VfGH G136/05

VfGHG136/0528.2.2006

B-VG Art140 Abs1 / Individualantrag
BundesbahnstrukturG
VfGG §62 Abs1
B-VG Art140 Abs1 / Individualantrag
BundesbahnstrukturG
VfGG §62 Abs1

 

Spruch:

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung

1. Mit seinem auf Art140 B-VG gestützten Antrag begehrt der Einschreiter, der Verfassungsgerichtshof möge "sämtliche Bestimmungen des Bundesbahnstrukturgesetzes als verfassungswidrig aufheben".

2. Zu seiner Antragslegitimation führt er aus:

"Ein Gesetz ist ab seiner Kundmachung Bestandteil der Rechtsordnung; es ist ab diesem Zeitpunkt ein Bundesgesetz iSd Art140 Abs1 B-VG. Die Geltung eines Gesetzes hängt von seinem zeitlichen Anwendungsbereich ab. Das Bundesbahnstrukturgesetz trat am 01. Jänner 2005 in Kraft.

Das Bundesbahnstrukturgesetz ist für den [Antragsteller] somit - ohne dass es noch irgendeines rechtskonkretisierenden Aktes bedürfte - ab 01.01.2005 unmittelbar anwendbar. Die bekämpfte Regelung entfaltet bereits derzeit unmittelbare Rechtswirkung, weil das Bundesbahnstrukturgesetz bereits umgesetzt wurde.

Dadurch wird der [Antragsteller] um die ... vertraglich vereinbarten Rechte gebracht bzw. wird durch den Gesetzgeber, der zugleich Rechtsträger und 100%iger Eigentümer der Dienstgebergesellschaft ist durch das angefochtene Gesetz direkt in seine ihm vertraglich zugesicherten Rechte eingegriffen. Im Ergebnis kommt es zu einer Minderung des Lebenseinkommens um 25% - 45%. Dies bereits bei einer Durchrechnung von nur 20 Jahren.

Das Bundesbahnstrukturgesetz greift somit tatsächlich in diese individuelle privatautonome Rechtssphäre des [Antragstellers] unmittelbar ein. Dieser Eingriff ist nach Art und Ausmaß durch das Bundesbahnstrukturgesetz selbst eindeutig bestimmt. Die rechtlich geschützten Interessen des Beschwerdeführers werden nicht bloß potentiell, sondern wie bereits ... dargelegt aktuell beeinträchtigt.

Durch diese Vorgehensweise wird der Beschwerdeführer, ohne dass er die faktische und zeitlich noch wirksame Möglichkeit hatte, sich dagegen effizient zur Wehr zu setzen, wie es in der gleichen Situation anderen Dienstnehmern zusteht, einem Dienstgeber zugeteilt, der bei weitem nicht über die gleiche Bonität verfügt wie der Bund.

Dieser missbraucht seine gesetzgeberischen Möglichkeiten zur Gestaltung seiner vertraglichen Verpflichtungen gegenüber dem [Antragsteller], sowie unter Außerkraftsetzung der Schutzbestimmungen des Umgründungsrechtes und unter Verstoß gegen die europarechtliche Betriebsübergangsrichtlinie.

Jeder andere Dienstgeber, welcher nicht als Gesetzgeber seine vertraglichen Pflichten kraft Rechtsnorm schmälern bzw. beseitigen kann, müsste diese Schutzvorschriften einhalten. Zuletzt war dies geschichtlich betrachtet nur absolutistischen bzw. totalitären Herrschersystemen gestattet.

Die Nachfolgegesellschaft kann dem Beschwerdeführer auch nicht die Sicherheit eines andauernden Arbeitsplatzes - wie dies bei den Österreichischen Bundesbahnen der Fall war, - bieten. Weiters wurde dieses Gesetz - wie noch zu zeigen sein wird - in rechtsmissbräuchlicher Art und Weise erlassen. Dem Einschreiter steht kein anderer zumutbarer Weg zu Abwehr des rechtswidrigen Eingriffs zur Verfügung. Er hat bereits am 16.09.2004 die Klage auf Feststellung eingebracht, dieses Verfahren verschleppt sich durch Richterwechsel und Zeitverlauf, ohne dass der rechtsuchende Beschwerdeführer daran etwas ändern könnte.

