen treten nicht wieder in Wirksamkeit.

2. Der Bundeskanzler ist verpflichtet, diese Aussprüche unverzüglich im Bundesgesetzblatt I kundzumachen.

II. Im übrigen werden die Anträge zurückgewiesen.

Der Bund (Bundesminister für Finanzen) ist schuldig, den antragstellenden Gesellschaften die mit je ATS 29.500,-- bestimmten Kosten des Verfahrens binnen 14 Tagen bei sonstigem Zwang zu ersetzen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Mit ihren auf Art140 Abs1, letzten Satz, B-VG gestützten, zu G141/99 bis G150/99 protokollierten Anträgen begehren die antragstellenden Gesellschaften - es sind dies zehn Kreditinstitute - hinsichtlich §30 Abs8 Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. 400/1988 idF des Steuerreformgesetzes 2000, BGBl. I 106/1999,

"1. Z7 Satz 1 und Satz 3, Z8 Satz 1 und Z9, in eventu

  1. 2. nur Z7 Satz 1 und Z8 Satz 1 und Z9, in eventu
  2. 3. nur Z7 Satz 1 und Satz 3 und Z8 Satz 1, in eventu
  3. 4. nur Z7 Satz 1 und Z8 Satz 1, in eventu
  4. 5. nur Z7 Satz 1, in eventu
  5. 6. nur Z7 Satz 1 und Z9, in eventu
  6. 7. diesen Absatz (Abs8) in seiner Gesamtheit, in eventu
  7. 8. diesen Absatz (Abs8) in seiner Gesamtheit und im §124b Z37 Satz 1 EStG 1988 (gleichfalls idF SteuerreformG 2000, BGBl I 1999/106) die Wortfolge ', Abs8', in eventu
  8. 9. lediglich die Wortfolge 'oder der Entnahme aus dem Depot' in Z7 Satz 3, in eventu
  9. 10. lediglich Z8 Satz 1, in eventu
  10. 11. lediglich Z9"

als verfassungswidrig aufzuheben.

2. Zu den Gesetzesprüfungsanträgen hat die Bundesregierung aufgrund ihres Beschlusses vom 11. Jänner 2000 eine Äußerung erstattet, in welcher sie den Antrag stellt, diese Gesetzesprüfungsanträge zurückzuweisen bzw. die angefochtenen Bestimmungen nicht als verfassungswidrig aufzuheben. Für den Fall der Aufhebung wird beantragt, gemäß Art140 Abs5 B-VG für das Außerkrafttreten eine Frist von einem Jahr zu bestimmen.

3. Die antragstellenden Gesellschaften haben zur Äußerung der Bundesregierung jeweils eine Replik erstattet.

4. Der Verfassungsgerichtshof hat die Normprüfungsverfahren in sinngemäßer Anwendung der §§187 und 404 ZPO iVm §35 VerfGG zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbunden.

II. Zur Rechtslage:

1.1. Die in den Anträgen angefochtenen und die mit ihnen inhaltlich zusammenhängenden gesetzlichen Bestimmungen des §30 Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. 400/1988 idF des Steuerreformgesetzes 2000, BGBl. I 106/1999 (im folgenden: EStG 1988), haben folgenden Wortlaut (die mit den Hauptanträgen angefochtenen Wortfolgen sind hervorgehoben):

"Spekulationsgeschäfte

§30. (1) Spekulationsgeschäfte sind:

  1. 1. Veräußerungsgeschäfte, bei denen der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung beträgt:
    1. a) Bei Grundstücken und anderen Rechten, die den Vorschriften des bürgerlichen Rechts über Grundstücke unterliegen, nicht mehr als zehn Jahre. Für Grundstücke, bei denen innerhalb von zehn Jahren nach ihrer Anschaffung Herstellungsaufwendungen in Teilbeträgen gemäß §28 Abs3 abgesetzt wurden, verlängert sich die Frist auf fünfzehn Jahre.
    2. b) Bei Wertpapieren im Sinne des §1 Abs1 des Depotgesetzes, bei sonstigen Beteiligungen und Forderungen nicht mehr als zwei Jahre.
    3. c) Bei anderen Wirtschaftsgütern nicht mehr als ein Jahr.
  1. 2. Termingeschäfte einschließlich Differenzgeschäfte, weiters innerhalb von zwei Jahren abgewickelte Optionsgeschäfte einschließlich geschriebene Optionen und Swaphandelsgeschäfte.

    Wurde das Wirtschaftsgut oder die rechtliche Stellung aus einem Geschäft im Sinne der Z2 unentgeltlich erworben, so ist auf den Anschaffungszeitpunkt oder den Eröffnungszeitpunkt des Geschäftes beim Rechtsvorgänger abzustellen.

...

(8) In den Fällen des Abs1 Z1 litb sowie in den Fällen des Abs1 Z2 wird die Einkommensteuer (Körperschaftsteuer) nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen durch Abzug erhoben (Spekulationsertragsteuer):

  1. 1. Die Spekulationsertragsteuer beträgt 25%.
  2. 2. Der Spekulationsertragsteuer unterliegt der Veräußerungserlös, insoweit er die Anschaffungskosten übersteigt, ohne jeden Abzug (Spekulationsertrag).
  3. 3. Im Sinne der folgenden Ziffern sind
    1. a) Kreditinstitute alle Kreditinstitute sowie sonstige zur Verwahrung und Verwaltung von Wertpapieren für andere berechtigte Unternehmen mit Sitz im Inland oder Ausland hinsichtlich ihrer inländischen Betriebsstätten, von denen eine Depotführung durchgeführt oder veranlaßt wird,
    2. b) Depots alle Depots, deren Führung durch inländische Betriebsstätten von Kreditinstituten im Sinne der lita durchgeführt oder veranlaßt wird,
    3. c) Depotgeschäfte alle für die Erzielung eines Spekulationsertrages in Betracht kommenden Geschäfte mit Wertpapieren im Sinne des §1 Abs1 des Depotgesetzes, die sich auf dem Depot (litb) eines Kreditinstitutes (lita)

      befinden.

  1. 4. Für Depotgeschäfte gilt folgendes:
    1. a) Liegt dem Depotzugang eine tatsächliche Anschaffung zugrunde, sind die tatsächlichen Anschaffungskosten anzusetzen. Liegt dem Depotzugang keine tatsächliche Anschaffung zugrunde, sind die tatsächlichen Anschaffungskosten und der tatsächliche Zeitpunkt der Anschaffung anzusetzen, wenn sie durch geeignete Unterlagen nachgewiesen sind. Liegt kein derartiger Nachweis vor, gilt der Zeitpunkt der Zuführung zum Depot als Anschaffungszeitpunkt; die Anschaffungskosten sind mit Null anzusetzen.
    2. b) Liegt der Entnahme aus dem Depot eine tatsächliche Veräußerung zugrunde, ist der tatsächliche Veräußerungserlös anzusetzen. In allen anderen Fällen gilt die Entnahme als Veräußerung; als Veräußerungserlös ist der gemeine Wert des Wertpapiers im Zeitpunkt der Entnahme anzusetzen. Die Entnahme gilt nicht als Veräußerung, wenn das Wertpapier nachweislich auf ein demselben Steuerpflichtigen zuzurechnendes Depot desselben oder eines anderen

      Kreditinstitutes übertragen wird oder ein sonstiger Nachweis erbracht wird, daß keine Veräußerung vorliegt.

    1. c) Wird ein Wertpapier ohne Entnahme aus dem Depot veräußert, hat der Veräußerer dies dem Kreditinstitut mitzuteilen. Die Veräußerung gilt für den Veräußerer als Entnahme aus dem Depot und für den Erwerber als Depotzugang.
  1. 5. Der Bundesminister für Finanzen wird ermächtigt, die steuerliche Behandlung der Veräußerung in zeitlicher Aufeinanderfolge angeschaffter gleicher Wertpapiere (zB gleicher Aktien) mit Verordnung festzulegen.
  2. 6. Schuldner der Spekulationsertragsteuer ist der Veräußerer.
  3. 7. Bei einem Depotgeschäft ist das Kreditinstitut zum Abzug der Spekulationsertragsteuer verpflichtet. In allen anderen Fällen kann der Veräußerer die Spekulationsertragsteuer abführen. Das zum Abzug verpflichtete Kreditinstitut hat die Spekulationsertragsteuer im Zeitpunkt des Zufließens des Veräußerungserlöses oder der Entnahme aus dem Depot abzuziehen.
  4. 8. Das zum Abzug verpflichtete Kreditinstitut hat die in einem Kalendermonat einbehaltenen Steuerbeträge unter der Bezeichnung 'Spekulationsertragsteuer' spätestens am 15. Tag nach Ablauf des folgenden Kalendermonates abzuführen. In allen anderen Fällen kann der Veräußerer die Spekulationsertragsteuer spätestens im Zuge der Veranlagung des Einkommens für das Jahr des Zufließens des Veräußerungserlöses abführen. Hat der Veräußerer keine Spekulationsertragsteuer abgeführt, sind die Einkünfte im Wege der Veranlagung zu erfassen. Die Z1 bis 4 und 6 bis 10 sind dabei unbeachtlich.
  5. 9. Das nach Z7 zum Abzug verpflichtete Kreditinstitut haftet dem Bund für die Einbehaltung und Abfuhr der Spekulationsertragsteuer.
  6. 10. Die Einkommensteuer (Körperschaftsteuer) gilt durch den Steuerabzug als abgegolten. Soweit die Steuer abgegolten ist, sind die Spekulationserträge weder beim Gesamtbetrag der Einkünfte noch beim Einkommen (§2 Abs2) zu berücksichtigen. Dies gilt nur bei Berechnung der Einkommensteuer des Steuerpflichtigen.
  7. 11. Das zum Abzug verpflichtete Kreditinstitut hat in folgenden Fällen keine Spekulationsertragsteuer abzuziehen:
    1. a) Der Veräußerer erklärt dem zum Abzug

      verpflichteten Kreditinstitut bei Nachweis seiner Identität schriftlich, daß die Veräußerungserlöse als Betriebseinnahmen eines in- oder

      ausländischen Betriebes zu erfassen sind (Befreiungserklärung). Der Veräußerer leitet eine Gleichschrift der Befreiungserklärung unter Angabe seiner Steuernummer im Wege des zum Abzug verpflichteten Kreditinstitutes dem zuständigen Finanzamt zu. Der Veräußerer hat dem zum Abzug Verpflichteten und dem zuständigen Finanzamt im Wege des zum Abzug Verpflichteten unverzüglich alle Umstände mitzuteilen, die dazu führen, daß die Veräußerungserlöse nicht mehr zu den Einnahmen eines in- oder ausländischen Betriebes gehören (Widerrufserklärung).

    1. b) Es treffen die Voraussetzungen des §21 Abs2 Z5 des Körperschaftsteuergesetzes 1988 zu.
    2. c) Der Spekulationsertrag geht einem Kapitalanlagefonds im Sinne des Investmentfondsgesetzes 1993 zu.
  1. 12. Der Bundesminister für Finanzen wird ermächtigt, die technische Umsetzung der steuerlichen Behandlung von Depotgeschäften einschließlich jener im Zusammenhang mit Anteilen an ausländischen Kapitalanlagefonds (§42 des Investmentfondsgesetzes 1993) sowie eine damit im Zusammenhang stehende behördliche Auskunftspflicht mit Verordnung festzulegen.
  2. 13. Ist die nach dem Steuertarif für Spekulationserträge zu erhebende Einkommensteuer geringer als die Spekulationsertragsteuer, ist die Spekulationsertragsteuer auf Antrag auf die zu erhebende Einkommensteuer anzurechnen und mit dem übersteigenden Betrag zu erstatten. Der Antrag kann innerhalb von fünf Kalenderjahren ab dem Ende des Veranlagungsjahres gestellt werden. Bei der Veranlagung sind die Z1 bis 4 und 6 bis 12 unbeachtlich."

Der ua. die Anwendung des §30 Abs8 EStG 1988 regelnde §124b Z37 EStG 1988, eingefügt durch das Steuerreformgesetz 2000, BGBl. I 106/1999, lautet:

  1. "37. §6 Z5, §30 Abs1, Abs2, Abs8 und §37

    Abs4 Z2 lita, jeweils in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 106/1999, sind anzuwenden, wenn die Anschaffung des eingelegten oder veräußerten Wirtschaftsgutes nach dem 30. September 2000 erfolgt ist. Der Bundesminister für Finanzen wird ermächtigt, diesen Zeitpunkt nach Maßgabe der Möglichkeiten zur Schaffung der technischen Rahmenbedingungen bis spätestens 30. September 2001 zu verschieben."

