B-VG Art144 Abs1 / Anlassfall
Spruch:
I. Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid wegen Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnung in seinen Rechten verletzt worden.
Der Bescheid wird aufgehoben.
II. Der Bund (Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend) ist schuldig, dem Beschwerdeführer zuhanden seines Rechtsvertreters die mit € 2.620,-- bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
1. Mit im Instanzenzug ergangenem Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol wurde dem Beschwerdeführer zur Last gelegt, er habe als Inhaber der Gewerbeberechtigung "Handelsgewerbe" am näher bezeichneten Standort in 5600 St. Johann im Pongau gewerbsmäßig in der Zeit vom 18. April 2008 bis 30. Jänner 2009 am näher bezeichneten Standort in 6060 Hall in Tirol, direkt bei der Bushaltestelle einen Kaugummiautomaten betrieben und diesen nicht entfernt, obwohl dies gemäß §52 Abs4 Gewerbeordnung 1994 (im Folgenden: GewO 1994) in Verbindung mit der Verordnung des Bürgermeisters der Stadtgemeinde Hall in Tirol vom 5. Oktober 2004 über die Ausübung gewerblicher Tätigkeiten mittels Automaten untersagt worden sei. Er habe dadurch eine Verwaltungsübertretung gemäß §367 Z15 iVm §52 Abs4 GewO 1994 sowie iVm der Verordnung des Bürgermeisters der Stadtgemeinde Hall in Tirol begangen.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der u.a. die Verletzung in Rechten wegen Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnung, nämlich der Verordnung des Bürgermeisters der Stadtgemeinde Hall in Tirol vom 5. Oktober 2004 über die Ausübung gewerblicher Tätigkeiten mittels Automaten, kundgemacht in der Stadtzeitung von Hall in Tirol, Nr. 36/2004 vom 7. Oktober 2004 sowie durch Anschlag an der Amtstafel des Stadtamtes Hall in Tirol im Zeitraum vom 8. bis 25. Oktober 2004, behauptet wird.
3. Die belangte Behörde legte die bezughabenden Verwaltungsakten vor und beantragte, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen, sah jedoch von der Erstattung einer Gegenschrift ab.
4. Der Bürgermeister der Stadtgemeinde Hall in Tirol legte den Verordnungsakt vor und erstattete eine Äußerung, in der er dem Vorwurf der Gesetzwidrigkeit der Verordnung entgegentritt.
II.
1. Aus Anlass dieser Beschwerde leitete der Verfassungsgerichtshof gemäß Art139 Abs1 B-VG von Amts wegen ein Verfahren zur Prüfung der Gesetzmäßigkeit der Wortfolge "Zone I: In unmittelbarer Nähe der im gesamten Stadtgebiet vorhandenen öffentlichen Haltestellen (Schulbushaltestellen und Annahmestellen - IVB, ÖBB, Post und Regiobus)" in §1 der Verordnung des Bürgermeisters der Stadtgemeinde Hall in Tirol vom 5. Oktober 2004 über die Ausübung gewerblicher Tätigkeiten mittels Automaten, kundgemacht in der Stadtzeitung von Hall in Tirol, Nr. 36/2004 vom 7. Oktober 2004 sowie durch Anschlag an der Amtstafel des Stadtamtes Hall in Tirol im Zeitraum vom 8. bis 25. Oktober 2004, ein. Mit Erkenntnis vom 19. September 2011, V34/11, hob er die vorstehende Wort- und Zeichenfolge als gesetzwidrig auf.
2. Die Beschwerde ist begründet.
Die belangte Behörde hat eine gesetzwidrige Verordnung angewendet. Es ist nach Lage des Falles nicht ausgeschlossen, dass ihre Anwendung für die Rechtsstellung des Beschwerdeführers nachteilig war.
Der Beschwerdeführer wurde durch den angefochtenen Bescheid wegen Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnung in seinen Rechten verletzt (zB VfSlg. 10.303/1984, 10.515/1985).
Der Bescheid war daher aufzuheben.
3. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 Z3 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf §88 VfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von € 400,-- sowie eine Eingabengebühr gemäß §17a VfGG in der Höhe von € 220,-- enthalten. Dem Antrag des Bürgermeisters der Stadtgemeinde Hall in Tirol auf Zuerkennung des Aufwandersatzes für Schriftsatzaufwand, Vorlageaufwand und allfälligen Verhandlungsaufwand im Sinne des §88 VfGG war schon deshalb nicht stattzugeben, weil es sich bei dem von ihm eingebrachten Schriftsatz, mit dem er von der ihm eingeräumten Möglichkeit der Erstattung einer Äußerung Gebrauch gemacht hat, nicht um einen abverlangten Schriftsatz handelt (vgl. VfSlg. 13.847/1994, 15.300/1998, 15.818/2000, 16.037/2000, 16.463/2002).
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