VfGH E2212/2015

VfGHE2212/201523.2.2017

Verletzung im Gleichheitsrecht durch einen Haftungs- und Abgabenbescheid betreffend Kapitalertragsteuer nach Widerruf einer Privatstiftung mangels Berücksichtigung der der Stifterin vorbehaltenen Fruchtgenussrechte bei Bewertung der Zuwendung

Normen

B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
EStG 1988 §15 Abs3 Z1, Z2, §27 Abs1 Z7, §32 Z4 litb
BewG 1955 §10 Abs2, Abs3
B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
EStG 1988 §15 Abs3 Z1, Z2, §27 Abs1 Z7, §32 Z4 litb
BewG 1955 §10 Abs2, Abs3

 

Spruch:

I. Die Beschwerdeführerin ist durch das angefochtene Erkenntnis im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt worden.

Das Erkenntnis wird aufgehoben.

II. Der Bund (Bundesminister für Finanzen) ist schuldig, der Beschwerdeführerin zuhanden ihrer Rechtsvertreterin die mit € 2.856,– bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Entscheidungsgründe

I. Sachverhalt, Beschwerde und Vorverfahren

1. Mit Stiftungsurkunde vom 5. Dezember 2000 wurde die Beschwerdeführerin – eine Privatstiftung – auf unbestimmte Zeit zum Zweck der Anlage und Verwaltung des Vermögens der Stiftung, der Gewährung von Zuwendungen aus dem Vermögen der Stiftung oder aus den Erträgnissen des Vermögens an die Begünstigten sowie der Vornahme von Ausschüttungen für wohltätige und wissenschaftliche Zwecke errichtet. Die Stifterin brachte anlässlich der Errichtung ein Barvermögen iHv ATS 1.000.000,– (€ 72.672,83) in die Privatstiftung ein und behielt sich das Recht vor, weitere Vermögenswidmungen (Nachstiftungen) vorzunehmen. Mit Widmung vom 18. Dezember 2000 brachte die Stifterin in ihrem Eigentum stehende Liegenschaftsanteile (sieben Zinshäuser und zwei Eigentumswohnungen) in die Beschwerdeführerin als Nachstiftung ein und behielt sich das Belastungs- und Veräußerungsverbot sowie (für die Zinshäuser) das Fruchtgenussrecht vor.

Mit Notariatsakt vom 2. August 2005 erklärte die Stifterin den – in der Stiftungserklärung gemäß §34 Privatstiftungsgesetz vorbehaltenen – Widerruf der Privatstiftung. Mit Vorstandsbeschluss vom 31. August 2005 wurde die Beschwerdeführerin aufgelöst. Eine Löschung im Firmenbuch ist bislang noch nicht erfolgt.

1.1. Im Rahmen der Kapitalertragsteuer-Anmeldung für Oktober 2007 teilte die Beschwerdeführerin dem zuständigen Finanzamt mit, dass das verbliebene Vermögen auf die Stifterin als Letztbegünstigte übertragen worden sei und sich die Bewertung der rückübertragenen Wirtschaftsgüter nach §15 Abs3 Z2 litb EStG 1988 richte. Die an die Stifterin rückübertragenen Immobilien seien mit einem Fruchtgenuss der Stifterin belastet gewesen. Unter Berücksichtigung der Stiftungseingangswerte ergäbe sich daher keine positive Bemessungsgrundlage für die Kapitalertragsteuer.

1.2. Im Prüfbericht der im Jahr 2008 bei der Beschwerdeführerin durchgeführten Außenprüfung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die Stifterin die Liegenschaften bzw. Liegenschaftsteile sofort nach dem entgeltlichen Erwerb zur Erzielung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung genutzt und in späterer Folge der Beschwerdeführerin zugewendet habe. Im Zuge der Übertragung der Liegenschaften habe sich die Stifterin das Fruchtgenussrecht vorbehalten (und weiterhin Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung erzielt). Die Rückübertragung der Liegenschaften auf Grund des Widerrufs sei gemäß §15 Abs3 Z2 litb EStG 1988 zu bewerten, wobei von der Steuerbemessungsgrundlage die sich nach §16 Abs1 Z8 lita EStG 1988 ergebenden Stiftungseingangswerte gemäß §32 Z4 litb EStG 1988 in Abzug gebracht werden könnten. Dadurch mindere sich die Bemessungsgrundlage für die Kapitaleinkünfte nach §27 Abs1 Z7 EStG 1988. Die Eingangswerte seien dabei aus dem Blickwinkel der Stifterin, nicht jedoch der Stiftung zu ermitteln.

