European Case Law Identifier: ECLI:AT:VFGH:2017:E503.2016
Spruch:
I. Der Beschwerdeführer ist durch das angefochtene Erkenntnis im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander (ArtI Abs1 Bundesverfassungsgesetz BGBl Nr 390/1973) verletzt worden.
Das Erkenntnis wird aufgehoben.
II. Der Bund (Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz) ist schuldig, dem Beschwerdeführer zuhanden seines Rechtsvertreters die mit € 2.856,– bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Entscheidungsgründe
I. Sachverhalt, Beschwerde und Vorverfahren
1. Der Beschwerdeführer – ein Staatsangehöriger Tunesiens – beantragte am 15. Oktober 2015 beim Arbeitsmarktservice, Geschäftsstelle Gmunden, die Ausstellung einer Sicherungsbescheinigung (Saisonarbeitskraft/Koch) gemäß §11 Abs1 iVm §5 Abs6 Ausländerbeschäftigungsgesetz (im Folgenden: AuslBG).
2. Mit Bescheid vom 17. November 2015 wies das Arbeitsmarktservice den Antrag des Beschwerdeführers auf Ausstellung einer Sicherungsbescheinigung für die berufliche Tätigkeit als Koch gemäß §11 Abs1 iVm §5 Abs6 AuslBG mit der Begründung ab, dass gemäß §5 Abs6 AuslBG Beschäftigungsbewilligungen für neu angeworbene Saisonarbeitskräfte nur mit einhelliger Befürwortung des Regionalbeirates erteilt werden dürfe und im vorliegenden Fall eine solche Zustimmung nicht erteilt worden sei.
3. Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht mit Erkenntnis vom 5. Februar 2016 als unbegründet ab.
4. Gegen diese Entscheidung richtet sich die vorliegende, auf Art144 B‑VG gestützte Beschwerde, in der unter anderem eine Verletzung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz und die Verletzung von Rechten wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm behauptet wird.
5. Das Bundesverwaltungsgericht hat die Verwaltungs- und Gerichtsakten vorgelegt, von der Erstattung einer Gegenschrift jedoch Abstand genommen.
II. Rechtslage
1. Die hier relevanten Vorschriften des Bundesgesetzes vom 20. März 1975, mit dem die Beschäftigung von Ausländern geregelt wird (Ausländerbeschäftigungsgesetz – AuslBG), BGBl 218/1975, lauten in der hier maßgeblichen Fassung wie folgt (die für verfassungswidrig erachtete Bestimmung ist hervorgehoben):
"Sicherungsbescheinigung
§11. (1) Beabsichtigt ein Arbeitgeber einen Ausländer zu beschäftigen, der über kein Aufenthaltsrecht gemäß §4 Abs1 Z1 verfügt, so ist ihm auf Antrag eine Sicherungsbescheinigung auszustellen, wenn alle sonstigen Voraussetzungen für die Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung (§4) erfüllt sind und, sofern der Ausländer quotenpflichtig (§12 NAG) oder im Rahmen eines Kontingents gemäß §5 zugelassen werden soll, ein Quoten- bzw. Kontingentplatz vorhanden ist. Für die Zulassung von Schlüsselkräften und Fachkräften (§§12 bis 12c) und von länger als sechs Monate beschäftigten Künstlern (§14) gilt das Zulassungsverfahren gemäß §20d.
(2) – (5) […]"
"Befristet beschäftigte Ausländer
§5. (1) […]
(2) Der Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz kann bei einem vorübergehenden zusätzlichen Arbeitskräftebedarf, der weder aus dem im Inland verfügbaren Arbeitskräftepotenzial noch mit EWR-Bürgern, Schweizern und gemäß Abs1 registrierten befristet beschäftigten Ausländern abgedeckt werden kann, durch Verordnung zahlenmäßige Kontingente
1. für eine zeitlich befristete Zulassung ausländischer Arbeitskräfte in einem bestimmten Wirtschaftszweig, in einer bestimmten Berufsgruppe oder Region oder
2. für die kurzfristige Zulassung ausländischer Erntehelfer, die zur sichtvermerksfreien Einreise in das Bundesgebiet berechtigt sind,
festlegen. Er hat dabei die allgemeine Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes, insbesondere im betreffenden Teilarbeitsmarkt, zu berücksichtigen und darf die gemäß §13 Abs4 Z1 NAG festgelegte Höchstzahl für befristet zugelassene ausländische Arbeitskräfte im Jahresdurchschnitt nicht überschreiten. Zeitlich begrenzte Überschreitungen sind zulässig.
(3) - (5) [...]
(6) Für Ausländer, die erstmalig für eine Beschäftigung im Rahmen von Kontingenten für die zeitlich befristete Zulassung ausländischer Arbeitskräfte und für die kurzfristige Zulassung ausländischer Erntehelfer aus dem Ausland angeworben werden, dürfen Beschäftigungsbewilligungen nur mit einhelliger Befürwortung des Regionalbeirats erteilt werden.
[...]"
III. Erwägungen
1. Die – zulässige – Beschwerde ist begründet.
2. Eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz kann nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (zB VfSlg 10.413/1985, 14.842/1997, 15.326/1998 und 16.488/2002) nur vorliegen, wenn die angefochtene Entscheidung auf einer dem Gleichheitsgebot widersprechenden Rechtsgrundlage beruht, wenn das Verwaltungsgericht der angewendeten Rechtsvorschrift fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt oder wenn es bei Erlassung der Entscheidung Willkür geübt hat.