1.2. Den Erläuterungen zur Regierungsvorlage (1766 BlgNR 20. GP, 40) zum nachmaligen Steuerreformgesetz 2000, BGBl. I 106/1999, ist zu entnehmen, daß die Verlängerung der Spekulationsfrist bei Finanzanlagen und ähnlichen Wirtschaftsgütern sowie die Einführung einer Spekulationsertragsteuer zum Anlaß genommen wurde, auch die Spekulationsgewinne, die im Rahmen von Investmentfonds erzielt werden, für ab 1. Oktober 2000 angeschaffte Finanzanlagen einer pauschalen Besteuerung zu unterziehen. Das Investmentfondsgesetz 1993, BGBl. 532/1993 wurde daher durch das Steuerreformgesetz 2000, BGBl. I 106/1999, ArtXIII (im folgenden: InvFG 1993), wie folgt - es werden nur jene Bestimmungen wiedergegeben, die im Zusammenhang mit der Spekulationsertragsteuer stehen - novelliert:

§40 Abs1, zweiter Satz, InvFG 1993 lautet:

"Bei nicht in einem Betriebsvermögen gehaltenen Anteilscheinen gelten Ausschüttungen aus Substanzgewinnen, soweit diese nicht aus Forderungswertpapieren gemäß §93 Abs3 Z1 oder 2 des Einkommensteuergesetzes 1988 und aus damit im Zusammenhang stehenden Produkten im Sinne des §21 resultieren, im Ausmaß von einem Fünftel als Einkünfte im Sinne der §30 Abs1 Z1 litb oder §30 Abs1 Z2 des Einkommensteuergesetzes 1988; die übrigen Ausschüttungen aus Substanzgewinnen bleiben sowohl bei Einkünften aus Kapitalvermögen als auch bei Einkünften im Sinne des §30 des Einkommensteuergesetzes 1988 außer Ansatz."

§40 Abs2 Z1, erster bis vierter Satz, InvFG 1993 lauten:

"1. Spätestens vier Monate nach Ende des Geschäftsjahres gelten die nach Abzug der dafür anfallenden Kosten vereinnahmten Zinsen, Dividenden, ausschüttungsgleiche Erträge von im Fondsvermögen befindlichen Anteilen an anderen in- oder ausländischen Kapitalanlagefonds, Substanzgewinne bei nicht in einem Betriebsvermögen gehaltenen Anteilscheinen, und sonstige Erträge an die Anteilinhaber in dem aus dem Anteilsrecht sich ergebenden Ausmaß als ausgeschüttet (ausschüttungsgleiche Erträge). Dabei können bei den nach Abs1 mit einem Fünftel zu erfassenden Wertpapieren die Substanzverluste bis zur Höhe der Substanzgewinne des laufenden oder eines späteren Geschäftsjahres abgezogen werden. Werden nachweislich diese Erträge später tatsächlich ausgeschüttet, so sind sie steuerfrei. In den Fällen des §13 dritter und vierter Satz gelten die nicht ausgeschütteten Jahreserträge für Zwecke der Kapitalertragsteuer und der Spekulationsertragsteuer als ausgeschüttet."

In §40 Abs3 InvFG 1993 wurde nach dem zweiten Satz nachfolgender Satz eingefügt:

"Bei der Veräußerung ist der Unterschiedsbetrag zwischen dem Veräußerungserlös und den Anschaffungskosten um tatsächlich ausgeschüttete steuerfreie Substanzgewinne zu erhöhen sowie um im Veräußerungserlös enthaltene als zugeflossen geltende ausschüttungsgleiche Erträge insoweit zu kürzen, als diese beim Veräußerer steuerpflichtige Einnahmen gebildet haben."

§42 Abs1, erster Satz, InvFG 1993 lautet:

"Die Bestimmungen des §40 sind auch für ausländische Kapitalanlagefonds anzuwenden."

§42 Abs3 InvFG 1993 lautet:

"(3) Substanzgewinne ausländischer Kapitalanlagefonds gelten als Einkünfte im Sinne des §30 des Einkommensteuergesetzes 1988. §40 Abs1 zweiter Satz ist nur bei Nachweis sowie bei Zulassung und der tatsächlichen Auflage zur öffentlichen Zeichnung anzuwenden. Bei in einem Betriebsvermögen gehaltenen Anteilen gelten Substanzgewinne als sonstige Erträge im Sinne des §40 Abs2 Z1."

In §42 InvFG 1993 wurde als Abs4 angefügt:

"(4) Bei der Veräußerung von Anteilen an ausländischen Kapitalanlagefonds ist - auch nach Ablauf des in §30 Abs1 Z1 litb des Einkommensteuergesetzes 1988 festgesetzten Zeitraumes - ein Abzug von Spekulationsertragsteuer vom Unterschiedsbetrag zwischen Veräußerungserlös und Anschaffungskosten vorzunehmen. Der Abzug unterbleibt, wenn der Steuerpflichtige dem Kreditinstitut eine Bestätigung der Abgabenbehörde vorlegt, daß er seiner Offenlegungspflicht in bezug auf den Anteil nachgekommen ist."

§49 Abs9 InvFG 1993 hat folgenden Wortlaut:

"(9) Die §§41 und 42 Abs1 sind in bezug auf die Börsenumsatzsteuer in der Fassung vor dem Bundesgesetz BGBl. I Nr. 106/1999 noch auf Vorgänge vor dem 1. Oktober 2000 anzuwenden. Im übrigen tritt §41 am 1. Jänner 2000 in Kraft. §40 Abs1 zweiter Satz in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 106/1999 ist anzuwenden, wenn die Anschaffung des veräußerten Wirtschaftsgutes nach dem 30. September 2000 erfolgt ist. §42 Abs3 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 106/1999 ist nicht anzuwenden, wenn die Anschaffung des veräußerten Wirtschaftsgutes nachweislich vor dem 1. Oktober 2000 erfolgt ist. Der Bundesminister für Finanzen wird ermächtigt, diese Zeitpunkte nach Maßgabe der Möglichkeiten zur Schaffung der technischen Rahmenbedingungen für die Umsetzung der Spekulationsertragsteuer bis spätestens 1. Oktober 2001 bzw. 30. September 2001 zu verschieben."

III. 1.1. Zur Begründung ihrer Antragslegitimation führen die antragstellenden Gesellschaften aus, daß ein nach Art und Umfang eindeutig bestimmter Eingriff in ihre Rechtssphäre vorliege, welcher unmittelbar auf das Gesetz (= den Gesetzesbefehl) zurückzuführen sei.

Die ihnen auferlegten Pflichten (wobei namentlich genannt werden: "ermitteln - berechnen - abziehen - einbehalten - abführen - haften") ergäben sich eindeutig aus dem Gesetz. Zur aktuellen Betroffenheit führen die antragstellenden Gesellschaften aus, daß eine solche bereits während der Legisvakanz vorliege, weil die Bestimmungen für sie bereits tatsächlich wirksam geworden seien: "Uns treffen schon jetzt - also eben aktuell und nicht bloß potentiell - unausweichlich Aufwendungen, die weit über das hinausgehen, was üblicherweise und (nur) insoweit verfassungsrechtlich unbedenklich während einer Legisvakanz für den Normunterworfenen erforderlich ist, daß er sich mit der Neuregelung vertraut macht und sich auf sie einstellt."

Vorarbeiten seien notwendig, da ansonsten ab dem Anwendungsstichtag weder sachverhaltsbezogen noch rechnerisch festgestellt werden könne, was abzuziehen, einzubehalten und abzuführen sei. Ohne umfangreiche, kosten- und zeitaufwendige technische Vorarbeiten und ohne ebensolchen Personalaufwand seien sie außerstande, den gesetzlichen Vorgaben ab Anwendbarkeit zu entsprechen. Es sei für sie daher schon nunmehr notwendig, das Gesetz zu befolgen und ihnen nicht zumutbar, mit der Antragstellung auf Gesetzesprüfung bis zur Anwendbarkeit des Gesetzes zuzuwarten, da bis dahin die kostenaufwendigen technischen Vorarbeiten sowie Einschulungsmaßnahmen abgeschlossen sein müßten. An der aktuellen Betroffenheit ändere auch die Ermächtigung des Bundesministers für Finanzen, den in §124b Z37 genannten Zeitpunkt hinsichtlich §30 Abs8 EStG 1988 nach Maßgabe der Möglichkeit zur Schaffung der technischen Rahmenbedingungen bis spätestens 30. September 2001 zu verschieben, nichts. Die ausschließlich durch die gesetzliche Neuregelung des §30 Abs8 EStG 1988 bedingten Vorarbeiten seien bereits in Angriff genommen worden, sodaß die antragstellenden Gesellschaften schon derzeit finanzielle Nachteile erlitten hätten. Hinsichtlich der Zulässigkeit der Eventualanträge, §30 Abs8 EStG 1988 zur Gänze als verfassungswidrig aufzuheben, führen die antragstellenden Gesellschaften aus, daß sie durch die obgenannte Bestimmung - aufgrund der ihnen in §30 Abs8 Z9 leg.cit. auferlegten Haftung für die Einhebung und die Abfuhr der Spekulationsertragsteuer - in ihrer Gesamtheit unmittelbar betroffen seien.

1.2. Für verfassungswidrig erachten die antragstellenden Gesellschaften die angegriffenen Vorschriften des §30 Abs8 EStG 1988 wegen Verstoßes gegen den Gleichheitssatz, das Verbot der Zwangs- oder Pflichtarbeit, der Erwerbsausübungsfreiheit sowie das Recht auf Unversehrtheit des Eigentums. Zudem liege ein Verstoß gegen die Verfassungsbestimmung des §38 Abs5 Bankwesengesetz vor.

1.3. Die antragstellenden Gesellschaften legen zunächst ihre verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die ihnen auferlegte Verpflichtung, nämlich die Spekulationsertragsteuer "abzuziehen", "einzubehalten" sowie "abzuführen" dar:

Das zwischen dem Abgabengläubiger und dem Abgabenschuldner bestehende Steuerschuldverhältnis sei von wenigen Ausnahmen abgesehen zwischen diesen beiden Personen auf Verwaltungsebene abzuwickeln. Eine Überwälzung der grundsätzlich den Abgabenbehörden in ihrer Funktion als Gläubiger zukommenden Aufgaben, wie beispielsweise der Abgabenerhebung, -festsetzung und -einhebung, auf einen außerhalb des Schuldverhältnisses stehenden Dritten sei grundsätzlich gleichheitswidrig. Ausnahmen seien nur in einem eng umgrenzten Bereich zulässig und müßten sachlich gerechtfertigt sein. Eine solche sachliche Rechtfertigung lasse sich nicht finden.

Speziell wenden sich die antragstellenden Gesellschaften dagegen, daß sie Spekulationsertragsteuer auch in Fällen einzubehalten hätten, in denen kein Geldfluß erfolgt, vor allem bei der Entnahme aus dem Depot:

"Die 'Entnahme aus dem Depot' ist für den Gesetzgeber das Gegenstück zum 'Zufließen des Veräußerungserlöses' (vgl Z7 Satz 3), der Gesetzgeber hat also insoweit den Fall im Auge, daß kein Entgelt fließt. Die (Ausnahms-)Fälle, in denen die Entnahme spekulationsertragsteuerfrei erfolgen kann, sind hier nicht von Interesse, entscheidend sind die Fälle, in denen ohne Fließen eines Veräußerungsentgelts eine Spekulationsertragsteuer anfällt und von uns - ohne zivilrechtliche Möglichkeit aus einem Geldfluß, auf den wir Zugriff hätten - etwas einzubehalten, haftungsbedroht ein 'Abzug' und eine 'Abfuhr' verlangt wird, nur weil die Entnahme aus dem Depot (gem Z4 litb Satz 2 - wenn nicht ohnedies eine Veräußerung vorliegt) als Veräußerung 'gilt' (sofern nicht Satz 3 Platz greift).

Es ist bar jeder sachlichen Rechtfertigung und verstößt daher jedenfalls gegen den Gleichheitssatz, uns auch in diesem Fall (ohne unmittelbare Zugriffsmöglichkeit) eine Abzugspflicht aufzuerlegen (wie soll der Abzug erfolgen?) und uns haftungsbedroht zur Abfuhr einer fremden Abgabe zu verpflichten."

Zum Bankgeheimnis bringen die antragstellenden Gesellschaften folgendes vor:

Die gemäß §140 Bundesabgabenordnung (im folgenden: BAO) mit der Einbehaltungspflicht verbundene Offenlegungs- und Wahrheitspflicht nach §119 BAO stehe im Widerspruch mit der aus dem Depotgeschäft erfließenden Verpflichtung zur Wahrung des Bankgeheimnisses (§1 Abs1 Z5 iZm §38 Bankwesengesetz). §38 Abs2 Bankwesengesetz beinhalte diesbezüglich auch keine Ausnahme vom Bankgeheimnis. Die Verfassungsbestimmung des §38 Abs5 Bankwesengesetz, wonach die Absätze 1 bis 4 des §38 leg.cit. vom Nationalrat nur in Anwesenheit von mindestens der Hälfte der Abgeordneten und mit einer Mehrheit von zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen geändert werden könne, beziehe sich jedenfalls auf den in den Absätzen 1 bis 4 der genannten Bestimmung enthaltenen Regelungsgegenstand und schaffe somit einen qualifizierten Bestandschutz des Bankgeheimnisses in seiner aktuellen gesetzlichen Ausgestaltung. Ein Gesetz, welches entgegen dieser Verfassungsbestimmung die geltende gesetzliche Regelung des Bankgeheimnisses durchlöchere - etwa die in §38 Abs2 Bankwesengesetz normierten Ausnahmen von der Verpflichtung zur Wahrung des Bankgeheimnisses erweitere - ohne den verfahrensrechtlichen Vorgaben der Verfassungsbestimmung hinsichtlich der Quoren zu entsprechen, sei selbst verfassungswidrig.

Dies sei gegenständlich der Fall: Die angefochtenen Bestimmungen verstießen gegen die Verfassungsbestimmung des §38 Abs5 Bankwesengesetz, weil sie materiell gesehen eine Änderung der in §38 Abs1 bis 4 leg.cit. enthaltenen Regelungen über das Bankgeheimnis - ohne die dafür erforderlichen Quoren erreicht zu haben - bewirkten.

