Normen
B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
B-VG Art18 Abs1
Wr BauO 1930 idF LGBl 25/2009 §69
B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
B-VG Art18 Abs1
Wr BauO 1930 idF LGBl 25/2009 §69
Spruch:
Die Beschwerdeführer sind durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt worden.
Die Beschwerden werden abgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe
I. Sachverhalt, Beschwerden und Vorverfahren
1. Der Beschwerdeführer zu B897/2013 ist Eigentümer der Grundstücke Nr 214/2 und 214/3, EZ1417, KG Grinzing. Die Beschwerdeführer zu B898/2013 sind Eigentümer der Grundstücke Nr 218/1 und 218/2, EZ 1134, KG Grinzing. Der Beschwerdeführer zu B900/2013 ist Eigentümer der Grundstücke Nr 415/1, 415/2 und 415/3, EZ 182, KG Grinzing. Die Grundstücke der Beschwerdeführer zu B897/2013 und B898/2013 befinden sich direkt nördlich gegenüber des Grundstücks Nr 412/2, EZ 1522, KG Grinzing, (in der Folge: Baugrundstück). Die Grundstücke des Beschwerdeführers zu B900/2013 grenzen südöstlich unmittelbar an das Baugrundstück an.
2. Nach Antrag der ***** ****** ****** (in der Folge: beteiligte Partei) vom 16. Juni 2011 auf Erteilung der Baubewilligung für die Errichtung eines einstöckigen, unterkellerten Wohngebäudes mit zwei ausgebauten Dachgeschossen beinhaltend sieben Wohnungen sowie eine Tiefgarage auf dem in ihrem Eigentum stehenden Baugrundstück erteilte die Magistratsabteilung 37 der Stadt Wien mit Bescheid vom 23. März 2012 die beantragte Bewilligung unter Vorschreibung einer Reihe von Auflagen.
Der gegen diesen Bescheid vom Beschwerdeführer zu B900/2013 am 11. April 2012 erhobenen Berufung gab die Bauoberbehörde für Wien mit Bescheid vom 20. Juni 2012 statt und hob den angefochtenen Bescheid auf. Begründend führte sie aus, dass das Bauvorhaben eine Abweichung von den Bebauungsvorschriften aufweise, weil die im Bebauungsplan festgesetzte Gebäudehöhe überschritten werde. Es liege für das gegenständliche Bauvorhaben kein Bescheid des zuständigen Bauausschusses der Bezirksvertretung vor, welcher über den Antrag auf Bewilligung der Abweichung von den Bebauungsvorschriften gemäß §69 des Wiener Stadtentwicklungs-, Stadtplanungs- und Baugesetzbuches (Bauordnung für Wien - BO für Wien) idF LGBl 25/2009 iVm §133 leg.cit. abzusprechen hätte.
Nach Fortführung des erstinstanzlichen Ermittlungsverfahrens durch die Magistratsabteilung 37 erklärte der Bauausschuss der Bezirksvertretung für den 19. Bezirk mit Bescheid vom 16. Jänner 2013 die Abweichung von den Bebauungsvorschriften für unzulässig. In der Folge versagte die Magistratsabteilung 37 der Stadt Wien mit Bescheid vom 22. Jänner 2013 die beantragte Baubewilligung.
