Normen
EMRK Art6 Abs1 / civil rights
EMRK Art6 Abs1 / Tribunal
GehG 1956 §15 Abs1, Abs2, §16a, §40a Abs3
EMRK Art6 Abs1 / civil rights
EMRK Art6 Abs1 / Tribunal
GehG 1956 §15 Abs1, Abs2, §16a, §40a Abs3
Spruch:
Die Beschwerdeführerin ist durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt worden.
Die Beschwerde wird abgewiesen und dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung darüber abgetreten, ob die Beschwerdeführerin durch den Bescheid in einem sonstigen Recht verletzt wurde.
Kosten werden nicht zugesprochen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Die Beschwerdeführerin steht in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund. Sie ist Beamtin der allgemeinen Verwaltung, Dienstklasse VII (Oberrätin) und im rechtskundigen Dienst der Bundespolizeidirektion Wels tätig.
2. Mit schriftlicher Verfügung des Polizeidirektors als Leiter dieser Dienststelle vom 30. November 2005 wurde der Beschwerdeführerin mitgeteilt, dass sie auf Grund ihrer fachlichen Mängel im Fremdenrecht ab sofort nicht mehr zum Journaldienst herangezogen werde.
In weiterer Folge wurde mit an die Beschwerdeführerin gerichtetem Schreiben des Polizeidirektors vom 20. Jänner 2006 die Ermächtigung zur Ausübung unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt gemäß §5 Abs2 Z3 SicherheitspolizeiG widerrufen.
Dagegen remonstrierte die Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 24. Jänner 2006. Darin führte sie aus, dass die Weisung ohne Rechtsgrundlage erfolgt sei, weil die Beschwerdeführerin exekutivdiensttauglich sei und auf Grund ihrer dienstlichen Stellung als Polizeijuristin auch für den Exekutivdienst herangezogen werden müsse.
Daraufhin wurde die Ermächtigung der Beschwerdeführerin zur Ausübung unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt mit Bescheid des Polizeidirektors vom 31. Jänner 2006 widerrufen. Begründend wird dazu ausgeführt, dass die Beamtin die fachlichen Voraussetzungen dafür nicht mehr erfülle. Sie sei bereits vom Vorgänger des nunmehrigen Behördenleiters wegen fachlicher Mängel von der Leitung einer der Abteilungen der Bundespolizeidirektion Wels abberufen worden. Es sei nicht mehr zu verantworten, dass die Beamtin im Zuge des Journaldienstes in Angelegenheiten von Freiheitsentziehungen entscheidungsbefugt sei.
Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin mit Schriftsatz vom 7. Februar 2006 Berufung an die Bundesministerin für Inneres. Begründend bringt sie darin vor, dass der Widerruf der Ermächtigung zur Ausübung unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt zu Unrecht erfolgt sei, weil sie die dafür erforderlichen Voraussetzungen seit vielen Jahren und noch immer erfülle. Die erstinstanzliche Behörde habe überdies kein Ermittlungsverfahren durchgeführt und dadurch sowohl Verfahrensvorschriften verletzt als auch die Beschwerdeführerin benachteiligt.
Mit Bescheid vom 1. August 2006 verfügte die Bundesministerin für Inneres Folgendes:
"Der Berufung wird Folge gegeben und der angefochtene Bescheid der Bundespolizeidirektion Wels ersatzlos aufgehoben."
Begründend wird dazu im Wesentlichen ausgeführt, dass die Ermächtigung zur Ausübung unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt nicht der Bescheidform bedürfe und daher auch ein allfälliger Widerruf als actus contrarius ebenfalls nicht bescheidmäßig zu ergehen habe. Da die Erlassung eines Bescheides nicht vorgesehen sei, habe die Sachentscheidung der Berufungsbehörde in einer bloßen Kassation des angefochtenen Bescheides zu bestehen, um den von der Rechtsordnung gewünschten Zustand herzustellen.