§30 Abs8 Z11 lita, dritter Satz, EStG 1988, welcher nach Ansicht der antragstellenden Gesellschaften nichts anderes bedeute, als "daß das zum Abzug verpflichtete Kreditinstitut dem zuständigen Finanzamt alle Umstände mitteilt", bewirke auch dann eine gesetzliche und vom Schutzbereich des §38 Abs5 Bankwesengesetz umfaßte Änderung des aktuellen Umfangs des Bankgeheimnisses, wenn darin eine Bevollmächtigung des Kreditinstitutes zur Übermittlung der Daten durch den Veräußerer gesehen werde.

Den Verstoß gegen Art4 EMRK - Verbot der Zwangs- und Pflichtarbeit - begründen die antragstellenden Gesellschaften folgendermaßen:

Die gegenständliche Verpflichtung zum Abzug der Spekulationsertragsteuer unterscheide sich schon allein aufgrund des damit im Zusammenhang stehenden Arbeitsumfanges wesentlich von der gesetzlichen Inpflichtnahme zur Erfüllung öffentlich-rechtlicher Aufgaben wie der Einhebung der Lohnsteuer. Die Einbehaltung der Spekulationsertragsteuer sei gravierend aufwendiger. Es könne daher auch nicht mehr von einer "normalen Bürgerpflicht" iSd Art4 Abs3 litd EMRK gesprochen werden. Schon allein die im Art4 Abs3 litd EMRK verwendete Formulierung "normale Bürgerpflichten" erweise, daß solcherart ein größerer Kreis von Betroffenen angesprochen werden müsse. Die den Kreditinstituten auferlegte Berechnungs-, Einbehaltungs- und Abfuhrpflicht könne auch keineswegs mit der Mitwirkung der Arbeitgeber bei der Erhebung der Lohnsteuer verglichen werden. Dies deshalb, da die antragstellenden Gesellschaften keineswegs Vertragspartner des "Veräußerungsgeschäftes" seien, aus dem der spekulationsertragsteuerpflichtige Veräußerungsgewinn erfließe. Außerhalb der normalen Bürgerpflichten erhielte aber derjenige, dem die Einhebung einer fremden Abgabe obliege, idR 4 % des Gesamtbetrages der eingehobenen Abgabe als Aufwandersatz.

1.4. In weiterer Folge bringen die antragstellenden Gesellschaften ihre verfassungsrechtlichen Bedenken hinsichtlich der in Z9 des §30 Abs8 EStG 1988 normierten Haftung vor:

Sie verweisen auf die ständige Judikatur des Verfassungsgerichtshofes, nach der dem Gesetzgeber bei der Umschreibung der für eine Steuer haftenden Personen insoweit eine Grenze gesetzt sei, als er nur solche Personen für haftpflichtig erklären könne, bei denen eine Haftung sachlich begründet sei, und vertreten die Auffassung, daß das zwischen ihnen und dem Abgabenschuldner bestehende (zivilrechtliche) Depotverhältnis ihre Haftung für die Einbehaltung und Abfuhr der Spekulationsertragsteuer nicht zu rechtfertigen vermöge. Das zivilrechtliche Rechtsverhältnis des Depotvertrages betreffe nämlich die Verwahrung und Verwaltung von Wertpapieren für andere und nicht den abgabepflichtigen Tatbestand des Spekulationsgeschäftes. Der Bezug der antragstellenden Gesellschaften zum abgabepflichtigen Rechtsgeschäft bestehe lediglich darin, daß sich das Objekt des die Abgabepflicht auslösenden Rechtsgeschäftes auf einem ihrer Depots befinde. Dieser Umstand reiche jedenfalls nicht aus, um den antragstellenden Gesellschaften eine Haftung für die aus diesem Rechtsgeschäft erwachsende Spekulationsertragsteuer aufzuerlegen. Daran ändere auch der Umstand nichts, daß die antragstellenden Gesellschaften fallweise als Bevollmächtigte im Rahmen des Veräußerungsgeschäftes tätig seien, gelte doch diese Regelung genauso für reine Eigengeschäfte (sogenannte "Privatgeschäfte") des Kunden.

Weiters - so die antragstellenden Gesellschaften zu G141/99, G146/99 und G148/99 bis G150/99 - sei die ihnen auferlegte Haftung eine solche für Unmögliches, nämlich für Anordnungen, die mit den ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln nicht umzusetzen seien. Sie verweisen diesbezüglich auf §40 Abs3, dritter Satz, InvFG 1993, wonach bei der Veräußerung der Unterschiedsbetrag zwischen dem Veräußerungserlös und den Anschaffungskosten um tatsächlich ausgeschüttete steuerfreie Substanzgewinne zu erhöhen sowie um im Veräußerungserlös enthaltene, als zugeflossen geltende ausschüttungsgleiche Erträge insoweit zu kürzen sei, als diese beim Veräußerer steuerpflichtige Einnahmen gebildet hätten. Die Ermittlung der Differenz zwischen Anschaffungskosten und Veräußerungserlös sei noch relativ leicht zu bewerkstelligen. Der nächste Schritt, nämlich die Hinzurechnung von bereits ausgeschütteten Substanzgewinnen des betreffenden Fonds, fordere bereits eine Evidenzhaltung von derartigen Gewinnen in unbeschränktem Ausmaß. Der Gesetzgeber ordne aber nicht nur eine Hinzurechnung, sondern auch eine Kürzung um ausschüttungsgleiche Erträge an. Dazu komme, daß diese Kürzungsbestimmung nur insoweit gelte, als die ausschüttungsgleichen Erträge beim Veräußerer steuerpflichtige Einnahmen gebildet hätten. Solcherart werde auf die persönlichen steuerlichen Verhältnisse des Anlegers abgestellt und sei demzufolge auch das Vorliegen von Informationen erforderlich, welche die antragstellenden Gesellschaften im Regelfall vom Anleger kaum erhielten. Zwecks Ermittlung der richtigen Bemessungsgrundlage sei eine Anfrage beim Veräußerer hinsichtlich der dem Bank- bzw. Steuergeheimnis unterliegenden Daten (z.B. Höhe der tatsächlich ausgeschütteten steuerfreien Substanzgewinne; Höhe der im Veräußerungserlös enthaltenen, als zugeflossen geltende ausschüttungsgleiche Erträge, etc.) erforderlich. Selbst wenn nun ein Anleger die für ihn mit einem Aufwand verbundenen entsprechenden Informationen liefere, sei die Richtigkeit dieser Informationen nicht sichergestellt.

1.5. Des weiteren wird von den antragstellenden Gesellschaften die Kostenbelastung der Kreditwirtschaft dem geschätzten Ertrag der Spekulationsertragsteuer gegenübergestellt:

Den "einmaligen Einrichtungskosten" in Höhe von (geschätzt) ATS 1,5 Mrd. und den laufenden Kosten von ca. ATS 0,5 Mrd. pro Jahr stünde ein Steueraufkommen von ca. ATS 500 Mio. pro Jahr (ab dem zweiten Jahr), selbst nach optimistischen Schätzungen letztlich nur von ATS 700 Mio. pro Jahr gegenüber.

Den inländischen Kreditinstituten würden demnach erhebliche Lasten bei der Erhebung der Spekulationsertragsteuer aufgebürdet werden, welche sich der Bund erspare. Dieser von den Kreditinstituten zu tragende Aufwand entspreche dem zu erwartenden Aufkommen an Spekulationsertragsteuer. Berücksichtige man noch die einmaligen Umstellungsaufwendungen in Höhe der zu erwartenden ATS 1,5 Mrd., so übersteige der Aufwand das erwartete Aufkommen sogar noch. Zur Einführung der Spekulationsertragsteuer wäre es nie gekommen, wenn den Bund der Erhebungsaufwand selbst träfe. Der Verwaltungsaufwand im Verhältnis zum Steuerertrag sei jedenfalls unverhältnismäßig. Wenn der Erhebungsaufwand der Steuer das aus dieser Steuer gezogene Gesamtaufkommen fast oder zum großen Teil aufzehre, stehe nicht nur die Verfassungswidrigkeit der Steuer selbst fest, sondern auch die Unverhältnismäßigkeit des Eigentumseingriffes, der den inländischen Kreditinstituten auferlegt werde.

Schließlich führe die vorliegende Regelung zu einer gleichheitswidrigen Wettbewerbsverzerrung gegenüber ausländischen Kreditinstituten.

Alle antragstellenden Gesellschaften verweisen in diesem Zusammenhang auf ein beigelegtes von einem Universitätsprofessor in einem während des Gesetzwerdungsprozesses erstatteten Gutachten sowie einer Stellungnahme einer Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft.

2.1. Die Bundesregierung hält die Anträge für unzulässig und tritt in ihrer Äußerung dem Vorbringen der antragstellenden Gesellschaften entgegen:

Eine aktuelle Betroffenheit der antragstellenden Gesellschaften liege nicht vor, weil es eine solche durch erst später in Kraft tretende Rechtsvorschriften nicht geben könne. §124b EStG 1988 normiere, daß §30 Abs8 leg.cit. erst auf Vorgänge nach dem 30. September 2000 anzuwenden sei. Es könne daher auch deshalb in bezug auf §30 Abs8 leg.cit. nicht vom Vorliegen einer Rechtssphäre gesprochen werden, weil nach der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes ein Eingriff durch das Gesetz selbst zu erfolgen habe bzw. nach Art und Ausmaß durch das Gesetz selbst eindeutig bestimmt sein müsse. Aufgrund der Legisvakanz seien die antragstellenden Gesellschaften im Zeitpunkt der Antragstellung aber weder vom Gesetzesbefehl noch von der Haftungsregelung aktuell in ihren Rechten betroffen.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes müsse es sich um einen Eingriff in "Rechte" und nicht (bloß) um faktische Auswirkungen zum Beispiel auf "wirtschaftliche Interessen" handeln, um eine Antragslegitimation nach Art140 B-VG zu konstituieren. Ein Eingriff in Rechte könne aber im hier gegebenen Fall nicht vorliegen. Daran vermöge auch das Vorbringen der antragstellenden Gesellschaften - es handle sich um mit der Regelung in Zusammenhang stehende wirtschaftliche Folgen und nicht um wirtschaftliche Reflexwirkungen - nichts zu ändern. Es handle sich dabei nämlich gerade um solche wirtschaftlichen Folgen, welche die verfassungsgerichtliche Rechtsprechung im Auge habe. Darüber hinaus sei zu bemerken, daß die angeblich so enorme Kostenbelastung lediglich für die gesamte österreichische Kreditwirtschaft angegeben worden sei, ohne auch nur ansatzweise die behauptete Kostenbelastung für die jeweilige antragstellende Gesellschaft im einzelnen zu konkretisieren. Dies stelle insofern auch einen rechtlich erheblichen Mangel der Anträge dar, da es den antragstellenden Gesellschaften obläge, das Vorliegen eines unmittelbaren Eingriffes darzulegen.

Hinsichtlich der Eventualanträge, §30 Abs8 EStG 1988 in seiner Gesamtheit als verfassungswidrig aufzuheben, fehle es an der erforderlichen Begründung, worin die antragstellenden Gesellschaften die Verfassungswidrigkeit der Spekulationsertragsteuerpflicht als solche erblickten, bzw. seien diese Anträge auch zu weitgehend und daher per se als unzulässig zurückzuweisen.

Zur Frage der technischen Vorbereitung des Steuerabzuges und zur Plausibilität der dafür geschätzten Kosten führt die Bundesregierung über Aufforderung des Verfassungsgerichtshofes vom 29. Oktober 1999 aus, daß die diesbezüglich in den Anträgen enthaltenen Behauptungen einer schlüssigen Begründung bzw. der Darlegung ihres sachlichen Gehaltes entbehrten. Weder das behauptete Ausmaß der Vorlaufzeit noch die Kompliziertheit der Implementierung der Spekulationsertragsteuer seien nachvollziehbar. Die wenigen für die Ermittlung der Spekulationsertragsteuer erforderlichen Parameter seien den Kreditinstituten ohnedies bekannt. Lediglich in Fällen, in denen die Anschaffung oder die Veräußerung nicht unmittelbar über das Depot abgewickelt werde, sehe das Gesetz Ersatzwerte vor, welche aber klar und eindeutig definiert seien. Auch in der den Anträgen beigelegten "Stellungnahme zur Plausibilität der geschätzten Kosten der Kreditwirtschaft aus einer Einführung der geplanten Spekulationsertragsteuer" seien keinerlei Angaben zu einzelnen Kostenpositionen wie Personalaufwand, Sachaufwand uä. enthalten.