Nach den von der beteiligten Partei als Bauwerberin gegen diese Bescheide erhobenen Berufungen wurde mit Bescheid der Bauoberbehörde für Wien vom 26. Juni 2013 der Bescheid des Bauausschusses der Bezirksvertretung für den 19. Bezirk vom 16. Jänner 2013 dahingehend abgeändert, dass die antragsgegenständlichen Abweichungen von den Vorschriften des Bebauungsplanes hinsichtlich der Gebäudehöhe iSd §69 BO für Wien zulässig seien, und wurde auch der Bescheid der Magistratsabteilung 37 vom 22. Jänner 2013 dahingehend abgeändert, dass die antragsgegenständliche Baubewilligung unter einer Reihe von Auflagen erteilt werde. Begründend führte die Bauoberbehörde für Wien zunächst aus, dass die im gegenständlichen Bauvorhaben vorliegende Überschreitung der Gebäudehöhe eine Abweichung von den Vorschriften des Bebauungsplanes darstelle, weshalb eine Bewilligung gemäß §69 leg.cit. erforderlich sei. Es lägen sämtliche für die Bewilligung der erforderlichen Ausnahme nach §69 leg.cit. vorgesehenen Voraussetzungen vor. Zunächst ergebe sich aus dem Gutachten des Amtssachverständigen für Stadtplanung in nachvollziehbarer Weise, dass durch die projektierte Abweichung des Bauvorhabens von den Bebauungsvorschriften die Zielrichtung des Flächenwidmungs- und Bebauungsplanes iSd §69 Abs1 zweiter Satz leg.cit. nicht unterlaufen werde. Da durch die Überschreitung der zulässigen Gebäudehöhe in einem Teilbereich auch keine Überschreitung der bei einer der Flächenwidmung entsprechenden Nutzung typischerweise entstehenden Immissionen zu erwarten sei, die beabsichtigte Flächennutzung sowie Aufschließung nicht grundlegend anders würden und laut dem Gutachten des Amtssachverständigen für Architektur und Stadtgestaltung die Überschreitung der laut Bebauungsplan zulässigen Gebäudehöhe das beabsichtigte örtliche Stadtbild nicht störend beeinflusse (§69 Abs1 leg.cit.), – und die in einem Teilbereich des Bauvorhabens gegebene Abweichung von der zulässigen Höhe des höchsten Punktes des Daches auch der Herbeiführung eines den zeitgemäßen Vorstellungen entsprechenden örtlichen Stadtbildes diene (§69 Abs2 Z3 leg.cit.) – sei der angefochtene Bescheid vom 16. Jänner 2013 abzuändern und die Bewilligung für die Abweichung von den Bebauungsvorschriften zu erteilen.
3. Gegen diesen Bescheid richten sich die vorliegenden, auf Art144 B-VG gestützten Beschwerden, in denen die Beschwerdeführer jeweils die Verletzung in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz (Art2 StGG; Art7 B-VG), auf Unversehrtheit des Eigentums (Art5 StGG), auf ein faires Verfahren (Art6 EMRK) und auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter (Art83 Abs2 B-VG) sowie die Verletzung in Rechten wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm (§69 BO für Wien) behaupten und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung beantragen.
Die Beschwerde führt u.a. aus, dass der im vorliegenden Fall anzuwendende §69 BO für Wien nicht ausreichend determiniert sei. Die vom Gesetzgeber sehr vage formulierten Parameter gäben den vollziehenden Behörden keine ausreichende Richtschnur bezüglich des eingeräumten Ermessens vor, sondern würden vielmehr zum Missbrauch bzw. zur Ungenauigkeit zum Nachteil der Rechtsunterworfenen, im vorliegenden Fall der Nachbarn des Bauprojektes, einladen. Es sei völlig unklar, wann ein Gebäude die Voraussetzungen des §69 Abs2 leg.cit. erfülle, also etwa "eine zweckmäßigere Flächennutzung" iSd Z2 bewirkt sei. Grundsätzlich würde nach Abriss eines alten Hauses jeder Neubau unter maximaler Ausnutzung bzw. Überschreitung der zulässigen Höhen und Volumina eine zweckmäßigere, effizientere und damit für den Bauträger wirtschaftlichere Flächennutzung bewirken. §69 leg.cit., insbesondere dessen Abs2 und daher auch Abs2 Z3 (die Wortfolge "3. der Herbeiführung eines den zeitgemäßen Vorstellungen entsprechenden örtlichen Stadtbildes dienen"), sei daher verfassungswidrig, weil sie gegen das sich aus Art18 B‑VG ergebende Determinierungsgebot bzw. gegen das allgemeine Sachlichkeitsgebot verstoße.
4. Das – gemäß Art151 Abs51 Z9 B-VG mit 1. Jänner 2014 an die Stelle der den angefochtenen Bescheid erlassenden Behörde getretene – Verwaltungsgericht Wien legte die Verwaltungsakten vor, verzichtete auf die Erstattung einer Gegenschrift und beantragt die Abweisung der Beschwerden.
5. Die beteiligte Partei erstattete eine Äußerung, in der sie den in den Beschwerden dargelegten Bedenken entgegentritt und beantragt, den Beschwerden keine Folge zu geben.