1.3. Das zuständige Finanzamt erließ – den Feststellungen der Außenprüfung folgend – am 28. Oktober 2008 einen Haftungs- und Abgabenbescheid betreffend Kapitalertragsteuer für Oktober 2007, mit dem die Beschwerdeführerin gemäß §95 EStG 1988 zur Haftung für die Kapitalertragsteuer iHv € 507.214,70 herangezogen wurde.

1.4. Der dagegen erhobenen Berufung gab der Unabhängige Finanzsenat mit Bescheid vom 6. Mai 2010 mit der Begründung Folge, dass es hinsichtlich der Zinshäuser – anders als in Bezug auf die eingebrachten Eigentumswohnungen – zu keinem Übergang des wirtschaftlichen Eigentums von der Stifterin auf die Beschwerdeführerin gekommen sei. In Ermangelung einer steuerrechtlichen Vermögensübertragung stelle der Widerruf der Privatstiftung keine nach §27 Abs1 Z7 EStG 1988 der Kapitalertragsteuer unterliegende Zuwendung dar.

1.5. Auf Grund der vom zuständigen Finanzamt dagegen erhobenen Amts-beschwerde hob der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 25. Juni 2014, 2010/13/0105, den Bescheid des Unabhängigen Finanzsenates wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes auf und sprach aus, dass das wirtschaftliche Eigentum von der Stifterin auf die Stiftung übergegangen sei, da eine Kombination eines Belastungs- und Veräußerungsverbotes mit einem (mit entsprechenden Erhaltungsverpflichtungen verbundenen) Fruchtgenussrecht für sich noch kein vom zivilrechtlichen Eigentum abweichendes wirtschaftliches Eigentum an den Liegenschaften zu begründen vermag.

Indem die belangte Behörde (in Bezug auf die Zinshäuser) nicht vom Übergang des wirtschaftlichen Eigentums auf die Beschwerdeführerin ausgegangen sei (weshalb sie bei Widerruf der Privatstiftung auch steuerrechtlich keine Vermögensrückübertragung an die Stifterin angenommen habe), habe sie die Rechts-lage verkannt.

2. Mit im fortgesetzten Verfahren ergangenem Erkenntnis vom 14. September 2015 wies das Bundesfinanzgericht die Beschwerde als unbegründet ab, änderte den angefochtenen Haftungs- und Abgabenbescheid betreffend Kapitalertragsteuer für den Zeitraum Oktober 2007 und setzte die Kapitalertragsteuer mit € 632.758,44 fest.

2.1. Begründend führt das Bundesfinanzgericht im Wesentlichen aus, dass als Bemessungsgrundlage für Sachzuwendungen in das Privatvermögen nach §15 Abs3 Z2 EStG 1988 die fiktiven Anschaffungskosten im Zeitpunkt der Zuwendung heranzuziehen seien, die idR dem gemeinen Wert zuzüglich allfälliger Nebenkosten der Anschaffung (zB Grunderwerbsteuer, Gebühren) entsprächen. Betreffend die von der Stifterin in die Beschwerdeführerin als Nachstiftung eingebrachten Zinshäuser habe sich die Stifterin das Fruchtgenussrecht vorbehalten und die daraus erzielten Einkünfte als Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung versteuert. Mit der Rückübertragung dieser Liegenschaften an die Stifterin sei das Fruchtgenussrecht erloschen. Eine Berücksichtigung der Verbindlichkeiten aus den Fruchtgenussrechten bei der Ermittlung der Bemessungsgrundlage für die Sachzuwendungen im Oktober 2007 widerspreche jedoch §6 Z9 litb EStG 1988, wonach als fiktive Anschaffungskosten jene Beträge anzusehen seien, die der Empfänger eines Wirtschaftsgutes (hier: die Stifterin) im Zuge der unentgeltlichen Übertragung aufwenden hätte müssen. Mangels ertragsteuerlicher Begriffsbestimmung sei die Definition des §10 Abs2 Bewertungsgesetz 1955 (BewG 1955) maßgebend, wonach für die Bestimmung des gemeinen Wertes persönliche Verhältnisse nicht zu berücksichtigen seien, zu denen gemäß §10 Abs3 BewG 1955 auch Verfügungsbeschränkungen zählten, die in der Person des Steuerpflichtigen begründet sind.