2.2. Die Bundesregierung schildert sodann ausführlich die allgemeinen Motive für die Einführung der Spekulationsertragsteuer:

Seit einigen Jahren seien deutliche Veränderungen im Verhalten der Kapitalanleger erkennbar. Der Trend gehe weg vom traditionellen Sparbuch und auch vom festverzinslichen Wertpapier in Richtung höherwertige Anlageformen, wie z.B. Aktien und Investmentfonds mit höheren Aktienanteilen. Diese Entwicklung werde auch in besonderem Maße durch das niedrige Zinsniveau der letzten Jahre bestimmt und könne mittel- und langfristig Auswirkungen auf den Staatshaushalt zeitigen, weil Steuereinnahmen im Bereich der Besteuerung von Erträgen aus den traditionellen Sparformen verloren gingen. Es gehe also einerseits Steueraufkommen bei den Erträgen aus den traditionellen Sparformen verloren, andererseits könne dieser Verlust "bei den Renditen aus den höherwertigen Veranlagungsformen nicht im verlorenen Umfang wieder hereingebracht werden". Dies führe zur Gefahr einer Erosion des Steueraufkommens, welche gleichzeitig eine Gefahr für den Staatshaushalt darstelle. Das Steuerreformgesetz 2000 wirke dieser Gefahr "sowohl durch eine Ausweitung des Besteuerungstatbestandes bei den Spekulationseinkünften als auch durch Einführung einer der Kapitalertragsteuer vergleichbar sicheren Einhebungsform wie der Spekulationsertragsteuer entgegen". Bei der Einführung der Spekulationsertragsteuer handle es sich jedenfalls um eine längerfristige Weichenstellung zur Absicherung des Staatshaushaltes. Schon aus diesem Grund seien die im Antrag angestellten Vergleiche zwischen dem erwarteten Steueraufkommen der nächsten Jahre und den behaupteten Kosten der Einführung bzw. den laufenden Kosten der "Wartung" der Steuer unzulässig.

Abgesehen von den unmittelbaren Aufkommenseffekten vollziehe die Spekulationsertragsteuer die Marktentwicklungen bei der Vermögensveranlagung nach und wirke zudem marktausgleichend. Es müsse dem Gesetzgeber freistehen, mit einer bestimmten Besteuerungsform sachlich gerechtfertigte Zielsetzungen auch dann umzusetzen, wenn diese Besteuerungsform einen gewissen administrativen Aufwand fordere. Die der Spekulationsertragsteuer innewohnenden Zielsetzungen rechtfertigten nach Ansicht der Bundesregierung schon für sich allein die damit verbundenen Lasten.

Zur Kostenbelastung speziell der Kreditinstitute hebt die Bundesregierung zunächst hervor, daß gerade die Kreditinstitute von den Steuerreformen der letzten Jahre besonders profitiert hätten. Die Einführung der allgemeinen Beteiligungsertragsbefreiung nach §10 Körperschaftsteuergesetz 1988 und die Abschaffung der Vermögensteuer ab 1994 seien in besonderem bzw. überdurchschnittlichem Maße den Kreditinstituten zugute gekommen. Ferner sei die vom Verfassungsgerichtshof (VfSlg. 10.001/1984) als sachlich gerechtfertigt anerkannte "Sonderabgabe von Banken" im Zuge der zweiten Etappe der Steuerreform mit 1. Jänner 1994 abgeschafft worden. An der Sonderstellung der Kreditinstitute, die der Verfassungsgerichtshof seinerzeit für geeignet gehalten habe, diese Sonderbelastung zu rechtfertigen, habe sich im Grundsatz nichts geändert. Sei es damals zulässig gewesen, Kreditinstitute mit einer besonderen Abgabe zu belasten, mit der sowohl fiskalische als auch ordnungspolitische Zielsetzungen verfolgt worden seien, so müsse es nun umso mehr zulässig sein, die Kreditinstitute mit "sehr viel geringeren Kosten der Einhebung einer Abgabe zu belasten, die mit im Verhältnis zur Belastung der Kreditinstitute weitaus bedeutenderen Zielsetzungen verbunden ist, als dies seinerzeit die Sonderabgabe war".

Weiters trete die aus der Einhebung der Spekulationsertragsteuer entstehende Kostenbelastung (nur) im Zusammenhang mit wirtschaftlichen Vorteilen der Kreditinstitute auf, worin die Bundesregierung einen wesentlichen Unterschied zu der seinerzeitigen Sonderabgabe erblickt. Wenn nun die ohne Zusammenhang mit einem wirtschaftlichen Vorteil eintretende sehr viel höhere Kostenbelastung durch die Sonderabgabe zulässig gewesen sei, dann sei dies bei der mit einem wirtschaftlichen Vorteil verbundenen sehr viel geringeren Kostenbelastung durch die Spekulationsertragsteuer umso eher der Fall.

2.3. Den Bedenken der antragstellenden Gesellschaften hinsichtlich der (verfassungswidrigen) Einschränkung des Bankgeheimnisses tritt die Bundesregierung mit folgenden Argumenten entgegen: Die in §30 Abs8 Z11 EStG 1988 vorgesehene Regelung über die Befreiungserklärung sei derjenigen des §94 Z5 EStG 1988 im Zusammenhang mit der Kapitalertragsteuer nachgebildet. Schon aus der Entstehungsgeschichte der letzteren Vorschrift ergebe sich, daß damit eine Einschränkung des Bankgeheimnisses nicht verbunden gewesen sei. Gleiches müsse aber dann auch für §30 Abs8 Z11 EStG 1988 gelten. Dazu komme, daß es dem Steuerpflichtigen freistehe, eine Befreiungserklärung abzugeben (um auf diese Weise den Abzug einer Quellensteuer bei ohnehin der Veranlagung unterliegenden Einkünften zu vermeiden). Es liege somit ein Fall vor, der dem Ausnahmetatbestand des §38 Abs2 Z5 Bankwesengesetz entspreche (Zustimmung zur Geheimnisoffenbarung). Auch andere Einschränkungen des Bankgeheimnisses seien nicht ersichtlich.

2.4. Zu punktuellen Argumenten der Anträge führt die Bundesregierung - zusammengefaßt - aus:

Es existiere kein im Verfassungsrang verankerter Grundsatz, der eine Aufwandsüberwälzung auf außerhalb des Steuerschuldverhältnisses stehende Dritte verbiete. Die Aufwandsüberwälzung dürfe allerdings nicht schrankenlos sein, sie müsse sachlich gerechtfertigt sein. Eine sachliche Rechtfertigung ist nach Ansicht der Bundesregierung insbesondere dann gegeben, wenn die Aufwandsüberwälzung zu einer erheblichen Einsparung der gesamtwirtschaftlichen Belastung führt. Dies sei hier der Fall, da sich eine Vielzahl jener Sachverhalte, an die §30 Abs1 Z1 litb EStG 1988 anknüpfe, bei den Kreditinstituten ereigne. Überdies erschwere das Bankgeheimnis den Abgabenbehörden eine effiziente Abgabeneinhebung. Wegen des speziell den Kreditinstituten zugute kommenden Geheimnisschutzes sei es gerechtfertigt, die Kosten der Abgabeneinhebung nicht der Allgemeinheit, sondern den Kreditinstituten selbst anzulasten.

Im Zusammenhang mit Art4 EMRK führt die Bundesregierung aus, daß es sich bei der Mitwirkung der Kreditinstitute an der Einhebung der Spekulationsertragsteuer auch nach ihrer Ansicht weder um eine "normale Bürgerpflicht" noch um eine mit der Einbehaltung der Lohnsteuer zu vergleichende Belastung handle. Die Bezugnahme des Antrages auf Art4 EMRK hält die Bundesregierung dennoch für verfehlt, "weil die Mitwirkung der Kreditinstitute nicht als unverhältnismäßig und übermäßig im Verhältnis zu den Vorteilen der ausgeübten Tätigkeit angesehen werden kann (vgl. EGMR, Van der Mussele, EuGRZ 1985, 477 ff (481))".

Ein Grundsatz, daß eine Abzugssteuer nur vom Vertragspartner eines dem Steuertatbestand zugrunde liegenden Rechtsgeschäftes erhoben werden dürfe, existiere nicht. Die Bundesregierung verweist in diesem Zusammenhang auf den Parallelfall der Kapitalertragsteuer, die im Bereich der festverzinslichen Wertpapiere auf dem Zahlstellenprinzip beruhe, somit nicht unbedingt ein Vertragsverhältnis zwischen Gläubiger der Kapitalerträge und Entrichtungspflichtigem voraussetze.

Die Pflicht zur Abfuhr der Spekulationsertragsteuer ohne Geldfluß bestreitet die Bundesregierung nicht, hält es aber für zumutbar, daß das Kreditinstitut wegen seiner besonderen Situation in diesem Fall besondere Vorsorgen für die besonderen Konstellationen trifft; sie nennt dabei beispielhaft Kautionszahlungen und verweist auf die vergleichbare Situation bei der Lohnsteuer.

Dem Argument der Wettbewerbsverzerrung hält die Bundesregierung entgegen, es liege in der Natur der Sache, daß die Einhebung einer Abzugssteuer bei Fehlen eines inländischen Anknüpfungspunktes unmöglich ist.

3.1. In ihren Repliken bestreiten die antragstellenden Gesellschaften das Vorbringen der Bundesregierung. Dem Vorwurf der Bundesregierung, die antragstellenden Gesellschaften hätten es unterlassen, genaue Kostenangaben der einzelnen antragstellenden Kreditinstitute vorzulegen, entgegnen sie, daß bei Prüfung der geltend gemachten Verfassungswidrigkeit die Gesamtbelastung sämtlicher in die Pflicht genommenen Kreditinstitute entscheidend sei. Spezielle Kostenangaben für die einzelnen Kreditinstitute erschienen ihres Erachtens nicht notwendig, es wäre auch rechtlich verfehlt, auf solche bei der Prüfung der Verfassungskonformität abzustellen.

3.2. In dem zu G144/99 protokollierten Gesetzesprüfungsverfahren enthält die Replik der antragstellenden Gesellschaft eine genaue Kostenkalkulation zur technischen Umstellung auf die Spekulationsertragsteuer, in welcher die Gesamtkosten mit ATS 7.039.295,-- beziffert werden.

3.3. In der Replik der antragstellenden Gesellschaft zu G145/99 werden deren Kosten mit einer Gesamtsumme von ATS 1.280.000,-- veranschlagt.

3.4. In der Replik zu G146/99 führt die antragstellende Gesellschaft ihren Sachaufwand mit rund ATS 23 Mio. und den Personalaufwand mit rund ATS 10,4 Mio. an, wobei lediglich die Kosten der Analysephase und der EDV-technischen Umsetzung berücksichtigt seien.

3.5. Die in der Replik zu G148/99 von der antragstellenden Gesellschaft angeführten Kosten setzen sich zusammen aus:

Personalaufwand mit ATS 20,387 Mio., Sachaufwand mit ATS 56,446 Mio. sowie laufenden Kosten (Investitionen, Personalaufwand und Sachaufwand) mit insgesamt ATS 15,094 Mio.

IV. Der Verfassungsgerichtshof hat zur Frage der Zulässigkeit erwogen:

1. Gemäß Art140 B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über die Verfassungswidrigkeit von Gesetzen auch auf Antrag einer Person, die unmittelbar durch diese Verfassungswidrigkeit in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, sofern das Gesetz ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides für diese Person wirksam geworden ist.

Voraussetzung der Antragslegitimation ist sohin einerseits, daß der Antragsteller behauptet, unmittelbar durch das angefochtene Gesetz - im Hinblick auf dessen Verfassungswidrigkeit - in seinen Rechten verletzt worden zu sein, dann aber auch, daß das Gesetz für den Antragsteller tatsächlich, und zwar ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides wirksam geworden ist. Grundlegende Voraussetzung der Antragslegitimation ist, daß das Gesetz in die Rechtssphäre des Antragstellers nachteilig eingreift und diese - im Falle seiner Verfassungswidrigkeit - verletzt.

Nicht jedem Normadressaten aber kommt die Anfechtungsbefugnis zu. Es ist darüber hinaus erforderlich, daß das Gesetz selbst tatsächlich in die Rechtssphäre des Antragstellers unmittelbar eingreift. Ein derartiger Eingriff ist jedenfalls nur dann anzunehmen, wenn dieser nach Art und Ausmaß durch das Gesetz selbst eindeutig bestimmt ist, wenn er die (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigt und wenn dem Antragsteller kein anderer zumutbarer Weg zur Abwehr des - behaupteterweise - rechtswidrigen Eingriffes zur Verfügung steht (VfSlg. 10.511/1985, 11.726/1988, 13.870/1994).

2. §30 Abs8 EStG 1988 idF des (am 14. Juli 1999 kundgemachten) Steuerreformgesetzes 2000, BGBl. I 106/1999, ist gemäß §124b Z37 EStG 1988 idF BGBl. I 106/1999 anzuwenden, "wenn die Anschaffung des eingelegten oder veräußerten Wirtschaftsgutes nach dem 30. September 2000 erfolgt ist. Der Bundesminister für Finanzen wird ermächtigt, diesen Zeitpunkt nach Maßgabe der Möglichkeiten zur Schaffung der technischen Rahmenbedingungen bis spätestens 30. September 2001 zu verschieben."