3. Ab 1. März 2006 wurden der Beschwerdeführerin die Pauschalvergütung für den verlängerten Dienstplan gemäß §16a GehaltsG, die iSd §15 GehaltsG pauschalierte Aufwandsentschädigung gemäß §20 GehaltsG und die Exekutivdienstzulage gemäß §40a GehaltsG nicht mehr ausgezahlt. Die mit den Monatsbezügen für Jänner und Februar 2006 ausgezahlten Zulagen wurden im März 2006 als Übergenuss in Höhe von jeweils EUR 294,40 ausgewiesen und abgezogen.
Mit Schreiben vom 27. Februar 2006 erhob die Beschwerdeführerin "Einspruch gegen den rückwirkenden Abzug der Zulagen", ersuchte um "Auszahlung der in Abzug gebrachten Beträge" und um "Zuerkennung all dieser Zulagen ... in Zukunft, da die Voraussetzungen als Polizeijuristin weiter vorl[ä]gen".
Da der Polizeidirektor der Bundespolizeidirektion Wels als erstinstanzliche Dienstbehörde darüber keine Entscheidung traf, beantragte die Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 30. November 2006 den Übergang der Zuständigkeit hiefür an den Bundesminister für Inneres. Dieser entschied mit dem hier bekämpften Bescheid vom 8. März 2007 dahingehend, dass die begehrten Nebengebühren ab 1. Februar 2006 nicht mehr gebührten und die für den Monat Februar angewiesenen Nebengebühren in Höhe von EUR 294,40 als Übergenuss zu werten und zurückzuerstatten seien.
4. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter und auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz geltend gemacht und die kostenpflichtige Aufhebung des bekämpften Bescheides, in eventu die Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, beantragt wird.
5. Der Bundesminister für Inneres legte als belangte Behörde die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in der er den angefochtenen Bescheid verteidigt und beantragt, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.
Auf Einladung des Verfassungsgerichtshofes erstattete der Verfassungsdienst des Bundeskanzleramtes eine Äußerung zur vorliegenden Beschwerde "im Lichte der neuen Rechtsprechung des EGMR zu Art6 EMRK (Appl.no.63235/00)".
II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:
1. Es ist von folgender Rechtslage auszugehen:
1.1. Die §15 Abs1 und 2, §16a Abs1 und §40a Abs3 GehaltsG lauten wie folgt:
"Nebengebühren
§15. (1) Nebengebühren sind
- 1. die Überstundenvergütung (§16),
- 2. die Pauschalvergütung für verlängerten Dienstplan (§16a),
- 3. die Sonn- und Feiertagsvergütung (Sonn- und Feiertagszulage) (§17),
- 4. die Journaldienstzulage (§17a),
- 5. die Bereitschaftsentschädigung (§17b),
- 6. die Mehrleistungszulage (§18),
- 7. die Belohnung (§19),
- 8. die Erschwerniszulage (§19a),
- 9. die Gefahrenzulage (§19b),
- 10. die Aufwandsentschädigung (§20),
- 11. die Fehlgeldentschädigung (§20a),
- 12. der Fahrtkostenzuschuß (§20b),
- 13. die Jubiläumszuwendung (§20c),
- 14. die Vergütung nach §23 des Volksgruppengesetzes, BGBl. Nr. 396/1976 (§20d).
Anspruch auf eine Nebengebühr kann immer nur für Zeiträume bestehen, für die auch ein Anspruch auf Gehalt besteht.
(2) Die unter Abs1 Z1, 4 bis 6 und 8 bis 11 angeführten Nebengebühren sowie die im Abs1 Z3 angeführte Sonn- und Feiertagsvergütung können pauschaliert werden, wenn die Dienstleistungen, die einen Anspruch auf eine solche Nebengebühr begründen, dauernd oder so regelmäßig erbracht werden, dass die Ermittlung monatlicher Durchschnittswerte möglich ist (Einzelpauschale). Die Pauschalierung bedarf in den Fällen des Abs1 Z1, 3 bis 6 und 10 der Zustimmung des Bundeskanzlers. Die Festsetzung einheitlicher Pauschale für im Wesentlichen gleichartige Dienste ist zulässig (Gruppenpauschale). Bei pauschalierten Nebengebühren für zeitliche Mehrleistungen ist zu bestimmen, welcher Teil der Vergütung den Überstundenzuschlag darstellt."