2.2. In Bezug auf die Ermittlung der Stiftungseingangswerte führt das Bundes-finanzgericht aus, dass auf Antrag des Stifters die Einkünfte nach §32 Z4 litb EStG 1988 um die im Zeitpunkt der seinerzeitigen Zuwendungen an die Privatstiftung maßgebenden Werte zu kürzen seien. Mit dieser Bestimmung "sollte und soll verhindert werden, dass ein Stifter die Rückerstattung des von ihm zugewendeten Vermögens in voller Höhe zu versteuern hätte, da […] grundsätzlich sämtliche Zuwendungen einer Privatstiftung den Einkünften aus Kapitalvermögen unterliegen (sog. 'Mausefalle')". Die Kürzung der Einkünfte des Stifters erfolge dabei um die "steuerlich maßgebenden Werte" im Zeitpunkt der seinerzeitigen Zuwendung an die Privatstiftung. Diese Werte seien gesetzlich nicht definiert; aus §15 Abs3 Z1 EStG 1988 ergebe sich, dass sie aus der Perspektive des Stifters und nicht aus jener der Stiftung zu ermitteln seien.

Die Stifterin habe aus den von ihr zugewendeten Liegenschaften bzw. Liegenschaftsteilen Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung erzielt. Für die Ermittlung dieser Einkünfte seien gemäß §16 Abs1 Z8 lita EStG 1988 die tatsächlichen Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten maßgeblich. Es könne daher nicht als rechtswidrig angesehen werden, wenn das zuständige Finanzamt als Kürzungsbetrag (nur) die (historischen) Anschaffungs- und Herstellungskosten abzüglich der von der Stifterin geltend gemachten Absetzungen für Abnutzungen berücksichtigt habe, auch wenn dies dazu führe, dass nicht nur die in der Privatstiftung realisierten, sondern auch jene stillen Reserven der Kapitalertragsteuer unterzogen würden, die vor der Zuwendung in der Sphäre der Stifterin entstanden seien. Da die steuerlich maßgeblichen Werte aus der Perspektive der Stifterin zu ermitteln seien, könnten die Fruchtgenussrechte bei der Ermittlung der Stiftungseingangswerte nicht berücksichtigt werden. Die Beschwerdeführerin habe zwar nur die um die Nutzungsrechte verminderten Vermögenswerte erhalten; dieser Umstand habe jedoch keine Auswirkung auf die zuwendende Stifterin.

3. Gegen diese Entscheidung richtet sich die vorliegende, auf Art144 B‑VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz (Art7 B‑VG) und auf Unversehrtheit des Eigentums (Art5 StGG, Art1 1. ZPEMRK) sowie die Verletzung in Rechten wegen Anwendung verfassungswidriger gesetzlicher Bestimmungen (§32 Z4 litb EStG 1988 idF BGBl I 2/2001 und §15 Abs3 Z1 lita und b EStG 1988 idF BGBl I 180/2004) behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Erkenntnisses beantragt wird.

Begründend wird dazu im Wesentlichen Folgendes ausgeführt:

Das Bundesfinanzgericht habe Willkür geübt, indem es die Übertragung des "nackten" Eigentums einer unsachlichen Substanzbesteuerung unterworfen und dem – nicht eindeutig definierten – Begriff der "steuerlich maßgeblichen Werte" iSd §15 Abs3 Z1 lita bzw. §32 Z4 litb EStG 1988 einen verfassungswidrigen Inhalt beigemessen habe:

Vielmehr wäre in verfassungskonformer Auslegung zwecks Bewertung der Zuwendung an die Stifterin vom Verkehrswert der an die Stifterin übertragenen Liegenschaften der Wert der auf den Immobilien lastenden Fruchtgenussrechte in Abzug zu bringen. Für die Ermittlung der Stiftungseingangswerte wäre vom Verkehrswert im Zeitpunkt der Widmung auszugehen und ebenfalls der Wert der Fruchtgenussrechte in Abzug zu bringen. Sollte eine solche verfassungskonforme Auslegung nicht möglich sein, beruhe das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes auf verfassungswidrigen Gesetzen und seien §32 Z4 litb EStG 1988 idF BGBl I 2/2001 und §15 Abs3 Z1 lita und b EStG 1988 idF BGBl I 180/2004 (Abgabenänderungsgesetz 2004) als verfassungswidrig aufzuheben.

4. Das Bundesfinanzgericht hat die Gerichts- bzw. Verwaltungsakten vorgelegt, von der Erstattung einer Gegenschrift jedoch Abstand genommen.