Der Verfassungsgerichtshof hat wiederholt festgehalten, daß ein Gesetz schon von seiner Kundmachung an dem Bestand der Rechtsordnung angehört (vgl. z.B. VfSlg. 4049/1961, 10.606/1985, 11.402/1987, 13.870/1994). Es ist von diesem Zeitpunkt an ein Bundesgesetz iSd Art140 Abs1 B-VG und kann - selbst wenn es erst zu einem späteren Zeitpunkt in Kraft tritt - Gegenstand eines verfassungsgerichtlichen Gesetzesprüfungsverfahrens sein (VfSlg. 13.870/1994). Der Verfassungsgerichtshof hat daher Individualanträge auf Gesetzesprüfung auch dann zugelassen, wenn die angefochtenen Gesetzesstellen im Zeitpunkt der Antragstellung noch nicht anwendbar waren, soferne eine aktuelle Betroffenheit der Antragsteller bereits gegeben und ihnen nicht zumutbar war, mit der Antragstellung bis zum Wirksamwerden zuzuwarten. So hat der Verfassungsgerichtshof im Erk. VfSlg. 11.402/1987 Individualanträge der Inhaber von Realapotheken auf Aufhebung des ArtII Abs1 und 5 ApothekengesetzNov. 1984 schon vor deren Inkrafttreten am 1. Jänner 1995 zugelassen, weil die von ihnen bekämpfte Regelung für sie bereits vorher unmittelbare (negative) Rechtswirkungen entfaltete, indem sie sie daran hinderte, über den 1. Jänner 1995 hinaus wirksame Verträge über die Berechtigung zum Betrieb einer Realapotheke abzuschließen. Der Verfassungsgerichtshof hat dementsprechend auch die Zulässigkeit von Individualanträgen bejaht, wenn die bekämpften Vorschriften bereits in Kraft getreten, für die Antragsteller selbst jedoch noch nicht anwendbar waren. So hat der Verfassungsgerichtshof im Erk. VfSlg. 12.331/1990 Individualanträge von als Fleischuntersuchungstierärzte bestellten Personen, deren amtliche Funktion durch gesetzliche Festlegung einer Altersgrenze beendet wurde, schon vor Erreichen dieser Altersgrenze zugelassen; er hat eine aktuelle Betroffenheit dieser Personen bejaht, weil für sie das Wirksamwerden der in Rede stehenden Vorschrift kurzfristig bevorstand; der Gerichtshof hielt es in diesem Fall für nicht zumutbar, mit der Antragstellung zuzuwarten, bis ihre Funktion erlischt. Im Erkenntnis VfSlg. 12.549/1990 hat der Verfassungsgerichtshof die aktuelle Betroffenheit des damaligen Antragstellers durch die (neuen) Bestimmungen über die für Rechtsanwaltsanwärter erforderlichen Ausbildungszeiten zwar verneint, weil die Erfüllung der nach der Rechtsanwaltsordnung geforderten Voraussetzung der Tätigkeit bei einem Rechtsanwalt von 5 bzw. 4 Jahren "noch nicht so nahe bevorsteht, daß die aktuelle Betroffenheit zu bejahen wäre", hat aber andererseits ausgeführt, daß es nicht zumutbar erscheine, die vorliegende Rechtsfrage erst nach Ablauf der strittigen Frist nach durchgeführtem Verwaltungsverfahren über eine Beschwerde nach Art144 B-VG an den Verfassungsgerichtshof heranzutragen.

3. Die angefochtene Gesetzesbestimmung des §30 Abs8 EStG 1988 betreffend die Spekulationsertragsteuer ist durch das Steuerreformgesetz 2000, BGBl. I 106/1999, kundgemacht am 14. Juli 1999, in das EStG 1988 aufgenommen worden. Die Vorschrift ist gemäß §124b Z37 EStG 1988 idF BGBl. I 106/1999 - sofern der Bundesminister für Finanzen von der ihm eingeräumten Ermächtigung zur Verschiebung des Zeitpunktes nicht Gebrauch macht - anzuwenden, wenn die Anschaffung des eingelegten oder veräußerten Wirtschaftsgutes nach dem 30. September 2000 erfolgt ist. Bezogen auf den den Anträgen zugrundeliegenden Fall des Depotgeschäftes mit Wertpapieren bedeutet dies, daß Kreditinstitute, die gemäß §30 Abs8 Z7 und Z8 leg.cit. zum Abzug und zur Abfuhr der Spekulationsertragsteuer verpflichtet sind, mit diesen Verpflichtungen praktisch bereits ab dem genannten Stichtag konfrontiert sind, weil damit gerechnet werden muß, daß am bzw. ab dem 1. Oktober 2000 angeschaffte (oder ohne Nachweis eines Anschaffungszeitpunktes eingelegte) Wertpapiere sehr bald nach diesem Stichtag wieder mit Gewinn veräußert werden oder Gegenstand einer (der Veräußerung gleichgestellten) Depotentnahme sind.

4. Der Verfassungsgerichtshof zweifelt nicht daran, daß eine gesetzliche Regelung, die Kreditinstitute verpflichtet, an Stelle des eigentlichen Steuerschuldners und im unmittelbaren Interesse des Steuergläubigers die Berechnung, den Abzug (Einbehaltung) und die Abfuhr einer Steuer vorzunehmen, und diese Verpflichtung überdies durch eine persönliche Haftung für die Einbehaltung und Abfuhr absichert, direkt und nachteilig in die Rechtssphäre eben dieser Kreditinstitute eingreift. Mit einer solchen Regelung werden Kreditinstitute zur Erfüllung öffentlich-rechtlicher Aufgaben in Pflicht genommen, nämlich zur Mitwirkung am Verfahren der Steuereinhebung. Die Inpflichtnahme erfolgt direkt durch das Gesetz, wird also ohne Erlassung eines Bescheides wirksam; bei ihrer Verletzung droht nicht nur die Sanktion der persönlichen Haftung für Fehlbeträge, es kommen darüber hinaus auch finanzstrafrechtliche Konsequenzen in Betracht. Diese Verpflichtungen sind nach Art und Ausmaß durch das Gesetz selbst eindeutig bestimmt und beeinträchtigen ab dem vorgesehenen Anwendungsstichtag die (rechtlich geschützten) Interessen der Kreditinstitute nicht bloß potentiell, sondern aktuell.

Sind derartige, durch das Gesetz auferlegte Verpflichtungen ab einem bestimmten Stichtag zu erfüllen und ist es zur Vermeidung von Haftungsfolgen und finanzstrafrechtlichen Risiken tatsächlich unvermeidlich, vor diesem Stichtag mit ins Gewicht fallenden Aufwendungen administrative, technische oder sonstige Vorkehrungen zu treffen, um ab dem Stichtag die Pflichten gesetzeskonform erfüllen zu können, so liegt darin nicht eine bloße - in der Regel verfassungsrechtlich unerhebliche - wirtschaftliche Reflexwirkung der gesetzlichen Regelung. Es ist vielmehr in einem solchen Fall davon auszugehen, daß der gesetzlich vorgesehene nachteilige Eingriff bereits vor dem eigentlichen Anwendungszeitpunkt eine aktuelle Beeinträchtigung der Rechtssphäre des von den Verpflichtungen Betroffenen bewirkt. Von einer bloßen wirtschaftlichen Reflexwirkung kann nämlich dann nicht mehr gesprochen werden, wenn der - vom Steuergläubiger zur Erfüllung der eigentlich ihm obliegenden Aufgaben herangezogene - Entrichtungspflichtige zur Vermeidung nachteiliger Rechtsfolgen gezwungen ist, erheblichen Aufwand zu tätigen, der jedenfalls alternative Aktivitäten und alternative Mittelverwendungen ausschließt.

Ein solches Ergebnis kommt nicht in Konflikt mit den vom Verfassungsgerichtshof im Zusammenhang mit Individualanträgen immer wieder betonten Prinzipien der Subsidiarität dieses Rechtsschutzinstrumentes und der Vermeidung der Doppelgleisigkeit des Rechtsschutzes. Steht in diesem Stadium ein anderer zumutbarer Weg der Rechtsverfolgung nicht zur Verfügung, so wird es in einem solchen Fall nämlich nur durch die Zulassung eines Individualantrages ermöglicht, über die Rechtmäßigkeit der (rechtlich relevanten) Vorwirkungen der erst später wirksam werdenden eigentlichen Rechtspflichten abzusprechen. Fallen die notwendigerweise zu tätigenden Vorkehrungen und Aufwendungen ins Gewicht, wäre nämlich ein Zuwarten bis zum formellen Inkrafttreten der Verpflichtungen nicht zumutbar, eine derart enge Auslegung des Art140 Abs1 B-VG stünde zum Gebot der Gewährung effizienten Rechtsschutzes geradezu in Widerspruch. Die Zulässigkeit ist vielmehr ab jenem Zeitpunkt zu bejahen, der es erlaubt, über die Rechtmäßigkeit des beanstandeten Eingriffs eine Klärung derart herbeizuführen, daß die damit verbundenen Aufwendungen vermieden oder doch verringert werden können.

5. Der Bundesregierung ist einzuräumen, daß die Anträge zu den kostenmäßigen Auswirkungen der zu treffenden Vorkehrungen keine exakten, auf die einzelnen antragstellenden Kreditinstitute bezogenen Aussagen enthalten und sich mit pauschalen und generalisierenden Aussagen begnügen. Abgesehen davon, daß zumindest in einem Teil der Repliken Kostenschätzungen auch für das jeweilige antragstellende Kreditinstitut vorgelegt werden, vermag der Verfassungsgerichtshof der Schlußfolgerung der Bundesregierung, daß die antragstellenden Gesellschaften die unmittelbare Betroffenheit schon deswegen nicht hinreichend qualifiziert dargelegt hätten, nicht beizupflichten.

Es scheint dem Verfassungsgerichtshof nämlich schon bei Betrachtung der Rechtslage nicht zweifelhaft, daß eine Vorschrift wie die hier zu beurteilende, die von Kreditinstituten verlangt, für Rechnung Dritter (nämlich der als Steuerschuldner anzusehenden Veräußerer von Wertpapieren; §30 Abs8 Z6 EStG 1988) eine Steuer nach Maßgabe der einschlägigen Vorschriften des EStG 1988 und des InvFG 1993 zu berechnen und abzuführen, angesichts der Komplexität der Rechtslage und der Vielfalt der für eine Steuerpflicht in Betracht kommenden Sachverhalte bereits vor dem Zeitpunkt ihrer formellen Anwendbarkeit den Entrichtungspflichtigen umfangreiche und daher kostenintensive Vorkehrungen abverlangt, um die notwendige Anpassung der innerbetrieblichen Arbeitsabläufe, vor allem aber der EDV-Systeme an diese Rechtslage vorzunehmen.

Die Plausibilität dieser Annahme wird durch die gesetzlichen Grundlagen selbst bestätigt: Während die (meisten) Vorschriften des (am 14. Juli 1999 kundgemachten) Steuerreformgesetzes 2000 zum 1. Jänner 2000 in Kraft treten (getreten sind), hat der Gesetzgeber für §30 Abs8 EStG 1988 (und ebenso für die im Zusammenhang stehenden novellierten Normen des InvFG 1993) die Legisvakanz von vornherein um neun Monate verlängert. Zugleich enthält die das Inkrafttreten regelnde Vorschrift des §124b Z37 EStG 1988 die Ermächtigung an den Bundesminister für Finanzen, "diesen Zeitpunkt nach Maßgabe der Möglichkeiten zur Schaffung der technischen Rahmenbedingungen bis spätestens 30. September 2001 zu verschieben" (eine entsprechende Verschiebungsermächtigung enthält auch §49 Abs9 InvFG 1993). Nach den Materialien (Bericht des Finanzausschusses, 1858 BlgNR 20. GP, 7) soll die Möglichkeit der Verschiebung des Inkrafttretens um (maximal) ein volles Jahr für die Einführung der Spekulationsertragsteuer "eine flexible Reaktion auf allfällige Einführungsschwierigkeiten im Kreditapparat eröffnen". Zusätzlich ermächtigt Z12 des §30 Abs8 EStG 1988 den Bundesminister für Finanzen, "die technische Umsetzung der steuerlichen Behandlung von Depotgeschäften einschließlich jener im Zusammenhang mit Anteilen an ausländischen Kapitalanlagefonds (§42 des Investmentfondsgesetzes 1993) sowie eine damit im Zusammenhang stehende behördliche Auskunftspflicht mit Verordnung festzulegen". Der Gesetzgeber ist somit selbst davon ausgegangen, daß die Einführung der Spekulationsertragsteuer technische Vorkehrungen umfangreicher Art fordert, die möglicherweise einer näheren Regelung im Verordnungsweg bedürfen oder gar eine Verschiebung des erstmaligen Anwendungszeitpunktes verlangen könnten, bzw. daß durch die neue Rechtslage die Entrichtungspflichtigen vor so schwierige Rechtsfragen gestellt sein könnten, daß eine behördliche Auskunftspflicht vorgesehen werden müßte.

6. Den antragstellenden Gesellschaften ist in diesem Zusammenhang Recht zu geben, daß die erwähnte, in §124b Z37 EStG 1988 bzw. §49 Abs9 InvFG 1993, beide idF BGBl. I 106/1999, dem Bundesminister für Finanzen eingeräumte "Verschiebungsermächtigung" (von der der Bundesminister für Finanzen mit Verordnung BGBl. II 79/2000 - ausgegeben am 7. März 2000 - tatsächlich Gebrauch gemacht hat) bei Beurteilung der Zulässigkeit ihrer Anträge außer Betracht bleiben muß: Hätte der Bundesminister für Finanzen von dieser Ermächtigung nämlich bis zum Zeitpunkt der Entscheidung über die Individualanträge nicht Gebrauch gemacht, so hätte dies bewiesen, daß ein Zuwarten mit der Antragstellung nicht mehr zumutbar war. Kommt es - wie nun tatsächlich geschehen - hingegen noch vor diesem Zeitpunkt zu einer Verschiebung, so zeigt dies - da der Grund für diese Verschiebung nach der Gesetzeslage nur sein kann, daß die rechtzeitige Schaffung der technischen Rahmenbedingungen nicht möglich ist -, daß die erforderliche Vorbereitungszeit offenbar länger ist, als ursprünglich angenommen wurde. An der aktuellen Betroffenheit der antragstellenden Gesellschaften ändert sich dadurch nichts.