Zu den im Hinblick auf §69 BO für Wien geäußerten Bedenken hält die beteiligte Partei fest, dass seine nunmehrige Fassung, die bei Erlassung des angefochtenen Bescheides zur Anwendung gekommen sei, den gegenüber seiner früheren Fassung erhobenen verfassungsrechtlichen Bedenken vollkommen Rechnung trage. §69 leg.cit. in seiner aktuellen Fassung sei gerade unter besonderer Bedachtnahme auf seine Verfassungskonformität konzipiert worden und seien keinerlei Anhaltspunkte für eine allfällige Verfassungswidrigkeit dieser Bestimmung gegeben. Die Beschwerdeführer würden in ihren Beschwerden auch nicht substantiiert darlegen, worin der behauptete Verstoß gegen das Determinierungs- bzw. gegen das allgemeine Sachlichkeitsgebot bestehe.
6. Die Beschwerdeführer zu B898/2013 und B900/2013 erstatteten jeweils eine Replik, in der sie den in der Äußerung der beteiligten Partei getätigten Ausführungen entgegentreten und die bereits in ihren Beschwerden dargelegten Bedenken teilweise wiederholen.
II. Rechtslage
§69 Abs1 BO für Wien idF LGBl 28/1987 lautete folgendermaßen:
"Unwesentliche Abweichungen von Bebauungsvorschriften
§69. (1) In sachlich gerechtfertigten Ausnahmefällen sind für das einzelne Bauvorhaben folgende Abweichungen von Bebauungsvorschriften zu bewilligen, wenn der Umfang einer unwesentlichen Abänderung oder Ergänzung des Flächenwidmungsplanes beziehungsweise des Bebauungsplanes (§1) nicht überschritten wird, öffentliche Rücksichten nicht entgegenstehen oder öffentliche Interessen für die Abweichungen sprechen und die Bebaubarkeit der Nachbargrundflächen ohne nachgewiesene Zustimmung des Nachbarn nicht vermindert wird:
a)-o) […]
(2)-(6) […]"
Der Verfassungsgerichtshof hob nach Antrag des Verwaltungsgerichtshofes §69 Abs1 BO für Wien idF LGBl 28/1987 als verfassungswidrig auf; diese Aufhebung trat mit Ablauf des 30. November 1992 in Kraft (LGBl 8/1992). Begründend führte er dabei insbesondere Folgendes aus:
"Eine Ausnahmebewilligung nach §69 Abs1 erfordert daher – wie der VwGH in seinen Anträgen zutreffend dartut – daß das in §1 Abs1 für die Abänderung eines Flächenwidmungsplanes oder eines Bebauungsplanes (– damit auch für eine unwesentliche Abänderung solcher Pläne –) erforderliche Kriterium der 'wichtigen Rücksichten' erfüllt ist. Zu diesem Kriterium hat der VfGH in ständiger, mit dem Erk. VfSlg 3297/1957 eingeleiteter Rechtsprechung die – aus den Erfordernissen des Art18 B-VG abgeleitete – Meinung vertreten, daß Rücksichten, die für eine Abänderung des (Bebauungs-)Planes sprechen, nur dann als so wichtig angesehen werden, daß sie eine Abänderung erfordern, wenn sie die Summe aller dagegenstehenden Rücksichten überwiegen, wenn sie also gewichtiger sind als die dagegenstehenden Rücksichten. Daß der VfGH hiebei sämtliche, der Natur des Gegenstandes nach in Betracht kommende Rücksichten meinte, ergibt sich schon aus dem eben zitierten Erkenntnis, wird aber noch durch das Erk. VfSlg 3809/1960 verdeutlicht, welches aussprach, daß unter den 'wichtigen Rücksichten' des §1 Abs1 keineswegs nur die öffentlichen Interessen zu verstehen seien; so könnten die Interessen der Grundeigentümer an der Aufrechterhaltung des bestehenden Zustandes so gewichtig sein, daß sie ein öffentliches Interesse an der Erlassung eines neuen Flächenwidmungs- und Bebauungsplanes überwiegen. Schon aus dieser Entscheidung folgt jedenfalls, daß die in §1 Abs1 vorgeschriebene Abwägung sich insbesondere auf alle in Betracht kommenden öffentlichen Rücksichten bzw. Interessen zu erstrecken hat. Überträgt der Gesetzgeber nun dieses methodische Vorgehen der Verwaltungsbehörde in den Bereich des §69 Abs1, so gerät er mit seinen eigenen Prämissen in einen nach den logischen Denkgesetzen geradezu unlösbaren Widerspruch, wenn er der Pflicht zur Abwägung öffentlicher Rücksichten gegeneinander die alternativen Kriterien, daß 'öffentliche Rücksichten nicht entgegenstehen' bzw. daß 'öffentliche Interessen für die Abweichung sprechen', gleichrangig zur Seite stellt (wobei es auf sich beruhen kann, ob den Ausdrücken 'öffentliche Rücksichten' und 'öffentliche Interessen' im gegebenen Zusammenhang derselbe Begriffsinhalt zukommt oder nicht). Der VfGH pflichtet sohin schon aus diesen Erwägungen dem VwGH bei und hält die in Prüfung stehende Vorschrift mit den Erfordernissen des Art18 B‑VG für nicht vereinbar. Auf dem Boden einer derartigen Gesetzeslage ist nämlich der Inhalt der zu treffenden verwaltungsbehördlichen Entscheidung nicht vorherbestimmbar und es ist ferner nicht möglich, die getroffene Entscheidung anhand des Gesetzes auf ihre Legalität zu überprüfen […]." (VfSlg 12.932/1991)
Daraufhin wurde §69 Abs1 BO für Wien zur Gänze neu erlassen (LGBl 48/1992) und lautete wie folgt:
"Unwesentliche Abweichungen von Bebauungsvorschriften
§69. (1) Für einzelne Bauvorhaben hat die Behörde nach Maßgabe des Abs2 über die Zulässigkeit folgender Abweichungen von den Bebauungsvorschriften zu entscheiden:
a)-o) […]
(2) Durch Abweichungen nach Abs1 darf die Bebaubarkeit der Nachbargrundflächen ohne nachgewiesene Zustimmung des betroffenen Nachbarn nicht vermindert werden; an Emissionen darf nicht mehr zu erwarten sein, als bei einer der Flächenwidmung entsprechenden Nutzung typischerweise entsteht. Im übrigen darf, abgesehen von den unter Abs1 lita bis o näher genannten Voraussetzungen, von den Bestimmungen des Flächenwidmungsplanes und des Bebauungsplanes nur unwesentlich abgewichen werden; es dürfen das vom Flächenwidmungsplan und Bebbauungsplan beabsichtigte örtliche Stadtbild nicht störend beeinflusst und die beabsichtigte Flächennutzung sowie Aufschließung nicht grundlegend anders werden. Die Gründe, die für die Abweichung sprechen, sind mit den Gründen, die dagegen sprechen, abzuwägen. […]
(3)-(8) […]"
In der Folge unterlag §69 BO für Wien wiederholt geringfügigen Novellierungen (LGBl 49/1993, 78/1995, 42/1996, 43/1996, 46/1998, 37/2001, 90/2001, 33/2004, 41/2005). Seit seiner mit LGBl 25/2009 erfolgten Neuerlassung lautet §69 leg.cit. nunmehr wie folgt:
"Abweichungen von Vorschriften des Bebauungsplanes
§69. (1) Für einzelne Bauvorhaben hat die Behörde über die Zulässigkeit von Abweichungen von den Vorschriften des Bebauungsplanes zu entscheiden. Diese Abweichungen dürfen die Zielrichtung des Flächenwidmungsplanes und des Bebauungsplanes nicht unterlaufen. Darüber hinaus darf
1. die Bebaubarkeit der Nachbargrundflächen ohne nachgewiesene Zustimmung des betroffenen Nachbarn nicht vermindert werden,
2. an Emissionen nicht mehr zu erwarten sein, als bei einer der Flächenwidmung entsprechenden Nutzung typischerweise entsteht,
3. das vom Flächenwidmungsplan und Bebauungsplan beabsichtigte örtliche Stadtbild nicht störend beeinflusst werden und
4. die beabsichtigte Flächennutzung sowie Aufschließung nicht grundlegend anders werden.
(2) Abweichungen, die die Voraussetzungen des Abs1 erfüllen, sind weiters nur zulässig, wenn sie nachvollziehbar
1. eine zweckmäßigere Flächennutzung bewirken,
2. eine zweckmäßigere oder zeitgemäße Nutzung von Bauwerken, insbesondere des konsensgemäßen Baubestandes, bewirken,
3. der Herbeiführung eines den zeitgemäßen Vorstellungen entsprechenden örtlichen Stadtbildes dienen oder
4. der Erhaltung schützenswerten Baumbestandes dienen.
