Normen
B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
B-VG Art144 Abs1 / Anlaßfall
B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
B-VG Art144 Abs1 / Anlaßfall
Spruch:
Der Bescheid wird im angefochtenen Umfang aufgehoben.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. a) Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Finanzlandesdirektion für Tirol vom 2. November 1978 wurde der Erstbf. schuldig erkannt, dadurch das Finanzvergehen der Hinterziehung von Eingangsabgaben nach §35 Abs2 Finanzstrafgesetz, BGBl. 129/1958, (im folgenden kurz als "FinStrG" bezeichnet) begangen zu haben, daß er in den Jahren 1975 und 1976 zur Verkürzung von 555 S an Eingangsabgaben vorsätzlich beigetragen und die Verkürzung von 152 S an Eingangsabgaben bewirkt habe; ferner dadurch das Finanzvergehen der fahrlässigen Verkürzung von Eingangsabgaben nach §36 Abs2 leg. cit. begangen zu haben, daß er am 3. Feber 1976 eingangsabgabenpflichtige Bücher, auf die 61 S an Eingangsabgaben entfielen, fahrlässig dem Zollverfahren entzogen habe. Über den Erstbf. wurde gemäß §§21, 35 Abs4 und 36 Abs3 FinStrG eine Geldstrafe von 1000 S und eine Ersatzfreiheitsstrafe von 2 Tagen verhängt. Gemäß §35 Abs4 iVm. §17 FinStrG wurde auf den Verfall verschiedener näher bezeichneter Druckwerke erkannt.
Für eine Reihe weiterer näher bezeichneter Druckwerke wurde gemäß §19 Abs1 FinStrG statt auf Verfall auf Wertersatz in der Höhe von 685048 S erkannt; gemäß §20 FinStrG wurde für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe im Ausmaß von 2 Monaten festgesetzt.
Schließlich wurde mit diesem Bescheid ausgesprochen, daß die Zweitbf. für den Wertersatz gemäß §28 Abs2 FinStrG hafte.
b) Die Finanzlandesdirektion ging hiebei von folgendem, im wesentlichen unbestrittenen Sachverhalt aus:
Die Zweitbf. ist die Ehegattin des Erstbf. Sie betrieb in Kufstein unter der Firmenbezeichnung "A-V" eine Handelsagentur. Der Erstbf. arbeitete in diesem Geschäftsbetrieb mit. Er besorgte den Ein- und Verkauf, führte die Korrespondenz mit den Lieferanten und Kunden und wickelte die Zollabfertigungen ab.
Im Rahmen dieses Unternehmens wurden Druckwerke aus der Bundesrepublik Deutschland eingeführt. Eine vom Zollamt Innsbruck durchgeführte Überprüfung der Geschäftsunterlagen ergab, daß der Erstbf. bestimmte ausländische Lieferanten veranlaßt hatte, die Versand- und Portokosten mit einer eigenen (nicht für die Vorlage bei der Zollbehörde bestimmten) Faktura in Rechnung zu stellen; dies in der erklärten Absicht, sich die auf diese Kosten entfallenden Eingangsabgaben zu ersparen.
Die auf diese Weise verkürzten Eingangsabgaben wurden aufgrund nachträglicher Bescheide zur Gänze bezahlt.
c) Die Behörde vertritt in diesem Berufungsbescheid die Ansicht, daß jene Waren, hinsichtlich derer bei der Einfuhr ein Teil der auf sie entfallenden Einfuhrumsatzsteuer hinterzogen wurde, gemäß §17 Abs2 lita FinStrG dem Verfall unterlägen, und daß daher nach §19 Abs1 FinStrG auf Wertersatz zu erkennen sei, soweit der Verfall nicht realisierbar wäre. Den von den Berufungswerbern (den Bf. dieses verfassungsgerichtlichen Verfahrens) eingenommenen Standpunkt, daß nur die (verschwiegenen) Versandkosten, nicht aber die Waren, die ja ordnungsgemäß erklärt worden seien, Gegenstand des Wertersatzes sein könnten, teilte die bel. Beh. nicht.
2. Die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde bekämpft den zitierten Berufungsbescheid insoweit, als mit ihm gegen den Erstbf. eine Wertersatzstrafe (Ersatzfreiheitsstrafe) und die Verpflichtung der Zweitbf. zur Haftung für den Wertersatz ausgesprochen wird.
Die Bf. behaupten, in näher bezeichneten, verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt worden zu sein. Sie beantragen, den Bescheid im angefochtenen Umfang aufzuheben.
3. Die bel. Beh. hat in einer Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde begehrt.
II. Aus Anlaß der vorliegenden Beschwerde hat der VfGH die Verfassungsmäßigkeit des §17 Abs2 lita des BG vom 26. Juni 1958, BGBl. 129, betreffend das Finanzstrafrecht und das Finanzstrafverfahrensrecht (Finanzstrafgesetz - FinStrG), idF der Finanzstrafgesetznov. 1975, BGBl. 335, von Amts wegen geprüft.
Mit Erk. vom 14. Dezember 1983, G34/83, hat er diese Gesetzesstelle wegen Verstoßes gegen den Gleichheitssatz als verfassungswidrig aufgehoben und ausgesprochen, daß frühere gesetzliche Bestimmungen nicht wieder in Kraft treten.
III. Gemäß Art140 Abs7 B-VG ist ein vom VfGH aufgehobenes Gesetz im Anlaßfall nicht mehr anzuwenden.
Da der angefochtene Teil des Bescheides der Finanzlandesdirektion für Tirol vom 2. November 1978 in Anwendung einer gleichheitswidrigen aufgehobenen Gesetzesbestimmung ergangen ist, verletzt er die Bf. im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz (vgl. zB VfSlg. 9148/1981 und 9165/1981).
Der Bescheid war daher im angefochtenen Umfang aufzuheben.
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