"Pauschalvergütung für verlängerten Dienstplan
§16a. (1) Beamten, für die ein Dienstplan gemäß §48 Abs6 des Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979 gilt, gebührt für die über die im §48 Abs2 des Beamten-Dienstrechtsgesetzes 1979 angeführte Wochendienstzeit hinausgehende, in den Dienstplan fallende Zeit, eine monatliche Pauschalvergütung."
"Exekutivdienstliche Tätigkeiten
§40a. (1) ...
(2) ...
(3) Für die mit der dienstplanmäßigen Tätigkeit verbundene besondere Gefährdung gebührt
- 1. dem Beamten des Höheren Dienstes, der ständig im Bereich einer Justizanstalt (mit Ausnahme der Justizwachschule) leitenden Vollzugsdienst versieht,
- 2. dem Beamten, der ständig als Erzieher an Justizanstalten unmittelbaren Gefangenenaufsichtsdienst versieht,
- 3. dem Beamten des rechtskundigen Dienstes bei den Bundespolizeibehörden und Sicherheitsdirektionen,
- 4. dem Beamten des amtsärztlichen Dienstes bei den Bundespolizeibehörden und Sicherheitsdirektionen,
- 5. dem Beamten, der als Erzieher an Justizanstalten unmittelbaren Gefangenenaufsichtsdienst versieht, aber nicht unter Z2 fällt, an Stelle der im §19b vorgesehenen Nebengebühr eine monatliche Vergütung."
1.2. §5 SicherheitspolizeiG lautet:
"Besorgung des Exekutivdienstes
§5. (1) Die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes versehen für die Sicherheitsbehörden den Exekutivdienst.
(2) Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes sind Angehörige
- 1. des Wachkörpers Bundespolizei,
- 2. der Gemeindewachkörper und
- 3. des rechtskundigen Dienstes bei Sicherheitsbehörden,
wenn diese Organe zur Ausübung unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt ermächtigt sind.
(3) Der sicherheitspolizeiliche Exekutivdienst besteht aus dem Streifen- und Überwachungsdienst, der Ausübung der ersten allgemeinen Hilfeleistungspflicht und der Gefahrenabwehr mit den Befugnissen nach dem 3. Teil sowie aus dem Ermittlungs- und dem Erkennungsdienst.
(4) Der Streifendienst ist im Rahmen der Sprengel der Bundespolizeidirektionen und Bezirksverwaltungsbehörden sowie sprengelübergreifend innerhalb des Landes zu besorgen. Für den Funkstreifendienst sind die notwendigen Einsatzzentralen zu unterhalten, die rund um die Uhr über das öffentliche Fernsprechnetz zum Ortstarif für Notrufe erreichbar sind.
(5) Die Sicherheitsexekutive besteht aus den Sicherheitsbehörden und den diesen beigegebenen oder unterstellten Wachkörpern."
2. Die vorliegende Beschwerde wirft - auch wenn das nicht ausdrücklich vorgebracht wird - im Lichte der neuesten Rechtsprechung des EGMR in erster Linie die Frage auf, ob die zu Grunde liegende dienstrechtliche Streitigkeit dem Begriff der "civil rights" iSd Art6 EMRK unterfällt oder nicht.
Vorweg ist dazu auf Folgendes hinzuweisen:
Im Urteil des EGMR (Große Kammer) vom 19. April 2007, Fall Eskelinen ua. gegen Finnland, Beschwerde Nr. 63235/00 - das eine dienstrechtliche Streitigkeit betreffend individuelle Gehaltszuschüsse (in Höhe von EUR 84.- bis EUR 114.-) von finnischen Staatsbediensteten, die als Polizisten bzw. als Bürokraft in einer Polizeidienststelle tätig waren, zum Gegenstand hat - wird iW die folgende Auffassung vertreten:
In seiner Rechtsprechung vor dem Urteil vom 8. Dezember 1999 im Fall Pellegrin gegen Frankreich habe es der Gerichtshof als allgemeine Regel erachtet, dass Streitigkeiten über die Aufnahme, Laufbahn und Beendigung des Dienstverhältnisses von Beamten nicht in den Anwendungsbereich von Art6 EMRK fielen.