(3) Für Bauvorhaben in Schutzzonen dürfen Abweichungen nach Abs1 nur bewilligt werden, wenn das öffentliche Interesse an einer besonderen Situierung und Ausbildung des Baukörpers zur Gestaltung des örtlichen Stadtbildes überwiegt und die zulässige Ausnützbarkeit des Bauplatzes nicht überschritten wird.
(4) Die Gründe, die für die Abweichung sprechen, sind mit den Gründen, die dagegen sprechen, abzuwägen. Insbesondere ist auf den konsensgemäßen Baubestand der betroffenen Liegenschaft und der Nachbarliegenschaften sowie auf den Umstand, dass die Ausnahmebewilligung nur für die Bestanddauer des Baues gilt, Bedacht zu nehmen. Vom Bauwerber geltend gemachte Verpflichtungen aus Bundes- oder anderen Landesgesetzen sind zu berücksichtigen, desgleichen, ob die Abweichung der besseren barrierefreien Benützbarkeit des konsensgemäßen Baubestandes oder des geplanten Baues dienlich ist.
(5) Die Bestimmungen über Abweichungen von Vorschriften des Bebauungsplanes finden auch in Gebieten Anwendung, über die gemäß §8 Abs2 eine zeitlich begrenzte Bausperre verhängt ist."
III. Erwägungen
Der Verfassungsgerichtshof hat über die in sinngemäßer Anwendung der §§187 und 404 ZPO iVm §35 Abs1 VfGG in der mit 1. Jänner 2014 in Kraft getretenen Fassung zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbundenen Beschwerden erwogen:
Die – zulässigen – Beschwerden sind nicht begründet.
1. Zur behaupteten Verfassungswidrigkeit des §69 BO für Wien:
1.1. Das im Art18 Abs1 B‑VG verankerte Rechtsstaatsprinzip gebietet, dass Gesetze einen Inhalt haben müssen, durch den das Verhalten der Behörde vorherbestimmt ist. Es ist jedoch verfassungsgesetzlich zulässig, wenn der einfache Gesetzgeber einer Verwaltungsbehörde ein Auswahlermessen einräumt und die Auswahlentscheidung an – die Behörde bindende – Kriterien knüpft (vgl. zB VfSlg 5810/1968, 12.399/1990, 12.497/1990, 16.625/2002). Dass der Gesetzgeber bei der Beschreibung und Formulierung dieser Kriterien unbestimmte Gesetzesbegriffe verwendet, dadurch zwangsläufig Unschärfen in Kauf nimmt und von einer exakten Determinierung des Behördenhandelns Abstand nimmt, kann im Hinblick auf den Regelungsgegenstand erforderlich sein, steht aber grundsätzlich in Einklang mit Art18 Abs1 B‑VG (vgl. die Judikatur des Verfassungsgerichtshofes zum "differenzierten Legalitätsprinzip", VfSlg 13.785/1994 mwN).
1.2. Den Erläuterungen zu §69 BO für Wien idF LGBl 25/2009 ist u.a. Folgendes zu entnehmen:
"§69 ermöglicht nach der geltenden Rechtslage die Erteilung von Bewilligungen für 'unwesentliche Abweichungen von Bebauungsvorschriften'. Die Beurteilung der Frage, ob im Einzelfall das Kriterium der 'Unwesentlichkeit' gegeben ist, bereitet in der Praxis oft Probleme und bietet immer wieder Anlass zu Kritik, zumal die Bestimmung von Bauwerbern mitunter aus wirtschaftlichen Erwägungen – insbesondere auch im Neubaufall – zu einer Maximierung der Ausnutzung der Flächen herangezogen wird. Darüber hinaus ermöglicht §69 derzeit – abweichend von der Überschrift der Bestimmung – zum Teil auch Abweichungen von gesetzlichen Vorschriften.
An die Stelle des Kriteriums der 'Unwesentlichkeit' soll nunmehr durch die Neufassung der Bestimmung die Zulässigkeit einer Abweichung von den Vorschriften des Bebauungsplanes zunächst davon abhängig sein, ob die Abweichung der Zielrichtung des Flächenwidmungs- und Bebauungsplanes widerspricht. Im Sinne der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. etwa VwGH 20.5.2003, 2001/05/1123) soll dadurch gewährleistet werden, dass die Kompetenz des Gemeinderates zur Beschlussfassung über den Flächenwidmungsplan und den Bebauungsplan nicht im Einzelfall durch die Bewilligung von Abweichungen unterlaufen wird. Das Ausmaß solcher Abweichungen darf daher den mit diesen Plänen verfolgten Absichten der Stadtplanung nicht widersprechen.