II. Rechtslage

Die im vorliegenden Fall maßgebliche Rechtslage stellt sich wie folgt dar:

1. §27 EStG 1988 idF BGBl I 100/2006 lautet auszugsweise:

"Kapitalvermögen (§2 Abs3 Z5)

§27. (1) Folgende Einkünfte sind, soweit sie nicht zu den Einkünften im Sinne des §2 Abs3 Z1 bis 4 gehören, Einkünfte aus Kapitalvermögen:

[…]

7. Zuwendungen jeder Art einer nicht unter §5 Z6 des Körperschaftsteuergesetzes 1988 fallenden Privatstiftung sowie Zuwendungen einer Privatstiftung im Sinne des §4 Abs11 Z1 litc bis zu einem Betrag von 1 460 Euro jährlich. Als Zuwendungen gelten auch Einnahmen einschließlich sonstiger Vorteile, die anläßlich der unentgeltlichen Übertragung eines Wirtschaftsgutes an die Privatstiftung vom Empfänger der Zuwendung erzielt werden. Dies gilt nicht hinsichtlich der bei der Zuwendung von Grundstücken mitübertragenen Belastungen des Grundstückes, soweit sie mit dem Grundstück in unmittelbarem wirtschaftlichem Zusammenhang stehen."

2. §15 EStG 1988 idF BGBl I 180/2004 lautet auszugsweise (§15 Abs3 litc EStG 1988 wurde durch BGBl I 82/2008 ausgehoben):

"4. ABSCHNITT

Überschuß der Einnahmen über die Werbungskosten

Einnahmen

§15. […]

(3) Für Zuwendungen an und von Privatstiftungen sind die Z1 und 2 zu beachten.

1. Für Zuwendungen an die Privatstiftung gilt folgendes:

a) Die zugewendeten Wirtschaftsgüter sind mit dem Betrag anzusetzen, der für die Ermittlung von Einkünften beim Stifter im Zeitpunkt der Zuwendung maßgeblich war oder maßgeblich gewesen wäre.

b) Bei Ermittlung der Einkünfte des Stifters und der Privatstiftung sind Beträge gemäß §28 Abs2 letzter Satz, §28 Abs3 letzter Satz, §28 Abs5 sowie §28 Abs7 in der Weise weiter bei der Privatstiftung zu berücksichtigen, als wäre es zu keiner Übertragung von Wirtschaftsgütern gekommen.

2. Für Zuwendungen der Privatstiftung gilt folgendes:

a) Die zugewendeten Wirtschaftsgüter und zugewendetes sonstiges Vermögen gelten bei Ermittlung der Einkünfte als angeschafft; zugewendete sonstige geltwerte Vorteile gelten als zugeflossen.

b) Die Zuwendungen sind mit dem Betrag anzusetzen, der für das einzelne Wirtschaftsgut, für sonstiges Vermögen oder sonstige geldwerte Vorteile im Zeitpunkt der Zuwendung hätte aufgewendet werden müssen (insbesondere fiktive Anschaffungskosten). Die fiktiven Anschaffungskosten sind um negative Anschaffungskosten des zugewendeten Wirtschaftsgutes bzw. negative Buchwerte des zugewendeten sonstigen Vermögens zu vermindern. Die sich ergebenden Anschaffungskosten sind evident zu halten.

c) Sind besondere Einkünfte im Sinne des §28 Abs7 zu ermitteln, ist so vorzugehen, als ob ein Erwerb von Todes wegen vorläge."

3. Der im vorliegenden Fall maßgebliche §32 EStG 1988 idF BGBl I 2/2001, aufgehoben durch BGBl I 85/2008, lautet auszugsweise (eine im Wesentlichen vergleichbare Bestimmung findet sich nunmehr in §27 Abs5 Z9 EStG 1988 idgF):

"Gemeinsame Vorschriften

§32. Zu den Einkünften im Sinne des §2 Abs3 gehören auch:

[…]

4. Für Zuwendungen von Privatstiftungen gilt folgendes:

a) Die Steuer von Zuwendungen an Begünstigte und Letztbegünstigte wird auf Antrag insoweit ermäßigt oder erlassen, als für Zuwendungen Erbschafts- und Schenkungssteuer gemäß §8 Abs3 litb des Erbschafts- und Schenkungssteuergesetzes nacherhoben wurde.

b) ist der (jeweilige) Stifter im Falle des Widerrufs einer nicht unter §4 Abs11 Z1 fallenden Privatstiftung gemäß §34 des Privatstiftungsgesetzes Letztbegünstigter, sind die Einkünfte auf seinen Antrag um die im Zeitpunkt seiner seinerzeitigen Zuwendungen an die Privatstiftung steuerlich maßgebenden Werte zu kürzen. Dies gilt nur dann, wenn der Stifter diese Werte nachweist."