In seinem Urteil im Fall Pellegrin sei der Gerichtshof jedoch zur Auffassung gelangt, dass diese Rechtsprechung für die Vertragsstaaten der EMRK ein gewisses Maß an Ungewissheit enthalte, was den Umfang ihrer Verpflichtungen nach Art6 Abs1 EMRK in Streitigkeiten betreffe, die von Bediensteten im öffentlichen Sektor betreffend die Bedingungen ihres Dienstes angestrengt würden. Der Gerichtshof habe sich bemüht, dieser Unsicherheit dadurch ein Ende zu setzen, dass er eine autonome Auslegung des Begriffs "öffentlicher Dienst" vorgenommen habe, die es ermöglichen sollte, den öffentlich Bediensteten, die gleichwertige oder ähnliche Dienstpflichten in den Vertragsstaaten der Konvention zu erfüllen hätten, unabhängig vom innerstaatlichen System der Beschäftigung und insbesondere von der jeweiligen Natur der Rechtsbeziehung zwischen dem Bediensteten und der staatlichen Behörde eine gleiche Behandlung zukommen zu lassen. Zu diesem Zweck habe der Gerichtshof ein funktionelles Kriterium eingeführt, das sich auf die Art der Pflichten und Verantwortlichkeiten des Bediensteten gründe. Die Inhaber von Stellen, die Verantwortlichkeiten mit sich brächten, die im Allgemeininteresse oder in der Teilnahme an der Ausübung von durch das öffentliche Recht übertragener Gewalt begründet seien, übten einen Teil staatlicher Souveränität aus. Der Staat habe daher ein legitimes Interesse, von diesen Bediensteten ein besonderes Band der Treue und Loyalität zu verlangen. Auf der anderen Seite bestehe in Bezug auf Stellen, für die dieser Gesichtspunkt der öffentlichen Verwaltung nicht gelte, kein solches Interesse. Der Gerichtshof habe daher entschieden, dass die einzigen Streitigkeiten, die vom Anwendungsbereich des Art6 Abs1 EMRK ausgenommen seien, jene seien, die von öffentlichen Bediensteten betrieben würden, deren Pflichten für die besonderen Tätigkeiten des öffentlichen Dienstes insoweit typisch seien, als Letzterer als der Beauftragte öffentlicher Gewalt auftrete und für den Schutz der allgemeinen Interessen des Staates oder anderer staatlicher Behörden verantwortlich sei. Als offensichtliches Beispiel solcher Tätigkeiten habe der Gerichtshof die Streitkräfte und die Polizei genannt.
In einer Analyse der seit dem Urteil im Fall Pellegrin entschiedenen Fälle komme der Gerichtshof aber zu dem Schluss, dass das funktionelle Kriterium, wie es in der Praxis angewendet werde, die Beurteilung der Anwendbarkeit des Art6 EMRK in Verfahren, in denen ein öffentlich Bediensteter Partei sei, nicht vereinfacht worden sei, oder wie das beabsichtigt gewesen sei, einen höheren Grad an Sicherheit auf diesem Gebiet mit sich gebracht habe. Der Gerichtshof sei daher der Ansicht, dass das im Urteil im Fall Pellegrin angenommene funktionelle Kriterium weiterentwickelt werden müsse: Es müssten zwei Bedingungen erfüllt sein, damit sich der belangte Staat vor dem Gerichtshof auf die Stellung des Beschwerdeführers als öffentlich Bediensteter berufen könne, um den in Art6 EMRK enthaltenen Schutz auszuschließen. Erstens müsse der Staat in seinem innerstaatlichen Recht den Zugang zu einem Gericht für die in Rede stehende Stelle oder Kategorie von Bediensteten ausdrücklich ausgeschlossen haben. Zweitens müsse dieser Ausschluss durch objektive Gründe im Interesse des Staates gerechtfertigt sein. Um den Ausschluss zu rechtfertigen, genüge es nicht, dass der Staat dartue, dass der betroffene öffentlich Bedienstete an der Ausübung öffentlicher Gewalt teilnehme oder dass ein besonderes Band der Treue und Loyalität zwischen dem öffentlich Bediensteten und dem Staat als Dienstgeber bestehe. Der Staat müsse auch aufzeigen, dass sich der Streitgegenstand auf die Ausübung staatlicher Gewalt beziehe oder das besondere Band in Frage stelle. Daher könne es grundsätzlich keine auf der speziellen Natur der Beziehung zwischen bestimmten öffentlich Bediensteten und dem Staat beruhende Rechtfertigung für den Ausschluss gewöhnlicher arbeitsrechtlicher Streitigkeiten, die sich etwa auf Bezüge, Zuschüsse oder ähnliche Ansprüche bezögen, von den Garantien des Art6 EMRK geben. Im Ergebnis gelte daher die Vermutung, dass Art6 EMRK anwendbar sei.