7. Mit der Einführung der Spekulationsertragsteuer werden den Kreditinstituten somit im ausschließlichen Interesse des Abgabengläubigers öffentlich-rechtliche Aufgaben im Bereich der Abgabeneinhebung übertragen und damit Pflichten qualitativ besonderer Art auferlegt, deren Erfüllung von ihnen zur Vermeidung finanzstrafrechtlicher Konsequenzen und persönlicher Haftungen umfang- und kostenmäßig ins Gewicht fallende und eine erhebliche Vorlaufzeit in Anspruch nehmende Vorbereitungen verlangt. Da diese Vorwirkungen als unmittelbare Auswirkung der sich direkt aus §30 Abs8 Z7 bis 9 EStG 1988 ergebenden Rechtspflichten anzusehen sind und damit ebenfalls einen unmittelbar durch das Gesetz bewirkten aktuellen Eingriff in die Rechtssphäre darstellen, ist die als Antragsvoraussetzung anzusehende aktuelle Betroffenheit der antragstellenden Gesellschaften in ihrer Rechtssphäre zu bejahen.

Die gleichlautenden Hauptanträge der antragstellenden Gesellschaften erweisen sich dennoch aus folgenden Gründen als unzulässig:

Die Aufhebung der in den Hauptanträgen (u.a.) angefochtenen ersten Sätze der Z7 wie auch der Z8 des §30 Abs8 EStG 1988 ließe den danach verbleibenden Rest insoferne unverständlich wie auch unanwendbar werden, als die darauffolgenden Sätze mit: "In allen anderen Fällen kann der Veräußerer ..." beginnen. Diese Worte beinhalten somit eine Ermächtigung des Veräußerers, von welcher dieser aber nur dann Gebrauch machen kann, wenn kein "anderer" Fall vorliegt. Nach Wegfall der angefochtenen, diese anderen Fälle betreffenden ersten Sätze der Z7 und Z8 könnte demnach nicht mehr mit Bestimmtheit beurteilt werden, ob nun ein Fall vorliegt, in dem der Veräußerer von der Ermächtigung Gebrauch machen darf.

Die Hauptanträge erweisen sich demnach als zu eng.

Wegen der Unzulässigkeit der Hauptanträge war auf die Zulässigkeit der in eventu gestellten Anträge im einzelnen einzugehen. Die in den jeweiligen Individualanträgen gleichlautenden, unter Punkt 2. bis Punkt 6. genannten Eventualanträge erweisen sich jedoch, da sie Aufhebungen durchwegs in engerem Umfang als die Hauptanträge begehren, ebenfalls als zu eng und sind daher als unzulässig zurückzuweisen.

Die unter Punkt 7. gestellten Eventualanträge der antragstellenden Gesellschaften, §30 Abs8 EStG 1988 in seiner Gesamtheit als verfassungswidrig aufzuheben, sind nur teilweise zulässig. Der bekämpfte Abs8 der genannten Bestimmung bildet zwar insofern eine Einheit, als er zur Gänze die Spekulationsertragsteuer regelt, nicht von allen Bestimmungen dieses Absatzes aber sind die antragstellenden Gesellschaften betroffen. Da die behauptete Verfassungswidrigkeit für die antragstellenden Gesellschaften wegfällt, wenn die in den Hauptanträgen angefochtenen Bestimmungen sowie zusätzlich das Wort "anderen" jeweils im zweiten Satz der Z7 und Z8 des §30 Abs8 EStG 1988 aus dem Rechtsbestand beseitigt sind, der Gerichtshof aber nicht mehr aufheben darf, als zur Beseitigung der Verfassungswidrigkeit erforderlich ist, sind die Eventualanträge auf Aufhebung des gesamten §30 Abs8 leg.cit. zwar zulässig, allerdings nur insoweit, als sie die Aufhebung des ersten und dritten Satzes der Z7 sowie des Wortes "anderen" im zweiten Satz der Z7, des ersten Satzes der Z8 sowie des Wortes "anderen" im zweiten Satz der Z8 und der Z9 zur Gänze betreffen.

Da in diesem Stadium ein anderer zumutbarer Weg der Rechtsverfolgung nicht offensteht und auch die übrigen Prozeßvoraussetzungen vorliegen, sind die bezeichneten Eventualanträge der antragstellenden Gesellschaften im angegebenen Umfang zulässig.

V. In der Sache:

1. §30 EStG 1988 erfaßt unter der Rubrik Spekulationsgeschäfte Einkünfte aus Veräußerungsgeschäften, die nicht zu den Einkünften im Sinn des §2 Abs3 Z1 bis 6 EStG 1988 gehören (somit im wesentlichen Gewinne aus der Veräußerung von Privatvermögen) und bei denen der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung eine bestimmte Dauer ("Spekulationsfrist") nicht übersteigt. Bei Grundstücken beträgt diese Spekulationsfrist im allgemeinen zehn Jahre, bei anderen Wirtschaftsgütern betrug sie bis zum Steuerreformgesetz 2000 generell ein Jahr. Durch das Steuerreformgesetz 2000, BGBl. I 106/1999, wurde für Wertpapiere im Sinne des §1 Abs1 Depotgesetz, für sonstige Beteiligungen und Forderungen die Spekulationsfrist auf zwei Jahre ausgedehnt (§30 Abs1 Z1 litb EStG 1988). Überdies sind nach §30 Abs1 Z2 EStG 1988 idF des Steuerreformgesetzes 2000 Spekulationsgeschäfte nunmehr auch "Termingeschäfte einschließlich Differenzgeschäfte, weiters innerhalb von zwei Jahren abgewickelte Optionsgeschäfte einschließlich geschriebene Optionen und Swaphandelsgeschäfte".

2. Der Verfassungsgerichtshof hat bisher gegen das grundsätzliche Konzept des §30 EStG 1988 keine Bedenken geäußert. Er hat im Erk. VfSlg. 13.742/1994 die Auffassung vertreten, Grund der Besteuerung nach §30 EStG 1988 sei die durch den Gewinn aus solchen Geschäften bewirkte Leistungsfähigkeit, und er hat in VfSlg. 13.461/1993 ausgesprochen, daß weder der Gleichheitssatz noch eine andere Verfassungsvorschrift es dem Gesetzgeber verbiete, eine Spekulationsfrist zu verändern.

3. Anders als bisher sieht §30 EStG 1988 idF des Steuerreformgesetzes 2000 nunmehr für bestimmte Fälle eine Erhebung der Einkommensteuer im Abzugswege und mit einem eigenen Tarif vor: In den Fällen des Abs1 Z1 litb leg.cit. sowie in den Fällen des Abs1 Z2 wird - nach Maßgabe der Regelungen des Abs8 - die Einkommensteuer bzw. Körperschaftsteuer durch Abzug erhoben (Spekulationsertragsteuer). Diese Spekulationsertragsteuer beträgt einheitlich 25 % (§30 Abs8 Z1 EStG 1988), gilt grundsätzlich die Einkommensteuer bzw. Körperschaftsteuer ab (Z10 leg.cit.), kann jedoch im Fall einer niedrigeren Tarifsteuer im Einzelfall auf die zu erhebende Einkommensteuer angerechnet bzw. erstattet werden (Z13 leg.cit.). Im einzelnen gilt, daß bei Depotgeschäften das Kreditinstitut zum Abzug der Spekulationsertragsteuer verpflichtet ist (Z7, Satz 1, leg.cit.). In allen anderen Fällen kann der Veräußerer die Spekulationsertragsteuer abführen (Z7, Satz 2, leg.cit.); tut er dies nicht, so sind die Einkünfte im Wege der Veranlagung zu erfassen; sie unterliegen dann dem normalen Steuertarif (Z8 leg.cit.). Depotgeschäfte sind nach der Legaldefinition der Z3 litc leg.cit. alle für die Erzielung eines Spekulationsertrages in Betracht kommenden Geschäfte mit Wertpapieren im Sinne des §1 Abs1 des Depotgesetzes, die sich auf dem Depot eines Kreditinstitutes befinden (aus den weiteren Vorschriften dieser Z3 ergibt sich, daß es sich um Depots handelt, die von Kreditinstituten oder von anderen zur Verwahrung und Verwaltung von Wertpapieren für andere berechtigte Unternehmen in inländischen Betriebsstätten geführt werden).

Im Fall von Depotgeschäften hat das zum Abzug verpflichtete Kreditinstitut die Spekulationsertragsteuer im Zeitpunkt des Zufließens des Veräußerungserlöses oder der Entnahme aus dem Depot abzuziehen. Die einbehaltenen Steuerbeträge sind spätestens am 15. Tag nach Ablauf des folgenden Kalendermonates abzuführen. Gemäß Z9 des §30 Abs8 EStG 1988 haftet das nach Z7 leg.cit. zum Abzug verpflichtete Kreditinstitut dem Bund für die Einbehaltung und Abfuhr der Spekulationsertragsteuer. Diese Haftung ist verschuldensunabhängig und betragsmäßig unbegrenzt.

4. Der Gesetzgeber ist von Verfassungs wegen grundsätzlich nicht gehindert, für die Einhebung von Abgaben - mag diese auch eine Staatsaufgabe sein und gemäß §11 F-VG grundsätzlich den Verwaltungsbehörden obliegen - Mitwirkungspflichten Dritter vorzusehen. Der Verfassungsgerichtshof hat wiederholt ausgesprochen, daß derartige Mitwirkungspflichten nicht nur dem Steuerschuldner selbst auferlegt werden dürfen, sondern auch Personen, die formal am Steuerschuldverhältnis unbeteiligt sind. Schon im Erk. VfSlg. 6425/1971 hat der Verfassungsgerichtshof die Auffassung vertreten, dem Gesetzgeber könne - mangels eines Exzesses - unter dem Gesichtspunkt des Gleichheitsgebotes nicht entgegengetreten werden, wenn er die Verpflichtung zur unentgeltlichen Erbringung der mit der Einbehaltung und Abfuhr der Lohnsteuer verbundenen Leistungen normiere. In weiterer Judikatur zur Lohnsteuer hat der Verfassungsgerichtshof die Ansicht vertreten, die Mitwirkung des Arbeitgebers bei der Einhebung der Lohnsteuer sei nicht so zu verstehen, daß dieser nunmehr ein Erfüllungsgehilfe des Finanzamtes sei, dessen Handlungen der Finanzbehörde zuzurechnen seien. Der Arbeitgeber habe vielmehr ebenso wie der Arbeitnehmer bestimmte eigenständige Aufgaben anläßlich der Erhebung der Lohnsteuer gegenüber der Finanzbehörde zu erfüllen, er werde durch Gesetz zur Erfüllung öffentlich-rechtlicher Aufgaben in Pflicht genommen, setze jedoch selbst keine Hoheitsakte (VfSlg. 7158/1973, 7975/1977). Der Verfassungsgerichtshof hat mit dieser Judikatur (auch) zum Ausdruck gebracht, daß er gegen solche Mitwirkungspflichten keine grundsätzlichen Bedenken hat (vgl. auch VfSlg. 10.213/1984 betreffend Einhebung der Kurtaxe durch den Unterkunftgeber).

Der Verfassungsgerichtshof bleibt bei dieser Judikatur. Er ist allerdings der Auffassung, daß eine Regelung, die am Steuerschuldverhältnis formal unbeteiligte Dritte nicht nur zur Mitwirkung bei der Einhebung der Abgabe des eigentlichen Steuerschuldners verpflichtet, sondern ihnen - wie im vorliegenden Fall - praktisch sämtliche Verpflichtungen im Zusammenhang mit dieser Abgabeneinhebung auferlegt, und zwar derart, daß der Primärschuldner von der Abgabenbehörde gegen seinen Willen praktisch nicht in Anspruch genommen wird (genommen werden kann), jedenfalls dann einer sachlichen Rechtfertigung bedarf, wenn es sich (wie im vorliegenden Fall) um eine (Personen-)Steuer handelt, deren unbestrittenes Ziel die wirtschaftliche Belastung des eigentlichen Steuerschuldners ist. Eine solche Regelung ist nur dann sachgerecht, wenn zwischen dem Steuerschuldner und dem Entrichtungspflichtigen eine qualifizierte Beziehung rechtlicher oder wirtschaftlicher Art besteht, die es ihrem Inhalt nach rechtfertigt, gerade diesem Entrichtungspflichtigen die Verpflichtung zum Abzug und zur Abfuhr der Steuer aufzuerlegen, sei es, daß die zum Steuerschuldner bestehende rechtliche oder wirtschaftliche Beziehung gleichzeitig das steuerschuldbegründende Ereignis ist, sei es, daß die dem Steuertatbestand entsprechenden Bemessungsgrundlagen über ihn laufen oder er zu ihnen zumindest leicht Zugang hat, und es daher legitim erscheint, ihn bei der Weiterleitung oder auch beim Empfang dieser Mittel mit Abzugs- und Abfuhrpflichten zu belasten, sei es schließlich, daß sonstige Umstände vorliegen, die eine Inpflichtnahme gerade dieser Person sachlich gerechtfertigt erscheinen lassen.

Der Verfassungsgerichtshof ist darüber hinaus der Meinung, daß eine zwischen Steuerschuldner und Dritten bestehende Beziehung rechtlicher oder wirtschaftlicher Art es nicht rechtfertigt, unabhängig von ihrer Qualität und ihrem Umfang Mitwirkungspflichten jedweden Inhaltes und jedweder Intensität aufzuerlegen. Sachlich erscheint nur eine Regelung, die die Mitwirkungspflichten Dritter ins Verhältnis setzt zu der Art und dem Umfang der zum Primärschuldner bestehenden Beziehungen. Daraus folgt auch, daß eine Regelung, die den Dritten erheblichen Aufwand für die Beschaffung der für eine ordnungsmäßige Steuerabfuhr erforderlichen Daten und/oder aufwendige Vorkehrungen zur Erlangung der für die Steuerabfuhr benötigten Mittel abverlangt, nur bei Vorliegen besonderer Umstände gerechtfertigt sein kann.