Die für den 7. Juli 2005 anberaumte Verhandlung wurde wegen einem Richterwechsel 3 Tage vorher vertagt. Nunmehr ist für 14.12.2005 von 09:30 Uhr bis 14:00 Uhr eine mündliche Streitverhandlung anberaumt. Das Prozessprogramm ist bis dato nicht festgelegt worden.

In der Zwischenzeit wird das Gesetz so umgesetzt, als ob es keine Gerichtsverfahren gäbe. Die ÖBB werden zerschlagen.

...

Durch das angefochtene Gesetz bin ich unmittelbar in meinen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf

* Einhaltung des rechtsstaatlichen Prinzips, und/oder * Gleichheit vor dem Gesetz gem. Art7 Abs1 BVG,

Art2 Staatsgrundgesetz, und/oder

* Recht auf Unverletzlichkeit des Eigentums (Art5

Staatsgrundgesetz, Art1 des 1. Zusatzprotokolls zur MRK), und/oder

* Recht auf Koalitionsfreiheit (Art12 StGG, Art11 MRK), und/oder

* Recht auf den gesetzlichen Richter gem. Art83 B-VG

verletzt."

3. Der Antrag ist nicht zulässig.

Kraft §62 Abs1 VfGG hat der Antrag, ein Gesetz als verfassungswidrig aufzuheben, die gegen die Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes sprechenden Bedenken "im einzelnen darzulegen". Es ist daher Prozessvoraussetzung eines Gesetzesprüfungsverfahrens nach Art140 Abs1 B-VG, dass sich aus dem Inhalt des Antrages eine Darlegung der gegen die Verfassungsmäßigkeit der aufzuhebenden Normen im Einzelnen sprechenden Bedenken ergibt (VfSlg. 8594/1979, 11.610/1988). Bei Beurteilung der Antragslegitimation ist weiters lediglich zu untersuchen, ob das angefochtene Gesetz für den Antragsteller die im Antrag ins Treffen geführten (nachteiligen) Wirkungen hat und ob diese Wirkungen den Anforderungen des Art140 Abs1 letzter Satz B-VG genügen. Nicht zu untersuchen ist hingegen, ob die besagten Gesetzesstellen für den Antragsteller sonstige (unmittelbare) Wirkungen entfalten. Es kommt nämlich ausschließlich auf die Behauptung des Antragstellers an, in welcher Hinsicht das bekämpfte Gesetz seine Rechtssphäre berührt und - im Fall der Verfassungswidrigkeit - verletzt (vgl. zB. VfSlg. 9185/1981, 10.353/1985, 11.610/1988).

Wendet man diese ständige Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes auf den vorliegenden Antrag an, ergibt sich Folgendes:

Der Antrag auf Aufhebung des gesamten Bundesbahnstrukturgesetzes erweist sich schon deshalb als unzulässig, weil es offenkundig ist, dass keineswegs jede einzelne der angefochtenen Bestimmungen unmittelbar in die Rechtssphäre des Antragstellers eingreifen kann (vgl. etwa VfSlg. 9620/1983, 12.442/1990). Auch der Antrag selbst enthält keine iSd. §62 Abs1 VfGG erforderliche Darlegung darüber, dass alle diese Regelungen für den Antragsteller ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder Erlassung eines Bescheides wirksam geworden sind.

Im Übrigen kommt es bei der Prüfung der Prozessvoraussetzungen für die Durchführung eines Gesetzesprüfungsverfahrens nach Art140 B-VG auch darauf an, ob sich aus dem Inhalt des Antrages eine Darlegung der im einzelnen gegen die Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes seinem ganzen Inhalt nach oder einer bestimmten Gesetzesstelle sprechenden Bedenken ergibt (VfSlg. 8700/1979). Ein Gesetzesprüfungsantrag, der sich auf ein Gesetz seinem ganzen Inhalt nach richtet, muss auch Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit aller Bestimmungen des Gesetzes darlegen (vgl. VfSlg. 7593/1975, 12.464/1990, 13.140/1992). Auch diese Voraussetzung wird durch den vorliegenden Antrag nicht erfüllt.

Der Antrag ist somit schon aus diesen Gründen als unzulässig zurückzuweisen (vgl. VfSlg. 13.916/1994 S 411 f.; s. im Übrigen auch VfSlg. 16.616/2002 S 106).

4. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne vorangegangene mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

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