Der EGMR betont in seinem Urteil im Fall Eskelinen ua. allerdings auch, dass die im Einzelfall getroffene Schlussfolgerung, Art6 EMRK sei auf eine bestimmte dienstrechtliche Streitigkeit anwendbar, noch kein Präjudiz für die Frage darstelle, wie die verschiedenen Garantien des Art6 EMRK auf öffentlich Bedienstete betreffende Streitigkeiten angewendet werden sollten.
Der Verfassungsgerichtshof geht angesichts dieser neuesten Rechtsprechung des EGMR davon aus, dass dieser seine bisherige, iW mit dem Urteil im Fall Pellegrin gegen Frankreich vom 8. Dezember 1999 eingeleitete Rechtsprechung - der der Verfassungsgerichtshof mit seinem Erkenntnis VfSlg. 17.644/2005 ausdrücklich folgte und die der EGMR noch kurz vor seiner Entscheidung im Fall Eskelinen ua. in seinem Österreich betreffenden Urteil vom 9. November 2006 im Fall Stojakovic vertrat - nicht mehr aufrecht hält.
Der Verfassungsgerichtshof sieht sich - ungeachtet möglicher gewichtiger Einwände gegen diese neue Rechtsauffassung des EGMR, wie sie etwa im gemeinsamen Sondervotum der Richter Costa, Wildhaber, Türmen, Borrego Borrego und Jociene ihren Ausdruck gefunden haben - gehalten, dem EGMR in dessen nunmehr geänderter Beurteilung des Anwendungsbereiches des Art6 Abs1 EMRK in Bezug auf dienstrechtliche Streitigkeiten öffentlich Bediensteter zu folgen. Soweit derartige Streitigkeiten durch die innerstaatliche Rechtsordnung geregelte, subjektive Rechte oder Pflichten des jeweils betroffenen Bediensteten zum Gegenstand haben, findet Art6 EMRK Anwendung.
Im vorliegenden Fall liegt es auf der Hand, dass die Beschwerdeführerin - in den Worten des Urteiles des EGMR im Fall Eskelinen ua. gesprochen - insofern "access to a court under national law" hatte, als die bescheidförmige Entscheidung der in letzter Instanz zuständigen Dienstbehörde über die Gebührlichkeit bestimmter gesetzlich geregelter Nebengebühren (neben der Möglichkeit, den Verfassungsgerichtshof anzurufen) der nachprüfenden Kontrolle des Verwaltungsgerichtshofes unterliegt. Schon deshalb ist Art6 EMRK auf den vorliegenden Fall anzuwenden.
Was nun die danach garantierte Entscheidung der Rechtssache durch ein unparteiisches und unabhängiges, auf Gesetz beruhendes Gericht anlangt, so geht der Verfassungsgerichtshof im Hinblick auf seine im Erkenntnis VfSlg. 17.644/2005 dazu angestellten Überlegungen sowie im Hinblick auf das Urteil des EGMR im Fall Eskelinen ua. selbst (vgl. dessen Z64 und den dortigen Hinweis auf das Urteil vom 21. September 1993 im Fall Zumtobel gegen Österreich) davon aus, dass diesem Erfordernis mit der soeben erwähnten, nachprüfenden Kontrolle letztinstanzlicher dienstbehördlicher Bescheide durch den Verwaltungsgerichtshof (neben der Möglichkeit, den Verfassungsgerichtshof anzurufen) Rechnung getragen ist.