III. Erwägungen

1. Die – zulässige – Beschwerde ist begründet.

2. Eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz kann nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (zB VfSlg 10.413/1985, 14.842/1997, 15.326/1998 und 16.488/2002) nur vorliegen, wenn die angefochtene Entscheidung auf einer dem Gleichheitsgebot widersprechenden Rechtsgrundlage beruht, wenn das Verwaltungsgericht der angewendeten Rechtsvorschrift fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt oder wenn es bei Erlassung der Entscheidung Willkür geübt hat.

Ein willkürliches Verhalten kann dem Verwaltungsgericht unter anderem dann vorgeworfen werden, wenn es den Beschwerdeführer aus unsachlichen Gründen benachteiligt hat oder aber, wenn die angefochtene Entscheidung wegen gehäuften Verkennens der Rechtslage in einem besonderen Maße mit den Rechtsvorschriften in Widerspruch steht (zB VfSlg 10.065/1984, 14.776/1997, 16.273/2001).

2.1. Ein solcher Fehler ist dem Bundesfinanzgericht unterlaufen:

2.2. Werden Wirtschaftsgüter unter Vorbehalt eines Fruchtgenusses, eines Wohnrechts oder eines anderer Nutzungsrechts unentgeltlich auf eine Privatstiftung übertragen, erhält diese nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nur den um das Nutzungsrecht verminderten Vermögenswert zugewendet (vgl. zB VwGH 23.2.2010, 2008/15/0097, wonach es sich um ein vorbehaltenes Recht handeln muss; VwGH 31.3.2011, 2007/15/0158, wonach die Einräumung eines lebenslangen Wohnrechts wirtschaftlich betrachtet keine Gegenleistung für die Eigentumsübertragung ist).

2.3. Ohne diese Rechtsprechung zu beachten, hat das Bundesfinanzgericht bei der Bewertung der Zuwendung an die Stifterin den Wert des auf den einzelnen Immobilien lastenden Fruchtgenussrechts nicht zum Abzug zugelassen. Dem Bundesfinanzgericht ist zwar darin zu folgen, dass die Zuwendung mit jenem Betrag anzusetzen ist, der für das einzelne Wirtschaftsgut im Zeitpunkt der Zuwendung hätte aufgewendet werden müssen (§15 Abs3 Z2 litb EStG 1988). Für den Verfassungsgerichtshof ist allerdings nicht nachvollziehbar, dass hieraus zu folgern wäre, dass ein Abzug des vorbehaltenen Rechts zu unterbleiben hätte, ist doch Gegenstand der Zuwendung der um die Belastung verminderte Vermögenswert.

Die vom Bundesfinanzgericht für seine Auslegung ins Treffen geführte Vorschrift des §10 Abs3 BewG 1955, wonach Verfügungsbeschränkungen als persönliche Verhältnisse anzusehen sind, die gemäß Abs2 leg.cit. bei der Bewertung nach dem gemeinen Wert nicht zu berücksichtigen seien, trägt nicht: Einer solchen Auslegung, die im Übrigen auch nicht dem Wortlaut des §15 Abs3 Z2 EStG 1988 zu entnehmen ist, steht der Gleichheitssatz entgegen, führte sie doch dazu, dass im Fall einer Zuwendung an einen Begünstigten die von der Stifterin vorbehaltenen Nutzungen vom Wert der Liegenschaften in Abzug zu bringen wären, wogegen im Fall einer Zuwendung an die Stifterin ein solcher Abzug ausgeschlossen wäre, obgleich in beiden Fällen lediglich der um die vorbehaltenen Nutzungen verminderte Vermögenswert zugewendet wird.

Ebenso wie für die Bewertung der Zuwendung der Beschwerdeführerin an die Letztbegünstigte ist für die Ermittlung des Stiftungseingangswertes zu berücksichtigen, dass die Stifterin der Beschwerdeführerin einen um das vorbehaltene Fruchtgenussrecht verminderten Vermögenswert zugewendet hat.

3. Indem das Bundesfinanzgericht bei der Bewertung der Zuwendung und bei der Ermittlung der Stiftungseingangswerte die der Stifterin vorbehaltenen Fruchtgenussrechte unberücksichtigt gelassen hat, hat es nicht nur die Rechtslage grob verkannt, sondern sich auch mit der oben angeführten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ohne nähere Begründung nicht auseinandergesetzt und mit der angefochtenen Entscheidung damit Willkür iSd ständigen Judikatur des Verfassungsgerichtshofes geübt.

IV. Ergebnis

1. Die Beschwerdeführerin ist somit durch die angefochtene Entscheidung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt worden.

2. Das Erkenntnis ist daher aufzuheben, ohne dass auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen ist.

3. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf §88 VfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in Höhe von € 436,– sowie der Ersatz der Eingabengebühr in Höhe von € 240,– enthalten.

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