Ein willkürliches Verhalten kann dem Verwaltungsgericht unter anderem dann vorgeworfen werden, wenn es den Beschwerdeführer aus unsachlichen Gründen benachteiligt hat oder aber, wenn die angefochtene Entscheidung wegen gehäuften Verkennens der Rechtslage in einem besonderen Maße mit den Rechtsvorschriften in Widerspruch steht (zB VfSlg 10.065/1984, 14.776/1997, 16.273/2001).
3. Ein solcher Fehler ist dem Bundesverwaltungsgericht hier unterlaufen:
3.1. Das Bundesverwaltungsgericht führt in seinen, die Abweisung der Beschwerde tragenden Entscheidungsgründen Folgendes aus:
"Es genügt im Falle der Kontingentüberschreitung das Urteil der Behörde nicht. Nur wenn auch der Verwaltungsausschuss einhellig zum Ergebnis kommt, dass die Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes die Beschäftigung des Ausländers zulässt und wichtige öffentliche oder gesamtwirtschaftliche Interessen nicht entgegenstehen, darf die Beschäftigungsbewilligung ohne weiteres erteilt werden (vgl. VfGH E12.10.1990, G146/90, V211/90, VfSlg. 12506).
Im gegenständlichen Fall scheiterte die positive Erledigung des Antrages, wie oben bereits ausgeführt, obwohl keine Ersatzkraft gefunden wurde, allein am Nichtvorliegen der einhelligen Befürwortung des Regionalbeirates. Der Umstand, dass der Gesetzgeber weder eine Begründungspflicht noch eine Möglichkeit zur Anfechtung oder Überprüfung vorsieht, ergibt sich auch iVm den Ausführungen in der Regierungsvorlage (1077 dB XXIV. GP), da bei Entscheidungen, ob ein Kontingentplatz vergeben wird oder nicht auch arbeitsmarktpolitische Ziele eine Rolle spielen (vgl. auch VwGH, 28.06.2007, [Zl 2005/09/0186]). Nach dem Willen des Gesetzgebers können die Saisonbetriebe den Bedarf an Saisoniers in erster Linie aus dem großen Potential der im Inland verfügbaren Arbeitskräfte, insbesondere auch Asylwerbern, der kontingentfreien Saisoniers aus EU-Drittstaaten (und Rumänien und Bulgarien) und aller bewilligungsfreien Saisoniers aus den alten und den EU-8-Mitgliedstaaten abdecken. Folglich soll die Zulassung von Drittstaatssaisoniers im Rahmen von Kontingenten auf ein Minimum beschränkt werden.
Aufgrund dieser strengen Handhabung der Möglichkeit der Kontingentüberschreitung und daher mangels einhelliger Befürwortung des Regionalbeirates wurde eben kein Kontingentplatz für den Drittstaatsangehörigen ohne Aufenthaltsrecht vergeben, auch wenn längere Zeit keine Ersatzkraft durch das AMS vermittelt werden konnte (vgl. VfGH E12.10.1990, G146/90, V211/90, VfSlg. 12506)."
3.2. Das Bundesverwaltungsgericht hat gemäß §27 VwGVG grundsätzlich in der Sache selbst zu entscheiden und somit nicht nur die gegen den verwaltungsbehördlichen Bescheid eingebrachte Beschwerde, sondern auch die Angelegenheit zu erledigen, die von der Verwaltungsbehörde zu entscheiden war. Das Bundesverwaltungsgericht hatte in diesem Zusammenhang insbesondere auch die Rechtmäßigkeit der Äußerung des Regionalbeirates zu prüfen: denn, wie der Verfassungsgerichtshof in vergleichbaren Konstellationen bereits entschieden hat, ist dann, wenn die Behörde erster Instanz als Voraussetzung für eine dem Antrag stattgebende Entscheidung der Zustimmung einer anderen Behörde bedarf, die im Allgemeinen einer einheitlichen Handhabung des Gesetzes dient, dieses Zustimmungserfordernis auf diesen Verfahrensabschnitt beschränkt und gilt – im Sinne des Rechtsstaatsprinzips verfassungskonform interpretiert – nicht auch für die Rechtsmittelbehörde (vgl. VfSlg 14.318/1995 und 14.446/1996; vgl. im Übrigen auch die in diesem Sinne ergangene Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes vom 14.12.2016, W156 2137297-1/7E).
3.3. Demgegenüber unterließ das Bundesverwaltungsgericht im vorliegenden Fall jegliche Überprüfung der Verweigerung der Befürwortung der Ausstellung der beantragten Sicherungsbescheinigung durch den Regionalbeirat auf seine Rechtmäßigkeit, obwohl es zugleich die Auffassung vertritt, dass "die positive Erledigung des Antrages, […] obwohl keine Ersatzkraft gefunden wurde, allein am Nichtvorliegen der einhelligen Befürwortung des Regionalbeirates" gescheitert ist. Soweit das Bundesverwaltungsgericht in diesem Zusammenhang weder eine Begründungspflicht des Regionalbeirates noch eine Möglichkeit zur Überprüfung seiner Äußerung im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht annimmt, vertritt es eine Auffassung, die im Widerspruch zum Rechtsstaatsprinzip und zur dazu ergangenen – oben erwähnten – Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes in vergleichbaren Konstellationen steht.
3.4. Daher steht die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes im besonderen Maße mit den Rechtsvorschriften in Widerspruch; es hat daher Willkür geübt.
IV. Ergebnis
1. Der Beschwerdeführer ist somit durch die angefochtene Entscheidung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander verletzt worden.
2. Das Erkenntnis ist daher aufzuheben, ohne dass auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen ist.
3. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf §88 VfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in Höhe von € 436,– sowie eine Eingabengebühr gemäß §17a VfGG in der Höhe von € 240,– enthalten.
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