Es ist - wie bereits erwähnt - weder vorgebracht worden noch sonst hervorgekommen, dass im vorliegenden Fall andere Garantien, die Art6 EMRK vorsieht, verletzt sein könnten.
Im Hinblick darauf liegt also eine Verletzung der Beschwerdeführerin in dem aus Art6 EMRK erfließenden verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht nicht vor.
3. Im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter erachtet sich die Beschwerdeführerin iW deshalb als verletzt,
"weil [der bekämpfte Bescheid] auf einer Rechtsauffassung beruht, die mit der gesetzlichen Kompetenz und Zuständigkeit ... sowie der getroffenen Entscheidung einer anderen Behörde nicht vereinbar ist."
Dieser Vorwurf ist angesichts des mit dem bekämpften - im Devolutionsweg ergangenen - Bescheid getroffenen Ausspruchs, der iW dahin lautet, dass der Beschwerdeführerin ab 1. Februar 2006 näher genannte Nebengebühren nicht mehr gebührten bzw. bereits angewiesene Nebengebühren als Übergenuss zu werten und rückzuerstatten seien, nicht nachvollziehbar. Das Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter wird durch den Bescheid einer Verwaltungsbehörde verletzt, wenn diese eine ihr gesetzlich nicht zukommende Zuständigkeit in Anspruch nimmt (zB VfSlg. 15.372/1998, 15.738/2000, 16.066/2001, 16.298/2001 und 16.717/2002) oder wenn die Behörde in gesetzwidriger Weise ihre Zuständigkeit ablehnt, etwa indem sie zu Unrecht eine Sachentscheidung verweigert(zB VfSlg. 15.482/1999, 15.858/2000, 16.079/2001 und 16.737/2002).
Nichts davon trifft aber hier zu.
4. Die Beschwerdeführerin behauptet weiters, im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt zu sein.
Angesichts der verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit der angewendeten Rechtsvorschriften und des Umstandes, dass kein Anhaltspunkt dafür besteht, dass die Behörde diesen Vorschriften fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt hat, könnte die Beschwerdeführerin im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz nur verletzt worden sein, wenn die Behörde Willkür geübt hätte.
Ein willkürliches Verhalten der Behörde, das in die Verfassungssphäre eingreift, liegt unter anderem in einer gehäuften Verkennung der Rechtslage, aber auch im Unterlassen jeglicher Ermittlungstätigkeit in einem entscheidenden Punkt oder dem Unterlassen eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens überhaupt, insbesondere in Verbindung mit einem Ignorieren des Parteivorbringens und einem leichtfertigen Abgehen vom Inhalt der Akten oder dem Außer-Acht-Lassen des konkreten Sachverhaltes (zB VfSlg. 8808/1980 mwN, 14.848/1997, 15.241/1998 mwN, 16.287/2001, 16.640/2002).
Auch davon kann keine Rede sein.
Die Rechtsauffassung der belangten Behörde, es komme hier nur darauf an, dass die Beschwerdeführerin nicht mehr zur Ausübung unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt ermächtigt sei, ist jedenfalls vertretbar.
5. Die von der Beschwerdeführerin behauptete Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte hat sohin nicht stattgefunden.
6. Das Beschwerdeverfahren hat auch nicht ergeben, dass die Beschwerdeführerin in einem sonstigen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht verletzt worden wäre; ebenso wenig entstanden - aus der Sicht dieser Beschwerdesache - verfassungsrechtliche Bedenken gegen die dem bekämpften Bescheid zu Grunde liegenden Rechtsvorschriften. Die Beschwerdeführerin wurde mithin auch nicht wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt.
Die Beschwerde war daher insgesamt als unbegründet abzuweisen.
7. Dem Begehren der belangten Behörde auf Zuspruch von Kosten war schon deshalb nicht zu entsprechen, weil Barauslagen nicht verzeichnet wurden und der Ersatz sonstiger Kosten nach ständiger Spruchpraxis des Verfassungsgerichtshofes der belangten Behörde zur Verteidigung des eigenen Bescheides im Allgemeinen nicht zukommt (vgl. VfSlg. 10.003/1984, 16.156/2001, 17.195/2004, VfGH 11.6.2007 B1636/06).
8. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
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