Diese Auffassung findet ihre Bestätigung in der bisherigen Judikatur des Verfassungsgerichtshofes zur gleichheitsrechtlichen Beurteilung abgabenrechtlicher oder beitragsrechtlicher Haftungsbestimmungen. Der Verfassungsgerichtshof hat in zahlreichen Entscheidungen die Auffassung vertreten, daß bei der Umschreibung des für eine Steuer haftenden Personenkreises dem Gesetzgeber durch Art7 B-VG insofern eine Grenze gezogen sei, als er nur solche Personen zur Haftung heranziehen darf, bei denen eine Haftung sachlich begründet ist (VfSlg. 2896/1955, 11.771/1988, 11.921/1988, 13.583/1993 u.a.). Er hat die sachliche Rechtfertigung für die Haftung als solche einerseits aus dem öffentlichen Interesse an der Sicherung der Einbringlichkeit öffentlicher Abgaben und andererseits aus einem durch eine Rechtsbeziehung begründeten sachlichen Zusammenhang zwischen der Person des Abgabepflichtigen und des Haftungspflichtigen hergeleitet (VfSlg. 11.942/1988 mwN) und im Erk. VfSlg. 5318/1966 allgemein ausgesprochen, daß es unsachlich erscheine, "wenn jemand verhalten wird, für etwas einzustehen, womit ihn nichts verbindet, hier also auch für Umstände, die außerhalb seiner Interessen- und Einflußsphäre liegen." Die Möglichkeit zivilrechtlicher Regreßforderungen hat der Gerichtshof für sich allein dabei nicht als sachliche Rechtfertigung für abgabenrechtliche Haftungen angesehen (VfSlg. 11.771/1988). Der Gerichtshof hat darüber hinaus aber auch wiederholt betont, daß selbst bei Unbedenklichkeit einer Haftung dem Grunde nach eine adäquate Begrenzung des Haftungsumfanges gegeben sein müsse. Als entscheidend hat der Gerichtshof es in diesem Zusammenhang erachtet, ob es dem Haftenden möglich ist, den Umfang der Haftung abzuschätzen und mit Hilfe von Vertragsgestaltungen für sich eine Limitierung des Risikos zu erreichen (vgl. etwa VfSlg. 11.771/1988, 11.921/1988) bzw. ob der Zusammenhang der Haftung mit der Partizipation des Haftenden am Unternehmensertrag des Primärschuldners beachtet wurde (vgl. etwa VfSlg. 11.921/1988, 12.572/1990).

Der gleiche Grundgedanke liegt dem Erk. VfSlg. 10.403/1985 (Wiener Wohnungsabgabegesetz) zugrunde, in dem der Gerichtshof es für unsachlich erachtet hat, dem Vertreter des Grundstückseigentümers die Pflicht zur Auskunftserteilung betreffend den Liegenschaftsbestand und seine Veränderungen und damit die Verpflichtung zur Ermittlung der für die Steuererhebung maßgebenden Tatsachen aufzuerlegen.

Der Gerichtshof hat diese Judikatur zu Fällen entwickelt, in denen die Entrichtung der Abgaben dem eigentlichen Abgabenschuldner auferlegt war. Die Grundgedanken dieser Judikatur müssen aber ebenso gelten, wenn der Gesetzgeber - wie hier - die Entrichtungspflichten einem Dritten auferlegt und ihre Verletzung mit Haftungsfolgen sanktioniert.

5. Im vorliegenden Fall wird der sachliche Zusammenhang zwischen dem - als Schuldner der Spekulationsertragsteuer anzusehenden (§30 Abs8 Z6 EStG 1988) - Veräußerer der Wertpapiere und dem - zum Abzug und zur Abfuhr der Steuer verpflichteten (Z8 leg.cit.) - Kreditinstitut durch das Depotgeschäft begründet: nur bei Depotgeschäften ist das Kreditinstitut zum Abzug der Spekulationsertragsteuer verpflichtet. §30 Abs8 Z3 litc EStG 1988 versteht unter Depotgeschäften "alle für die Erzielung eines Spekulationsertrages in Betracht kommenden Geschäfte mit Wertpapieren im Sinne des §1 Abs1 des Depotgesetzes, die sich auf dem Depot (litb) eines Kreditinstitutes (lita) befinden". Das EStG 1988 weicht mit dieser Begriffsbestimmung von der bankrechtlichen Terminologie ab:

Nach §1 Abs1 Z5 Bankwesengesetz 1993, BGBl. 532 idgF (im folgenden: BWG) besteht das Wesen des Depotgeschäftes in der "Verwahrung und Verwaltung von Wertpapieren für andere", während der Handel mit Wertpapieren (Anschaffung und Veräußerung) - auch für fremde Rechnung - unter das Effektengeschäft fällt (§1 Abs1 Z7 lite BWG; nach der Vorgängerbestimmung des §1 Abs2 Z5 Kreditwesengesetz, BGBl. 63/1979 waren "die Anschaffung, Veräußerung sowie die Verwahrung und Verwaltung von Wertpapieren für andere" als "Effekten- und Depotgeschäft" zusammengefaßt).

Anknüpfungspunkt für die Inpflichtnahme der Kreditinstitute sind somit nicht typische Bankgeschäfte im Sinne des BWG, sondern eine vom EStG 1988 eigenständig definierte Beziehung, die alle für die Erzielung eines Spekulationsertrages in Betracht kommenden Geschäfte mit Wertpapieren umfaßt, die sich auf dem Depot des Kreditinstitutes befinden. Entscheidend ist daher, ob die durch den spezifisch einkommensteuerrechtlichen Begriff des Depotgeschäftes begründete Beziehung (rechtlicher oder wirtschaftlicher Art) es rechtfertigt, den Kreditinstituten Mitwirkungspflichten jener Intensität aufzuerlegen, die §30 Abs8 EStG 1988 vorsieht.

Der Inhalt des Begriffes Depotgeschäft ergibt sich im einzelnen erst aus §30 Abs8 Z4 EStG 1988. Dieser Vorschrift, die der Verfassungsgerichtshof als Präzisierung der zur Steuerabfuhr verpflichtenden Tatbestände versteht, ist zu entnehmen, daß die Abfuhrverpflichtung nicht nur die Erzielung von Spekulationserträgen auf Grund von Effektengeschäften betrifft, die ein Kreditinstitut in bezug auf ein bei ihm geführtes Depot abwickelt (derart, daß das Kreditinstitut für Rechnung des Depotinhabers Wertpapiere für dieses Depot anschafft und von diesem Depot veräußert). Z4 leg.cit. enthält vielmehr Ersatztatbestände, durch die praktisch auch alle nicht durch Effektengeschäfte bewirkten Depotänderungen erfaßt und in die Abfuhrpflicht einbezogen werden:

Dazu kommen die im gegebenen Zusammenhang zu beachtenden bereits oben wiedergegebenen Sondervorschriften des InvFG 1993, die durch das SteuerreformG 2000 im Hinblick auf die ausgeweitete Erfassung von Spekulationsgewinnen geändert wurden.

Im Hinblick auf diese Rechtslage vermag der Verfassungsgerichtshof der Bundesregierung nicht zu folgen, wenn sie in ihrer Äußerung die Auffassung vertritt, bei Depotgeschäften seien den Kreditinstituten die wenigen Parameter, die für die Ermittlung der Spekulationsertragsteuer erforderlich sind, ohnedies bekannt. Es mag sein, daß diese Annahme beim eigentlichen Effektengeschäft, bei dem das Kreditinstitut in die Anschaffung und Veräußerung von Wertpapieren durch seinen Kunden als Kommissionär oder Eigenhändler eingeschaltet ist, zutrifft. In diesem Fall wird das Kreditinstitut zumindest typischerweise selbst über die für den gesetzeskonformen Steuerabzug erforderlichen Daten verfügen und auch Zugriff auf den Veräußerungserlös haben, somit in der Lage sein, die auf den Spekulationsertrag entfallende Steuer aus diesen Mitteln zu entrichten. Das Gesetz beschränkt die Abzugspflicht aber nicht auf Spekulationserträge, die aus Effektengeschäften erzielt werden, sondern verlangt von den Kreditinstituten die Vornahme des Steuerabzuges auch bei Ersatztatbeständen. Diese mögen statistisch gesehen seltener sein, ihre gesetzeskonforme Behandlung bereitet aber jedenfalls ungleich größere Probleme, weil die dafür erforderlichen Daten dem Entrichtungspflichtigen nicht im eigenen Bereich zur Verfügung stehen, sondern erst vom Steuerschuldner beschafft werden müssen, wobei sich der Gesetzgeber überdies nicht mit Erklärungen begnügt, sondern qualifizierte Beweisanforderungen ("Nachweis") aufstellt. Liegt dem Depotgeschäft beispielsweise eine Einlage zugrunde, so sind die tatsächlichen Anschaffungskosten und der tatsächliche Anschaffungszeitpunkt (nur) dann maßgebend, "wenn sie durch geeignete Unterlagen nachgewiesen sind". Das Kreditinstitut hat, sofern der Depotinhaber nicht spontan entsprechende (als Nachweise geeignete) Informationen bereitstellt (was nicht typischerweise erwartet werden kann), somit im Fall der Veräußerung eines innerhalb der letzten zwei Jahre eingelegten Wertpapieres, offenbar nur die Wahl zwischen einer vermutlich arbeitsintensiven Nachforschung nach "geeigneten Nachweisen" (über den tatsächlichen Anschaffungszeitpunkt sowie die tatsächlichen Anschaffungskosten) und einem möglicherweise vollkommen den Grundsätzen des EStG 1988 sowie den Regeln über die Schätzung von Bemessungsgrundlagen widersprechenden Steuerabzug (da bei der gesetzlichen Annahme von Anschaffungskosten = Null die 25 %-ige Steuer nicht vom Gewinn, sondern vom erzielten Veräußerungserlös zu berechnen wäre). Entsprechendes gilt, wenn dem Depotabgang keine Veräußerung zugrunde liegt. In diesen Fällen gilt die Entnahme (wenn nicht nachweislich ein bloßer Wechsel auf ein demselben Kunden zuzurechnendes Depot vorliegt) als Veräußerung, es sei denn, es wird ein "sonstiger Nachweis" erbracht, daß keine Veräußerung vorliegt. Welche Anforderung das Kreditinstitut zur Vermeidung von Haftungsfolgen an diesen Negativbeweis zu stellen hat, läßt das Gesetz nicht erkennen.

In diesen Fällen legt das Gesetz den Kreditinstituten somit Abzugspflichten auf, obwohl sich einzelne oder im Extremfall sogar alle Elemente des zugrundeliegenden Steuertatbestandes nicht in seiner Sphäre, sondern in der des Steuerschuldners verwirklicht haben, die für den Steuerabzug erforderlichen Informationen (betreffend vor allem Anschaffungszeitpunkt, Veräußerungszeitpunkt, Anschaffungskosten, Veräußerungspreis) dem Entrichtungspflichtigen daher insoweit nicht unmittelbar (aus eigener Kenntnis) zugänglich sind und auch vom Steuerschuldner möglicherweise nicht in der erforderlichen Eindeutigkeit erlangt werden können. Dies, obwohl es sich gerade in diesen Fällen um Vorgänge handelt, mit denen das Kreditinstitut außer der - im Zeitpunkt der Verwirklichung des steuerpflichtigen Tatbestandes gegebenen - Depotzugehörigkeit des Wertpapieres nichts verbindet.

Die Verknüpfung der Entrichtungspflicht mit dem weiten Begriff des Depotgeschäftes führt überdies dazu, daß das Kreditinstitut Steuerbeträge auch in solchen Fällen "einzubehalten" und abzuführen hat, in denen es keinen Zugriff auf die bzw. irgendwelche für die Steuerzahlung in Betracht kommenden Mittel hat. Tätigt der Depotinhaber etwa Privatgeschäfte, bei denen er den Veräußerungserlös ohne Einschaltung des depotführenden Kreditinstitutes vereinnahmt, so hat das Kreditinstitut - gleichgültig ob das Wertpapier dem Depot entnommen wird oder der Depotinhaber lediglich die Veräußerung mitteilt - Steuer "abzuziehen" und unter Haftungsandrohung abzuführen, obwohl ihm weder der die Bemessungsgrundlage bildende Spekulationsertrag noch gar der Spekulationserlös als finanzielles Substrat des Steuerabzuges und der Steuerentrichtung zur Verfügung stehen. Diese Folgen können im Hinblick auf die als Tatbestandsformulierungen anzusehenden Vorschriften der Z4 des §30 Abs8 EStG 1988 offenbar auch nicht durch eine die Haftungsinanspruchnahme vermeidende Ermessensübung (§20 BAO) vermieden werden. Der Verfassungsgerichtshof hält es angesichts der in diesem Fall gegebenen geringen Intensität der wirtschaftlichen und rechtlichen Beziehungen zum eigentlichen Steuerschuldner für unsachlich, in solchen Fällen dem Kreditinstitut das Risiko der Verfolgung zivilrechtlicher Regreßansprüche aufzubürden oder ihm zuzumuten, durch zivilrechtliche Gestaltungen für die eigene Absicherung vorzusorgen. Wenn die Bundesregierung in diesem Zusammenhang die Möglichkeit von Kautionszahlungen erwähnt, so ist dem entgegenzuhalten, daß in Fällen wie den vorliegenden, wo eine bloß lose Beziehung gegeben ist und nicht vorhergesehen werden kann, ob überhaupt und - wenn ja - in welcher Höhe ein steuerpflichtiger Spekulationsertrag erzielt werden wird, dieses Instrument nicht tauglich und überschießend erscheint.