Wird daher durch eine beabsichtigte Abweichung die Tendenz des Flächenwidmungs- und Bebauungsplanes unterlaufen, so ist das Bauansuchen abzuweisen und sind die übrigen Voraussetzungen nicht mehr zu prüfen. Steht – erforderlichenfalls auf Grund einer Beurteilung der für die Ausarbeitung der Flächenwidmungs- und Bebauungspläne zuständigen Fachabteilung – fest, dass dessen Zielrichtung nicht widersprochen wird, ist weiters zu prüfen, ob die übrigen Rahmenbedingungen des §69 Abs1, nämlich die Ziffern 1 bis 4, eingehalten sind. Ergibt auch diese Prüfung die grundsätzliche Zulässigkeit einer Abweichung von den Vorschriften des Bebauungsplanes, so ist im nächsten Schritt der Nutzen der Abweichung vor allem für eine verbesserte Wohnqualität darzustellen. Dies wird dadurch bewirkt, dass der Antragsteller nachvollziehbar darlegen muss, dass die Abweichung einen der im Abs2 taxativ genannten Effekte bewirkt. Diese Darstellung ist einer Prüfung durch die jeweils zuständige Fachabteilung zu unterziehen. Auf Grund des so erzeugten Ermittlungsergebnisses hat die Baubehörde entweder das Ansuchen abzuweisen oder dem zuständigen Bauausschuss weiterzuleiten, der bei seiner Entscheidung die in Abs4 vorgesehene Abwägung vorzunehmen hat." (RV 27 BlgLT [Wien] 18. GP, 8 f)
1.3. Bei Anwendung des §69 BO für Wien ist in jedem Einzelfall eine genaue Prüfung und Begründung der Zulässigkeit von Abweichungen erforderlich (s. Moritz, BauO Wien4, 2009, §69 Abs1); bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen besteht ein Rechtsanspruch auf Bewilligung der Abweichungen (s. Riegler, Bauordnung für Wien2, 2010, §69, A.1., sowie Kirchmayer, Wiener Baurecht3, 2009, §69 Abs1, 3.). Die angeführten Erläuterungen zu §69 leg.cit. (s. Pkt. III.1.2.) heben hervor, dass das in der vorherigen Fassung dieser Bestimmung vorhandene Kriterium der "Unwesentlichkeit" der Abweichung von den Bestimmungen des Flächenwidmungs- und Bebauungsplanes entfallen ist. §69 Abs1 zweiter Satz leg.cit. fordert nunmehr als primäres Ausschlusskriterium der Zulässigkeit von Abweichungen, dass diese die Zielrichtung des Flächenwidmungsplanes und des Bebauungsplanes nicht unterlaufen; nach der diesbezüglichen – auch für die aktuelle Fassung der Bestimmung heranziehbaren, zur alten Fassung des §69 leg.cit. ergangenen – Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes darf der Abweichung keine den Flächenwidmungs- und Bebauungsplan unterlaufende Tendenz innewohnen (VwGH 20.5.2003, 2001/05/1123; 21.3.2007, 2006/05/0035; 12.10.2007, 2006/05/0147; 6.9.2011, 2008/05/0172).