Der Verfassungsgerichtshof ist somit - zusammengefaßt - der Auffassung, daß der Gesetzgeber gegen den auch ihn bindenden Gleichheitssatz dadurch verstoßen hat, daß er den Kreditinstituten die Verpflichtung zur Steuerabfuhr auch in Fällen auferlegt, in denen ihnen die für die ordnungsmäßige Steuerabfuhr erforderlichen Daten und/oder die für die Steuerentrichtung erforderlichen finanziellen Mittel nicht zur Verfügung stehen und von ihnen auch nicht ohne weiteres beschafft bzw. zurückerlangt werden können, wozu noch kommt, daß es sich um Fälle handelt, in denen sich die Beziehung zum Steuerschuldner auf die Depotzugehörigkeit des Wertpapieres im Zeitpunkt der Entstehung der Steuerpflicht beschränkt.

Da sich die Unverhältnismäßigkeit dieser Verpflichtungen bereits aus den Steuerabfuhrtatbeständen des §30 Abs8 EStG 1988 selbst ergibt, kann es dahingestellt bleiben, ob sich - wie die antragstellenden Gesellschaften vorbringen - gleichartige Konstellationen auch im Zusammenhang mit den einschlägigen (oben wiedergegebenen) Vorschriften des InvFG 1993 ergeben.

6. Die Bundesregierung versucht in ihrer Äußerung, die Heranziehung der Kreditinstitute zur umfassenden Mitwirkung bei der Einbehaltung und Abfuhr der Spekulationsertragsteuer und die damit verbundene - nicht geleugnete - Kostenbelastung mit verschiedenen Argumenten zu rechtfertigen.

6.1. Mit ihrer Auffassung, es müsse dem Gesetzgeber freistehen, mit einer bestimmten Besteuerungsform sachlich gerechtfertigte Zielsetzungen auch dann umzusetzen, wenn dies einen gewissen administrativen Aufwand fordert, ist die Bundesregierung ohne Zweifel im Recht. Sie übersieht jedoch, daß es nach den verfassungsrechtlichen Wertungen grundsätzlich Sache des Bundes ist, den mit der Erhebung der Spekulationsertragsteuer verbundenen administrativen Aufwand selbst zu tragen (vgl. §2 F-VG), und daß die Abwälzung dieses Aufwandes auf am Steuerschuldverhältnis nicht beteiligte Dritte einer besonderen sachlichen Rechtfertigung bedarf.

6.2. Die Bundesregierung argumentiert weiters, es müsse zulässig sein, die Kreditinstitute mit den Kosten der Einhebung einer Abgabe zu belasten, da sie von den Steuerreformen der letzten Jahre in besonderem Maße profitiert hätten. Sie verweist in diesem Zusammenhang auch auf das Erk. VfSlg. 10.001/1984, in dem der Verfassungsgerichtshof die Sonderabgabe von Kreditunternehmungen als sachlich gerechtfertigte Sonderbelastung der Kreditinstitute bestätigt habe, und zieht daraus den Schluß, daß deswegen eine - weniger ins Gewicht fallende - Kostenbelastung im Zusammenhang mit der Einhebung einer steuerpolitisch gerechtfertigten Steuer zulässig sein müsse.

Der Verfassungsgerichtshof kann der Bundesregierung nicht folgen, wenn sie (allfällige) steuerliche Entlastungen, die die Kreditinstitute durch Maßnahmen der Steuergesetzgebung in den vergangenen Jahren erfahren haben, mit dem durch §30 Abs8 EStG 1988 verursachten Aufwand in Beziehung setzt, diese (früheren) Entlastungen somit gleichsam als Kompensation für die nunmehr auferlegten Belastungen betrachtet. Weder die Einführung der allgemeinen Beteiligungsertragsbefreiung im Körperschaftsteuerrecht noch die Abschaffung der Vermögensteuer waren Maßnahmen, die speziell auf Kreditinstitute bezogen waren. Selbst wenn sie sich in diesem Sektor besonders vorteilhaft ausgewirkt haben sollten, könnte dies allein es nicht rechtfertigen, den Kreditinstituten sachlich nicht begründbare andere Belastungen aufzuerlegen. Auch der Umstand, daß der Gesetzgeber möglicherweise verfassungsrechtlich nicht gehindert ist, Kreditinstitute einer Sonderabgabe zu unterwerfen, vermag es nicht zu rechtfertigen, den Kreditinstituten eine umfassende Mitwirkung bei der Einhebung von Abgaben aufzuerlegen, wenn diese Mitwirkung für sich gesehen nicht als sachlich begründet angesehen werden kann. Es ist für den Verfassungsgerichtshof nicht nachvollziehbar, warum der Umstand, daß der Gesetzgeber einem bestimmten Adressatenkreis gegenüber eine vielleicht verfassungsrechtlich zulässige Maßnahme unterläßt, eine demselben Adressatenkreis auferlegte, für sich gesehen verfassungsrechtlich unzulässige Maßnahme "sanieren" könnte.

6.3. Die Bundesregierung meint ferner, die Kostenbelastung aus der Einhebung der Spekulationsertragsteuer trete in der Regel nur im Zusammenhang mit wirtschaftlichen Vorteilen auf, die den Kreditinstituten aus der Führung von Wertpapierdepots erwachsen. Dem ist entgegenzuhalten, daß - wie gezeigt - diese Kostenbelastung nicht unmittelbar aus der Verwahrung und Verwaltung von Wertpapieren, sondern aus den (steuerlich eigenständig definierten) Depotgeschäften resultiert, somit auch ein innerer Zusammenhang zwischen den allfälligen Vorteilen der Depotführung und der Belastung durch die Einhebung der Spekulationsertragsteuer nicht gesehen werden kann.

6.4. Daß die Heranziehung der Kreditinstitute - verglichen mit der Steuereinhebung durch die Finanzbehörden selbst - der gesamtwirtschaftlich günstigere Weg der Steuereinhebung sei und zu wesentlichen gesamtwirtschaftlichen Vorteilen führe, mag zutreffen und spricht allenfalls für die "Privatisierung" dieser Staatsaufgabe. Es rechtfertigt aber jedenfalls nicht die Auferlegung von Verpflichtungen der geforderten Art

6.5. Wenn die Bundesregierung weiters - sinngemäß - meint, die Heranziehung der Kreditinstitute zu einer umfassenden Mitwirkung bei der Erhebung der Spekulationsertragsteuer sei deswegen gerechtfertigt, weil diese Erhebungsform lediglich im Hinblick auf das Bankgeheimnis erforderlich sei und weil die Kreditinstitute es seien, die vom Bankgeheimnis in besonderem Maße profitieren, so ist dem zu entgegnen, daß der Schutz des besonderen Vertrauensverhältnisses zwischen Kreditinstituten und ihren Kunden keineswegs im ausschließlichen oder überwiegenden Interesse der Kreditinstitute, sondern im Hinblick auf die Mobilität des Produktionsfaktors Kapital jedenfalls auch im öffentlichen Interesse an einem ordnungsmäßigen Funktionieren des Kapitalmarktes liegt (vgl. auch Haushofer, Die Bankkonzession nach der Regierungsvorlage des Kreditwesengesetzes 1978, in: Aktuelle Probleme zum Recht des Kreditwesens, Festschrift Hans Krasensky, Wien 1978, 106 f.; Ulrich, Überlegungen zum Bankgeheimnis, in: Ruppe (Hrsg.), Geheimnisschutz im Wirtschaftsleben, Wien 1980, 284).

6.6. Die Bundesregierung verweist schließlich auf die Situation bei anderen Abzugssteuern und hier zunächst auf die - ihrer Meinung nach - vergleichbare Rechtslage bei der Kapitalertragsteuer und auf das dort - mit allgemeiner Billigung - angewendete "Zahlstellenprinzip". Abgesehen davon, daß dies allein kein Indiz für die verfassungsrechtliche Unbedenklichkeit der für die Spekulationsertragsteuer vorgesehenen Steuereinhebungstechnik wäre, ist dem zu entgegnen, daß bei der Kapitalertragsteuer die Abzugspflicht entweder den Schuldner der Kapitalerträge oder die kuponauszahlende Stelle oder einen Dritten, der Kapitalerträge gewährt, trifft (§95 Abs3 EStG 1988); in allen diesen Fällen verfügt der Abzugspflichtige selbst somit nicht nur über die für den gesetzmäßigen Steuerabzug erforderlichen Daten, sondern auch über die finanziellen Mittel, die der Bemessungsgrundlage entsprechen, und ist daher in der Lage, die Steuerbeträge ohne weiteres zu berechnen und aus diesen Mitteln auch abzuführen. Gerade der Umstand, daß die Kapitalertragsteuer vom Schuldner der Kapitalerträge oder der die Kapitalerträge auszahlenden "Zahlstelle" (bzw. einem Kapitalerträge gewährenden Dritten) abzuführen ist, unterscheidet diese Steuer in verfassungsrechtlich relevanter Weise von dem hier zu beurteilenden Fall der Spekulationsertragsteuer, bei dem - wie dargelegt - gerade nicht gesichert ist, daß der Abzugs- und Abfuhrverpflichtete auch tatsächlich selbst über die Kenntnis der für den Steuerabzug wesentlichen Umstände und über die Mittel verfügt, die ihm die Entrichtung der Steuer ermöglichen.

Entsprechendes gilt für den von der Bundesregierung angestellten Vergleich mit der Lohnsteuer. Wenn die Bundesregierung in diesem Zusammenhang betont, daß dem Arbeitgeber eine Lohnsteuerabfuhr auch im Falle "entgeltlose(r)" Vorteile zugemutet werde (gemeint sind wohl geldwerte Vorteile), und dabei auf §78 Abs4 EStG 1988 verweist, so ist dazu zu sagen, daß §78 Abs4 EStG 1988 die bei geldwerten Vorteilen allenfalls für den Arbeitgeber entstehenden Probleme auf der Ebene des Steuerrechts derart löst, daß es dem Arbeitgeber in der Regel möglich ist, die abzuführende Lohnsteuer dem Arbeitnehmer anzulasten, eine Rechtslage, die bei der Spekulationsertragsteuer gerade nicht realisiert ist. Eine mit der Spekulationsertragsteuer vergleichbare Situation bei der Lohnsteuer wäre vielmehr etwa dann gegeben, wenn der Arbeitgeber ohne eigene Kenntnis der maßgebenden Umstände und ohne steuerrechtlich abgesicherte Regreßmöglichkeit Lohnsteuer auch in Fällen "abziehen" und abführen müßte, in denen der Arbeitnehmer im Hinblick auf das Dienstverhältnis Entgelte von dritter Seite erhält. Solche Verpflichtungen sind dem Arbeitgeber aber gerade nicht auferlegt (vgl. §78 Abs1 EStG 1988).

7. Da die in Z7 erster und dritter Satz, welche mit dem ersten Satz der Z8 und mit der Z9 des §30 Abs8 EStG 1988 eine untrennbare Einheit bilden, den Kreditinstituten auferlegten Verpflichtungen einer sachlichen Rechtfertigung entbehren, war den auf Aufhebung dieser Bestimmungen abzielenden Anträgen der antragstellenden Gesellschaften Folge zu geben. Da bei Aufhebung dieser Bestimmungen die zweiten Sätze in Z7 und Z8 insoferne unverständlich wie auch unanwendbar würden, als sie mit: "In allen anderen Fällen kann der Veräußerer ..." beginnen, war auch auszusprechen, daß jeweils das Wort "anderen" in diesen Sätzen aufzuheben ist. Durch die verbleibende Rechtslage ist - vorbehaltlich einer Neuregelung durch den Gesetzgeber - gesichert, daß der Steuerschuldner selbst in allen Fällen ermächtigt ist, die Spekulationsertragsteuer mit dem Steuersatz von 25 % abzuführen.

Da die Aufhebung der genannten Wortfolgen inhaltlich den Anträgen der antragstellenden Gesellschaften im zulässigen Umfang Rechnung trägt, erübrigte sich ein Eingehen auf die sonstigen in den Anträgen geltend gemachten Bedenken.

Dem Antrag der Bundesregierung, für das Außerkrafttreten eine Frist von einem Jahr zu bestimmen, war nicht Folge zu geben, da allfällige legistische Vorkehrungen innerhalb der Legisvakanz (die durch die Verordnung BGBl. II 79/2000 bis 30. September 2001 erstreckt wurde), getroffen werden können.

VI. 1. Die Verpflichtung des Bundeskanzlers zur unverzüglichen Kundmachung der Aufhebung im Bundesgesetzblatt I beruht auf Art140 Abs5, erster Satz, B-VG und auf §64 Abs2 VerfGG.

2. Die Kostenentscheidung stützt sich auf §65a VerfGG. In den zugesprochenen Beträgen ist jeweils Umsatzsteuer in der Höhe von ATS 4.500,-- sowie eine Eingabegebühr gemäß §17a VerfGG in Höhe von ATS 2.500,-- enthalten.

3. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4, erster Satz, VerfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

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