Nach den oben wiedergegebenen Erläuterungen ist bei Vorliegen dieses primären Kriteriums in weiterer Folge zu prüfen, ob die weiteren Ausschlusskriterien des §69 Abs1 leg.cit. gegeben sind, nämlich die nicht bestehende Verminderung der Bebaubarkeit der Nachbargrundflächen ohne nachgewiesene Zustimmung des betroffenen Nachbarn (Z1), nicht mehr zu erwartende Emissionen, als bei einer der Flächenwidmung entsprechenden Nutzung typischerweise entsteht (Z2), die nicht störende Beeinflussung des vom Flächenwidmungsplan und Bebauungsplan beabsichtigten örtlichen Stadtbildes (Z3) und keine grundlegende Änderung der beabsichtigten Flächennutzung sowie Aufschließung (Z4). Sofern auch diese vier weiteren Kriterien erfüllt sind, ist in einem nächsten Schritt – unter Beiziehung der zuständigen Fachabteilung – zu prüfen, ob durch die beabsichtigte Abweichung von den Bebauungsvorschriften einer der vier in §69 Abs2 leg.cit. genannten Effekte eintritt, nämlich eine zweckmäßigere Flächennutzung (Z1), eine zweckmäßigere oder zeitgemäße Nutzung von Bauwerken, insbesondere des konsensgemäßen Baubestandes (Z2), die Herbeiführung eines den zeitgemäßen Vorstellungen entsprechenden örtlichen Stadtbildes (Z3) oder die Erhaltung eines schützenswerten Baumbestandes (Z4). Sollte einer dieser vier Effekte vorliegen, sind (durch den Bauausschuss der örtlich zuständigen Bezirksvertretung) die Gründe, die für die Abweichung sprechen, mit den dagegenstehenden Gründen abzuwägen, wobei alle Gründe in die Abwägung einzubeziehen sind (vgl. Moritz, aaO, §69 Abs4).
Die in den Beschwerden behauptete mangelnde Determinierung bzw. Unsachlichkeit des §69 BO für Wien ist angesichts dieser näheren Festlegungen, die in ihrem Zusammenhalt zu verstehen sind, für den Verfassungsgerichtshof nicht erkennbar. Diese Norm bestimmt vielmehr in hinreichender und verfassungsrechtlich unbedenklicher Weise, nach welchen konkreten Ausschlusskriterien bzw. unter welchen konkreten Voraussetzungen Abweichungen von den Bebauungsvorschriften zulässig sind. Die in §69 leg.cit. angeführten Kriterien für die Bewilligung einer Abweichung von den Vorschriften des Bebauungsplanes sind so hinreichend determiniert, dass das Handeln der Behörde im Einzelfall durchaus am Gesetz gemessen werden kann. Das vom Gesetzgeber der Behörde im Hinblick auf die einzelnen Kriterien des §69 Abs1 (zweiter Satz und Z1 bis 4) leg.cit. bzw. bezüglich des – im vorliegenden Fall herangezogenen – in §69 Abs2 Z3 leg.cit. genannten Effekts ("Herbeiführung eines den zeitgemäßen Vorstellungen entsprechenden örtlichen Stadtbildes") eingeräumte Ermessen liegt in seinem rechtspolitischen Gestaltungsspielraum; dies gilt im Übrigen auch für die weiteren, in Z1, 2 und 4 genannten Effekte des §69 Abs2 leg.cit. (s. hiezu auch Moritz, aaO, §69 Abs1, wonach §69 leg.cit. in seiner aktuellen Fassung zwar ein Ermessen der Behörde vorsehe, aber in verfassungskonformer Weise festlege, in welchem Sinn dieses Ermessen auszuüben sei).
Im Übrigen hat der Verfassungsgerichtshof bereits in der Vergangenheit ausgesprochen, dass es weder dem Rechtsstaatsprinzip noch einer sonstigen Vorschrift der Verfassung widerspricht, wenn ein – hinreichend determiniertes – Gesetz es ermöglicht, dass durch Bescheid Ausnahmen von einem gesetzlichen Gebot oder Verbot bewilligt werden (s. VfSlg 6550/1971 zu einer Ausnahmebestimmung im Salzburger Raumordnungsgesetz). Auch vor dem Hintergrund dieser Judikatur ist die im vorliegenden Fall anzuwendende Bestimmung des §69 BO für Wien als unbedenklich zu beurteilen.
1.4. Aus der Sicht der vorliegenden Beschwerdefälle bestehen gegen §69 BO für Wien auch sonst keine verfassungsrechtlichen Bedenken; dies gilt auch für die übrigen, den angefochtenen Bescheid tragenden Rechtsvorschriften.
2. Zur behaupteten Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte:
2.1. Eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz kann nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (zB VfSlg 10.413/1985, 14.842/1997, 15.326/1998 und 16.488/2002) nur vorliegen, wenn der angefochtene Bescheid auf einer dem Gleichheitsgebot widersprechenden Rechtsgrundlage beruht, wenn die Behörde der angewendeten Rechtsvorschrift fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt oder wenn sie bei Erlassung des Bescheides Willkür geübt hat.
Angesichts der – oben aufgezeigten – verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit der angewendeten Rechtsvorschriften und des Umstandes, dass kein Anhaltspunkt dafür besteht, dass die Behörde diesen Vorschriften fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt hat, könnten die Beschwerdeführer im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz nur verletzt worden sein, wenn die Bescheid erlassende Behörde Willkür geübt hätte.
Ein willkürliches Verhalten der Behörde, das in die Verfassungssphäre eingreift, liegt u.a. in einer gehäuften Verkennung der Rechtslage, aber auch im Unterlassen jeglicher Ermittlungstätigkeit in einem entscheidenden Punkt oder dem Unterlassen eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens überhaupt, insbesondere in Verbindung mit einem Ignorieren des Parteivorbringens und einem leichtfertigen Abgehen vom Inhalt der Akten oder dem Außerachtlassen des konkreten Sachverhaltes (zB VfSlg 8808/1980 mwN, 14.848/1997, 15.241/1998 mwN, 16.287/2001, 16.640/2002).
Ein, wie in den Beschwerden – unter dem Titel der Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechts auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter – behauptetes, willkürliches Handeln der Bescheid erlassenden Behörde ist nach Ansicht des Verfassungsgerichtshofes nicht erkennbar. Die Bescheid erlassende Behörde hat sich mit dem Berufungsvorbringen der Beschwerdeführer auseinandergesetzt und ist ihr aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht entgegenzutreten, wenn sie die dem Antrag der beteiligten Partei zugrunde liegenden Abweichungen vom Bebauungsplan hinsichtlich der Gebäudehöhe gemäß §69 BO für Wien nach hinreichender Begründung für zulässig erachtet.
2.2. Soweit in den Beschwerden unter der Behauptung der Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechts auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter geltend gemacht wird, dass im Zuge des Verwaltungsverfahrens mehrfach gegen wesentliche Verfahrensgarantien verstoßen worden sei, wobei insbesondere dem anwaltlichen Vertreter der Beschwerdeführer die Akteneinsicht unmöglich gemacht worden sei bzw. keine Auseinandersetzung mit den von den Beschwerdeführern vorgelegten Gutachten erfolgt sei, ist festzuhalten, dass durch bloßes Zuwiderhandeln gegen Verfahrensvorschriften nach der ständigen Judikatur des Verfassungsgerichtshofes das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter nicht verletzt wird (vgl. zB VfSlg 11.102/1986, 11.897/1988), was im Übrigen auch gerade aus dem in den Beschwerden zitierten Erkenntnis VfSlg 10.140/1984 hervorgeht. Auch die dahingehenden Beschwerdeausführungen gehen daher ins Leere.
2.3. Wenn sich die Beschwerdeführer in ihrem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein faires Verfahren nach Art6 EMRK deshalb als verletzt erachten, weil ihnen die Akteneinsicht bzw. das Parteiengehör verweigert worden sei, ist entgegenzuhalten, dass mit den dahingehenden Ausführungen lediglich einfachgesetzliche Fragestellungen aufgeworfen werden, die dem Verwaltungsgerichtshof zur Beantwortung überlassen werden können. Ob der angefochtene Bescheid in jeder Hinsicht dem Gesetz entspricht, hat der Verfassungsgerichtshof nicht zu beurteilen.
3. Soweit die Beschwerden die Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem Verfassungsgerichtshof beantragen, ist darauf hinzuweisen, dass in Baubewilligungsverfahren die Möglichkeit der nachprüfenden Kontrolle – wie sie vor der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012, BGBl I 51, bestanden hat – durch den Verwaltungsgerichtshof ausreichend ist (vgl. VfSlg 11.500/1987).
IV. Ergebnis
1. Die behauptete Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte hat sohin nicht stattgefunden.
Das Verfahren hat auch nicht ergeben, dass die Beschwerdeführer in von ihnen nicht geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt wurden. Angesichts der aufgezeigten Unbedenklichkeit der angewendeten Rechtsgrundlagen ist es auch ausgeschlossen, dass sie in ihren Rechten wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm verletzt wurden.
2. Die Beschwerden sind daher abzuweisen.
3. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
4. Der beteiligten Partei sind für den von ihr eingebrachten, vom Verfassungsgerichtshof aber nicht abverlangten Schriftsatz Kosten nicht zuzusprechen (zB VfSlg 13.847/1994, 15.300/1998, 15.818/2000, 16.037/2000).
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